Читать книгу Now and then - Ella C. Schenk - Страница 6

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Hoffnung – ein kniffliges Wort.

Einerseits so voller positiver Erwartung,

andererseits spült es alles mit sich fort.

Ein Gefühl, welches Schreck, Angst und Zorn mag verbannen.

Doch wenn es schwindet, kann dich die Dunkelheit übermannen.

Ein Wort, welches den Abgrund kennt,

sowie die Leiter, die dich von diesem trennt.

Ein schmaler Streifen zwischen Leben und dem Tod.

Hauchzart verschiebbar, so bring ihn ins Lot.

Olivia

Wie von selbst wanderte meine von der Kälte versteifte Hand zu meiner Unterlippe. Die ziepte ziemlich, was immer dann vorkam, wenn ich zu viel nachdachte. Dann neigte ich nämlich dazu, meine Unterlippe mit den Schneidezähnen derart zu malträtieren, als wäre sie eine Karamellstange. Ich griff in meine braune Tasche und holte eine Pflegecreme hervor.

Vorsichtig tupfte ich sie auf, und lehnte mich anschließend erschöpft zurück, um nochmal kurz in den wohligen wärmenden Wellen der Sonne aufzutanken. Wie gerne würde ich mich dem friedvollen Rascheln der letzten losen Blätter hingeben und den erdigen Duft tief in mich aufsaugen, doch dahin war es mit meiner Konzentration.

Zur Krönung des Ganzen fing mein Handy wieder an zu vibrieren. Mit einem flauen Gefühl im Magen zog ich es aus meiner Hosentasche hervor und wusste instinktiv, bereits bevor ich es auf dem Display sah, wer mich versuchte zu erreichen. Wieder einmal.

Ich nahm nicht ab.

Stattdessen steckte ich es ohne Umschweife in meine Lederjacke und erhob mich etwas ungalant von dem Baumstamm. Kurz schwankte ich bedrohlich nach links, doch ich fing mich wieder, bevor ich unfreiwillig den Boden küsste.

Manchmal glaubte ich, ich besaß keine ausgereiften Innenohren, denn meine Begabung umzukippen, war gigantisch. Ich klopfte meine Kleidung von den kleinen erdigen Steinchen ab, und machte mich mit meinem fast leeren Kaffeebecher auf den Weg nach Hause.

Ich zweigte von den mit Wolkenkratzern umgebenen Geschäftsvierteln ab und schlängelte mich durch enge verzweigte Gassen, bis ich endlich vor unserem Nachbarn, Kats Coffee & Crime, stand.

Genüsslich atmete ich den würzigen und zugleich herben Geruch ein, der wie eine Duftwolke vor dem Geschäft schwebte. Kein Wunder, ging doch alle drei Sekunden jemand ein und aus.

Ich schlenderte auf die riesige Glastür zu, auf der groß das Logo von Jackson & Jefferson prangte. Harries, der Portier, öffnete für mich mit einer ausholenden Armbewegung die Tür. Ich nickte ihm dankend zu und ging Richtung Lift, der sich nur ein paar Meter vom Eingang entfernt befand. Mein Blick schweifte dabei nach links in die gigantische, mit weißem Marmor ausgelegte Empfangshalle der Kanzlei. Beinahe alle drei Meter befand sich eine einladende schwarze Couch mit kleinen Glastischchen, die so sehr glänzten, dass es für mich einem Verbrechen gleichkäme, sie anzufassen. Doch das war lediglich meine Meinung, denn dutzende Kunden hatten dort ihre Unterlagen, Kaffeetassen und kleine Snacks abgestellt. Soweit ich es erkennen konnte, war kein Platz unbesetzt. Automatisch sah ich zum anderen Ende des Raumes, wo sich ein aus weißem Stein gemeißelter Bartresen befand. Linda - die Barista - hatte alle Hände voll zu tun, das konnte ich sofort erkennen. Mit der einen hantierte sie an der Kaffeemaschine herum, mit der anderen legte sie ein Sandwich zurecht.

Die Arme. Dad soll noch eine zweite Hilfe einstellen, bevor die Gute noch einen Herzinfarkt kriegt.

