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Kapitel 7: Ein Samstagabend Anfang Oktober

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Keine Spur von Suzie Q. Weder im Filmkurs noch sonst irgendwo an der Uni habe ich sie schon eine ganze Weile nicht mehr gesehen und ich muss sagen, trotz aller Bedenken, Warnungen Dritter und Zweifel, dass Suzie Q. die schlimmste Zicke vor dem lieben Gott in Washington D.C. ist, geht mir meine kleine Muse irgendwie ab.

Ich habe Galvin ein bisschen unter Verdacht, dass er mit dem mysteriösen Verschwinden von Suzie Q. was zu tun hat, denn

a) vögelt er sie, b) hat er gerade eine Ausstellung in Boston, sehr leicht möglich, dass er den steilen Zahn überredet hat ihn nach Massachusetts zu begleiten, mit so einem heißen Feger, wie Suzie Q. im Schlepptau macht so ein Jungkünstler einfach mehr her in der Szene.

Erfreulicher Weise sind Grafikbestellungen diverser Clubs eingelangt, die alle coole Halloweenszenen für ihre Poster und Flyer haben wollen.

Da das Wetter noch schön und sehr warm ist mische ich mich am Washington Square Park unter die Künstler und mache mich ans Werk.

Es dauert nicht lange und ich werde von Marcus und Stella angesprochen, die auch mit mir im Kurs sind, mit denen ich aber bisher nur wenig zu tun hatte.

„Hi.“

„Hi.“

„Du bist doch mit uns im Kurs. Du bist auch Grafiker?“ fragt mich Stella, die eindeutig Italoamerikanerin ist.

„Na ja. Nicht so richtig. Ich mache nur manchmal die Posters und Flyers für ein paar Clubs im Village und in Chelsea. Vor Halloween ist da immer Bedarf und auch für Neujahr, aber das ist es auch schon, die nächsten Aufträge gibt es dann erst für den 4. Juli“, antworte ich.

Wie sich herausstellt ist Marcus ebenfalls New Yorker, kommt aber aus Queens und Stella wohnt in Little Italy, hier in Manhattan, dort hat ihr Dad die übliche Pizzeria.

Die beiden haben sich im letzten Sommer auf einem Italientrip kennen gelernt.

Herzlichen Glückwunsch euch beiden.

Stella und Marcus beäugen neugierig meine Arbeitsmappe.

„Das ist echt cool, was du da machst“, sind sich beide unisono einig.

„Danke.“

„Du hängst ziemlich oft alleine ab.“

Hm?

„Na ja. Eigentlich mache ich mir wenig aus Bekanntschaften, was ja hier in New York wirklich nicht einfach ist. Hin und wieder bin ich mit Suzie Q. zusammen, aber im Moment weiß ich nicht, wo sie steckt“, antworte ich.

Suzie Q.?

Weder Marcus noch Stella scheint der Name des berühmtesten It-Girls im Village was zu sagen, aber die beiden sind ja nicht von hier.

„Na ja, wenn du willst, können wir uns heute Abend im Film Forum treffen, dort zeigen die „die Ermittlungen gegen einen über jeden Verdacht erhabenen Bürger“ in italienischer Originalfassung mit Untertiteln“, flötet Stella, als sei das was ganz Besonderes.

Äh?

„Sollte ich den Film kennen?“

„Eigentlich schon. Der hat 1970 den Oscar gewonnen und meine ganze italienische Verwandtschaft schwärmt von dem Film. Der ganze Clan wird heute Abend im Film Forum sein. Danach gibt es ein Gelage im Stuzzicadenti, der berühmteste Pizzeria in Little Italy, sie gehört meinen Eltern.

„Wow.“

„Du bist nicht sehr oft im Film Forum?“ fragt Marcus.

„Nein. Nur dann und wann, ich gehe meistens ins Village und ins Angelika“, antworte ich, weil ich dort ganz in der Nähe wohne.“

„Die sind auch okay“, sind sich Marcus und Stella einig.

Wir verabreden uns für heute Abend um Sieben im Film Forum.

Ich bin um dreiviertel Sieben vor dem Film Forum. Ein schwerer Fehler, wie sich herausstellt. Der Film ist bis zum letzten Platz ausverkauft, aber nicht nur die Vorstellung um Sieben ist voll auch die nächste um Neun und für die Nachtvorstellung sind auch alle Karten weg.

Wow.

Offensichtlich haben sich sämtliche Italoamerikaner von ganz New York City versammelt, um den Film von einem gewissen Elio Petri mit einem noch gewisseren Gian Maria Volontè anzusehen, letzteren habe ich schon einmal in einem Italowestern gesehen und der, der Western, war richtig gut.

Hm?

Was tun?

Ich sehe kurz Stella, die total herausgeputzt von zwei Dutzend italienischen Ragazzi belagert wird.

Von Stellas Geschmack könnte sich Suzie Q. in Sachen Mode glatt was abschauen. Ich wette einen müden Dime, dass Suzie Q. vor Neid platzen würde, könnte sie die fesche Stella jetzt sehen. Ihr Kleid, na ja, ihr Kleid ist einfach eine Wucht, es ist ja auch aus Italien.

Hm?

