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6 Hoher Giftgehalt und längere Exposition

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Das Studium der Toxine sollte bei der Ausbildung eines Ermittlers eine übergeordnete Rolle spielen. Viele Gifte können gewöhnliche Krankheiten nachahmen, sodass ein Ermittler in der Lage sein muss, verdächtige Symptome von denen zu unterscheiden, die lediglich bedauerlich sind. H. M. Hardcastle: Die Grundlagen der Detektion — Ein Handbuch für Amateur- und Berufsermittler, 1893.

»Dr. Munjal!« Ich wich einen Schritt zurück – zumindest versuchte ich es, knallte jedoch prompt gegen sein Fleisch-und-Fliegen-Experiment. Die Fliegen stoben in den Raum wie ein schimmernder grüner Nebel. »Schnell, lassen Sie sie nicht hinaus!«

Offenbar war dies nicht die Reaktion, mit der er gerechnet hatte. Einen Augenblick starrte er mich an, dann griff er hinter sich und schloss die Tür. »Sie bleiben immer in der Nähe des Fleisches«, sagte er. Er war älter als Vater, hatte dunkelolivefarbene Haut und sehr dunkle Augen hinter einer von Regen besprenkelten Brille. »Sie sind die Tochter von Arthur Hardcastle, nicht? Sie waren mit Caroline zum Lunch verabredet.«

Ich nickte schuldbewusst.

»Dann erklären Sie mir bitte, was das hier zu bedeuten hat.«

Ich zögerte, doch entschied dann, dass Lügen keinen Sinn hätte. »Es war nicht Carolines Schuld«, fing ich an.

»Ah. LaRue. Dieses Mädchen …« Er schüttelte verständnislos den Kopf. »Doch meine Tochter sollte es besser wissen, als ausgerechnet hier Späße zu treiben. Es tut mir außerordentlich leid, dass sie Ihnen Angst einjagen wollten.« Seine Miene war voller Mitgefühl. »Geht es Ihnen gut?«

»Selbstverständlich«, sagte ich beherzt, teils um meine eigenen Gewissensbisse zu verbergen, teils um zu überspielen, wie erleichtert ich über sein Erscheinen war. »Die Fliegen – was für eine Art ist das?«

»Calliphora«, antwortete er und sah mich seltsam an. »Schmeißfliegen. Ich versuche, eine präzisere Methode zu entwickeln, anhand derer man den Todeszeitpunkt feststellen kann.« Ich nickte. Und schnitt womöglich auch eine Grimasse. Gewiss wäre es faszinierend gewesen, eines Tages darüber zu lesen. »Nun, Miss Hardcastle, wollen wir Sie nach draußen bringen?«

Oh ja, bitte. Doch mein Werk war noch nicht getan, ich konnte unmöglich mit leeren Händen abziehen! Ich ergriff meine letzte Chance. »Warten Sie, Doktor …« Er war bereits halb zur Tür hinaus, also platzte ich heraus: »Warum behaupten Sie, Minerva Wodehouse sei eines natürlichen Todes gestorben?«

Stirnrunzelnd drehte er sich zu mir um. »Wie bitte?«

»Meine Nachbarin, die gestorben ist – warum haben Sie keine ordentlich Autopsie gemacht?« Als er nicht sofort antwortete, frischte ich das Gedächtnis meines Zeugen auf. »Eine ältere Dame, sie wurde am Mittwoch in ihrer Badewanne aufgefunden.« Ich stand sehr aufrecht, wie ein ebenbürtiger Experte, kein bisschen wie ein törichtes Kind, das sich in eine Leichenhalle hatte einschließen lassen.

