Читать книгу Now and then - Ella C. Schenk - Страница 4

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Verdammt! Sieh dich an!

Schau in den Spiegel und betrachte, was dir einfach

niemand nehmen kann!

Dein Wesen, so vollkommen und unendlich groß in dir.

Dein Herz, gütig und warm, lässt Liebe entstehen,

nicht nur in mir.

Du wirst bleiben, auch wenn du gehst.

Du wirst immer da sein, auch wenn du fehlst.

Olivia

Eine Prise Zorn. Ein Hauch von Wut.Eine geballte Ladung Unsicherheit, gefolgt von einer gigantischen

Welle …

Abrupt blieb ich stehen, um Sekunden später wie ein Fähnchen im Wind, fast schon orientierungslos die Richtung zu wechseln.

Einen klitzekleinen Schritt nach vorn, zwei noch kleinere zurück.

Stillstand.

Ein nervöses Zucken nach rechts, dann nach links.

Stillstand.

Ein Blick zum Ausgang, ein weiterer auf meine Uhr.

Verdammt nochmal! Reiß dich zusammen, Olivia!

Gedanklich rief ich mich zwar lautstark zur Ordnung, doch das Chaos beherrschte mich jedes Mal aufs Neue derart stark, dass ich innerlich um meine Gelassenheit kämpfen musste.

Kaum setzte ich einen Fuß in dieses altertümliche, riesige Steingebäude, entglitt mir meine antrainierte Selbstkontrolle. Doch nicht nur das.

Eine gigantische Welle der Scham spülte über mich hinweg, nein, tauchte in mich hinein, flutete jede einzelne meiner Zellen.

Ich presste meine braune Ledertasche enger an mich, sodass ich problemlos und ohne fremde Blicke in mein Seitenfach greifen konnte. Mit geübten Bewegungen ertastete ich das kleine Döschen und zog zwei runde Pillen hervor. Ein kurzer Blick über meine Schulter, anschließend wieder nach links und rechts, dann warf ich sie mir ein. Sobald der herbe Geschmack meine Zunge berührte, entspannte ich mich etwas. Meine hetzenden Gedanken rückten in den Hintergrund und der Druck auf meine Lungen wurde weniger einschnürend.

Das redete ich mir jedenfalls ein, und darin war ich eine Meisterin mit jahrelanger Übung. Oder wohl eher eine wahre Expertin. Jawohl!

Nickend und tief durchatmend, lugte ich auf die metall-umfasste Uhr am anderen Ende des beinahe menschenleeren Ganges und ging darauf zu.

Ich stellte meine Umhängetasche auf den Fliesenboden und band mein langes, dunkles Haar zu einem Pferdeschwanz.

Dann hieß es erstmal warten.

Meine Kommilitonen spurteten an mir vorbei und warfen mir ein knappes Lächeln zu, als sie in den Lehrsaal stürmten.

Wie gern würde ich ebenfalls darin sitzen, mit gespitzten Bleistiften in der einen Hand und einem Fachlexikon in der anderen. Doch die Möglichkeit, an diesen begehrten Medizinvorlesungen teilzunehmen, hatte ich in meinem letzten Jahr auf der Uni nicht - nicht mehr. Diese Chance hatte ich – um es milde auszudrücken – total in den Sand gesetzt. Ich schluckte angestrengt, als ich kurz an diese eine Aktion zurückdachte, weswegen ich aus dem Kurs geflogen war.

Es war rein Professor Peters zu verdanken, dass ich überhaupt noch an ihren Vorträgen teilnehmen durfte. Wenn auch nur als ihre Assistentin.

Ich kreiste meinen Kopf ein paar Mal, bis es leise knackste.

„Olivia, meine Liebe!“ Die Professorin kam mit zwei großen Plakaten unter dem rechten Arm hektisch um die Ecke gestöckelt. In der Linken hielt sie eine überdimensionale Tasche - wie immer passend zur Farbe ihres Kostüms. Diesmal eine Grau in Grau Kombination.

Ihr freundliches Gesicht ließ meine hochgezogenen Schultern etwas herabsinken und ich trabte langsam auf sie zu. Meine schwarzen Boots quietschten leise auf dem glatten Fliesenboden.

„Ich nehme das, Professor, geben Sie her.“ Ich nahm ihr die beiden Plakate ab, und sie setzte ein gewinnendes Lächeln auf.