Ich wandte mich wieder dem großen silbernen Lift zu und drückte „P“ für Penthouse.

Wartend schnellte mein Blick zurück in die Halle und blieb an der mittig vom Raum abgehenden prachtvollen Wendeltreppe hängen.

Sie führte auf eine imposante Galerie, von der die Hauptbüros abgingen. Mich durchfuhr ein Schreck, als mich ein willkommenes Gesicht von oben herab anlächelte. Rosa - die gute Seele der Kanzlei - winkte mir mit ihren von der Arthritis geplagten Händen zu. Ich hob ebenfalls meine Hand, fragte mich jedoch zugleich, wie sie da mit ihren zwei künstlichen Hüftgelenken raufgekommen war, geschweige denn, wie sie da wieder runterkommen wollte. Verblüfft schaute ich von der Wendeltreppe zum unbesetzten Empfangstresen hinab, und wieder zu ihr zurück.

Doch mein Fragezeichen im Kopf verpuffte, als Harrold auftauchte, seine schmierige Hand in ihre legte und sie langsam hinunterführte. Glücklicherweise ertönte in diesem Moment das „Ping“ und ich flüchtete in die vier stählernen Wände, die mich nach oben brachten.

Wenn es nicht unbedingt sein musste, versuchte ich, Dads Firmenpartner aus dem Weg zu gehen. Was jedoch nicht sonderlich einfach war, da er einerseits einen Stock tiefer wohnte, andererseits Elizas, Jons und Remys Dad war, und zudem auch ein alter Freund der Familie.

Oben angekommen marschierte ich den langen, mit beigem Teppich ausgelegten Flur entlang, um zu unserer Wohnungstür zu gelangen. Doch bevor ich eintrat, huschte mein Blick automatisch nach rechts, zum unteren Eck der Mauer. Tat er immer. Und dort standen sie.

Fünf Namen.

Fünf verschnörkelte Namen, welche sich in meine Netzhaut fraßen wie Säure.

Olivia, Jon, Remy, Eliza, Joey.

Doch Joey war kaum mehr zu erkennen, da die Versuche, den Namen „wegzustreichen“, Spuren hinterlassen hatten. Ebenso wie das kleine Herz zwischen meinem und Jons Namen.

Rasch schlüpfte ich aus meinen Boots und drückte die Klinke heftiger als normal herunter.

In unserem hellen Wohn-Essbereich war es still.

An meiner Unterlippe nagend ging ich nach links, tapste an unserer Holzküche vorbei, um zu Dads Büro und Bibliothek zu gelangen. Doch ich fand ihn nicht.

So drehte ich um, und warf einen Blick in den privaten Wohnbereich meiner Eltern, aber auch hier konnte ich kein Geräusch vernehmen.

Wahrscheinlich arbeitet er noch.

Etwas enttäuscht fuhr ich mir mit den Händen durch das lange Haar und atmete dabei geräuschvoll aus. Was sollte ich jetzt tun?

Zu Hause bleiben?

In die Bar gehen?

Oder endlich mein Handy zur Hand nehmen und …

Nein.

Ich entschied mich für die zweite Option.

Also schlurfte ich wieder an der Küche und den weißen Couchecken vorbei, betrat meinen Wohntrakt und ging in das Ankleidezimmer.

Es dauerte keine fünf Minuten, da hatte ich meine Jeans und den grauen Pullover gegen schwarze Leggings und eine blaue Bluse getauscht. Nach kurzer Überlegung kramte ich meine etwas längeren, aus vielen kleinen bunten Perlen bestehenden Ohrringe hervor, und klippte sie hinter die Ohrläppchen.

Kurz bevor ich meinen Wohntrakt verließ, blickte ich noch einmal prüfend in den großen Standspiegel, der sich in meinem Flur befand.

Wie jedes Jahr hinterließ der Sommer Spuren auf meinem Gesicht. Eine Vielzahl an Sommersprossen reihten sich um meine Nasenpartie. Trotz meines gebräunten Teints konnte man sie mehr als deutlich erkennen. Sie ließen sich einfach nie unterkriegen. Ich schmunzelte und offenbarte sogleich mein Markenzeichen: meine kleine Zahnlücke. Und schon ging ein Ruck durch meinen Körper.

