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Portland, Oregon 1927–1945

STARKE WURZELN

Die gepflanzt sind im Haus des Herrn, werden grünen in den Vorhöfen unseres Gottes.

Psalm 92,14

Um die Mitte des 19. Jahrhunderts war das Buschwaldgebiet von Ontario zwischen Huron- und Eriesee noch ziemlich unberührt. Unter den vielen, die durch die Aussicht auf gutes, billiges Land dorthin gelockt wurden, befand sich auch die Familie Elliot aus dem südlichen Grenzgebiet Schottlands. Hundertfünfzig Kilometer westlich von Toronto siedelten sie sich bei Molesworth an, einem winzigen Dorf mit zwei Krämerläden, einer Schule, einem Gasthof, zwei Hufschmieden und zwei Kirchen. Unter Letzteren entschieden sich die Elliots naturgemäß für die schottisch-presbyterianische. Das war eine bedeutende Entscheidung, denn dort begegneten sie den MacAllisters, einer Familie aus Nordschottland. Sonntag für Sonntag trafen sich die acht Elliot-Kinder mit den elf MacAllister-Kindern. Diese Freundschaften führten schließlich zu vier Elliot-MacAllister-Ehen.

Eines dieser Paare, John und Margaret Elliot, besaß ein auf einem Hügel gelegenes kleines Holzhaus, umgeben von Obstgärten und Weideland. John war ein eifriger Viehhändler, geachtet wegen seiner ehrlichen Geschäftsmethoden und darauf bedacht, dass seine acht Kinder den Wert rechtschaffener Arbeit kennenlernten. An Gelegenheit hierfür fehlte es nicht. In den Ställen gab es Vieh zu füttern während des langen Winters von September bis Mai, ein großer Schuppen hinter der Küche musste mit Brennholz gefüllt werden, es gab Feldfrüchte zu säen, zu behacken, zu ernten und zu speichern, Ahornsaft zu sammeln und einzukochen, und natürlich waren Kühe zu melken und acht Hühner zu füttern. Hinzu kam häufig noch Hausarbeit, denn die Mutter der Kinder litt des Öfteren an heftigem Asthma, und diese Anfälle machten es schließlich nötig, dass der älteste Sohn, Fred, aus der Schule genommen wurde und zu Hause half. Da ihm so die restliche Schulausbildung versagt war, wurde er ein eifriger Leser und erwarb viele praktische Fertigkeiten, wenn er seinem Vater bei Zimmermannsarbeiten und beim Instandhalten der Maschinen half.

Als er vierzehn Jahre alt war, ging Fred mit seinem jüngeren Bruder Will nach Saskatchewan, um auf den Feldern bei der Ernte mitzuarbeiten, und von dort nach Britisch-Kolumbien. Fred bekehrte sich mit dreizehn Jahren, als man ihn gelehrt hatte, dass die Wiederkunft Christi nahe bevorstehe, aber erst in Britisch-Kolumbien, unter der Lehre von Harry Ironside, erkannte er, dass das Leben nur lebenswert war, wenn man es völlig in Gottes Hand legte. Er beschloss, sein Leben zur Verfügung zu stellen, und begann später mit Harry Ironside zu reisen, wenn dieser bei ländlichen Gemeinden im Nordwesten unterwegs war und predigte.

Um die gleiche Zeit, als John und Margaret Elliot in Ontario heirateten, lockte der Ruf »Auf nach dem Westen!« auch einen jungen Schweizer aus Bern, wo sein Vater Ingenieur bei der Stadtverwaltung war. Emil Luginbuhl kam mit seinem Geld bis Colorado, dort arbeitete er in einem Schmelzwerk, bis er so viel verdient hatte, dass er sich ein kleines Anwesen im Staat Washington kaufen konnte. Eines Tages erhielt er die Nachricht, dass die Tochter eines Bandwirkers in Amerika gelandet sei, mit der er in seiner Schweizer Heimat im Kirchenchor gesungen hatte. Sofort schrieb er ihr, und nachdem er sie dazu gebracht hatte, in den Westen zu kommen, wurden Emil Luginbuhl und Emma Maurer im Hause eines Methodistenpredigers getraut, zwei Kilometer von der jetzigen Stadt Roosevelt, Washington.

