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Die fünf Wesensmerkmale selbstbewusster Kinder

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Wenn Kinder in den inneren Dialog treten und eigenständig zu handeln anfangen, bilden sich zwei Charakterzüge heraus: ein starkes Selbstbewusstsein und ein großes Bedürfnis, sich innerhalb der Gemeinschaft nützlich zu machen. Aus diesen beiden Wesenszügen entspringen fünf Eigenschaften, die sie als selbstbestimmte Wesen auszeichnen.

1. Selbstachtung/gesundes Selbstvertrauen

Selbstbewusste Kinder haben ein Selbstvertrauen entwickelt, das sie dazulernen und persönlich wachsen lässt. Der Verstand ist in der Tat ein unvoreingenommener und nicht nachtragender Richter. Er versetzt die Kinder in die Lage, Niederlagen zu verkraften, aus Fehlern zu lernen und zu eigenen Schwächen zu stehen, ohne dadurch an Selbstwertgefühl einzubüßen. Weil solche Kinder nicht bloß auf äußere Einflüsse reagieren, verhalten sie sich weniger defensiv. Sie nehmen die Dinge nicht gleich persönlich. Kinder finden nur in einer Atmosphäre bedingungsloser Liebe und Anerkennung zu dieser Einstellung.

2. Tüchtigkeit

Selbstbewusste Kinder können ihre Umwelt begreifen und sie beeinflussen. Da sie Fehler nicht als etwas erleben, das ihnen ihr Selbstwertgefühl raubt, sind sie unternehmungslustig und erkunden ihre intellektuellen und körperlichen Grenzen. Sie sind kompetent. Auch wenn ihnen manches misslingt, haben diese Kinder im Lauf der Jahre einiges vorzuweisen, was Erfolge und Fertigkeiten betrifft. Sie werden immer selbstsicherer. Ihr Selbstwertgefühl und Kompetenzempfinden wächst. Selbstbewusste Kinder werden in Umgebungen groß, in der sie zur Entwicklung ihrer Fähigkeiten und zu neuen Unternehmungen ermutigt werden, ohne eine Versagensangst eingeimpft zu bekommen. Sie erfahren, dass sie sich weder lächerlich machen, noch sich schämen müssen, noch Kritik zu fürchten brauchen, wenn einmal etwas daneben geht. Doch ihnen werden nicht die Konsequenzen ihrer Fehler erspart.

3. Selbständigkeit

Selbstbewusste Kinder entfalten durch ihre Tüchtigkeit ein Gefühl der Selbständigkeit – das heißt die Fähigkeit, zu eigenen Entscheidungen zu stehen. Ihr Nachdenken macht sie zu unabhängigen Problemlösern. Sie lassen sich bei ihren Entscheidungen nicht so leicht von äußeren Einflüssen leiten. Unverständige und abhängige Menschen zeichnen sich vor allem dadurch aus, dass sie sich kaum äußeren Einflüssen widersetzen können.

4. Zivilcourage

Da selbstbewusste Kinder sachlich denken können – und sich nicht nur an den Erwartungen anderer orientieren – tendieren sie mehr dazu, mehr im Eigeninteresse zu handeln, statt rücksichtslos Interessen zu verfolgen. Moralisch ausgedrückt, selbstbestimmte Menschen bemühen sich darum, das grundsätzlich Richtige zu tun. Wenn zum Beispiel Timmy auf dem Pausenhof einen Briefumschlag findet, in dem sich das Mittagessensgeld eines Mitschülers befindet, wird ihm seine innere Stimme sagen, dass er sich schlecht fühlen wird, wenn er es behält, weil der den rechtmäßigen Besitzer damit in Schwierigkeiten bringt. Oder nehmen wir an, Kristina sieht, wie ihre beste Freundin von einigen modebewussten Mitschülerinnen wegen ihrer altmodischen Kleidung gemobbt wird. Wird sie ihr beistehen und dabei riskieren, dass auch sie von der Gruppe ausgelacht und „ausgestoßen“ wird? Oder wird sie sich davonschleichen und hoffen, dass sie niemand dabei sieht? Oder noch schlimmer, wird sie sich dem Mobbing anschließen? Wenn sie selbstbewusst ist, wird sie ihren moralischen Grundsätzen entsprechend handeln: sie wird ihrer Freundin beistehen. Ihre innere Stimme sagt ihr, dass sie sich sonst wie eine Verräterin vorkommen wird. Sie sähe auch, dass sie mit ihrer Untreue die Freundschaft aufs Spiel setzt – eine Folge, die sie sicher vermeiden will. Da sie ein starkes Selbstbewusstsein und eine gesunde Selbstachtung hat, braucht sie die Anerkennung der beliebten Mädchen überhaupt nicht. So wird die Entscheidung leicht sein. Die Logik moralischer Grundsätze und Werte erklärt die große Selbstbeherrschung, Selbstdisziplin und Rechtschaffenheit selbstbewusster Kinder.