Die winzigen Lachfältchen um meine braunen Augen verschwanden abrupt und ich verschloss meinen Mund zu einem Strich.

Früher liebte ich meine Zahnlücke.

Heute hasste ich sie.

Die Hände zu Fäusten geballt wanderte mein Blick automatisch zu meinem linken Handgelenk, welches von meinem ständigen Begleiter - einem braunen Lederband - umschlossen war. Ich schob es mit dem rechten Zeigefinger gerade so beiseite, dass ich eine der beiden kleinen schwarzen Rundungen sah, die andere ließ ich bewusst verdeckt.

Als meine Lippen zu zittern begannen und ich die aufsteigenden Tränen schon spürte, schnappte ich mir die am Boden liegende Tasche inklusive der darunterliegenden Jacke und machte mich schnell auf den Weg ins Pub.

Herzlich Willkommen, du liebe Ablenkung!

Im Pine´s war es stickig.

Der Rauch von Zigaretten lag mehr als schwer in der Luft. Mit zusammengekniffenen Augen suchte ich das rappelvolle Lokal nach Eliza ab, doch ich konnte nur Unmengen an lernenden Studentengruppen erkennen.

Sämtliche Bücher, Blöcke und Laptops schienen auf beinahe jedem der runden Holztische verstreut zu sein. Selbst der langgezogene schwarze Bartresen war voll besetzt. Nach ein paar Kopfverrenkungen erkannte ich Hodge durch eine Lücke zwischen einer Mädelsschar an der Bar. Noch auf dem Weg dorthin schlüpfte ich aus meiner Jacke.

„Entschuldigung? Dürfte ich mal ganz kurz da durch?“

Ohne die Antwort der blonden gackernden Hühner abzuwarten, schob ich mich durch deren Nest, was mir ein empörendes Schnauben einbrachte. Sobald die Sicht frei war, warf ich meine Jacke einfach über den Tresen. Ich war schon immer außerordentlich schlecht im Zielen, doch es war wirklich nicht meine Absicht gewesen, dass meine Jacke im bärtigen Gesicht des Chefs landete.

Das Ziel waren eigentlich seine Unterlagen gewesen, über denen er brütete.

Überrascht richtete er sich auf und suchte mit einem wütenden Funkeln in den Augen nach dem Schuldigen. Doch ich zeigte anstatt Reue lediglich ein schmunzelndes Gesicht, kombiniert mit einem Augenzwinkern.

Hodge schüttelte langsam den Kopf und zog dabei seine buschigen Augenbrauen in die Höhe. „Du hast Glück, dass ich heute gut gelaunt bin, Süße. Ansonsten würde dein kleiner Hintern bereits draußen am Gehsteig kleben.“

Ich ignorierte diesen Seitenhieb und setzte stattdessen zu einer patzigen Antwort an: „Das würdest du doch nie tun. Wie sagt man so schön? Harte Schale, weicher Kern?“

„Jaja, das schon wieder. Sag das nicht zu laut. Ich habe schließlich einen Ruf zu verlieren.“ Sein rechter Mundwinkel hob sich leicht.

Ich beugte mich über den Tresen und flüsterte: „Dein Geheimnis ist bei mir sicher.“

Er schüttelte erneut den Kopf, sodass ihm sein längeres, dunkles Haar seitlich ins Gesicht fiel.

„Was willst du eigentlich hier? Lizzy ist heute im Diner eingeteilt. Ab nach hinten mit dir!“ Zur Untermauerung seiner Aussage wedelte er mit der tätowierten linken Hand und warf mir meine Jacke zurück, die ich mehr schlecht als recht auffing. Fangen war nämlich auch nicht meine größte Stärke. Ein Hoch auf die Uni, wo man nicht mehr zum Volleyball gezwungen wurde!

„Danke, Hodge. Bis dann!“

Ich verließ die vernebelte Bar und durchquerte den spärlich beleuchteten Verbindungsgang, an dem die Toiletten abzweigten, um das helle Diner zu betreten.

