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Es war einmal

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Vor fünf Jahren bin ich mit zwei Freundinnen hierhergezogen, Jan und Janna. Verliebt in unser neues Leben nahmen wir die U-Bahn rauf zu den Cloisters im Norden und runter zum Battery Park im Süden. Wir nahmen die schaukelnde Seilbahn über den Fluss nach Roosevelt Island, wir fuhren Kajak auf dem Hudson, wir spazierten über die Brooklyn Bridge.

Einmal nahmen wir spätabends den Aufzug zur obersten Etage des World Trade Centers. Es gab da eine Stelle, wo man kostenlos aus dem Fenster schauen konnte.

Die Welt, die wir sahen, war schwarz und blau und golden, Keile und Säulen aus hellen Fenstern und dunklem Stahl. Kleine, aber gut sichtbare Männer und Frauen machten Nachtschicht an ihren Schreibtischen, eingerahmt und erleuchtet wie byzantinische Heilige.

Die Bauten strahlten aufwärts, erhellten den Himmel und sich gegenseitig in der Höhe. Weit unten sahen wir winzige Straßen, deren bloße Namen schon – innerhalb einer Reißbrettstadt aus nummerierten Gebäudeblöcken und Fahrdämmen – schummrig, schmal und nach Dickens klangen: Old Slip, Coenties Slip, Thames, Vesey, Gouverneur und Maiden Lane. Von oben bildeten sie in der Nacht ein dunkles Filigran, eine Patina, aus der die leuchtenden Türme umso heller aufflammten.

All das machte uns ganz schwach vor Wonne. Als wir uns sattgesehen hatten, nahmen wir den Aufzug wieder hinunter, schauten hoch in dessen verspiegelte Decke und drehten uns mit ausgebreiteten Armen im Kreis. Und jede von uns sagte auf ihre Weise dieses Gebet an die Stadt, die wir eben gesehen hatten: »Ergreife mein Herz. Nimm mich mit.«

Die Tage des Rauchs

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