»Nein, nein, ich weiß. Junge Dame, ich glaube durchaus nicht, dass wir darüber sprechen sollten.« Er wollte das Licht ausschalten, als ihm all die Papiere auffielen, die ich hatte herumliegen lassen. Wenn das keine Lektion war, die Miss Judson gefallen hätte: Vergiss nie, hinter dir aufzuräumen! Langsam nahm er die Hand vom Lichtschalter und ließ sie sinken. »Was haben Sie hier gemacht?«

»Ihren Befund gesucht.«

Er rückte die ENTHAUPTET?-Mappe gerade und setzte sich auf die Kante seines Schreibtischs. Lange sagte er gar nichts, und als er es doch tat, überraschte er mich. »Ich kannte Ihre Mutter, wussten Sie das?«

Ich schüttelte den Kopf. Meine Augen brannten etwas. »Woher?«

»Aus dem Lehrkrankenhaus, vom Medizinstudium. Wir waren beide Außenseiter in unserer Klasse.« Dr. Munjal deutete auf sich und ich verstand, was er meinte: die weibliche Studentin und der aus Indien. »Sie war verflixt schlau. Sie hätte eine feine Ärztin abgegeben.«

»Zu schade, dass sie es aufgeben musste, um zu heiraten und mich zu haben.«

Seine Mundwinkel verzogen sich zu einem Lächeln. »So hätte sie das sicherlich nicht gesehen«, sagte er. »Na schön, Ihrer Mutter zuliebe und weil jeder, der – wie lange? – hier drin eingesperrt war, es verdient hat, wenigstens nicht mit leeren Händen von dannen zu ziehen. Was wollen Sie wissen?« Er hob seine Aktentasche neben sich auf den Schreibtisch und klappte sie auf. »Da haben wir es: Minerva Wodehouse. Herzversagen.« Er reichte mir ein Blatt, bestückt mit lauter herrlichen, offiziellen Stempeln und Sigeln, und am unteren Ende prangte seine straffe, saubere Unterschrift. Darüber stand: GERICHTSMEDIZIN.

Ich verschlang den Bericht, las alles ganz genau, wollte nichts übersehen oder falsch verstehen, kein noch so kleines Detail. Es gab eine kurze Beschreibung darüber, wo man Miss Wodehouse gefunden hatte (Badewanne), und es war der Zeitpunkt vermerkt, als die Polizei benachrichtigt worden war (7 Uhr 20, dank eines »Anrufs durch besorgte Nachbarin« [hüstel]). »Woher wissen Sie, dass sie nicht ertrunken ist?«

»Dann hätte es in ihrer Lunge Wasser gegeben sowie in Nase und Mund Schaum«, antwortete Dr. Munjal. »Herzversagen war wahrscheinlicher, angesichts ihres Alters und anderer Faktoren.«

Auf diese »anderen Faktoren« würde ich später zu sprechen kommen. »Das könnte aber doch bedeuten, dass sie schon tot war, bevor sie im Wasser landete. Nicht wahr?«, ergänzte ich und gab mir Mühe, nicht zu streitlustig zu klingen.

»Nun«, sagte er und betonte das Wort besonders lang, »normalerweise, ja. Hätte man sie in einem Teich gefunden oder etwas Ähnlichem, hätten wir uns gefragt, ob sie sich nicht den Kopf gestoßen oder vielleicht einen Hirnschlag erlitten haben und deswegen hineingefallen sein könnte. Doch für gewöhnlich stürzen die Leute nicht in ihre Badewannen.«

»Ich glaube, man hat sie irgendwo anders getötet und dann in ihre Wanne geworfen, damit es nach einem natürlichen Tod aussieht.«

Er wich zurück. »Aber, Miss Hardcastle, nun übertreiben Sie aber.«

»Ich übertreibe nie.« Meiner Ansicht nach war dies ein Frevel, ähnlich wie unrealistisch zu sein, daher war ich recht sicher, dass er sich täuschte. »Ich ziehe Schlussfolgerungen, basierend auf logischer Betrachtung der Beweise.«

»Schlussfolgerungen«, wiederholte er entnervt, während er sich die Schläfen rieb. »Ich werde diese Frage ganz sicher bereuen, aber gibt es sonst noch etwas, das Sie geschlussfolgert haben?«

Bis zu diesem Moment fand ich, dass unsere Unterhaltung recht gut verlief – zwei Personen von Verstand kamen in den Genuss einer Diskussion auf Augenhöhe über die faszinierende Arbeit der einen. Doch die verärgerte Verzweiflung in Dr. Munjals Miene war mir allzu vertraut (ich erinnere an »das wahre Talent« für Störungen!) und ich meinte, mich verteidigen zu müssen. »Dass sie ermordet wurde, können Sie nicht mit Sicherheit ausschließen. Nicht ohne ordentliche Autopsie.«

»Miss Hardcastle, dazu gab es keinerlei Veranlassung. Wenn eine Achtzigjährige in der Badewanne stirbt, mit allen Symptomen für einen Herzinfarkt, dann ist es mit höchster Wahrscheinlichkeit genau das: ein Herzinfarkt.«

»Neunundsiebzig«, korrigierte ich. »Und ähneln manche Vergiftungen nicht einem Herzinfarkt? Digitalis zum Beispiel«, improvisierte ich, dank seiner Akte.