Trotz des noch vorhandenen Tageslichts leuchteten unzählige Spotlights von der Decke herab und spiegelten sich in den großen Fensterfronten.

Ich zögerte nicht lange und ging auf den ersten freien Tisch zu, der mir ins Auge fiel. Ich rutschte über die bequeme weiße Lederbank und angelte mir noch in der Bewegung die kleine Speisekarte.

Von Eliza war keine Spur zu sehen.

Dafür aber von einer anderen Kellnerin, deren Namen ich schon mal gehört, jedoch wieder vergessen hatte. Ihr suchender Blick traf den meinen und sie kam auf mich zu.

„Olivia, richtig?“ Ihre rosarot geschminkten Lippen zogen sich leicht in die Höhe. „Eliza macht gerade Pause.“ Sie deutete auf das Fenster, neben dem ich saß. Ich folgte ihrer Geste, und tatsächlich: Eliza stand in der kleinen Gosse neben den Mülltonnen und telefonierte.

„Was kann ich dir denn bringen?“

„Eine Cola und einen Cheeseburger, bitte.“

Sie notierte sich die Bestellung und zog von dannen.

Danach richtete ich mein Augenmerk wieder auf meine beste Freundin, die mit der einen Hand ihr Handy ans Ohr drückte, und mit der anderen heftig gestikulierte. Ihre Wangen waren stark gerötet und sie konnte kaum stillstehen. Nicht nur einmal fuhr sie sich hektisch durchs Haar.

Neugierig geworden lehnte ich mich automatisch näher an die Fensterscheibe und drehte mein Gesicht zur Seite. Ich schob den blauen, schweren Samtvorhang zurück und legte mein Ohr an. Bescheuert, aber ich konnte nicht anders.

Natürlich verstand ich kein einziges Wort und verdrehte die Augen aufgrund dieser sinnlosen Aktion.

„Na, was ist denn so interessant?“

Ertappt und leicht verschreckt schoss ich kerzengerade zurück ins weiche Leder.

Wie immer unzertrennlich, tauchten Mase und Jeremy neben mir auf. Feuerrotes, kurz abstehendes Haar und die hellblauesten Augen, die ich je gesehen hatte, fixierten mich. Und zwar in doppelter Dosis.

„Schön euch zu sehen, Jungs!“ Und das meinte ich auch so.

Die Zwillinge waren die reinste Frohnatur. Jeder für sich ein Goldstück.

Jer ließ sich neben mir nieder und Mase nahm gegenüber von mir Platz.

„Es könnte sein, dass ich versucht habe, Eliza ein wenig auszuspionieren. Ich glaube, die heckt was aus.“ Ich deutete mit meinem Kopf auf sie.

Die Augen der beiden schnellten in ihre Richtung und sie begannen zu schmunzeln.

„Na dann werden wir es ohnehin bald erfahren. Wir wissen doch, dass sie nichts für sich behalten kann. Und außerdem, kein Geheimnis ist vor mir sicher.“ Jer setzte ein fieses Grinsen zur Schau und rückte weiter zu mir auf, sodass er mir ziemlich nahe kam.

Ich konnte nicht verhindern, dass ich mich daraufhin wie eine Eins versteifte, und sofort einen schnellen Blick durchs Diner warf.

Mase entging meine Reaktion nicht. „Der Kontrolleur ist nicht da, keine Sorge.“ Ich antwortete nicht und er fuhr fort: „Er ist noch auf dieser Besichtigung. Er hat mir vor einer knappen halben Stunde geschrieben.“ Meine Füße begannen nervös zu wippen. „Er hat wieder eines dieser Treffen mit den Rileys. Die, die das Penthouse mit Blick auf den Central Park im Visier haben. Das wird dauern, bis er denen wieder was auf die Nase binden kann.“

Da fiel es mir wieder ein. Er hatte mir Anfang der Woche von diesem erneuten Treffen erzählt. Schon seit Monaten bemühte er sich um dieses stinkreiche ältere Ehepaar, das sich für diese gigantische Wohnung interessierte. Klappte der Deal, würde es Geld regnen. Ich lugte auf meine Armbanduhr. Ja, für die würde er sich bestimmt Zeit nehmen.