5. Sie tun sich in der Gruppe hervor

Der Mensch ist ein Herdentier, das heißt, wir alle haben das Bedürfnis nach einem sinnvollen Platz in der Gruppe und richten unser Denken und Tun danach aus. Manche Kinder tun und glauben alles, was die Gruppe vorschreibt, nur um dazu zu gehören. Sie stellen damit ihre Anpassung über das Bedürfnis, etwas Eigenes zur Gruppe beizutragen. Wenn Kinder vor allem auf Anerkennung aus sind, sind sie außengesteuert. Weil sie von ihrer Umgebung dazu veranlasst wurden, haben sie ihre eigene Identität mehr oder weniger aufgegeben und durch ein von außen bestimmtes Selbstbild ersetzt. Die bedingende Erziehungsform scheint den Vorteil zu haben und wird deswegen wohl auch angewendet, dass sich so mit Kindern offensichtlich leichter fertig werden lässt, - solange wir diejenigen sind, deren Wünschen sie sich anpassen. Es ist so bequem, wenn sie sich wunschgemäß verhalten. Leider gilt es dann für andere äußere Einflüsse ebenso, denen sie unvermeidlich ausgesetzt sein werden – Altersgenossen und Medien zum Beispiel – und schon ist die Pandorabüchse der Erziehungsalpträume geöffnet.

Dann gibt es Kinder, die durch eigenständige Beiträge ihren Platz in einer Gruppe finden wollen – und zwar mehr, weil sie die Gruppe gut finden, und weniger, weil die Gruppe sie ausgewählt hat. Sie sind eher geneigt, sich Anerkennung in der Gruppe zu verdienen als zu erzwingen. Solche Kinder sind selbstbewusst. Und da sie die Gruppe nicht unbedingt als Ideengeber brauchen und ihre Umgebung als weniger bedrohlich erleben, können sie sich innerhalb der Gruppe sinnvoll hervortun. Sie müssen nicht blind gehorchen, und jedes hüh und hott mitmachen. Durch ihre vielen Fertigkeiten können sie sich geschickt einbringen und Wertvolles für die Gruppe leisten. Und durch dieses Beitragen werden sie wieder in ihrem Selbstvertrauen, und ihrem Selbstwertgefühl bestärkt. Sie werden noch selbständiger. Man sieht, wie sich dieser Prozess selbst verstärkt.

Selbstbewusste Kinder finden durch ihr entschlossenes Auftreten sehr leicht Anschluss. Sie brauchen keinen Verbündeten, um sich sicher zu fühlen. Da sie sich ihre grundsätzliche Selbstachtung über keine Gruppe holen müssen, können sie sich die Gruppen, zu denen sie gehören möchten, selbst auswählen sowie über den optimalen Einsatz ihrer Stärken und Fähigkeiten entscheiden. Sarah könnte zum Beispiel mit ihrem Organisationstalent eine Nachhilfegruppe für lernschwächere MitschülerInnen gründen, aber auch vermittelnd eingreifen, wenn es Streit zwischen Mitschülern oder unter den Geschwistern gibt.

Der Nachteil ist, dass selbstbewusste Kinder oft schwer lenkbar sind. Schließlich haben sie ihren eigenen Kopf, und da kann es schon manchmal vorkommen, dass ihre Vorstellungen mit unseren kollidieren. Aber unsere Erziehungsaufgabe ist ja, sie anzuleiten, auf ihre Art mit dem Leben zurecht zukommen, und nicht, mit ihnen fertig zu werden. Und was dürfte der Menschheitsentwicklung noch zuträglicher sein? Kämen die Houston Astros sehr weit, wenn alle Zwischenspieler wären? Natürlich nicht. Eine Gruppe benötigt Anführer, Vermittler, Sympathisanten, Jäger, Sammler, Heiler, Erfinder, Lehrer und so weiter.

Indem wir unsere Kinder zur Selbständigkeit anleiten, können wir als Eltern aus diesem Herdentrieb Kapital schlagen. Schließlich wollen sie uns, den Alphawölfen, instinktiv gefallen. Sie wollen das Gefühl haben dazuzugehören und etwas Besonderes leisten. Unsere Aufgabe ist es, ihnen zu zeigen, wie das geht, und dabei soll dieses Buch helfen. Ermutigen wir sie also zur Eigenständigkeit statt zur Anpassung. Ermutigen wir sie dazu, sich lieber verdient zu machen, als Anerkennung zu erbetteln, lieber auf eigene Beiträge zu setzen als auf Konformität.

Vielleicht fragen Sie sich, „Was bringt es, diese Eigenschaften zu fördern und Kinder zur Eigenverantwortlichkeit zu erziehen?“ Ich behaupte, dass, wenn Kinder diese fünf Eigenschaften haben, sie nicht mehr nach äußeren Quellen der Anerkennung suchen müssen. Je weniger sie auf äußere Einflüsse bauen, desto stärker werden diese fünf Eigenschaften in ihnen und desto weniger brauchen sie die äußere Welt zur Ausbildung oder Stärkung ihrer Identität. Es ist eine unendliche Aufwärtsspirale Richtung Selbstverwirklichung. Schließlich haben sie, was sie zu ihrem Glück in der Welt brauchen. Und Hand aufs Herz: Was können wir mehr verlangen?

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