»Ja, aber wissen Sie, was noch aussieht wie ein Herzinfarkt?« Er warf mir einen vielsagenden Blick zu. »Ein Herzinfarkt.«

»Hatte sie denn Herzprobleme?«

»Nicht, dass wir wüssten, doch in ihrem Alter –«

»In ihrem Nacken fanden sich Blutergüsse?« Ich zeigte auf die eingezeichneten Flecken, die auf dem Umriss eines Körpers in der Akte notiert waren und die mit den Stellen der Blütenstaubschmieren auf ihrem Nachthemd übereinstimmten. »Kam Ihnen das nicht verdächtig vor?«

Dr. Munjal schüttelte den Kopf. »Sie wurden post mortem, also nach ihrem Tod verursacht.«

Ich wollte nicht innehalten, aber das machte mich nun doch stutzig. »Wirklich? Das können Sie feststellen? Wie?«

»Es ist die vernünftigste Erklärung. Sie muss sich entweder während des Herzinfarkts verletzt haben – höchstwahrscheinlich hatte sie einen Krampfanfall – oder als die Polizisten sie aus der Wanne hoben. Wobei dann auch«, ergänzte er, »alles vollständig durchnässt wurde.«

Ich nickte. »Was ist mit den Flecken auf dem Nachthemd?«

Dr. Munjal seufzte und nahm mir den Befund wieder ab. »Ich glaube, wir haben alles abgedeckt, finden Sie nicht? Ich muss mich noch einmal entschuldigen für die Tortur, die Sie heute Nachmittag durchstehen mussten, und ich werde dafür sorgen, dass auch meine Tochter sich noch entschuldigt.«

»Das wird nicht nötig sein«, sagte ich ungeduldig. »Ich wollte noch etwas fragen, und zw–«

»Miss Hardcastle.« Seine sanfte Stimme war nun schwer. »Es ist fünf Uhr. Mein Tee wartet auf mich. Sie hatten einen langen, verstörenden Nachmittag …«

»Ich bin nicht verstört«, sagte ich. »Es war interessant.«

»… und es ist an der Zeit, dass Sie nach Hause gehen. Soll ich Sie fahren?«

Beinahe hätte ich Ja gesagt. Doch dann hätte Dr. Munjal meinem Vater erklären müssen, warum ich zu spät kam – und Vater hatte sich von dieser Verabredung so viel erhofft, allerdings gewiss nicht, dass ich in die Leichenhalle eindringen und mich mit dem Gerichtsmediziner streiten würde. Man brauchte keinen scharfen Verstand, um zu schlussfolgern, was er davon halten würde. Mit so viel Würde, wie ich aufbringen konnte, reichte ich Dr. Munjal daher meine Hand.

»Nein, danke, Doktor. Ich komme sehr gut zurecht. Danke für eine erhellende Unterhaltung.«

Ernst erwiderte er meinen Handschlag. »Miss Hardcastle, ich würde es Ihnen hoch anrechnen, wenn Sie das, was Sie hier gesehen haben, für sich behielten«, sagte er und spielte auf das Fliegen-Experiment an. »Viele Menschen hätten für derlei Dinge kein Verständnis.«

Ich mochte enttäuscht sein, weil meine Zeugenbefragung so dürftig ausgefallen war, doch nicht genug, um einem Ermittlungskollegen solch eine Bitte abzuschlagen. »Selbstverständlich, Doktor.«

Und so spazierte ich in den Regen hinaus, in meinem eintönigen neuen Rippseidenkleid, die herrlichen Taschen absolut unbeschwert von jeglichen nützlichen Funden.