„Vielen Dank, Olivia! Der Truncus cerebri ist schon ganz aus dem Häuschen, da er heute endlich Hörsaalluft schnuppern darf.“

Sie zwinkerte mir zu und fuhr fort: „Hast du denn die Unterlagen mitgebracht, um die ich dich gebeten habe?“

Ich deutete mit dem Kinn auf meine am Boden positionierte Tasche. „Natürlich. Die Folien sind dort, und der Stick befindet sich in meiner Hosentasche.“

„Sehr gut. Aber ich hätte auch nichts anderes von dir erwartet. Ich hoffe nur, dass ich dir nicht zu viel Arbeit aufgebrummt habe. Der Hirnstamm ist doch sehr komplex.“ Sie kräuselte ihre roten Lippen.

„Nein. Eher im Gegenteil, es war eine willkommene Ablenkung.“ Die Worte kamen viel zu schnell über meine Lippen. Doch es war zu spät. Natürlich hakte Professor Peters nach. Sie konnte ja gar nicht anders.

„Wenn ich fragen darf, wie geht es deiner Mutter denn? Gibt es etwas Neues zu berichten?“ Sie flüsterte die Worte.

„Zurzeit nicht, nein“, antwortete ich kurz angebunden.

Die Professorin setzte ein mitleidiges Gesicht auf, sparte sich jedoch weitere Worte. Sie kannte mich einfach zu gut, zu lange. Sie wusste, dass ich nicht über das Thema reden wollte.

Ich hob meine Tasche auf und gemeinsam betraten wir den alten Lehrsaal. Wie immer achtete kaum jemand auf meine Wenigkeit, sondern nur auf die Präsenz der besten Dozentin weit und breit.

Dutzende Augenpaare verfolgten aufgeregt ihre kleinen Schritte zum erhobenen Podium. Ich könnte derweil einen Radschlag nach dem anderen vollführen, doch sie würden mir kaum Beachtung schenken. Naja, bis auf Eliza natürlich. Meine beste Freundin saß eng eingequetscht in der ersten Reihe und strahlte wie ein Honigkuchenpferd in meine Richtung. Ich wusste, dass sie ganz aus dem Häuschen war, da sie die Professorin verehrte. Sie winkte mir einmal schnell mit beiden Händen zu und riss dabei dermaßen ihre Kulleraugen auf, dass sich ein winziges, echtes Schmunzeln auf meine Lippen legte. Daraufhin streckte sie mir ihre Zungenspitze entgegen, was mich automatisch dazu veranlasste, ein wenig gespielt schockiert den Kopf zu schütteln. Gleichzeitig wandte ich mich wieder zu der Professorin, die bereits auf dem Podest stand und mich mit hochgezogenen Augenbrauen anvisierte.

Oje.

Und meine Gesichtshälften fühlten sich auch schon ein paar Grad wärmer an. Schnellen Schrittes ging ich auf die Tafel zu und befestigte die zwei Plakate, schoss anschließend zum Beamer und kramte meine mitgebrachten Folien hervor. Zu guter Letzt kümmerte ich mich um dessen Inbetriebnahme und dimmte das Licht.

Fürs Erste war meine Arbeit erledigt.

Ich zog einen Block und Kugelschreiber aus meiner Tasche und setzte mich an den Dozentenschreibtisch nahe dem Podium.

Professor Peters begann bereits mit ihrem Vortrag, dem ich eigentlich gewillt war zuzuhören, doch mein Blick schweifte durch die Reihen der Studierenden.

Die Plätze waren seit Jahren begrenzt. Nur die Besten der Besten durften hier teilnehmen. Stolz blickte ich zu Eliza. Sie hatte sich diesen Platz mehr als verdient. Mit diesem abgeschlossenen Zusatzkurs würde es ein Leichtes werden, einen Platz für die Medical School in Harvard zu ergattern. Professor Peters hatte dort nämlich einen unschlagbar guten Ruf.

Sie selbst war Absolventin und arbeitete nun als angesehene Fachärztin in der Neurochirurgie. Seit Jahren trug sie hier am Campus freiwillig ihre Fachkenntnisse vor, um mögliche Anwärter für ein Medizinstudium vorzubereiten. Und wenn sich jemand wirklich gut schlug, verfasste sie sogar ein Empfehlungsschreiben. Schaffte man dann auch noch den schriftlichen Aufnahmetest, war diese Kombi quasi das goldene Ticket.

Eliza hatte sich die letzten Jahre hier exzellent geschlagen. Ich lehnte mich in das bequeme Leder des Sitzes und meine Gedanken begannen mal wieder dorthin abzuschweifen, wo sie eigentlich nichts zu suchen hatten.

Jon ist bestimmt unglaublich stolz auf seine Schwester.

Ich schnaubte auf.

Hör auf, an ihn zu denken, Olivia! Stopp. Stopp. Stopp.