Inmitten des weiten Weidelandes des östlichen Washington schuf Emil durch Bewässerung eine schöne Oase; er zog Äpfel, Birnen, Pflaumen, Pfirsiche, Kirschen, Aprikosen, Trauben, Erdbeeren sowie Blumen und Gemüse. Die Fülle war so groß, dass er nicht nur seine eigene Familie versorgen konnte, sondern auch die benachbarten Farmer aus dem Trockengebiet; sie kamen mit Pferdewagen und ließen sich ganze Kisten Früchte und Gemüse geben.

Wo keine Gärten oder Felder angelegt waren, lag Weideland für Schafe – weite, sanft geschwungene Hügel erstreckten sich bis zu den Vorhügeln des Mount Adams, über dem am Abend blaupurpurner Dunst hing. Die beiden Luginbuhl-Kinder, Jim und Klara, hatten nur eine Stunde am Tag zum Spielen. Für Jim war der Rest des Tages ausgefüllt mit den Arbeiten in den Ställen und Gehegen, für Klara mit Brotbacken, Hausarbeit und gelegentlichem Schafehüten.

Auf diese Farm mit dem großen, von hohen Pappeln umstandenen Holzhaus kam eines Tages Harry Ironside, der Reiseprediger, mit seinem jungen Freund Fred Elliot. Klara Luginbuhl war achtzehn und, wie sie glaubte, sehr verliebt in den damaligen Werkmeister ihres Onkels. Drei Jahre später allerdings, als sie in Portland Chiropraktik studierte, besuchte sie Gemeindeversammlungen in einer kleinen Baptistenkirche, in der Fred – Harry Ironside hatte ihn ermutigt, öffentlich zu sprechen – predigte, und sie nahm jeden Abend einen anderen Freund mit. Fred bemerkte das hübsche, blauäugige Mädchen am Montag und nahm an, ihr Begleiter sei ihr Erwählter. Am Dienstag jedoch hob sich seine Laune, als er an ihrer Seite einen anderen sah. Als er am Mittwoch einen dritten entdeckte, kam er zu dem Schluss, dass er doch noch Hoffnung haben könne, und er fragte sie, ob er sie am Donnerstag nach Hause bringen dürfe. Darauf sahen sie sich täglich. Ostern sandte Fred ihr eine Lilie, und es begann ein Briefwechsel, der drei Jahre anhielt, und danach, als Klara 1918 ihr Examen gemacht hatte, heirateten sie. Ihr Heim richteten sie sich in Seattle ein, wo Klara sich als Chiropraktikerin betätigte und Fred als Evangelist im Bezirk Puget Sound. 1921 kam ihr erstes Kind auf die Welt, Robert. Im Jahre darauf zogen sie nach Portland, Oregon, in ein kleines Haus, das Klaras Vater vor Jahren als Sommerhaus gekauft hatte. Dort wurden drei weitere Kinder geboren, im Jahre 1924 Herbert, 1927 Jim und 1932 Jane.

Klara hatte ihren Praxisraum direkt neben dem Wohnzimmer ihres Hauses, sodass sie ihren Finger stets am Puls der Familie haben konnte, denn sie sah in erster Linie die Kinder als ihre Verantwortung. Der Gedanke, Babysitter anzustellen, kam ihr gar nicht in den Sinn. Was die Familie nicht gemeinsam tun konnte, wurde einfach nicht getan. Die Elliot-Kinder wurden schon in Gottesdienste und in die Sonntagsschule mitgenommen, als sie sechs Wochen alt waren. »Ich finde, es schadet Kindern gar nichts, still zu sitzen und einen ganzen Gottesdienst für Erwachsene anzuhören«, erklärte Klara, »das ist gut für ihre Nerven.« Und wenn irgendwelche Einwände gemacht wurden, dass man sie nicht »mit Religion überfüttern« dürfe, ließen sich die Eltern nicht beirren. Sie wollten für ihre Kinder das Beste (»außer Geld, das zum Fluch werden kann«, sagten sie), und sie ließen es ihnen zukommen. Fred Elliot las seinen Kindern jeden Tag aus der Heiligen Schrift vor; er wollte ihnen vor allem die Herrlichkeit Christi zeigen, und er war stets bemüht, ihnen nicht Gesetzesfrömmigkeit oder eine Liste von Verboten zu vermitteln. »Ich betete, sowohl mit ihnen als auch für sie«, sagte er. Und jedes der Kinder vernahm schon früh Jesu Ruf und entschloss sich, Ihm zu folgen.

