Читать книгу Die Erbschaft - Elisa Scheer - Страница 4
Kapitel 3
ОглавлениеCora öffnete sofort, als ich bei ihr Sturm klingelte. „Sarah? Was ist passiert?“
„Kann ich vorübergehend bei dir wohnen?“
„Klar, im Gästezimmer. Aber komm doch erstmal rein und erzähl, was passiert ist. Hast du dich mit Christian gezankt? Ich dachte, dazu ist eure Beziehung zu friedlich?“
Ich stellte meine Taschen ab und ließ mich im Wohnzimmer aufs Sofa fallen. „Beziehung? Ich kann fünf Jahre meines Lebens streichen! Es ist aus.“
„Ach komm, man wirft doch fünf Jahre nicht einfach so weg. Was hat er denn angestellt?“
„Eine andere geschwängert, und die will er heiraten.“
„Scheiße!“ Cora sah mich entsetzt an, dann stand sie wieder auf und holte zwei Gläser und eine Flasche. „Ich hatte bei der Kälte an Tee mit Rum gedacht, aber ich glaube, Rum ohne Tee passt jetzt besser. Hier, trink!“
Ich kippte den Rum auf ex und keuchte, als sich die Hitze in mir ausbreitete. „Danke, jetzt geht´s mir besser!“
Cora schenkte sofort nach. „Komm, jetzt leg alle Einzelheiten auf den Tisch!“
„Sie ist jünger als ich, fertige Betriebswirtin, aus guter Familie, stilvoll – und sie hat er immerzu gebumst, wenn er angeblich Mandanten angeworben hat. Von ihr will er ein Kind, von mir wollte er keins, wahrscheinlich war ihm meine Herkunft zu windig. Sicher hat sie auch die Superbeziehungen für sein Büro, die beiden werden zusammenarbeiten.“
Ich begann zu heulen und kippte gleich das nächste Glas Rum. „Er wollte doch heute mit mir reden, und ich blöde Kuh dachte, er sagt, dass wir jetzt heiraten können. Oder ein Baby haben. Oder dass er mir wenigstens ab jetzt ein anständiges Gehalt zahlen kann! Und dann sagt er, er hat was Besseres gefunden. Jetzt hab ich alles verloren.“
„Na, alles?“, sagte Cora, die mich wohl trösten wollte.
„Sicher alles!“ Ich schenkte mir selbst noch einmal nach. „Ich hab keinen Mann mehr, kein Dach über dem Kopf und keinen Job mehr. Geld hab ich auch nicht, keinen Uniabschluss, kein gar nichts. Ich kann mich doch gleich unter eine Brücke verziehen, sobald ich eine Pappkiste gefunden habe. Die drei Taschen sind alles, was ich besitze!“ Ich schluchzte wieder los. „Sarah, das kann doch gar nicht sein“
„Doch! Ich hab alles eingepackt, sogar die Schmutzwäsche, ich wollte doch keine Spuren hinterlassen. Lange genug habe ich seine Wohnung mit meiner stillosen Gegenwart entweiht.“ Ich schluchzte auf. „Jetzt wird mir das erst klar – es war immer seine Wohnung, nie unsere. Nichts war von mir, weil mein Kram nicht zu seinen eleganten Möbeln passte.“
„Ich fand ihn ja immer schon etwas seltsam“, sagte Cora langsam, „aber dass er so diktatorisch war? Warum hast du nie protestiert?“
„Er hatte immer überzeugende Argumente. Seine Möbel sind wirklich edel, die hat er ja geerbt. Und sein Geschmack ist besser als meiner. Und ich hatte ja ohnehin wenig Zeug, da reichte eine Schranktür und im Wohnzimmer ein verstecktes Regalfach. Was hätte ich sonst noch haben sollen? Meine Kindheit steckt in der Kiste in deinem Keller, in seinem wurde sie ja nicht geduldet.“
„Ja, habt ihr denn nichts gemeinsam angeschafft?“
„Doch“, murrte ich und warf ihr einen verschwommenen Blick zu. Dieser Rum zog ziemlich rein! „Aber das wollte ich jetzt auch nicht mehr haben, ich hab ihm nur mein Foto weggenommen, das braucht er jetzt ja nicht mehr. Soll er die stilvolle Charlotte in den Rahmen klemmen.“
