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4.

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Es weht ein rauer Wind. Der Himmel ist wolkenverhangen. Marielena würde am liebsten den Kopf noch tiefer im Mantelkragen vergraben. Doch das Beste an diesem unfreundlichen Tag – ihr Pariser Aufenthalt neigt sich dem Ende zu, grazie al cielo, ja, dem Himmel sei Dank, das Seminar ist ausgestanden.

Am Place de la Concorde, wo jeder mit hastigen Schritten sich einen Weg bahnt, muss ihr ausgerechnet Bruno Sagan entgegenkommen.

Sie hat sich bewusst nicht bei ihm gemeldet! Marielena kennt den Blick, dieses frech-charmante Grienen, mit dem er unbeirrt, ganz ruhig auf sie zu geht. Sie wortlos an sich zieht und leidenschaftlich mitten auf dem Platz küsst.

Das Aufregende daran ist, dass eine ungeklärte Situation zwischen ihnen steht. Keiner von beiden verliert darüber ein Wort. Bruno versucht, in ihren Augen, in ihrer Mimik zu lesen. Doch ihr Gesicht ist ausdruckslos, unbeweglich, gibt nichts her. Bis Bruno endlich den ersten Schritt wagt und ihr gesteht, dass er sie vermisst habe. Es ist kaum zu glauben, wie augenblicklich das Eis, auf dem Marielenas Sehnsucht lagerte, schmilzt.

Seltsam!? Begierde steht nicht einmal bei ihr im Vordergrund.

Nein! Emotionen! Das Plätschern des Brunnens lässt Brunos Worte widerhallen. Seine Einladung in ein Restaurant nimmt sie spontan an. Achtlos schiebt Marielena alle guten Vorsätze und die negativen Erinnerungen beiseite.

Bei Tisch ist Bruno entspannt, bewundert die Farbe des Rosè, wie er abperlt im Glas und prüft anhaltend die Aromen des Weins, als sei nichts wichtiger. Das Essen und der Wein lassen ihre Sinne flirren und leistet der Erregung Vorschub.

Beide gehen, wie kann es anders sein, auf sein Hausboot. Das gedämpfte Licht, die leise Musik, hinzu kommen seine erregende Worte, die er ihr ins Ohr säuselt, bewirken, dass sich ihre Körper vereinen.

All das ist so vertraut und doch so neu, träumt Marielena blindgläubig.

Sie ist verliebt und ihre Emotionen sind tiefgreifend. Empfindungen sind bei erotischen Spielen oft hinderlich. Marielena hält sich nicht daran, sie gesteht ihm ihre Zuneigung. Es wäre ratsamer gewesen, statt die Schleusen der Gefühle zu öffnen, im Gegenzug klug zu pokern.

Doch unseligerweise..., è l`amore cieca! Ja, die Liebe ist blind! Bei einem letzten Glas spricht Marielena den Lehrgang an. Sie kennt Brunos Unart, wenn er den Kopf neigt und die Augen ins Leere richtet. Die Vermutung, dass es Bruno war, der ihr die Fortbildung für Anfänger zugemutet hat, erhärtet sich. Warum nur, fragt sie sich. Diese Anweisung aus dem Hinterhalt gefällt Marielena nicht. Nachdem sie ihn in die Enge getrieben hat, gesteht er kleinlaut, dass er sie sehen wollte. Marielena befürchtet, das ist noch nicht alles, fragt nach.

„Ja“, sagt Bruno zögernd: „Da gibt es etwas!“ Erneut macht er eine Pause. „Deine Beziehung zu Capitano Silvio Amato. Bei unserer letzten Begegnung, im Winter, hat uns ein Kollege und guter Freund auf der Straße gesehen. Jean kennt Silvio Amato und weiß von eurer Beziehung. Er hat mich in der Nacht, als du schliefst, angerufen. Marielena, ich war enttäuscht, weil du nicht offen zu mir warst. Du musst dich entscheiden!“ Er spricht fordernd, allerdings mit leiser Stimme: „So kann es mit uns nicht weitergehen. Ich kann und will dich nicht teilen müssen!“ Es klingt nicht zynisch, eher so, als wünschte er sich nichts sehnlicher. „Vielleicht“, sagt er ergänzend, „seid ihr ein modernes Paar, das einander viel Freiheit zugesteht, nur da spiele ich nicht mit!“ Er wendet sich nun merklich von ihr ab. Marielena ist weder erschrocken noch überrascht, irgendwann, das wusste sie zu Beginn, muss sie den einen dem anderen vorziehen. Silvio oder Bruno. Das gefürchtete Abwägen setzt in ihrem Kopf ein, was natürlich schwerfällt und bange macht, das steht außer Frage.