Zum ersten Mal in meinem irdischen Dasein registriere ich ein tolles Damenkleid.

Hm?

Bin ich dabei mich zu verändern?

Alle quasseln wie die Irren, selbstverständlich in Italienisch, was sonst?

Ich verstehe natürlich nur „Amore“ und will schon wieder gehen, da kommt mir Marcus hinterher.

„Wo willst du denn hin?“

Hm?

„Stella hat natürlich eine Karte für dich. Hier.“ Marcus gibt mir eine Eintrittskarte.

Wow.

Ganz von den Socken folge ich Marcus und werde von Stalla mit Küsschen begrüßt und sofort ihrem Familienclan, Anhang und Freunden vorgestellt.

Alle sprechen mit mir in akzentfreiem Englisch, dann geht es auf Italienisch weiter. Ich folge Marcus ins Kinofoyer und trinke mit ihm eine Cola.

„Gut, dass du da bist, da sind wir schon mal zwei, die nur von „Amore“ und „Vino“ eine Ahnung haben“, sagt Marcus.

„Hier ist ja ganz schön was los.“

„Tja, einmal Italiener immer Italiener, dazwischen gibt es nichts! Stella ist ganz in ihrem Element, pass erst mal auf, wenn die Vorstellung anfängt, dann kannst du was erleben.“

Die Glocke läutet, schlagartig eilt alles in den Saal. Um punkt Sieben beginnt die Vorstellung.

So ein Geschrei habe ich überhaupt noch nie erlebt.

Der Film ist nur spärlich untertitelt, denn die Schauspieler sprechen so schnell, dass es unmöglich wäre die Sätze zu lesen, würde man auch nur die Hälfte der Dialoge übersetzen, was aber dem sprachkundigen Publikum schnurz egal ist, die Leute kennen offensichtlich den Film in- und auswendig und sprechen die Dialog voll Inbrunst mit. Zwischenrufe und Geschrei würzen das Filmerlebnis und bringen den Hexenkessel so richtig zum Kochen.

Es muss sich wohl um einen sehr politischen Film handeln, denn ich haben absolut keine Ahnung worum es hier geht, aber die Aggressivität dieses Filmes ist kaum zu überbieten, dagegen kann jeder James Bond zusammenpacken und Mr. Rambo? Na ja, der könnte in den Fängen der römischen Polizei nur ein reumütiges Geständnis ablegen.

Die Vorstellung endet standesgemäß. Alle springen auf und spenden im Stehen tosenden Applaus.

Das ist Kino. So ist Kino. Viva la cinema!

Hättet ihr gedacht, dass man das Chaos im Kino noch Toppen kann?

Nein?

Das Gelage nach dem Kino im Stuzzicadenti topt das Chaos im Kino locker.

Stella schwirrt total professionell mit den Tellern zwischen den Tischen herum und serviert mit einem Hüftschwung, der den Appetit anregt. Was gesprochen wird verstehe ich nicht, aber es gelingt mir immer wieder Wörter und Parolen aus dem Film aufzuschnappen und langsam frage ich mich ob die Gäste im Stuzzicadenti gute Amerikaner oder noch bessere Italiener sind?

Marcus und ich werden nicht einmal ignoriert, denn hier wird Italienisch gesprochen und wie in Neapel gelebt und das will angeblich was heißen.

Weil wir extra coolen New York City Guys einen ziemlich verlorenen Eindruck machen werden wir kurzer Hand von Stalla zum Geschirrabräumen verdonnert, selbstverständlich mit Schürze, wie es sich für ein feines italienisches Ristorante gehört.

Na ja. Was soll’s? Andere Länder – andere Sitten. In Italien sind die Sitten scheinbar rauer als in den Staaten, dort wird improvisiert und gehandelt, alles andere ist Nebensachen, nur nicht das Lokal verlassen, das ist hier die Devise und was die Herren Petri und Ferreri damit zu tun haben, das bleibt mir vorerst ein Rätsel.

Marcus und ich spucken in die Hände und rackern uns ab, wie die Irren. Bei dem, was hier los ist, kommst du gar nicht zur Widerrede. Als endlich alle abgefüttert und die letzten Canzoni gesungen sind werden wir, wie die kleinen Buben, von Stella an einen Tisch gesetzt.

Oh Mann, oh Mann, was haben Marcus, Stella und ich gefuttert. Statt Coke gibt es Vino und zwar sehr viel Vino, Tiramisu und einen Kaffee, wie ich ihn noch nie hier in New York City getrunken habe, alles Importware aus Neapel versteht sich.

Oh Mann, oh Mann, oh Mann, und das Trinkgeld, das Marcus und mir wie selbstverständlich zugesteckt wird, da kann keiner mehr meckern.

Im Gegenteil, der Padrone fragt Marcus und mich was wir kommendes Wochenende so machen, falls wir einen Job brauchen, hier gibt es Arbeit genug.

Hm?

Total blau und angefuttert bis unter die Kiemen wanke ich im Morgengrauen nach Hause.

Die „Ermittlungen gegen einen über jeden Verdacht erhabenen Bürger“ samt anschließendem Gelage werde ich nie mehr vergessen.

Ist das Kino?

The New York City Moviegoers

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