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4. Der Stellvertreter Petri: Leo I., der Große

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Papst Leo I.

Obwohl die päpstliche Doktrin bereits vor Leo I. zur Ausformung gelangte, erreichte sie doch unter ihm, der als einer von nur zwei Päpsten der Geschichte den Beinamen „der Große“ führt, einen unbestreitbaren Höhepunkt. Zum einen sind wir durch ein reiches Brief- und Predigtcorpus vergleichsweise gut über sein papales Wirken informiert, zum anderen begünstigte der stark beschleunigte Niedergang des schwach gewordenen Kaisertums im Westen den Aufstieg des Papsttums zu politischer Bedeutsamkeit. 449 regte Leo I. Valentinian III. maßgeblich zu einem Kaiserreskript zur Manichäerverfolgung an und instrumentalisierte damit die staatliche Verwaltung für seine eigenen kirchlichen Ziele. Seine Autorität wuchs enorm, als es ihm und eben nicht dem zaudernden, ängstlichen Kaiser gelang, 452 Attila und seine Hunnen bei Mantua zum Abzug zu bewegen und 455 bei Geiserich die Schonung der römischen Bevölkerung zu erwirken.

Untrennbar ist sein Name aber mit grundlegenden Äußerungen zum Primat des römischen Bischofs verbunden, der gegenüber dem Kaiser, aber auch gegenüber den Teilkirchen des Ostens seine Gesamtverantwortung, seine dogmatische Urteilsgewalt und sein Richteramt hervorhob. In einem längeren Lehrschreiben legte Leo I. seine Sicht im Monophysitismus-Streit dar, indem er die Lehre von der doppelten Konsubstantialität der einen Person entfaltete. Das Schreiben wurde zwar auf der Synode von Ephesos (449) unterdrückt, weshalb Leo I. bald von der Räubersynode sprach, aber das Bild des hartnäckig widersprechenden Papstes blieb bestehen. Darauf sich beziehend unternahm der Nachfolger des Kaisers Theodosios II. (408–450), Markian (450–457), einen neuen Einigungsversuch auf dem Konzil von Chalkedon. Dort wurden auf der Grundlage der von Leo I. formulierten Thesen die Glaubensdefinitionen festgeschrieben, die im Westen fortan als unverrückbar galten.

Die Gedankengänge des Augustinus aufgreifend, bewog Leo I. im Jahr 445 Kaiser Valentinian III. (419–455) zu einer grundsätzlichen Sanktionierung der Autorität des römischen Bischofs gegenüber allen anderen Kirchen und ihren Oberhirten im Westreich. Ebenso wie im Manichäerstreit bediente er sich des Kaisers wie eines zweckdienlichen Werkzeuges zur Manifestierung der sich verfestigenden päpstlichen Gewalt.

Aber auch gegenüber dem oströmischen Kaiser Leo I. (457–474) betonte Leo I. seine Vorrangstellung, als er ihm 457 schrieb, dass die Herrschaft weltlichen Machthabern vorrangig zum Schutz der Kirchen übertragen worden sei. Ein Gedanke, auf dem seine Nachfolger aufbauen sollten. So schrieb Felix III. Kaiser Zenon, in Zuspitzung der Thesen Augustins und Leos I., dass der Kaiser in Glaubensfragen der Kirche gehorchen und den göttlichen Gesetzen die nötige Achtung entgegenbringen müsse. Freilich war man von der konkreten Umsetzung dieser theoretischen Überlegungen zum Verhältnis zwischen Kaisertum und Papsttum noch sehr weit entfernt, aber das einmal Formulierte geriet nicht mehr völlig in Vergessenheit; die schriftliche Fixierung verlieh der Idee Permanenz.

So sehr Leo I. die Bedeutung des Apostels Paulus für die Nachfolger Petri betonte, so unterstrich er doch zugleich bei jeder Gelegenheit die unangefochtene Vorrangstellung Petri. Nicht zufällig ließ gerade er in St. Paul die Reihe der römischen Bischöfe in Medaillons abbilden, um für jedermann sichtbar auf die Sukzession Petri sowie die damit verbundene Lehre von der sedes apostolica hinzuweisen. Es ist wahrscheinlich, dass er einen vergleichbaren Bilderzyklus auch in St. Peter anbringen ließ, wo er als erster Papst zur letzten Ruhe gebettet wurde und damit eine bis heute fortwirkende Bestattungstradition schuf.

Von einschneidender Bedeutung war auch Leos I. Brief an den Metropoliten von Saloniki, Anastasios, in welchem er ausführte, dass nur der Papst allein die volle Amtsgewalt besitze. Ungeachtet dessen, dass sich der Brief auf einen Spezialfall bezog, wurde er seit dem 9. Jahrhundert herangezogen, um die Unterstellung aller Bischöfe unter die plenitudo potestatis (Vollgewalt) des Papstes zu begründen. Ähnliche Gedanken formulierte Leo I. in einer Predigt zu Matth. 16, 18, in welcher er die Nachfolger Petri als Vorbilder und Muster für alle Bischöfe darstellte. Unermüdlich arbeitete er am Ausbau kirchlicher Strukturen und an der Unterordnung Galliens unter Rom. Allerdings waren die Zeiten zu instabil, um rasch dauerhafte Erfolge zu erzielen. Obwohl die Bistümer weitgehend erhalten blieben, machten die Barbareneinfälle der Alanen, Vandalen, Sweben, Westgoten, Burgunden, Alemannen und Franken eine weitere Ausdehnung des römischen Einflusses außerordentlich schwierig. Aber die Organisation des Papsttums war bereits so gefestigt und vor allem bereits so weit vom Kaisertum unabhängig, dass es dessen Untergang im Westen unbeschadet überleben konnte.

Papsttum und Kaisertum im Mittelalter

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