Ich stieß meinen angehaltenen Atem so geräuschlos wie möglich aus. Der Blick, den Mase seinem Bruder währenddessen zuwarf, entging mir nicht.

Jer rückte augenblicklich ein paar Zentimeter von mir ab, ließ es sich jedoch nicht nehmen, mir noch einmal zuzuzwinkern.

„Irgendwann lasse ich meinen Charme auf dich los, Süße. Freund hin oder her.“ Anschließend strich er sich mit Daumen und Zeigefinger über seinen Dreitagebart.

Unsicher, was ich darauf antworten sollte, hüllte ich mich in Schweigen und wandte mich ab in Richtung Fensterfront und der noch immer telefonierenden Eliza.

„Ist er zurzeit noch immer so angespannt?“

Aus den Augenwinkeln bemerkte ich, dass Mase sich über den Tisch näher zu mir lehnte. Ich sah ihn jedoch nicht an, sondern nickte nur knapp. Kurz darauf legte sich eine warme Hand auf meine Schulter und Jer flüsterte: „Er wird sich bestimmt bald wieder beruhigen. Sobald er diese Immobilie unter Dach und Fach hat, ist er wieder ganz der Alte.“

Ja, ganz sicher.

Dann krachte es neben mir, da Jer mit seinen Händen auf den Tisch schlug.

„Verdammt, ich habe einen Bärenhunger, ich könnte ein Schwein verdrücken.“ Jer wäre nicht Jer, würde er nicht versuchen, die Stimmung zu lockern. Anschließend tätschelte er überspitzt seinen durchtrainierten Bauch und grunzte leise. Wie von selbst zogen sich meine Mundwinkel daraufhin etwas in die Höhe.

„Bruder, du hast doch erst vor einer halben Stunde zwei Beerensmoothies verdrückt. Bist du schwanger, oder was?“

Jer zuckte mit den Schultern. „Wer weiß, heutzutage ist doch alles möglich, nicht?“

Und bevor ich noch tiefer in mein Selbstmitleid rutschte, schlug ich ihm gespielt schockiert auf seinen Oberarm.

„Wäre bei dir nicht mal ’ne Überraschung, du Frauenheld.“ Obwohl ich es als Scherz meinte, wusste er, dass in dieser Aussage ein kleines Fünkchen Wahrheit lag. Denn Jer ließ einfach keine Gelegenheit aus. Und seit er als Fitnesstrainer arbeitete, lagen die Frauen ihm mehr denn je zu Füßen.

Ganz im Gegensatz zu seinem Zwillingsbruder, der bald vor den Traualtar treten würde. Als würde er meine Gedanken lesen, griff er an seinen glänzenden silbernen Ring und lächelte verschmitzt. Kat, seine Verlobte, führte das kleine Bücherkaffee, welches direkt neben der Kanzlei und somit auch neben meinem Appartement lag.

Ich wollte ihn gerade nach ihr fragen, als ein kalter Windhauch sich in meinem Nacken bemerkbar machte, und Eliza sich strahlend neben uns positionierte.

„Hi Leute! Mit euch hätte ich heute ja so gar nicht gerechnet!“ Ihr letzter Blick in der Runde galt mir und ich wusste, dass sie auf unseren kleinen Disput von vorhin anspielte.

Um die Wogen zu glätten, antwortete ich schnell: „Es wäre doch wohl kein Freitagnachmittag, würden wir ihn nicht hier bei dir verbringen, oder?“

Sie schmunzelte kurz. „Stimmt. Das wirft jedoch die Frage auf … wann hatte ich zuletzt einen beschissenen Freitagnachmittag frei? Darüber muss ich mal mit Hodge reden.“ Daraufhin zog sie eine Schnute und verschränkte die zierlichen Arme vor ihrer weißen Arbeitsbluse.

„Mensch Lizzy, bring uns doch lieber mal was zu essen, als uns die Ohren voll zu jammern.“ Es war Mase, der diese unheilvollen Worte aussprach, wenngleich sie als Scherz gemeint waren.

