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2 Die Gräber von Redgraves
ОглавлениеVerdächtige Todesfälle erfordern zwingend eine gründliche Untersuchung des Tatorts, Befragung der Zeugen und schnellstmögliches Sicherstellen von Beweisstücken. Zeit ist von absoluter Bedeutung. H. M. Hardcastle: Die Grundlagen der Detektion — Ein Handbuch für Amateur- und Berufsermittler, 1893.
Wir sollten zu spät zum Frühstück erscheinen, denn Inspektor Hardy hatte noch einige Fragen an uns, während er meinen gekonnt auswich. Jedoch informierte er uns darüber, dass Miss Gertrude Guildford, Hausmädchen auf Redgraves, die Leiche ihrer Herrin in der Badewanne aufgefunden hatte, als sie diese am Morgen wecken wollte. Ich antwortete ihm in aller Ausführlichkeit (Inspektor Hardy schien bereits einen langen Tag hinter sich zu haben – als ich mit meinem Bericht fertig war, wirkte er regelrecht erschöpft), während sich in meinem Kopf die Gedanken überschlugen. Wo steckte Mr Hamm? Was war aus Peony geworden? Wer hatte sich mitten in der Nacht auf Redgraves herumgetrieben? Woher war dieser »Neffe« aufgetaucht? Warum hatte Miss Wodehouse spätabends ein Bad genommen, wo doch alle Welt wusste, dass Trudy ihr jeden Vormittag um halb elf nach dem Gärtnern eines einließ?
Ich wäre ja geblieben, um die Ermittlungen zu unterstützen, doch Miss Judson warf immer wieder vielsagende Blicke auf ihre Armbanduhr. Vater war nicht so streng wie manch andere Eltern, doch gewiss würde auch er erwarten, dass seine Tochter und ihre Gouvernante zum Frühstück zu Hause waren und nicht unterwegs, um die Polizei zu beraten. Abgesehen davon wollte ich selbst dringend nach Hause, und zwar nicht nur um Vater die Neuigkeit von Miss Wodehouses mysteriösem und plötzlichem Ableben zu überbringen, sondern auch weil das Frühstück für mich eine ganz entscheidende Bedeutung hatte. Genau einmal am Tag konnte ich mich darauf verlassen, dass Vater, Miss Judson und ich gemeinsame Zeit mit ganz gewöhnlichen, häuslichen Dingen verbrachten. Damit war es meine einzige Gelegenheit, Vater uns drei als das zu präsentieren, was ich längst in uns sah: eine Familie.
Doch – wie üblich – war Vater abgelenkt und bemerkte nicht einmal, dass Miss Judson und ich uns verspätet hatten, erst recht nicht, dass wir bereits außer Haus gewesen waren. Mit einem halb vergessenen Stück Toast in den Fingern kauerte er am Tisch über einem Teller, der von einem Meer an Papieren umgeben war.
»Heute fängt der neue Prozess an, nicht wahr, Vater?« Es handelte sich um meine Lieblingssorte von Fällen, einen Mord, obwohl dieser gar nicht so interessant war – nur einige Straßenschläger, die in eine Kneipenprügelei verwickelt waren.
»Und endet auch, wenn alles gut läuft«, antwortete er und fing im letzten Moment seinen Toast auf, kurz bevor die Marmelade auf sein Affidavit3 tropfen konnte. »Warum stattet ihr mir keinen Besuch ab? Danach gehen wir gemeinsam Mittagessen. Macht doch einen Tagesausflug daraus.« Er schenkte mir ein warmes Lächeln.
»Darf ich von der Galerie aus zuschauen?« Vater erlaubte mir äußerst selten, ihn im Gericht zu besuchen, weil die meisten Richter und anderen Anwälte der Meinung waren, dass Kinder nur störten. Dafür hatte ich bisher jedes Wort über seine Fälle gelesen, das je im Swinburne Boten erschienen war, und mir natürlich im Selbststudium seine Rechtsbücher vorgenommen, damit ich die Feinheiten der Rechtslehre mit ihm diskutieren konnte. Zwar hatte sich die Gelegenheit dazu noch nicht ergeben, doch ich war bereit.