Vater war noch nicht zu Hause, dem Himmel sei Dank, und Köchin war zu beschäftigt damit, mit dem Herd zu ringen, um zu bemerken, dass ich mich verspätet und nass bis auf die Knochen ins Haus schlich. Auf Zehenspitzen ging ich die Hintertreppe zum Unterrichtsraum hinauf, wo Miss Judson aus dem verregneten Fenster blickte, während sie unruhig auf und ab lief.

»Myrtle!« Miss Judson schlug sich die Hand auf die Brust. »Wo um alles in der Welt warst du?«

Erschöpft ging ich zum Kamin und entfachte die glühende Asche mit dem Schüreisen. »LaRue und Caroline haben mich im Kutschenhaus eingesperrt.«

Sie wurde rot vor Zorn. »Diese Gören!«, rief sie. »Moment. Wie bist du denn ins Kutschenhaus gekommen?«

Nun da ich zu Hause, in Sicherheit und zunehmend trockener war, konnte ich nicht aufhören zu zittern. Meine Zähne klapperten – was mir eine Antwort ersparte.

»Zieh deine Sachen aus«, befahl Miss Judson. »Ich hole uns heißen Kakao. Und dann kannst du mir in aller Ruhe erzählen, was du im Haus des Gerichtsarztes herausgefunden hast.«

So, wie sie das betonte, klang es schlimm.

Als Miss Judson und der Kakao eintrafen, war ich in meinen gesteppten Morgenmantel gemummelt und das leicht verknitterte, doch nahezu vollkommen intakte neue Kleid hing (einigermaßen) ordentlich in meinem Schrank. Ich hatte mein Notizbuch sowie Band VIII, DEA-ELE meiner Enzyklopädie geholt und hatte mich damit vor dem Feuer ausgebreitet.

Miss Judson kniete mit dem Tablett neben mir auf dem Boden, Beine und Röcke elegant neben sich drapiert. »Wonach suchst du?«

»Digitalis«, antwortete ich, den Mund voller Toast. »Warum haben Sie mich nicht abgeholt?« So unverschämt und mürrisch hatte ich das gar nicht sagen wollen.

»Was denn, hast du vor, mir Gift in den Kakao zu mischen?«, sagte sie nachsichtig. »Ich war da. LaRue meinte, du wärst bereits nach Hause gelaufen. Darf ich dich vielleicht darauf hinweisen, dass ich dir eine Hilfe hätte sein können, hättest du die Güte besessen, mich in deine Pläne einzuweihen? Diese Mädchen sind furchtbar. Dort gehen wir nie wieder hin. Aber lassen wir das. Erzähl mir von deinem Abenteuer des Grauens.« Genau so klang es bei ihr, in kursiver Schrift, wie der Titel einer Geschichte aus meinen Groschenromanen.

Indem ich einige Details ausließ, berichtete ich ihr von meiner Suche in den Akten, den Schmeißfliegen im Fleisch und ENTHAUPTET?, um mit Dr. Munjals Verteidigung seines Befunds abzurunden. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich drei Stück Toast und zwei Tassen Kakao intus und war bester Laune. Miss Judson hatte enorm viel Vergnügen an meiner Geschichte, lachte und schrie an genau den richtigen Stellen.

»Was hat es nun mit Digitalis auf sich?« Sie beugte sich über das Lexikon, während ich ihr von Mr Ambroses Klienten erzählte, dem eine Überdosis das Leben gekostet hatte.

»Vielleicht hat Dr. Munjal recht und sie ist wirklich an einem Herzinfarkt gestorben«, räumte ich ein. »Trotzdem könnten wir genauso richtig liegen. Was, wenn man ihr ein Gift verabreicht hat, das einen Herzinfarkt auslöste

Miss Judson ließ es sich durch den Kopf gehen. »Digitalis stammt von Fingerhut«, sagte sie nachdenklich.

»Das sind Blumen, richtig?« Ich setzte mich auf. »Hatte Miss Wodehouse welche? Wie sehen sie aus?« Band VIII versäumte es, eine Illustration der Pflanze abzubilden, und ich fand es gerade viel zu gemütlich, um für Band X aufzustehen.

