Читать книгу Mord im Glashaus - Ellis Brink - Страница 4

Grillabend

Оглавление

Hartmut wischte sich die Stirne. Wegen der kurzen Haare spürte er die Kälte im Nacken. Vokuhila im November. Vorne heiß und hinten kalt.

Er beobachtete Peter, der mit Hingabe die Koteletts auf die andere Seite drehte.

Sie alle standen unter dem Terrassenvordach. Runde Stehtische, Hitzestrahler und dicke Klamotten. So konnte man es gerade aushalten. Die " Mädels " tranken Glühwein und lachten über Sonjas Geschichten. Blond gesträhnte Haare umrahmten halblang geschnitten ein rundes fröhliches Gesicht. Eine Tolle fiel ihr verwegen über das rechte Auge. Natürlich war wieder ihr Beruf - oder sollte er sagen ihre Berufung das Thema.

" Du möchtest anderen helfen? Wir helfen Dir! Na ja, und so bin ich dann in der Altenpflege gelandet!"

Sonja und Ilka legten sich die Arme um die Schulter und standen stramm.

" Wir betreuen, wir pflegen. Kommt alle, die ihr krank und hilfsbedürftig seid! Wir beraten und motivieren. Wir haben euch als ganzen Menschen im Blick: Das ist unser Credo! "

" Immer öfter macht uns allerdings die raue Wirklichkeit völlig fertig", Sonja seufzte.

" Du glaubst gar nicht, wie bösartig einige Alte sein können. Dem Udo, du weißt, er ist trockener Alkoholiker, dem hat die alte Frau Rose doch glatt 'ne Alkoholpraline untergejubelt und sich dann über sein erschrockenes Gesicht fast besabbert vor Lachen."

Hartmut rückte sich die Brille zurecht und warf Peter einen

fragenden Blick zu.

" Als Therapeuten bekommt ihr beide ja sicher auch allerhand Elend zu sehen, nicht wahr?"

Beate, schmal in den beigefarbenen Cordhosen und dem dunkelbraunen Wollpullover drehte sich zu den beiden Männern um. Auch sie trug die dunkelblonden Haare kurz und hatte sich damit begnügt, ein paar Strähnchen als modische Highlights einzusetzen. Groß war sie und bemühte sich heftig darum, nicht als Laternenpfahl herumzulaufen. Meist schwieg sie bedeutungsvoll.

Eine ihrer irritierenden Angewohnheiten war, den Zeigefinger philosophisch nachdenklich an die Lippen zu legen und somit jegliche Unterhaltung oder Diskussion rund um sich herum abzuwürgen.

Der Rest war dann weniger bedeutsam. War sie wichtig oder gab sie sich wichtig? Auf jeden Fall doch selbstsicher und in ihrer Ehe schien sie die treibende Kraft.

Sie lächelte mit weißen Zähnen zu Hartmut hinüber. Der wandte sich fragend an ihren Mann Peter. Peter grillte unermüdlich, um die Mitte eine Schürze mit der unglaublich witzigen Botschaft "Hier grillt der Meisterkoch" - nonchalant schwang er die Grillzange und wirkte dabei sehr elegant. Eine dunkle Hornbrille betonte die Augenpartie, wenn er sprach, setzte er sie jedes Mal zum Gestikulieren ab.

Hartmut war sich eigentlich sicher, dass diese Pose kraftvoll und imponierend wirken sollte. Wichtig, beeindruckend, und doch lässig. Aber eine Pose.

Lässig der unvermeidliche Schal und lässig der Kaschmirpulli. Dem erfolgreichen und charmanten Peter gegenüber kam er sich noch magerer, schlaksiger, hilfloser und unbedeutender vor. Eigentlich ein Nichts, ein Witz von einem Mann.

" Du weißt doch, wir sind ja Paartherapeuten. Da ist das Elend relativ. Wir teilen die Not."

Peter gackerte über sein Witzchen.

" Bitte keine Witze auf Kosten der Kundschaft, pardon der Patienten."

Indigniert runzelte Beate die Stirn und steckte sich ein Stückchen Weißbrot mit Pastete in den Mund.