Cora stand auf. „Komm, jetzt richten wir dich ordentlich im Gästezimmer ein. Du musst ja auch mal deine Sachen wieder aufhängen, oder? Beim nächsten Job brauchst du deine Kostüme vielleicht wieder – oder hast du die auch dort gelassen?“
„Nur das blaue, das er mir mal geschenkt hat, und den grauen Cocktailfetzen. Und den Schmuck natürlich. Gehörte mir ja alles nicht, war sozusagen Dienstkleidung. Dieses verlogene Schwein, er hat schon seit Wochen mit ihr rumgemacht, und mich schickt er seine Sachen aus der Reinigung holen!“
„Komm jetzt mit. Du hast ja Recht, aber du bist ganz schön besoffen.“
„Bin ich nicht. Soll ich meinen Kram wirklich auspacken? Stört es dich nicht, wenn meine Sachen herumliegen?“
„Ich bin nicht so bescheuert wie dein verflossener Ästhetikpapst. Breite dich nur aus. Jetzt komm schon!“
Während Cora mir das Gästebett bezog und die Kissen liebevoll zurechtklopfte, hängte ich meine zerdrückten Kostüme, Röcke und Blusen in den schmalen IKEA-Schrank, legte die Wäsche daneben, reihte die Schuhe ordentlich auf und stellte meine Bücher und den einzigen Ordner in ein weiteres Fach. Der Laptop kam auf das kleine Tischchen, der Morgenmantel über die Stuhllehne, die Schmutzwäsche auf den Schrankboden. Morgen würde ich Cora fragen, ob ich ihre Waschmaschine benutzen durfte. Ich stellte meinen Kulturbeutel auf den Schrank und faltete die Reisetaschen zusammen, bevor ich sie auch im Schrank verstaute. „Fertig!“
Cora wandte sich von der Nachttischlampe ab, deren Funktionstüchtigkeit sie gerade getestet hatte. „Unglaublich – da hab ich ja mehr Kram dabei, wenn ich übers Wochenende verreise. Wieso hast du so wenige Klamotten?“
Ich zuckte die Achseln und kehrte ins Wohnzimmer zurück. Cora folgte mir und sperrte den Rum mit energischen Bewegungen in ein Fach in der Schrankwand. „Jetzt kriegst du Tee ohne Rum und etwas zu essen!“
„So spät noch? Dann kann ich nicht schlafen.“
„Quatsch. Du hast hübsch einen sitzen, darauf kannst du allemal pennen. Aber du hast garantiert nicht viel zu Abend gegessen, stimmt´s? Oder hat er mit seinem geschmacklosen Geständnis gewartet, bis ihr mit dem Essen fertig wart?“
„Er hat sogar gewartet, bis ich hinterher aufgeräumt hatte. Aber ich war so nervös, weil ich immerzu dachte, er fragt mich, ob ich ihn heiraten will, also hab ich wirklich fast nichts gegessen.“
„Diese Schweinebacke! Du bleibst jetzt bitte ganz ruhig hier sitzen und schließt die Augen, ich hole Tee und etwas zu essen.“ Gehorsam lehnte ich den Kopf zurück und schloss die Augen. Coras Sofas entstammten vielleicht keiner eleganten Periode der Kunstgeschichte und waren auch keine Designerstücke, aber sie waren saubequem. Hm...
Ich schreckte hoch, als Cora zurückkam, mit einer Kanne Tee, aus der die Anhänger von zwei Teebeuteln heraushingen, und außerdem einem Teller mit aufgeschnittenem Baguette und grob gewürfeltem Käse. Ich goss mir einen Becher Tee ein und zerkrümelte ein Stück Baguette, dann musste ich zittrig lachen. „Christian hätte jetzt die Augenbrauen hochgezogen, weil du den Käse nicht ansprechend arrangiert hast, mit Weintrauben auf silberner Platte.“
„Vollidiot“, knurrte Cora und setzte sich.
„Recht hast du“, stimmte ich zu und nahm mir ein Stück Käse. Lecker, er zerging fast auf der Zunge. „Warum hast du so wenig Zeug?“, kam Cora kauend wieder auf ihr altes Thema zurück. „Weil Christian darauf bestanden hat, dass ich nur erste Qualität kaufen durfte. Und bei meinem Gehalt war nur alle halben Jahre ein Outfit drin."
