Читать книгу Die Enthemmten - Elmar Weihsmann - Страница 8

5.

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Um sechs Uhr früh öffnete Harry seine Bar. Zwei Schichtarbeiter kamen mit ihm ins Lokal, um vor der Frühschicht ein Bier zu trinken. Sie lehnten wortlos an der Theke und starrten durch die Spiegel auf den Hauptplatz hinaus.

Um halb sieben kam der Zeitungsausträger El Kamal und bracht die Morgenausgaben der „Kleinen“ und der „Krone“. Noch im Halbschlaf schlug Harry die Zeitung auf. Er las die Fußball- und Eishockeyergebnisse, mit seinem Totoschein hatte er schon gestern Abend den Arsch gewischt. Harry trank einen Kaffee. Er überflog die Stellenangebote. Das Valentino suchte eine Kellnerin, in der Schuhfabrik wurden wieder Arbeitskräfte aufgenommen, die meisten Anzeigen waren Saisonstellen in den Schigebieten.

Flüchtig las er das Kinoprogramm. In Klagenfurt und Villach wurde ausschließlich Blockbustermovies gezeigt, die Verrückten vom Programmkino spielten ein polnisches Filmmeisterwerk aus den sechziger Jahren. Seit seinem Schulabgang war Harry nicht mehr im Kino gewesen, sein Filmkonsum beschränkte sich auf die Raubkopien, die von Straßenverkäufern angeboten wurden und die er einmal im Monat, nach dem er die Bar dicht gemacht hatte in seiner Wohnung ansah. Oft fragte er sich, wie die Cineasten vom Programmkino über die Runden kamen, doch er konnte keine Antwort finden.

Um fünf vor Sieben kamen Ute Schober und Renate Unterweger in die Bar geschneit, zwei aufgedonnerte Bürokatzen, um vor dem Dienstbeginn im Rathaus den ersten Kaffee des Tages zu trinken. Beide waren bekannte Kaffeetanten, immer standen auf ihren Schreibtischen die Tassen und Kannen herum.

Ute trug unter dem halb offenen Staubmantel einen winzigen Minirock und hohe Stöckelschuhe, ihre Freundin war bis unters Kinn zu geknöpft. Beide hatten am Wochenende ihren Liebhabern den monatlichen Laufpass gegeben, was im Fall von Leo Schmidt eine Alkoholvergiftung auslöste und den Ex-Freund von Fräulein Renate das entscheidende Eigentor im Ligaspiel schießen ließ.

Harry schlug den Lokalteil der Zeitung auf und stockte. Ein Foto von Lou Hofer, mit übel zugerichteter Visage, war über eine halbe Seite gedruckt. Ein unbekannter Gewalttäter hatte dem siebzehnjährigen Bengel mit einer Eisenstange aufgelauert und für zwei Wochen ins Krankenbett befördert. Lou Hofer war zum Zeitpunkt des Überfalls ziemlich angesäuselt, denn im Krankenhaus mussten sie ihm den Magen auspumpen, damit er nicht an einer Alkoholvergiftung abdankte.

Der besonders dreiste Gangster begnügte sich nicht damit seinem Opfer die Knochen zu brechen, er hielt sich an Lous Freundin Marie-Antoinette gütlich. Jetzt lagen beide im Landeskrankenhaus. Er in der Unfallchirurgie und sie in der Irrenanstalt.

Die Cops teilten mit, dass die Ermittlungen vor dem Abschluss standen, doch jeder Zeitungsleser wusste, dass es sich um reine Phrasendrescherei handelte, kein Wald- und Wiesenbulle würde wegen einer Schlägerei unter Jugendlichen den Arsch lüften und auf Gangsterjagd gehen.

Harry schlug die Zeitung zu. Er zündete einen Tschik an. Warum hatte er nichts von dem Überfall erfahren? Die Bar galt als Zentrale des städtischen Klatsches. Wer konnte so ein Verbrechen verüben? Gründe gab es genug. Doch wer hatte wirklich die Härte so zuzuschlagen? Sicher war es kein Fighter aus Lou Hofers Clique, die hatten die Hosen gestrichen voll. Wer war’s?

Um halb acht gingen Ute und Renate. Ab halb neun war Harry alleine in der Bar. Um zehn kamen vier Schulschwänzer. Sie verdrückten sich sofort zu den Billardtischen. Harry hörte sie von Lou und Marie Antoinette reden, die Nachricht vom Überfall macht die Runde.

Um ein Uhr parkte Gary seinen grünen GTI vor der Bar. Er stieg in Begleitung von Hödel und Mike aus. Sie waren in bester Stimmung.

„Ab heute gehen wir eine Woche bei dir frei!“ rief Gary und die drei ließen sich an einem Kaffeehaustisch nieder.

Die Enthemmten

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