Jim war etwa sechs Jahre, als er eines Abends auf dem Heimweg von einem Gottesdienst zu seiner Mutter sagte: »Jetzt, Mama, kann der Herr Jesus kommen, wenn Er will. Er könnte unsere ganze Familie mitnehmen, denn ich bin jetzt gerettet, und Jane ist noch zu klein, sie kann noch nichts von Ihm wissen.«

Er begann, seinen kleinen Freunden zu erzählen, an was er außer der Errettung sonst noch glaubte – er setzte sich auf die Schaukel auf dem Rasenplatz und »predigte« ihnen.

Das Haus Elliot stand immer weit offen für Freunde, auch für Missionare aus allen möglichen Ländern der Erde. Auf die vier Kinder hatte dies einen tiefgehenden Einfluss. Sie lernten die Tugend der Gastfreundschaft kennen und bekamen Gelegenheit, vielerlei Arten von Menschen kennenzulernen.

»Die Kinder hatten Besuch immer sehr gerne, auch wenn sie dann ihre Betten abtreten mussten«, sagte Jims Mutter, »und weil sie zu Hause so oft mit neuen Menschen zusammenkamen, waren sie auch in der Öffentlichkeit frei von Gehemmtheit.«

In der Erziehung der Kinder wurde vor allem auf Gehorsam und Ehrlichkeit geachtet, während Unfug und Streiche manchmal übersehen und manchmal durch kurzes Schimpfen getadelt wurden. Die Eltern regten sich nie über etwas auf, nur dann, wenn sie vorhatten, auch durchzugreifen, denn sie fanden, dass leere Drohungen etwas Unehrliches und schädlich für das Gerechtigkeitsgefühl der Kinder seien. Wenn die Kinder vierzehn Jahre waren, wurde ihnen gesagt, von nun an seien sie für ihr Tun gegenüber Gott verantwortlich, da sie Ihn angenommen hätten als Erlöser und Herrn ihres Lebens.

»Und glaubt nicht, ihr würdet irgendwann mit etwas durchkommen, weil wir nichts davon wissen«, sagte ihnen ihre Mutter. »Gott weiß es doch, und Er hat Seine eigene Art zu strafen.«

Sie lernten auch das Leben draußen schätzen, im Winter rodelten sie auf dem Mount Hood, im Sommer veranstalteten sie Picknicks an der zerklüfteten Küste von Oregon oder fuhren zu Besuch auf den alten Hof der Familie Luginbuhl im Staat Washington. Die Eltern nahmen sie mit zu Viehausstellungen, brachten ihnen bei, wie man Obst, Gemüse und Tiere zieht, und nahmen teil an ihren Freuden. Jedes Kind hatte seine eigenen Hobbys, bei Jim war es das Bauen von Segelschiff- und Flugzeugmodellen, Briefmarkensammeln und Bücherlesen. Er interessierte sich auch lebhaft für Haus und Garten, sowohl für die Farbe der Vorhänge, für die Frühstücksecke oder den Teppich fürs Wohnzimmer, als auch für die Stechpalmen und die Rosenbüsche draußen. In der Schule hob seine Lehrerin seine zeichnerischen Leistungen hervor und behängte die Wände des Klassenzimmers mit seinen Bildern. Kunstinteresse war jedoch nicht das, was sein Schulkamerad Dick Fisher bei ihm wahrnahm:

»Ich war Schulhofwart, das heißt, wenn alle Schüler da waren, hatte ich den Fahrradschuppen abzuschließen. Auf Jim musste ich immer warten. Ich sehe ihn noch vor mir, wie er jeden Morgen, wenn es schellte, angerast kam – erst die 80. Straße herunter, dann fegte er um die Ecke an der Adventistenkirche, rutschte über den Kies des Kirchplatzes und überquerte schließlich in voller Fahrt den Schulhof, bis er mit starkem Bremsen und in einer großen Staubwolke vor dem Fahrradschuppen stoppte, vom Rad heruntersprang, etwas murmelte, dass er sich verspätet habe, und sich bedankte, um dann in die Schule zu entschwinden. Das war während eines ganzen Jahres alles, was ich von diesem Ausbund an Eile, Ungestüm und Unbekümmertheit kennenlernte.«

Im Schatten des Allmächtigen

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