Eliza funkelte ihn natürlich prompt an. „Mein Lieber. Noch mal so eine Aussage und du kriegst null Komma nix mehr hier, klaro?“

Mase antwortete mit einem: „Ja, Mam.“

Eliza drückte hoheitsvoll ihr Rückgrat durch, erst dann fragte sie: „So, was wollt ihr nun?“

Die Burschen bestellten jeweils einen gemischten Salat und Zitronenwasser.

Trotz Wiederholung der Frage blieb die Bestellung die gleiche.

„Hä? Seid ihr jetzt auf Diät?“

„Jaaaa, was soll´s. Der Hochzeitsanzug soll nicht zu eng werden. Man heiratet schließlich nur einmal im Leben.“ Mase strich sich über sein – zugegebenermaßen - stets wachsendes Wohlstandsbäuchlein.

„Jep. Und ich als einer der Trauzeugen muss da mitziehen. Ungewollt, versteht sich.“ Jer verzog unzufrieden seine schmalen Lippen. Er hatte mit seinem trainierten Oberkörper gewiss keine Diät nötig.

Mir drängte sich allerdings sogleich eine andere Frage auf. „Einer der Trauzeugen? Von einem zweiten war nie die Rede! Leute?“ Meine Stimme überschlug sich leicht bei dieser neuen Offenbarung. Und vor lauter Konzentration auf die Jungs merkte ich fast gar nicht, dass mir mein Getränk serviert wurde.

„Du musst nicht immer alles wissen, Süße!“

Aus dem Augenwinkel sah ich, wie Eliza schnell einen Abgang Richtung Küche machte. Zu schnell. Da war doch was faul!

„Ach, kommt schon. Es ist bestimmt … hmm.“ Ich tippte mir nachdenklich mit meinem Zeigefinger auf die Nase. „Kevin, stimmt’s?“

„Kev? Nö, völlige Fehlanzeige.“ Mase schüttelte den Kopf.

„Wieso? Seit du unterrichtest, ist er doch dein bester Buddy auf der Schule. Und außerdem hängt ihr ständig zusammen rum.“ Unruhig rutschte ich hin und her. Meine Neugierde wuchs.

„Nein, ist er erstens nicht. Und zweitens: wir sind Arbeitskollegen und betreuen zusammen das Hockeyteam. Da verbringt man eben Zeit miteinander.“ Das letzte Wort zog er langsam in die Länge.

„Dann sag mir, wer es ist.“

„Ähm …“ Er tat so, als würde er überlegen, schüttelte dann aber energisch seinen Kopf. „Nein.“

Schnaubend lehnte ich mich mit verschränkten Oberarmen zurück in die Lehne.

Jer wandte sich mir zu. „Jetzt sei nicht so. Es ist eben eine Überraschung, okay?“

„Eliza weiß es, stimmt´s?“

Die beiden blieben mir eine Antwort schuldig, da mein Essen gebracht, und ihre Getränke serviert wurden. Doch die nervösen Blicke, die sie sich zuwarfen, konnte ich dennoch sehen. Musste ja ein riesiges Überraschungsei sein. Oh Mann!

Ich setzte schon erneut zum Angriff an, als Mase mir den Wind aus den Segeln nahm: „Wie ist es, für Professor Peters zu arbeiten?“ Eine kleine Falte entstand zwischen seinen Augenbrauen.

Ich nahm einen großen Schluck von meiner Cola und ließ mir lange Zeit mit der Antwort. Schließlich war mir vollkommen klar, dass es sich um ein Ablenkungsmanöver handelte. Ein ziemlich gutes allerdings.

Ich seufzte ergeben. „Super. Sie ist so unglaublich wie immer. Nicht nur als Vortragende, sondern auch als Arbeitgeberin.“

„Das ist schön zu hören, Liv, wirklich.“ Er warf seinem Bruder einen kurzen Blick zu. „Wir dachten anfangs, dass es dich vielleicht zu sehr an früher erinnert. Du weißt schon …, dass die enge Zusammenarbeit mit ihr vielleicht zu viel für dich wird.“ Mase senkte ein wenig betreten den Blick und Jer legte seinen Kopf schief.