Schnell nahm ich meinen Kugelschreiber in die Hand, um mir Notizen zu machen. Doch meine angebrochenen Gedanken gingen mir nicht aus dem Kopf, und anstatt den Stift zum Schreiben zu benutzen, kaute ich an dessen Ende herum und starrte vor mich hin.

Ich wette, für mich würde er sich schämen …

Seufzend schloss ich die Lider und lehnte mich mit einem aufkommenden Gefühl von Feindseligkeit und Wut zurück.

Als ich wieder aufsah, war der Lehrsaal hell erleuchtet und mehrere Augenpaare fixierten mich. Prompt verschränkte ich die Arme vor meinem Oberkörper. Mein Blick schoss zu Eliza, die mit weit aufgerissenen Augen und hektischen Kopfbewegungen in Richtung Podium deutete. Ich folgte ihrem gehetzten Blick, und da traf mich der verspätete Geistesblitz. Ich schob den Sessel mit einem Ruck zurück, sodass er laut aufquietschte und ich Mühe hatte, vor lauter Eile nicht auf die Nase zu knallen.

Leises Gelächter begleitete meinen schnellen Gang zur Professorin, die mit beiden Händen in die Hüften gestemmt streng meinen Blick erwiderte. Ich nuschelte mehrmals ein leises „Entschuldigung“ in ihre Richtung, während ich meinen Stick in ihren Laptop steckte und die Datei öffnete.

Beim Beamer angekommen folgte dann die Krönung des Ganzen. Mir fielen die gesamten Folien auf den Boden, die zuvor anscheinend kreuz und quer von der Professorin beschriftet worden sind.

Eilig sammelte ich die glitschigen Dinger mit meinen bereits schweißnassen Händen ein. Toll, wirklich toll, Liv!

Gedanklich gab ich mir mehrmals eine Kopfnuss.

Ich musste das Problem mit meinen abschweifenden Gedanken endlich in den Griff bekommen. Vor allem, wenn sie in diese bewusst verdrängte Richtung gingen. Und ja, mir war klar, dass es einen Zusammenhang mit meiner reichlichen Dosis an Tabletten gab. Dennoch: weder konnte noch wollte ich diese reduzieren. Es ging einfach nicht.

Noch nicht.

Der Rest der Stunde verflog dann regelrecht.

Alle Studierenden - mich diesmal eingeschlossen - hangen an den Lippen der Professorin. Niemandem schien aufzufallen, dass aus den zwei Lehrstunden nahezu drei wurden. Und das an einem Freitagnachmittag. Auch ich hätte es eigentlich nicht bemerkt, würde nicht ständig mein Handy in der Hosentasche vibrieren. So hartnäckig und standhaft, dass ich auch ohne aufs Display zu gucken wusste, wer mich erreichen wollte. Trotz des Wissens, mich nachher auf Diskussionen einlassen zu müssen, ignorierte ich den Anrufer. Was hätte ich auch sonst tun sollen? So versuchte ich, das ständige Kribbeln außer Acht zu lassen und konzentrierte mich stattdessen auf die Abschlussworte von Professor Peters.

Oder versuchte es jedenfalls.

Als diese endeten, versammelte sich eine kleine Menge von Studierenden am Ausgang, die mal wieder lautstarke Lobeshymnen in Richtung der Vortragenden sangen. Schmunzelnd packte ich meine Notizen ein und schlenderte auf die Tafel mit den Plakaten zu. Bevor ich meine Hand nach dem bunt bemalten Hirnstamm ausstrecken konnte, kam die Professorin zu mir.

„Lass mal, Olivia. Ich mach das schon.“ Ich drehte mich zu ihr um und sie legte ihre rechte Hand auf meine Schulter, ehe sie fortfuhr. „Es ist Freitagnachmittag. Sieh zu, dass du ein wenig Ablenkung bekommst am Wochenende, ja?“

Meine Antwort folgte zögerlich. „Morgen findet Dads jährliche Kanzleiparty statt. So oder so, da komme ich nicht dran vorbei.“

Sie zog die Hand wieder weg und gab mir stattdessen den USB-Stick, den sie in ihrer Faust versteckt hielt.

„Gut. Lass ihn schön grüßen. Und bitte vergiss nicht, dich nach dem Fest auszuruhen.“ Ihre Augen blitzten auf. „Nicht, dass du während einer Vorlesung wieder einnickst.“

Ich stammelte also erneut ein leises „Entschuldigung“ mit einem „Wird nicht mehr vorkommen“, bevor ich meine Habseligkeiten mal wieder ungeschickt zusammenpackte und mich schleunigst mit gesenktem Kopf nach draußen begab.