Cora schüttelte den Kopf. „Was hat er dir eigentlich gezahlt?“
„Zuletzt zwölfhundert Euro netto, aber ich war ja auch am Haushalt beteiligt. Dafür sind locker acht-, neunhundert Euro im Monat draufgegangen. Und vom Rest habe ich versucht, einen Standard aufrecht zu erhalten, den ich mir eigentlich nicht leisten konnte. Alles, was ich für das Leben mit Christian nicht brauchte, hab ich verkauft. Ich konnte es ja ohnehin nicht unterbringen, für meinen unschicken Kram war kein Platz in seiner Wohnung.“
Seltsam, dass ich das plötzlich so hart formulieren konnte! Das war die reine Wahrheit, erkannte ich jetzt, und meine fünf Jahre lang gehätschelte Überzeugung, dass Christians Geschmack ohnehin der bessere und sein Lebensstil der erstrebenswerte war, löste sich plötzlich in nichts auf. „Warum hast du dir das eigentlich bieten lassen?“, fragte Cora nun. „Ich hab ihn ja nicht oft gesehen – er mochte mich wohl auch nicht, oder? – aber ich sehe nicht, dass er nun so faszinierend gewesen wäre.“
„Er sieht so edel aus, finde ich“, murmelte ich beschämt über meine eigene Dummheit. „Stimmt, er mag dich nicht. Und dass er mich finanziell überfordert hat, habe ich eben erst richtig verstanden. Komisch, nicht?“
„Saukomisch“, bestätigte Cora trocken. „Zahlst du eigentlich auch was zu den Nebenkosten der Wohnung dazu?“
„Natürlich. Halbe-halbe.“
„Obwohl du nicht einmal ein eigenes Zimmer hattest? Wo hast du deinen Kram aufbewahrt, deine Dokumente, den Laptop und so?“
„In der Küche, warum?“ Cora sprang auf und wühlte auf ihrem Schreibtisch herum. „Bist du eigentlich Aschenputtel oder was?“, schimpfte sie und kehrte mit einem Spiralblock und einem Kugelschreiber zurück auf das Sofa.
„Wir planen jetzt!“
„Was denn planen? Wie ich ihn zurückkriege? Ich will ihn nicht mehr. So wie er sich verhalten hat, ist alles Gefühl für ihn tot.“
„Jaja. Du sollst ihn gar nicht zurückholen, du bist ohne ihn besser dran.“
„Völlig tot!“, unterstrich ich wütend.
„Ich hab´s kapiert, danke. Nein, wir müssen überlegen, wie wir dein Leben wieder in Ordnung bringen. Iss noch was!“ Gehorsam nahm ich noch ein Stück Käse.
„Also“, fing Cora an, den Stift gezückt, „du zahlst Nebenkosten, ja? Einzugsermächtigung oder Dauerauftrag?“
„Dauerauftrag“, gab ich brav Auskunft.
„Gut, der wird morgen als erstes annulliert. Hast du eigentlich jemals was zurückbekommen, wenn die Nebenkostenabrechnung kam?“
„Nein, ich weiß gar nicht, ob wir zuviel bezahlt haben.“
„Ich gehe mal davon aus, dass er dich in der Beziehung über den Tisch gezogen hat. Was für eine Ratte! Als nächstes brauchst du einen neuen Job.“
„Als nächstes brauche ich eine Wohnung“, protestierte ich, „ich kann dir doch nicht ewig zur Last fallen.“
„Sarah, sei nicht so kleinlaut! Du hast noch keine Nacht hier verbracht, und ich hab doch genug Platz!“
„Und wenn Freddy kommt?“
„Du pennst doch nicht in meinem Schlafzimmer! Jetzt lass die Albernheiten, außerdem kannst du dir ohne neuen Job ohnehin keine Wohnung leisten. Job zuerst!“
„Okay, Job zuerst. Wenn mir Christian meine Lohnsteuerkarte zurückgeschickt
hat.“
„Das kann dauern. Hol dir eine zweite Karte im Rathaus, gleich morgen. Und dann schauen wir, was wir für dich finden können. Buchhaltung, übliche PC-Kenntnisse, Führerschein, pumperlgesund und angenehme Umgangsformen. Wir finden schon was für dich.“
„Ich kann ja wieder zu JobTime gehen, wie im Studium.“
„Gute Idee. Meinst du, Christian schreibt dir ein anständiges Zeugnis?“
„Kaum. Ich hab ihn Knall auf Fall sitzen gelassen.“
„Aus gutem Grund. Wenn es ihm auch nur im Geringsten peinlich ist, dass er so ein mieses Schwein ist, dann schreibt er dir ein glänzendes Zeugnis.“
„Ich glaube nicht, dass ihm das peinlich ist. Er hat gefunden, dass ich überzogen reagiert habe, als ich gegangen bin.“
„Arschloch“, murmelte Cora, über den Block gebeugt, „was hättest du denn sonst tun sollen?“
„Eben.“ Coras Verständnis baute mich wieder auf, aber bei dem Gedanken, wieviele Jahre ich für den Reichtum dieses treulosen Mistkerls gearbeitet und ihm ein komfortables Leben verschafft hatte, hätte ich vor Wut irgendwohin treten können. Stattdessen ließ ich meine Tränen wieder laufen.