Kurz spannte ich mich an, bevor ich antwortete: „Ich würde lügen, wenn ich behaupten würde, dass sie mich nicht mindestens 100-mal pro Stunde an Joey erinnert. Doch das tat sie schon in den Kursen, bevor ich ihre Studienassistentin wurde.“ Ich atmete tief ein. „Aber es wird von Mal zu Mal leichter. Manchmal denke ich zurück, und die guten Erinnerungen überwiegen.“

Darauf folgte erstmal Stille. Nur das Klappern von Besteck und leises Gemurmel der anderen Gäste waren zu hören.

Unbewusst nagte ich anscheinend wieder an meiner Unterlippe, denn Jer tippte sie leicht mit seinem Zeigefinger an.

„Mir geht es ebenso.“ Sein Blick schweifte in die Ferne. „Obwohl ich mich manchmal schlecht fühle, dass ich lächelnd an sie zurückdenke und mich in diesen Augenblicken glücklich fühle, obwohl sie nicht hier ist. Ich frage mich …“

Sofort unterbrach ich ihn. „Rede dir ja kein schlechtes Gewissen ein. Sie hätte gewollt, dass wir uns so an sie erinnern. An ihre fröhliche und kunterbunte Art denken. Und nicht an das, was aus ihr wurde. Was die Krankheit aus ihr machte. Ich bitte dich, Jer! Sei glücklich, wenn du an sie zurückdenkst. Nichts anderes hätte sie gewollt.“

Sein Blick fraß sich in meinen. Wir sagten nichts. Und dennoch sagte dieser Blick alles. Ein alles, was uns beiden genommen wurde. Erst als Mase sein Glas hob und uns zuprostete, ließen wir unsere Gedanken an frühere Zeiten weiterziehen.

Die Salate wurden serviert und wir aßen fast stillschweigend.

Als wir fertig waren, bezahlten die Jungs trotz meines Einwandes die gesamte Rechnung und verabschiedeten sich.

Da ich nicht nach Hause wollte, bestellte ich mir noch einen Café Latte, holte meine Unterlagen von Professor Peters hervor und ging die einzelnen Themenpunkte durch. Ihre Vorlesungen waren stets streng durchstrukturiert, und dennoch schaffte ihre charmante Art den Inhalt locker und leicht zu vermitteln. Meine Professoren in Bio und Chemie könnten sich eine Scheibe von ihr abschneiden. Aufgrund des anhaltenden wirren Geschnatters der Leute konnte ich mich jedoch nicht konzentrieren, so kramte ich meinen I-Pod und die Ohrenstöpsel aus meiner Tasche und ließ Ed Sheeran auf mein Trommelfell los. Dieser Typ schaffte es immer wieder, Ruhe in meinen Kopf zu bringen. Hin und wieder kam Eliza vorbei und zupfte mir die Stöpsel aus den Ohren, um kurz zu tratschen. Und jedes Mal, wenn ich sie auf ihr Telefonat von vorhin ansprach, wich sie mir aus. Ungeschickt noch dazu. Doch ich ließ es darauf beruhen. Schließlich hatte jeder seine Geheimnisse. Ich eingeschlossen.

Als ich Stunden später das Diner verließ, war es bereits dunkel und kühl. Die Schatten der anbrechenden Nacht hüllten sich um mich, ließen mich nicht nur einmal frösteln und unwohl fühlen.

Zudem lastete mein Handy schwer in der Tasche, trotz der Tatsache, dass es die letzten Stunden ruhig geblieben war. Ich konnte nicht sagen, ob dies ein gutes oder schlechtes Zeichen war. Meine Vernunft riet mir, endlich zurückzurufen, doch mein Bauchgefühl war dagegen. Zweifel stiegen in mir auf. Wie immer, wenn ich in letzter Zeit an ihn dachte. Vor lauter Frust kickte ich ein paar Kieselsteine Richtung Straße, bevor ich zum nächsten Taxistand ging. Doch mein Groll verpuffte in Angst, als plötzlich quietschende Reifen auf mich zukamen.

Now and then

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