Trotz der kühlen Brise blieb ich mitten auf der großen Steintreppe stehen und genoss die schwere und zugleich erfrischende Herbstluft. Doch der Moment währte nur kurz.

„Liiiiihiiivvvv! Halloooohooo!“

Ich zupfte mir mein Haargummi von den Haaren, schüttelte sie ein paar Mal durch und hüpfte die Treppe hinunter zu meiner besten Freundin. Diese erwartete mich mit zwei Bechern dampfenden Kaffees. Ich drückte sie kurz an mich und nahm ihr das heiße Getränk ab.

„Gib schon her.“Ich grinste sie an und warf danach noch einen schnellen Blick über meine Schulter. Dabei ließ ich den Groll, der in meinem Magen aufgestaut war, die Stufen hinaufflattern und durch die große Holztür ins Gebäude verschwinden. Ich würde ihn erst am Montag wieder abholen.

Ich drehte mich wieder zu Eliza, griff in meine Lederjacke und hielt ihr das Geld für das köstliche Gebräu vor die Nase.

Sie schlug die Hand locker weg. „Na klar doch. Als würde ich dir nicht ungefähr zwanzig Cappuccinos schulden.“ Automatisch sah sie zum Coffeeshop, der sich an der gegenüberliegenden Straßenseite befand.

Wahre Worte! Hört, hört!

Lächelnd zuckte ich als Antwort nur mit den Schultern und ging dann los Richtung Stadtzentrum. Meine beste Freundin folgte mir.

„Wie lange bist du denn heute in der Bar?“

Eliza zupfte kurz ihren blonden Pony zurecht. „Keine Ahnung. Bis Schluss, wie es aussieht. Hodge meinte, ich solle mich womöglich auf Überstunden gefasst machen.“

Ich pfiff anzüglich durch die Lippen, während ich mein Handy aus der Tasche fischte und es entsperrte. Wusste ich doch, dass er versucht hatte mich zu erreichen. Schnell räusperte ich mich und wandte mich wieder Eliza zu. „Uh la la, will Hodge dich etwa den ganzen Abend für sich allein?“

Dafür erntete ich einen Schlag auf den Oberarm, sodass ich ein wenig zur Seite tänzelte.

„Liv! Jetzt hör mal auf damit. Da läuft nichts!“

Ihre um einige Oktaven höhere Stimme als sonst verriet sie -mal wieder. Seit sie im Sommer in dieser Bar, kombiniert mit einem Diner arbeitete, war sie dem tätowierten Barchef aber so was von verfallen. Nur wollte sie es irgendwie nicht wahrhaben.

„Wie du meinst.“

Ich schenkte ihr ein verschmitztes Lächeln, welches sie knapp erwiderte, bevor sie rasch das Thema wechselte.

„Sag mal, was war heute eigentlich los mit dir? So mitten in der Arbeit einfach einzupennen, ist ja sonst nicht so deine Art?“

„Hab gestern schlecht geschlafen, kein Ding.“ Ich wedelte abwertend mit der Hand und verstaute mein Handy wieder.

„Hmm“, machte sie zögernd.

Ich schielte zu ihr. „Was, hmm? Jeder schläft mal schlecht. Kein Grund zur Sorge.“

„Ja, schon klar. Aber falls das wieder zur Gewohnheit werden sollte, ich …“

„Wird es nicht, versprochen.“

„Aber wenn doch, und du nur mal wieder zu stur bist, Hilfe anzunehmen, dann werde ich dir deinen kleinen Hintern versohlen. Ich hoffe, das ist dir klar.“ Besagter Hintern erhielt sogleich einen kleinen Schwups als Warnung.

„Ist angekommen!“

Ich lachte und verdrehte die Augen.

„Will ich auch hoffen. Wann kommst du heute eigentlich vorbei? Soll ich einen Tisch für dich reservieren?“

Ursprünglich wollte ich später noch meine Notizen von der Vorlesung durchgehen und zusammenschreiben, aber dies konnte ich auch dort. Obwohl …

Und schon machte sich ein unangenehmes Ziehen in meiner Magengegend breit.

„Ich weiß noch nicht … ich, also … dein Bruder hat mich vorhin schon ein paar Mal angerufen, vielleicht sollte ich …“

Eliza fiel mir ins Wort. „Mein Bruder ist nicht dein Vater! Du kannst allein Entscheidungen treffen. Wie oft soll ich dir das noch sagen?“

Unsicher schob ich mir eine verirrte, braune Haarsträhne aus dem Gesicht, während Lizzy mehrmals aufschnaubte.