„Bruno“, lächelt sie ihn an, „du hast die Courage, mir Bedingungen zu stellen, ohne mir zu sagen, was ich dir bedeute. Es muss nicht immer rote Rosen regnen, doch den Nachweis deiner Liebe habe ich vermisst.

Für mich gilt jetzt erst einmal herauszufinden, was für Folgen mir die Veränderung brächte.“ Bruno reagiert daraufhin befremdet.

Ein jähes Ende findet dieser Zwiespalt, der aufgekommen ist, durch das Telefon. Bruno muss sofort in die Zentrale, ein Alarm wurde ausgelöst.

Mit wehmütigem Blick verabschiedet er sich hastig von Marielena.

Der Dienstwagen wartet schon, unüberhörbar ist der Klang des Martinshorns. Bruno fährt mit viel Getöse davon. Marielena sieht schweren Herzens, wie das Schlusslicht des Autos immer kleiner wird, bis es am Horizont verschwindet.

Adieu Bruno!

Es ist noch früh am Abend, Marielena geht langsam in ihr Hotel.

Sie hat den letzten Flug Paris-Rom gebucht.

Sehnt sich nur noch nach ihrer vertrauten Umgebung, nach Rom.

Es ist der Sieg des Praktischen über die Leidenschaft.

Über den Wolken brütet sie über alles noch einmal nach, spürt instinktiv, dass sie auf der Hut sein muss. Denn der Pfad von der Realität in die Träumerei ist kurzweilig. Irrungen können langwierig sein. Marielena ist konfus, sie hat nicht damit gerechnet, dass der Tag so schnell kommt, an dem sie sich entscheiden muss. Brunos Anspruch steht ihrem Bedürfnis nach Freiheit im Wege.

Es ist aber auch unendlich schwer, die Vorstellung des anderen zu befriedigen, gleichzeitig seiner eigenen treu zu bleiben, rechtfertigt sie sich. Verlangt Bruno zu viel? Es ist riskant, wie sie von der Liebe träumt, die es so wahrscheinlich gar nicht gibt. Dennoch nimmt Marielena ein Bereitsein wahr.

Es ist Vollmond und schon nach Mitternacht in Rom. Marielena sitzt im Taxi vom Airport Leonardo da Vinci zu ihrem Appartement. Sie atmet tief durch, ist froh, wieder zu Hause zu sein. Bereits auf der Treppe ist ihr Blick sehnsüchtig auf die Tür gerichtet, ein wohliges Gefühl steigt auf, sie weiß, dass dahinter zwei Zauberwesen warten – Kater Peppino und Katze Lili.

Bruno ist erstmal ad acta gelegt. In ihrem Refugium verwandelt sich alles, hier ticken die Uhren anders als in Paris.

Das Telefonino holt sie aus dem Schlaf, neugierig sieht sie nach. Bruno simst, er habe voreilig gehandelt, könne vorerst noch keine Bindung eingehen, bräuchte Zeit zum Nachdenken! Auch wenn es hart ist, darf sie Brunos kapriziöse Launen nicht länger tolerieren. Marielena vermutet, dass sie Bruno zu viel Interesse gezeigt hat. Das muss ihn in Angst und Schrecken, vor einer Bindung, versetzt haben. Dämmert es ihr im Nachhinein.

Je mehr sie sich auf seine Gefühle verlässt, um so übler spielen die ihr mit. Was sagte Napoleon einst?, denkt sie ironisch: „Die Liebe ist die einzige Schlacht, die man durch Rückzug gewinnt.“ Es liegt ein seltsamer Unsegen auf dieser Liebe.

Marielena simst Bruno zurück: „Leb wohl!“ Sie weiß, was sie nicht will.

Ohne mich sagt sie sich entschlossen.

Fest steht – Bruno wird fortan Vergangenheit sein!

Medea

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