»Myrtle hätte gewiss ihre Freude daran«, warf Miss Judson ein. Mit geübter und effizienter Hand trug sie gerade Butter auf ihren Toast auf, sodass auch nicht der kleinste Klecks Gefahr lief, zu entkommen.
»Hmm?« Während er Miss Judson zusah, schien Vater das Gespräch von eben bereits vergessen zu haben. »Dann ist es also abgemacht.« Er stand auf, sammelte seine Papiere zusammen und drückte mir einen schnellen Kuss auf den Kopf. »Deine Haare sind nass. Warst du etwa im Regen?«
Ich warf Miss Judson einen Blick zu, doch Vater war schon verschwunden, bevor eine von uns antworten konnte. Sollte Miss Judson erleichtert aufgeatmet haben, dann kaum wahrnehmbar.
Lieber Leser, wenn ich es mir erlauben darf, möchte ich an dieser Stelle gern eine der Hauptfiguren dieser Geschichte vorstellen, meine Gouvernante und Vertraute Miss Ada Eugénie Judson. Gewiss haben Sie bereits feststellen können, verehrter Leser, dass Miss Judson eine bemerkenswert beherrschte Person war, die in Krisen4 einen kühlen Kopf bewahrte – Qualitäten, die für die Gouvernante einer angehenden Ermittlerin äußerst nützlich sind. Als Tochter einer französisch-guayanischen Krankenschwester und eines schottischen Pastors war sie überdurchschnittlich groß, kleidete sich ordentlich und praktisch und hatte die dunkle Haarfarbe ihrer karibischen Herkunft. Aus Angst, ihre Tochter könnte einer schrecklichen tropischen Krankheit zum Opfer fallen, hatten ihre Eltern die junge Ada auf ein Internat in England geschickt. (Vermutlich hatte niemand Mr und Mrs Judson je von Typhus, Pocken, Tuberkulose oder Cholera erzählt, die hier um sich griffen. Ganz abgesehen von gelegentlichen Ausbrüchen der Pest und nicht zu sprechen von gewissen, ebenso unaussprechlichen Gebrechen, von denen ich eigentlich nichts wissen sollte. Als »junge Dame aus gutem Hause«.)
Sobald Vater in seine Kanzlei aufgebrochen war, blieben uns fast zwei Stunden, um uns an die Arbeit zu machen, bevor wir im Gericht erscheinen mussten. Während Miss Judson noch immer mit ihrem extrem präzise bestrichenen Toast beschäftigt war, sprang ich bereits von meinem Platz auf und räumte meinen Teller ab. Obwohl ich schon jahrelang versuchte, Miss Judson nachzuahmen, schlug ich leider ganz nach Vater. Auf meinem Platz herrschte ein Chaos aus Krümeln und irgendwie war es mir sogar gelungen, Spiegelei in meine Socken zu befördern.
»Wohin so eilig?«, fragte Miss Judson. »So viel Begeisterung für Geografie hast du ja noch nie an den Tag gelegt.«
»Wir müssen Peony finden«, sagte ich. »Sie hat gesehen, was letzte Nacht passiert ist.«
»Aha.« Miss Judson stand auf, obwohl ihre Hand nahe ihrer Teetasse verweilte, als würde sie in Erwägung ziehen, sich noch einmal nachzuschenken. Ich sah sie ungeduldig an. »Ich kann es nicht erwarten zu erfahren, welche Methode du erfunden hast, um an die Zeugenaussage einer Katze zu gelangen.«
»Machen Sie sich nicht über mich lustig.«
»Würde mir im Traum nicht einfallen«, sagte sie. »Trotzdem musst du zugeben, Myrtle, dass eine Katze als Zeugin heranzuziehen, selbst für dich etwas unrealistisch ist.«
Ich zögerte. Erwachsene nannten mich vieles, als Nettestes »frühreif«, »neugierig« und »unbändig« (wobei ich ja den Verdacht hegte, dass nichts davon wirklich als Kompliment gemeint war, auch wenn sie so taten als ob), doch im Vergleich zu anderen Kindern in meinem Alter galt ich im Allgemeinen nicht als »unrealistisch«. Miss Judson verfügte jedoch über exzellente Menschenkenntnis, wenn sie also der Meinung war, ich wäre etwas anderes als durch und durch vernünftig, dann machte es mich stutzig.