Miss Judson griff nach ihrem Skizzenbuch. »Ich glaube, ich habe ein Bild … hier. Von der Einpflanzung nahe der Eingangstür.« Sie hielt mir eine Zeichnung von einer hochgeschossenen Blume mit mehreren Reihen an glockenförmigen Blüten hin, die an einem zentralen Stängel wuchsen. Digitalis bedeutete »fingerförmig«, war gemeinhin auch bekannt als Fuchskraut oder Fuchshandschuh, und es fehlte nicht viel Fantasie, um sich vorzustellen, wie Füchse die Blüten wie Handschuhe über die Pfötchen streiften (wenngleich das wissenschaftlich nahezu unmöglich ist).

Ich sah mir den Lexikoneintrag noch einmal an. »Eine Arznei für Herzkrankheiten, Hydrops – das ist Wassersucht – und Nierenleiden«, las ich vor. »Hatte Miss Wodehouse etwas in der Art?«

»Hätte sie Wassersucht gehabt, wäre uns das nicht entgangen«, sagte Miss Judson. »Sie war ja so ein dürres kleines Ding.«

»Schwellungen scheiden also aus. Doch Herzkrankheiten machen sich nicht unbedingt äußerlich bemerkbar. Genauso wenig wie Nierenleiden.« Ich nahm einen Schluck Kakao, der inzwischen kalt geworden war. »Hier steht, dass es gefährlich ist, einem Patienten ohne Herz- oder Nierenproblemen Digitalis zu verabreichen. Selbst kleine Dosen können tödlich sein.«

In einer fließenden Bewegung setzte Miss Judson sich wieder auf. Sie fischte sich ein Stück Toast vom Tablett, aß es jedoch nicht. »Sollte sie an Digitalisvergiftung gestorben sein«, sagte sie, »was bei Weitem nicht feststeht, dann hat sie entweder die Pflanze gegessen oder das Medikament eingenommen.«

»Oder jemand hat es ihr gegeben.« Bevor oder nachdem er sie in den Matsch gestoßen hatte.

Nun schwieg Miss Judson eine ganze Weile, bevor sie darauf etwas sagte. »Ich glaube, versehentliche Einnahme wäre mir lieber.«

»Also absichtlich hätte sie das sicher nicht gegessen.« Ich stand auf und lief auf und ab. »Wir vergessen Peony«, sagte ich. Die Katze war noch immer verschwunden. »Allmählich kommt ganz schön viel zusammen.«

»Wir brauchen ein Schaubild.« Miss Judson war eine große Vertreterin von Schaubildern. Der Unterrichtsraum war reich geschmückt mit verschiedensten Exemplaren: Mendelejews Periodensystem, eine Kopie von Kopernikus’ Sonnensystem, sogar ein gerahmtes Anatomie-Schaubild, das früher Mum gehört hatte. Die einzige Wand, die nicht von Diagrammen oder Fenstern bedeckt war, verfügte über die volle Breite und Länge über eine Kreidetafel mit einem zusätzlichen Aufsatz, den man hin und her schieben konnte. Ich schob ihn zur Seite, löschte die Lektion über Abessinien von letzter Woche und begann, in Stichpunkten alles aufzuschreiben, woran ich mich von Dr. Munjals Befund und dem Gespräch mit Trudy noch erinnern konnte. Das augenscheinliche Herzversagen, die Blutergüsse, das Fehlen von Wasser in der Lunge. Das besudelte Bad und der Blütenstaub auf dem Nachthemd.

»Vergiss nicht die Fußabdrücke. Und den Zigarrenschneider.«

»Und dass Mr Hamm gelogen hat«, ergänzte ich. Die Kreide mitten in der Luft, hielt ich inne. Es waren seine Fußspuren gewesen, die ich gefunden hatte, außerdem wohnte er auf dem Grundstück und hatte Zugang zu den Pflanzen. Zudem war er die eine Person, der Miss Wodehouse mitten in der Nacht noch am ehesten begegnen würde. »Ist es leicht, Digitalis aus Fingerhut zu gewinnen?«

»Woher sollte ich das wissen?«, antwortete Miss Judson. »Doch in diesem Eintrag heißt es, dass alle Teile der Pflanze giftig sind. Viel gehört nicht dazu, um aus Blättern einen Tee zu kochen.«

Ich wandte mich zu ihr um. »Ein berufsmäßiger Gärtner würde wissen, dass Fingerhut giftig ist. Oder?«

Mord im Gewächshaus

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