Читать книгу Die Enthemmten - Elmar Weihsmann - Страница 11

8.

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Nach den Schlägereien um die letzten freien Plätze im Kino war der Kinobesitzer clever genug eine zweite Vorstellung von „Für ein paar Dollar mehr“ einzuschieben. Auch diese war binnen weniger Minuten ausverkauft. Die Kids blieben einfach auf ihren Stühlen sitzen und zahlten an den Billeteur den Eintritt, auch für eine dritte Vorstellung, die erst nach Mitternacht beginnen konnte, wurden bereits Karten verkauft.

Harry eilte sofort nach dem letzten Schuss aus dem Saal, um seine Bar aufzusperren, doch er sollte bis zwei Uhr früh warten, bis endlich die ersten Kids mit dramatischen Neuigkeiten vorbei kamen.

Während der zweiten Vorstellung kam es zwischen dem Kinobesitzer und einigen Eltern zu Auseinandersetzungen, die ihre vermissten Kids im Kinosaal suchten. Dr. Klein zerrte seine Tochter an den Haaren aus dem Kino. Das Mädel taumelte benommen hinter ihrem Vater her, die nicht begriff, wie ihr geschah, und sich von Gian Maria Volontè am Schopf gepackt spürte. Im Foyer fing sie vom Banditen Indio zwei väterliche Ohrfeigen ab, mit einer dritten wurde sie ins Auto bugsiert. Der Auftritt von Dr. Klein wurde mit einem Pfeifkonzert quittiert. Robby Moor versuchte ritterlich die Entführung seiner Freundin zu vereiteln und musste einen Tritt in die Eier einstecken. Der Kinobesitzer tröstete Robby Moor mit einem Glas Sangria und zwei Freikarten für den nächsten Film.

Gegen halb eins endete die zweite Vorstellung. Der Billeteur hatte alle Hände voll zu tun, den selbstgebrauten Sangria auszuschenken und gleichzeitig den Saaleinlass zu betreuen. Die dritte Vorstellung war gut zur Hälfte besetzt. Die Betreiber des kommunalen Kinos waren mehr als zufrieden, sie hatten mit ihrer Konzession an den Publikumsgeschmack die vier nächsten Filme vorfinanziert, ohne eine einzige Eintrittskarte dafür verkauft zu haben. Der Film lief bereits eine halbe Stunde, der Billeteur rollte schon die Plakate und die Aushangfotos ein, als die Hälfte der Westernfans angesäuselt abzog.

Mike, Andy, Doris und Gary hatten während der beiden Vorstellungen eine Flasche Whisky und gut fünf Liter Sangria geleert. Mit zwanzig Kids zogen sie schwer schlagseitig die Kirchgasse ins Zentrum hinunter. Gary stimmte „Dirty Old Town“ an, das zum Gaudium aller vielstimmig intoniert wurde.

Keiner hörte die Hilferufe von Jungspund Sanders, der aus seiner Bewusstlosigkeit erwacht und ernüchtert im Streifenwagen hockte. Über Funk konnte er keine Hilfe rufen, der Angreifer hatte das Funkgerät demoliert.

Sanders hatte den Täter nicht erkannt und an den Überfall und seine Kollision mit der Marmorsäule der Bank konnte er sich erst recht nicht erinnern. Die Handschellen saßen fest um die Gelenke und schnürten ihm das Blut in den Fingern ab. Er hatte zu hupen versucht, doch die Hupe funktionierte nicht. Mit einiger Mühe war es ihm gelungen den Streifenwagen zu starten, aber es gelang ihm nicht den Retourgang einzulegen. Endlich sah Jungspund Sanders die erhoffte Hilfe kommen.

Die Jugendlichen grölten die letzte Strophe von „Dirty Old Town“, als sie unerwartet auf den Streifenwagen stießen.

„Hey, wen haben wir denn da?“ rief Robby Moor, der frustriert von dem Tritt in die Eier ein Erfolgserlebnis brauchte.

„Lasst mich raus! Ich bin überfallen worden“, rief Sanders, er versuchte seiner Stimme autoritäre Kraft zu verleihen, ein Versuch, der kläglich in die Hosen ging und grollendes Gelächter erntete.

Hände wurden durch die offenen Fenster in den Streifenwagen gestreckt. Die Ohrfeigen pfiffen. Sanders schrie und brüllte, doch die Teenager scherten sich einen Dreck um seine Drohungen. Ralf und Robby gelang es einen Pflasterstein aus der Fahrbahn zu reißen und schleuderten ihn gegen die Windschutzscheibe, die unter der Wucht des Aufpralls zersprang.

Ein Splitterregen hagelte auf Sanders nieder. Hände und Gesicht bluteten. „Ich werde euch alle ins Loch befördern!“ schrie Sanders verzweifelt.

Mike sprang auf die Kühlerhaube und packte Sanders am Revers.

„Soll ich dir sagen, wo deine Drohungen bei mir hinein gehen und wo wieder raus kommen?“ Mike reckte seinen Arsch in den Streifenwagen und ließ einen gewaltigen Schass fahren.

Sanders versuchte mit den Zähnen nach dem Hosenboden zu schnappen, prallte jedoch am fest gespannten Jeansstoff ab.

Die Jugendlichen applaudierten.

Robby Moor sprang als nächster auf die Kühlerhaube, machte den Hosenstall auf, holte sein Gerät heraus und brunzte in den Streifenwagen. Ein gelber Strahl verunreinigte die Bullenuniform.