„Also, erstens Daueraufträge canceln, zweitens neue Lohnsteuerkarte, drittens JobTime. Hast du noch was in Christians Wohnung, was dir gehört? Oder sollen wir uns um einen Anwalt kümmern? Ich meine, du hast jahrelang für Peanuts gearbeitet, im Hinblick auf eine schöne Zukunft – soll er dir nicht eine Abfindung zahlen? Freddy kennt dafür die richtigen Leute, das ist überhaupt kein Problem.“
„Nein, lass das. Und in der Wohnung hab ich auch nichts mehr, glaube ich. Aber mir ist noch was eingefallen – Nachsendeantrag. Kann ich erstmal dich angeben?“
„Klar doch, wen sonst?“
„Danke, Cora. Du bist wirklich meine einzige Rettung. Morgen gehe ich gleich an die Arbeit.“
„Das machen wir zusammen, ich hab morgen sowieso frei, ich muss dringend Überstunden abfeiern. Wir könnten morgen Abend auch ein bisschen in die Kneipe gehen.“
„Keine Lust“, murmelte ich.
„Ausreden gibt´s nicht“, antwortete Cora streng. „Wie viel Geld hast du?“
Ich überlegte. „Auf dem Konto wahrscheinlich nicht mehr als drei-, vierhundert Euro. Auf dem Sparbuch – naja, ich schätze etwa viertausend. Wie hätte ich mehr sparen können?“
„Warum hat Christian dir nicht gesagt, wie du dein Geld intelligenter investieren kannst? Er wird doch sein Geld nicht auch so dumm angelegt haben, oder?“
„Er hat doch die Wohnung und das Büro, ich glaube nicht, dass in bar so viel da ist. Naja, der Immobilienfonds, da steckt von mir auch ein knapper Tausender drin.“
„Den holen wir zurück, umgehend. Sarah, du musst hart sein, mir scheint, der steckt alles ein, wenn man ihm nicht auf die Finger haut. Schau doch, wie er dich ausgebeutet hat!“
„Anfangs konnte er mir nicht mehr zahlen!“
„Wer seine Angestellten nicht anständig bezahlen kann, muss eben anderswo sparen. Kleinere Wohnung, einfachere Büroeinrichtung, nicht Golf spielen – er spielt doch Golf?“
„Ja, er sagte, da käme man gut mit Mandanten ins Gespräch. Ich hätte es auch gerne gelernt, aber das war zu teuer.“
„Na, typisch. Für dich war wohl alles zu teuer, oder?“ Ich heulte wieder los. „Cora, ich weiß, dass ich eine Idiotin war, reib es mir doch nicht auch noch unter die Nase!“ Cora nahm mich in den Arm. „Das will ich doch gar nicht, Süße. Ich will dir nur zeigen, dass er dich gar nicht verdient hat. Da kannst du leicht einen Besseren finden.“
„Nie wieder! Einmal reingefallen genügt.“
„Na komm, ab und zu braucht man schon ein bisschen Spaß. Aber wehe, wenn du einem Typen auch nur einen Kaffee zahlst! Wetten, Christian war der Typ, der dich zahlen lässt und dann die Rechnung einsteckt, weil er sie von der Steuer absetzen kann?“
„Woher weißt du das?“, schniefte ich verblüfft. „Solche Typen machen das immer. Aber mit der Hälfte der Steuerersparnis kommen sie nicht rüber!“
„Nein, natürlich nicht. Ach, Cora – was hab ich denn bloß falsch gemacht?“
„Du hast gar nichts falsch gemacht, er ist der Arsch, vergiss das nicht. Warum glauben Frauen immer, es liegt an ihnen, wenn eine Beziehung nicht funktioniert? Werden wir schon mit Schuldgefühlen großgezogen? Du wartest jetzt ein bisschen, und dann suchst du dir einen Besseren und passt höllisch auf, dass er dich nicht über den Tisch zieht.“