" Wir haben ein Credo: Trainieren ist unsere Aufgabe, üben

müssen die Patienten. Wir geben ihnen natürlich Regeln vor

und interpretieren gemeinsam die Resultate. Acht Augen und acht Ohren können besser dokumentieren."

So sah das also aus!! Dann war ja alles klar. Wer sich da nicht erfolgreich therapieren ließ, verdiente Prügel!

Hartmut sah zu Hanne hinüber. Wieder mal eine Aufmachung ohne Schnick und Schnack, einfach, aber gerne ohne Schick.

Sie hatte den Kopf gesenkt und starrte konzentriert auf die

Terrassenplatten. Sonja stellte sich neben sie, legte einen Arm im roten, locker gestrickten Pulli um sie, redete auf sie ein und lachte.

Ihre kräftigen dichten Haare glänzten wie gelackt.

Gel, dachte Hartmut und fuhr sich mit der rechten Hand über die weichen braunen Haare.

So war Hanne auch einmal gewesen, dachte Hartmut. Hübsch, lebhaft und neugierig dem Leben zugewandt. Und nun?

" Ich hasse den Winter", wandte sich Sonja an die Gruppe.

" Na, ich nicht", meinte Beate, " Skifahren macht durchaus

auch Spaß und Spaziergänge durch den Winterwald, glitzernde Schneekristalle auf grünen Zweigen, Atemwölkchen vor blauem Himmel...", sie starrte Sonja strafend an.

" Nein". Kitsch, übler Kitsch!", Hanne sprach heftig

dazwischen.

" Wer will nicht", fiel ihr Sonja ins Wort, " einmal verreisen, so richtig luxuriös, dahin wo nur die Reichen und Schönen leben. Das wär's."

Sonja lächelte und legte den Kopf in den Nacken, als ob

statt des Klettenberger Hintergartens eine Traumlandschaft am Himmel auftauchte.

" Ich sehe grünblaues Meer, weiße Schaumkronen auf dem Wasser, Pinien, höre Grillen zirpen und spüre die Sonne auf den Armen." Sie breitete weit ihre Arme aus.

Ilka lachte gallig.

Sie war um einige Jahre älter als Sonja. Lockige braune Haare umrahmten ein strenges Gesicht. Sehr oft konnte man sie nicht lächeln sehen. Sonja kannte sie seit vielen Jahren, war sie doch mit ihrer Schwester Monika, genannt Moni, eng befreundet gewesen.

" Luxuriös, wie das denn? Mit unserem Gehalt? Villa mit Pool womöglich? Diese Häuser kosten doch ein Vermögen. Sie sind

auch viel zu groß für uns zwei."

" Was nichts kostet, ist nichts." Peter legte auf jeden Teller ein Würstchen und eine Grilltomate. Mit der Grillzange zeigte er auf die beiden Freundinnen.

" Ihr müssstet eben mit anderen zusammenfahren. Da teilt sich dann die Miete wie damals vor Moses das rote Meer."

Prophetisch intonierte er und setzte sich auf den nächsten

freien Stuhl. Hanne drehte sich zu Hartmut um.

" Hartmut, ich denke an Frankreich. So wie früher mal! So eine Reise könnten wir uns doch erlauben. Nicht immer wieder

und wieder die Toskana." Vor Aufregung hatte sie rote

Flecken auf den Wangen.

" Und ich dachte, du liebst die Toskana: Das Licht, die

schmalen, hohen Pinien, grüne Striche in der Landschaft, den Charme von Luca, Florenz, Siena...", Hartmut schaute erstaunt zu seiner Frau. Beate hielt Peter den Teller hin.

" Gut, Peter, sehr lecker."

Sie biss herzhaft in ihre Wurst, ein kleiner Spritzer Fett lief ihr das Kinn hinunter. Selbstbewusst unterbrach sie den gemurmelten Widerspruch.

" Und jetzt meine Idee. Widerspruch ist zwecklos! Wir sind doch eine tolle Hausgemeinschaft, wahrscheinlich eine noch tollere Reisegruppe. Wir fahren alle zusammen! Nach

Frankreich! Ans Meer, an die Côte d' Azur, luxuriös. Das gönnen wir uns! "

Mord im Glashaus

Подняться наверх