Wieder wurde applaudiert. Die Jungendlichen schüttelten den Streifenwagen durch. Baseballschläger wurden aus den Fliegerjacken gefischt und gegen das Blech gedroschen.

Ralf sprang auf den Kühler um es Robby Moor gleich zu tun.

Ein Baseballschlägerhieb zertrümmerte die Heckscheibe des Streifenwagens. Weitere Hiebe rissen die Blaulichter vom Dach. Die Sirene wurde unter den Knüppelhieben gespalten.

Doris bewies Courage. „Hey, Boys! Ich zeig’ euch, wie man’s richtig macht“, verkündete sie und kletterte galant von Andy und Mike gestützt auf die Kühlerhaube. Die Boys stimmten „Steams of Whisky“ an.

Doris ließ den Mini die Beine hinunter gleiten und hockte sich über den Fahrersitz hin. Applaus brandete auf. Sie verrichtete auf Sanders Schoß die Notdurft. Aus ihrer Handtasche angelte sie eine Schere und schnitt ihm die Krawatte ab, um den Arsch zu wischen. Sanders musste sich übergeben. Doris sprang von der Kühlerhaube.

„Vorwärts Boys! Runter mit der Uniform!“ kreischte ein Mädeltrio aus der siebenten Klasse. In weniger als zwei Minuten kauerte Sanders nackt hinterm Steuer. Die Uniform wurde mit Benzin übergossen und verbrannt. Im ersten Stock der umliegenden Häuser ging das Licht an.

„Was ist denn da unten los?!“ schrie jemand auf die Strasse hinunter. Ein Glatzkopf erschien mit einer Schrottflinte im Fenster und feuerte ohne weiter zu fackeln einen Warnschuss ab.

Die Jugendlichen gingen in Deckung. Für einen Moment herrschte Ruhe und das Fenster wurde wieder geschlossen.

Sanders schrie nach Leibeskräften um Hilfe.

Die Jugendlichen umringten wieder das Auto. Sie stellten den Streifenwagen quer. Trotz heftiger Tritte und Bisse von Sanders gelang es einem Teenager aus der achten Gymnasium den Gang auszukuppeln und die Handbremse zu lösen. Der Streifenwagen rollte nach hinten los. Sanders kurbelte am Lenkrad herum, um seine Peiniger niederzufahren.

Die Jugendlichen sprangen zur Seite und rannten hinter dem Streifenwagen her. Sie schoben den Golf an, um das Tempo zu steigern. Der Golf raste die 10. Oktoberstrasse hinunter. Vor Marinas Disco schnitt der Steifenwagen einen schwarzen Ford. Sanders verriss das Steuer und krachte gegen vier geparkte GTIs.

Pepe Roja kam mit seiner Gang aus der Disco, vier aufgedonnerte Puppen im Schlepptau.

„Hey, was ist denn mit dem los! Bleib stehen, du Arsch!“ schrie Pepe Roja. Sanders dachte nicht daran anzuhalten und sich noch einmal verdreschen zu lassen. Er wollte nur weg von hier und sich in Sicherheit bringen.

„Vorwärts! Den schnappen wir uns“, kommandierte jemand in seinem Rücken.

Die sieben Typen, alle Holzfäller mit Eichenkastenstatur, nahmen die Verfolgung des flüchtenden Golfs auf. Der Streifenwagenmotor sprang an. Sanders trat die Kupplung, mit dem rechten Knie versuchte er den Gang einzulegen.

„Du kommst uns nicht davon!“ brüllte einer der Verfolger. Der Typ zog eine 22er Masterpiece aus dem Schulterhalfter und eröffnete das Feuer.

Die Kugel durchschlugen die Reifen. Der Golf brach nach links aus, raste über den Bürgersteig hinaus und kappte einen Hydranten. Eine Fontäne schoss in die Höhe. Der Streifenwagen überschlug sich und landete im Flussbett.

Pepe Roja kam mit seinen Kumpanen angetrabt. Die Typen stülpten Totschläger über die Fäuste, Ketten und Knüppel wurden aus den Lederjacken gefischt. Sie ignorierten den Wasserstrahl aus dem zerstörten Hydranten. Einer der Droogs sprang in den Niedrigwasser führenden Fluss und riss die Tür des Streifenwagens auf. Ein ekelig, beißender Gestank verschlug ihm den Atem. Der Jungspund Sanders lag leblos über das Lenkrad gebeugt. Aus einer Platzwunde am Kopf floss Blut.

„Den hat schon einer vor uns fertig gemacht!“ schrie der Typ im Wasser zu seinen Droogs hinauf.

„Lass uns abhauen, Belmondo“, antwortete Pepe Roja, dem die Sache zu heiß wurde. „In dieser Scheißstadt gibt es nur Zombies.“

„Hey, und was ist mit uns?“ protestierte eine der Puppen.

„Vögeln können wir euch auch bei uns zu Hause“, antwortete Jack Lang und spuckte auf das Wrack im halb ausgetrockneten Fluss hinunter.

„Hey, Honey pie, ihr seit um keinen Deut besser als die anderen Hosenscheißer“, lästerte eine der vier Kühe.

„Schnauze, Schnalle“, fuhr Jack lang die Puppe an.

Die Galgenvögel ließen die Totschläger, die Knüppel und die Ketten in die Lederjacken verschwinden und zogen mit den Mädels ab.

Die Enthemmten

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