»Nun gut«, sagte ich vorsichtig. »Vielleicht sollten wir zuerst mit Mr Hamm reden. Wir müssen ohnehin fragen, wie es nun mit meinem Botanikunterricht weitergeht.« Der Gärtner von Redgraves hatte mir seit zwei Jahren Stunden gegeben. Er kannte sich extrem gut aus und Vater hatte es abgesegnet, da er fand, es »täte mir gut, hin und wieder an der frischen Luft zu spielen«.
»Das wiederum«, sagte Miss Judson, »ist eine hervorragende Idee.«
Fünfzehn Minuten später waren wir wieder auf Redgraves, diesmal passend gekleidet für einen Spaziergang im Garten. Redgraves’ Außenanlagen einen »Garten« zu nennen, tut ihnen allerdings großes Unrecht. Sie waren größer als das Gravesend-Grün, der öffentliche Park im Herzen unserer Nachbarschaft. Bevor man all die Wohnhäuser errichtet hatte, war er ein Friedhof gewesen5 und hatte mitsamt dem anderen Land einmal zum Privatbesitz der Familie Wodehouse gehört. Redgraves, der Familiensitz der Wodehouses, war ein düsterer roter Backsteinbau, dessen Schieferdach mit Giebeln, Türmen und Schornsteinen versehen war und vor dessen Haupteingang eine Treppe stand, die einem mürrischen Mund ähnelte und zum Eingang führte. Verglichen mit berühmten Schlössern wie Windsor oder Highclere, war Redgraves nur ein Landhaus – lächerliche vier Stockwerke hoch, mit nur dreiundzwanzig Zimmern, einschließlich einer landesweit berühmten Bibliothek und einem regional berühmten Badezimmer. Doch nach Swinburne-Maßstäben war es ein Palast.
Diesmal näherten wir uns Redgraves auf die übliche Art, nämlich durch die Hecke, die zwischen unseren Grundstücken verlief. Doch schon konnten wir sehen, oder vielmehr riechen, dass etwas nicht stimmte.
»Brennt da etwas?«, fragte Miss Judson. »Hoffentlich ist es nicht das Haus!«
Diese Vorstellung warf ein noch dramatischeres und düstereres Licht auf die Ereignisse des Morgens, allerdings stellte sich heraus, dass es nur Mr Hamm war, der sich endlich an die Arbeit gemacht hatte. Obwohl Redgraves’ Garten so enorm groß und so angesehen war, war er der einzige Gärtner. Mit ihrer exzentrischen Art hatte Miss Wodehouse im Laufe der Jahre die Anzahl ihrer Bediensteten reduziert, bis außer ihm und Trudy keiner mehr übrig geblieben war. Gerade schürte Mr Hamm außerhalb der Gartenmauern ein Feuer. Was genau dabei verbrannt wurde, ließ sich nicht sagen, da die Flammen ihr Futter bereits zu Asche verkohlt hatten.
»Hallo, Mr Hamm«, begrüßte ich ihn, da mir »Guten Morgen« wenig angemessen erschien, hatte er doch gerade seine Arbeitgeberin und damit womöglich seinen Lebensunterhalt verloren.
Er lupfte vor uns seinen Schlapphut, wobei ein rot verschwitztes Gesicht und feuchte schwarze Haare zum Vorschein kamen. »Aye, meine Kleine, Miss Ada. Se haben’s schon gehört?«
»Ja, schreckliche Sache.« Ich merkte Miss Judson an, dass sie meine Antwort guthieß, weil ich den Mann nicht einfach so ausfragte, sondern höfliche Etikette wahrte.
»Nich’ mehr lang bis zur Blumenschau«, sagte er mit knarrender Stimme. »Wir wollten ihre Schwarzer-Tiger-Kreuzung zeigen, ’ne wahre Schönheit. Hat sie vier Jahre gekostet, die zu züchten.«
Ich nickte mitfühlend, obwohl ich die Blume nie mit eigenen Augen gesehen hatte. Miss Wodehouse hatte verboten, dass unsere Unterrichtsstunden in ihrem Liliengarten stattfanden, und ich hatte lediglich einmal im Vorbeihasten einen kurzen Blick darauf erhascht. Doch Mr Hamm redete oft davon und diese Lilien waren vielleicht das Einzige auf ganz Redgraves gewesen, das Miss Wodehouse tatsächlich liebevoll behandelt hatte. Etwas anderes hat sie bestimmt nicht geliebt.