„Ja, das weiß ich doch. Und so ist es auch nicht. Er meint es nur gut mit mir.“ Würg. Diese Worte fühlten sich an wie Säure.

„So ein Bullshit!“

Jetzt wurde ich schlagartig wütend. Wie immer, wenn man mich so einfach durchschaute. „Jetzt hör auf, du kennst ihn doch besser als ich! Also lass es einfach, okay?“ Meine Stimme kam forscher als beabsichtigt über meine Lippen. Nicht nur ein Passant warf mir daraufhin irritierte Blicke zu. Eliza blieb abrupt mitten auf dem Gehsteig stehen.

„Nein, ich kannte ihn mal besser. Jetzt ist er nur noch …“

„Schlucks runter …!“

„Verbittert. Und ein größeres Arschloch als je zuvor. Sorry, Liv.“

„Na vielen Dank für die Blumen. Das spricht dann wohl für mich?“ Scham, Wut und Verletztheit tobten gleichermaßen in mir.

Eliza zog ihre Augenbrauen genervt zusammen. Ob deswegen, weil sie soeben angerempelt wurde, oder weil es unser Streitthema Nummer eins war, konnte ich nicht sagen. Wahrscheinlich aber Letzteres.

„Es hat nichts mit dir zu tun. Er war schon immer ein Arsch.“

„Das ist so nicht ganz richtig.“ Und das wusste sie auch.

„Wenn du meinst.“ Sie schnaufte.

„Eliza, bitte …“

„Nein. Lass es! Ich nehme den Bus, bis später.“ Und schon wirbelte sie herum und stolzierte davon.

Ich atmete tief durch und zählte dabei leise mit, während ich ihren dramatischen Abgang mit zusammengekniffenen Augen verfolgte.

Doch ich kam nicht weiter als bis vier, da nun ich von der Seite angerempelt wurde. Angespannt reihte ich mich wieder in die schlendernde Menschenmasse ein und folgte dem Strom.

Ich ging die Upper East Side entlang und mein Blick verlor sich im angrenzenden Central Park. Ein Anblick, der es Gott sei Dank schaffte, mein Gefühlschaos ein wenig zu ordnen. Durch die Baumkronen fielen helle, glitzernde Sonnenstreifen, welche über die Körper der Menschen tanzten. Ich bog nach rechts ab und ließ mich auf einen dicken Baumstamm unmittelbar am Rande des Parks nieder.

Ich versuchte die Kälte, die von der groben Erde und den herausragenden Wurzeln ausging, auszublenden, und schloss meine Augen. Die Finger schlang ich um den Pappbecher, wärmte sie an diesem wohlduftenden Behälter. Anschließend stellte ich mir das vor, was mich schon von klein auf beruhigte: den Sternenhimmel.

Zig funkelnde Lichter, ein voller Mond, eine klare Nacht, welche den Geruch von etwas Geheimnisvollen und Belebenden mit sich brachte. Ich fühlte sie fast, wie sie sich wie ein kühler Mantel um meine Gestalt legte. Mich in eine Dunkelheit hüllte, die alles andere als unangenehm war. Denn ich wusste, dass einer der Sterne – der hellste und schönste zugleich – mir immer den Weg zurückweisen würde.

Denn sie war dieser Stern … Joey, meine große Schwester, die ich so unglaublich vermisste.

Den präsenten Verkehrslärm hörte ich nach ein paar ruhigen Atemzügen nicht mehr. Stattdessen schwebte ich in einer Leere. Und das war so befreiend. Ich liebte es, an nichts denken und nichts fühlen zu müssen, was ich nicht fühlen wollte.

Doch der Moment währte wie immer viel zu kurz. Mein Verstand wäre schließlich nicht mein Verstand, würde er nicht das willkommene Gefühl der Freiheit vertreiben und mich mit meinen Unsicherheiten konfrontieren - natürlich. Schließlich schaffte diese Denkmaschine das ja immer.

Unter den Top drei: Er.

Seine Launen waren in den letzten Monaten tatsächlich unausstehlich und unberechenbar geworden. Ich konnte einfach nicht mehr begreifen, was in ihm vorging. So ungern ich es auch zugeben wollte, Elizas Wortwahl „verbittert“ traf es ziemlich gut. Dabei konnte ich mich nicht erinnern, ihm einen Grund dafür gegeben zu haben, schließlich hielt ich mich an unseren beschissenen, geheimen Deal.

Ich schüttelte langsam meinen Kopf und ließ ihn heftiger als gewollt an den Baumstamm hinter mir prallen.

Now and then

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