Читать книгу Papsttum und Kaisertum im Mittelalter - Elke Goez - Страница 19
1. Das Papsttum am Vorabend der fränkischen Intervention
ОглавлениеVerselbständigung der Päpste
Die bereits angesprochenen Differenzen der Päpste mit den Kaisern führten zu einer langsamen, aber stetigen Herauslösung aus dem byzantinischen Herrschaftsverband. Die zunehmende Verselbständigung der Nachfolger Petri und deren Übernahme auch weltlich-politischer Aufgaben, zunächst in der Stadt Rom selbst und von dort ausgehend in immer weiteren Teilen der Apenninenhalbinsel, führte aber nicht zu einem radikalen Bruch mit der über Jahrhunderte gewachsenen griechisch-byzantinischen Prägung in weiten Teilen der Liturgie, der Rechtsprechung und der Verwaltung. Die allmähliche Trennung führte auch nicht zu einer sofortigen Veränderung der kirchlichen Strukturen; ihre Folgen waren vor allem langfristig.
Papst Gregor II.
Auslöser für die immer heftiger werdenden Konflikte mit dem Kaiser am Bosporus waren zunächst keine geistlichen Probleme, sondern schnöde Finanzforderungen. Nach dem Erfolg Leons III. gegen die Araber 717/18 benötigte er zur Fortsetzung seiner Feldzüge in Kleinasien sowie zur Umsetzung einer grundlegenden Heeres- und Verwaltungsreform Geld. Daher verschärfte er weit intensiver als seine Vorgänger den Steuerdruck, der auch vor Besitz in geistlicher Hand nicht haltmachte. Papst Gregor II. (715–731) wehrte sich heftig gegen die empfindliche Beschneidung seiner Wirtschaftsgrundlage sowie seiner Einkünfte; der Widerspenstige entkam nur knapp einer Verhaftung.
Die ohnehin angespannte Situation spitzte sich zu, als Leon III. ca. 725 – ähnlich wie bereits 723 der Kalif Jezid II. – ein Verbot der Bilderverehrung erließ, die als Gotteslästerung gebrandmarkt wurde. Als er daranging, Bilder zerstören zu lassen und seine Gegner zu verfolgen, setzten sich der Patriarch und Papst Gregor II. zur Wehr. Aber der Kaiser war nicht zum Einlenken bereit, was – unterstützt von großen Teilen des Mönchtums – im byzantinischen Reich bei der einfacheren Bevölkerung zu heftigen Aufständen und bürgerkriegsähnlichen Zuständen führte. Zahlreiche Mönche mussten fliehen und gelangten als kulturprägende Kräfte in den Westen.
Für das Papsttum hatte die antikaiserliche Haltung Gregors II. gravierende Folgen: Leon III. entzog ihm die Jurisdiktion über Sizilien, Unteritalien sowie das Vikariat von Saloniki und übertrug sie dem Patriarchen von Konstantinopel. Vor allem der Verlust der Patrimonien im Süden Italiens und in Sizilien kam einer wirtschaftlichen Katastrophe gleich. Angesichts ihres schwindenden Einflusses im Süden konzentrierten sich die Nachfolger Petri ganz auf Nord- und Mittelitalien, was die Loslösung des Apostolischen Stuhles von Byzanz erheblich beschleunigte und einen radikalen Westruck seiner politischen Ausrichtung zur Folge hatte. Da es seit den Bilderunruhen keinen byzantinischen Exarchen mehr in Rom gab, konnten die Päpste ab dem zweiten Drittel des 8. Jahrhunderts die Herrschaft über Stadt und Dukat allein übernehmen, was sich an den Baumaßnahmen an der Stadtmauer sowie im Hafen von Civitavecchia (ehemals Centumcellae) unter Gregor III. (731–741) ablesen lässt.
Gleichzeitig bewirkte der Konflikt mit Byzanz eine Annäherung der Päpste an die Langobarden, da König Liutprand (712–744), der eine tiefe Verehrung für den heiligen Petrus hegte, den Kaiser am Bosporus als gemeinsamen Gegner betrachtete. Als er aber Sutri einnahm, fühlte sich Gregor III. so sehr bedrängt, dass er im Jahr 739 die Hilfe des fränkischen Hausmeiers Karl Martell (714–741) anrief. Dieser war indessen nicht bereit, sich zugunsten der Nachfolger Petri in Italien zu engagieren, zumal Karl Martell eine Tochter Liutprands geheiratet und seinen kleinen Sohn Pippin dem Langobardenkönig zur Erziehung anvertraut hatte.
Unter Papst Zacharias (741–752) entspannte sich das Verhältnis zu den Langobarden dank eines 742 mit Liutprand geschlossenen zwanzigjährigen Waffenstillstands für den Dukat von Rom. Das neue Einvernehmen änderte sich freilich schlagartig nach Liutprands Tod (744) und der unglücklichen, mit seiner Absetzung endenden Regierung des Königs Ratchis (744–749). Dessen Bruder Aistulf (749–756) betrieb ohne religiöse Skrupel eine aggressive Expansionspolitik auch auf Kosten des Papsttums, das sich zunehmend bedroht fühlte, je näher die Langobarden der Ewigen Stadt kamen. 751 stand Aistulf auf dem Zenit seiner Macht.