»Aber sicherlich können Sie das doch noch immer, oder?«, schlug Miss Judson vor. »Posthum, gewissermaßen ihr zu Ehren?« Bei jeder Blumenschau gab es ein Preisgeld zu gewinnen, und sollten Miss Wodehouses Lilien als Sieger hervorgehen, könnte es Mr Hamm zustehen.
Mr Hamm zuckte nur mit den Schultern. Er trug eine weite braune Jacke und einen gewachsten Arbeitsoverall. Ich erkannte seine Stiefel – die mit den hufeisenförmigen Beschlägen auf dem Absatz, womit man gut über rutschige, schlammige Erde laufen konnte. »Kommt mir irgendwie nich’ richtig vor, ohne sie.« Trübsinnig stocherte er im Feuer und schürte die abkühlende Asche an.
»Was verbrennen Sie da eigentlich?«, fragte ich und versuchte, durch den Rauch zu spähen. Im August Laub zu verbrennen, war eher unüblich.
Mr Hamm war daran gewöhnt, dass ich ihn über seine Arbeit ausfragte, doch an diesem Morgen war er nicht so auskunftsfreudig wie sonst. »Abfall«, war alles, was er sagte.
»Hat das Gewitter letzte Nacht viel abgebrochen?«, hakte ich nach, obwohl es nur ganz leicht geregnet hatte.
Noch einmal zuckte er mit den Schultern und wedelte die Schwaden mit dem Hut beiseite.
Ich verdeckte meine Augen mit der Hand, um mein Stirnrunzeln zu verbergen, und spähte zu Miss Judson. »Wissen Sie, was mit Miss Wodehouse geschehen ist?«, fragte ich schließlich, nach einer Pause, die mir respektvoll erschien.
»Irgendwas mit der Wanne, heißt es. Hab die Neuigkeit erfahren, als ich heut Morgen zur Arbeit gekommen bin.«
»Heute Morgen? Aber ich habe Sie gar nicht gesehen.«
»Hab an den Beeten auf der Nordseite gearbeitet.«
Diese Beete hatte ich vom Unterrichtsraum aus bestens im Blick – Mr Hamm war nicht dort gewesen. Nicht an diesem Morgen. »Und letzte Nacht?«
»Myrtle«, mischte Miss Judson sich mit strengem Tonfall ein. »Mr Hamm, Myrtle macht sich Sorgen um die Katze.«
Sein Gesichtsausdruck wurde augenblicklich sanfter. »Heut hab ich sie noch nich’ gesehen«, sagte er. »Armes kleines Ding. Wird die Herrin sicher vermissen, aye?«
Ich kaute auf meinem Finger herum, um nichts Unverschämtes zu sagen. »Darf ich nach ihr suchen?«
Sein Gesicht verknitterte zu so etwas wie einem Lächeln. »Versuchen Se’s beim Goldregen – Sie wissen ja, wie sehr sie die Schmetterlinge da mag. Aber passen Se auf den jungen Burschen auf, den Neffen der Herrin. Falls der Ihnen dumm kommt, dann sagen Se ihm, wer Sie sind und wer Ihr Pa is. Und dass ich Ihnen erlaubt hab, im Garten zu sein. Und basta.« Energisch stach er mit dem Rechen in den Haufen, sodass Funken in die Luft stoben.
»Das werden wir gewiss tun. Danke für die Warnung, Mr Hamm.« Bevor ich weitere Fragen stellen konnte, schubste Miss Judson mich Richtung Garten, vorbei an dem Feuer und durch die Hecke.
»Au! Wozu die Eile?«, beschwerte ich mich.
»Der Rauch roch übel«, erklärte sie. »Irgendwie toxisch.«
»Rauch ist toxisch.« Stirnrunzelnd schaute ich noch einmal zurück. »Glauben Sie, er verbrennt etwas Giftiges?«
Miss Judson scheuchte mich weiter. »Oh nein, Myrtle Hardcastle! Ich lasse nicht zu, dass du gegen diesen armen Mann irgendwelche Verdächtigungen zusammenfantasierst.«
»Er hat gelogen, als er uns erzählt hat, wo er heute Morgen war«, sagte ich.