„So bald nicht, das sag ich dir.“
„Ich hab doch gesagt, du wartest ein bisschen! Sarah, ich glaube, du gehst jetzt am besten ins Bett und schläfst dich richtig aus. Morgen frühstücken wir schön, und dann regeln wir alle Punkte auf der Liste.“ Sie tätschelte mir die Schulter. „Und wenn du Angst hast, mir lästig zu fallen, dann kannst du auch das Gästebad nehmen, das hast du ganz für dich alleine. Da ist auch eine anständige Dusche drin. Wenn du aber lieber ein Schaumbad willst, nimmst du eben das große Bad.“
„Nein, Dusche ist toll, danke. Ich stelle meinen Kram gleich rüber, viel ist es ohnehin nicht. Ach, Cora – damit hätte ich heute Morgen auch nicht gerechnet. Alles hin...“
„Nein, alles aufgedeckt, so musst du das sehen!“
„Wenn du meinst...“ Ich tappte ins Gästezimmer und suchte eins meiner ordentlichen Nachthemden heraus, dann zog ich mich aus, schlüpfte ins Nachthemd und suchte mit meinem Kulturtäschchen unter dem Arm das Gästebad auf. Viel war wirklich nicht auszupacken – Shampoo und Duschbad, Deo, Gesichtswasser, Feuchtigkeitscreme, Kamm und Bürste, Zahnpasta und Zahncreme, Puder und Labello. Make-up hatte Christian als ordinär abgelehnt, genau wie farbigen Lippenstift. Wer fragte eigentlich danach, was er ordinär fand?, fragte ich mich ärgerlich und wischte mit einem Wattebausch über mein Gesicht. Und wenn ich weiterhin so aggressiv meine Zähne putzte, als versuchte ich, Christian mitten durchzusägen, dann brauchte ich schnell wieder eine neue Zahnbürste! Die Borsten standen schon ganz schief. Etwas Creme ins Gesicht, Toilette, Hände waschen und eincremen, zurück ins Gästezimmer. Cora hatte mir ein Buch auf den Nachttisch gelegt, eins von der Sorte, die Christian hasste. Es hieß Der Mann, das entbehrliche Wesen. Ich drehte es um, um die Rückseite zu studieren. Gott sei Dank, ein amüsanter Roman, nicht etwa ein ernsthaftes Sachbuch Marke Wenn Frauen zu sehr lieben. Ich streckte mich im Bett aus - sehr bequem! – und schlug den Schmöker auf. Es fing seltsam vertraut an, eine Frau wurde ziemlich abrupt aus ihrem gesicherten Leben gerissen, weil ihr Lover sich plötzlich als Totalflop entpuppte. Ach was?
Cora klopfte und schaute noch herein. „Sag mal, wenn der werdende Vater anruft – bist du hier oder verschwunden?“ Ich überlegte kurz. „Verschwunden. Aber du bist bereit, mir etwas auszurichten. Geht das?“
„In Ordnung. Schlaf gut!“
„Danke – du auch! Und vielen Dank für das Buch, die Geschichte kommt mir teuflisch bekannt vor.“
Cora lachte. „Deshalb hab ich´s dir hingelegt. Du bist kein Einzelfall, aber das wird dich nicht sehr trösten, fürchte ich. Also, gute Nacht!“ Ich las noch eine Weile und verfolgte, wie die am Boden zerstörte Heldin Rachepläne schmiedete und die ersten Schritte unternahm, um ihn in den Ruin zu treiben. Sollte ich versuchen, Christian zu ruinieren? Konnte ich das überhaupt? Ich löschte das Licht und schlief ein, bevor ich darüber richtig nachgedacht hatte.