Sie zog ein düsteres Gesicht. »Das ist mir aufgefallen.«
»Aber«, räumte ich ein, »natürlich macht ihn das nicht automatisch verdächtig. Er könnte schon lange vorgehabt haben, diesen Abfall zu verbrennen.«
»Jedenfalls waren es keine abgeknickten Äste. Was das angeht, hat er ebenfalls gelogen.«
Ich rümpfte die Nase. »Das stimmt so nicht. Ich war diejenige, die ein Gewitter und abgebrochene Pflanzen ins Spiel gebracht hat. Er hat mich nur nicht korrigiert.« Erwachsene machten sich oft nicht die Mühe, mich zu verbessern, wegen der hohen Wahrscheinlichkeit, dass ich eine Diskussion anfangen würde. Was allerdings nur passierte, wenn ich wusste, dass sie sich irrten! Nicht etwa weil ich Spaß am Streiten hatte.
Miss Judson glättete ihre Röcke und richtete den Sitz ihrer Handschuhe. Sie sah immer gefasst, ordentlich und klug aus – und bereit, als ginge sie jederzeit davon aus, gleich in Aktion treten zu müssen, etwa Rad zu fahren, Tennis zu spielen oder einen davonrollenden Kinderwagen zu retten.
Oder Katzen zu bändigen!
»Da ist sie!«, rief ich, als ich den verräterischen Fleck schwarz-weißes Fell entdeckte, der sich durch das hohe Gras an der Westhecke schob.
»Bist du sicher?« Miss Judson war dicht hinter mir, wobei ihre Stiefel über den Rasen huschten, als wären sie zum Rennen gemacht, nicht nur, um im Unterrichtsraum Autorität zu verströmen. Meine Stiefel quatschten lustig, als ich über eine Stelle lief, die vom Regen noch nass war. Als wir um die Hecke wirbelten, landeten wir geradewegs auf verbotenem Terrain. Miss Judson packte mich am Arm, obwohl ich längst selbst abbremste, wenn auch wenig elegant. Es gab kein Tor, keinen prächtigen Durchgang oder irgendeinen Hinweis darauf, dass man heiligen Boden betrat, dennoch spürte ich Miss Judsons Fingernägel, die sich in meine Ärmel gruben und mich zurückhielten. Diesen Ort hatte ich immer nur aus respektvoller Entfernung gesehen, selbst mein Teleskop wagte ich kaum darauf auszurichten, so sehr hatte man uns eingeschärft, ihn mit Ehrfurcht zu behandeln.
Dies war Miss Wodehouses Liliengarten.
Zumindest war er es gewesen. Etwas stimmte hier ganz und gar nicht. Obwohl mir wohl bewusst war, dass ich in diesem Teil des Gartens nichts zu suchen hatte, schüttelte ich Miss Judsons Hand ab und machte einen Schritt hinein, und noch einen, dorthin wo die weltberühmten Lilien wachsen sollten. Doch die Beete rings um mich herum waren leer, so karg wie im Winter.
Die Lilien waren fort.
3ein wichtiges gerichtliches Dokument, das man keinesfalls mit Frühstück bekleckern sollte
4Die alarmierende Schneckenaffäre von 1890 war ein hervorragendes Beispiel und würde eines Tages den Stoff für ein faszinierendes Einzelwerk hergeben, da es eine Reihe von bislang verkannten wissenschaftlichen Prinzipien demonstrierte. Jedoch hat es keinerlei direkten Zusammenhang mit diesem Fall, weshalb an dieser Stelle kein weiteres Wort darüber fallen soll.
5Ich war sicher, dass man zuerst sämtliche Gräber entfernt hatte. Vater meinte, es gab damals eine gerichtliche Anweisung und ungeheuer viel Papierkram. In einem kleinen Museum, das man in einem umgebauten Mausoleum untergebracht hatte, waren Fotografien der Exhumierungen ausgestellt. Doch Caroline Munjal, ein Mädchen aus der Nachbarschaft, beharrte darauf, dass einige der Leichen noch immer dort vergraben lagen und ihre Geister nun in den neuen Häusern spukten. So viel zu »unrealistisch« (s. o.).