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2.

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Schon der erste Tag in der Heimat wurde Gary von seiner Familie gründlich vermiest.

Nach dem gelungenen Einstand bei der Schulparty stand Gary am Sonntag erst sehr spät auf. Viel mehr wurde er durch die Bratendüfte aus der Küche geweckt, doch er blieb bis nach dem Mittagessen im Bett liegen, um nicht dem Spott seines Vaters und den höhnischen Blicken seiner Geschwister ausgesetzt zu sein, ganz abgesehen von den Bevormundungen seiner Mutter. Kurz nach Eins, als die Anderen sich zum Mittagsschlaf hingelegt hatten, stand Gary auf, duschte ausgiebig und zog sorgfältig frische Kleidung an. In der Küche trank er eine Tasse schwarzen Kaffee. Er zog den Trenchcoat über und setzte seinen Borsalino auf. Den ersten Tschik des Tages rauchend, schleppte er die Staffelei in den Garten und stellte sie in der reiffeuchten Wiese, zwischen den verwaisten, über viele Winter hinweg verwitterten Gartenmöbeln auf, die niemand im Herbst wegräumte. Gary stellte eine Flasche Bourbon auf den Eisentisch und mischte die Farben ab.

Er sah über die Felder hinweg, um den Horizont nach einem unbekannten Ziel abzusuchen, einer Person, die er kannte, er versuchte das Blue Star Hotel an der Grenze zum Sumpfgebiet zu erkennen, in dem Hödel seit kurzem wohnte, doch die ersten Nebelschwaden und der staubige Wind nahmen ihm die Sicht.

Gary trank einen Schluck Whisky aus der angebrochenen Flasche. Er führte einige Pinselstriche über die Leinwand. Tav Falco and the Pantherburns dröhnten aus dem Lautsprecher des Ghettoplasters. Über eine Stunde malte Gary bis sein Vater im ersten Stock das Schlafzimmerfenster aufriss.

„Mach endlich die Affenmusik aus!“ trompetete er in den Garten und Gary antwortete mit einem mürrischen Gebrumm und einer obszönen Gäste.

Sein Vater verschwand augenblicklich.

Zufrieden nicht einen größeren Streit provoziert zu haben, trank Gary einen guten Schluck Bourbon, als ihn ein eiskalter Schwall Wasser traf. Der Plastikkübel flog hinterher und riss die Staffelei um.

„Ich habe dich gewarnt, du Wichser! Ich brauche mir deine Frechheiten nicht länger gefallen zu lassen!“ schrie der Vater und knallte, ohne den obszönen Beschimpfungen seines Sohnes Gehör zu schenken, die Fensterläden zu.

Gary ließ die Malerei Malerei sein. Rasend suchte er einen Knüppel, um seinem Vater den Schädel zu spalten. Aber kein geeigneter Gegenstand lag im Garten herum. Er rannte zur Haustür, doch die war versperrt. Gary trommelte gegen die Tür.

„Lasst mich rein! Ihr Arschlöcher! Dann reiß ich euch den Hintern auf, ihr Schweine!“ Er zitterte vor Wut. Erst nach ein paar Minuten beruhigte er sich.

Gary sank vor der Haustür zusammen. Wieder schweifte sein Blick über den Horizont. Er saß im Sumpf fest. In Wien hätte er bleiben und dort irgendeinen Job annehmen sollen, als Barkeeper, Kellner oder Platzanweiser im Theater, irgendetwas hätte er sicher gefunden. Alles wäre besser gewesen, als im Morast unterzugehen, um weiter unter diesen Besessenen zu leben.

Er musste einen Job suchen, um wenigstens finanziell unabhängig zu sein, wollte er nicht in wenigen Tagen seine Familie ausräuchern.

Zwischen den Feldern erkannte Gary den kleinen Hof von Madison und Marianne. Ob die einen Job für ihn hätten? In der Landwirtschaft gab es immer Arbeit, auch auf dem Hof von Biobauern und Aussteigern. Aber konnten die sich einen Knecht leisten? Und hatte er nicht das Landleben schon satt genug? Die Landwirtschaft hatte Gary nie interessiert, aber was kostete es ihm, bei Madison vorbei zu schauen? Im Sommer hatte Madison ihn einmal eingeladen, als er Gary in seinem Pritschenwagen bei strömenden Regen auf der Bundesstrasse auflas.

Damals unterhielten sie sich ausführlich über Popmusik und Kunst. Damals begriff Gary sofort, dass Madison einer von ihnen war, einer, der in ihrer Clique aufgenommen werden sollte, wäre da nicht seine Frau, die Gary im vergangenen Sommer noch nicht kannte.

Er raffte sich vom Boden auf. Zog den durchnässten Trenchcoat aus, holte Hammer und Nagel aus der Garage und nagelte den Mantel an die Haustür.

Zufrieden warf er einen abschließenden Blick auf sein Werk, dann klemmte er sich hinters Steuer seines verrosteten Golf GTI und brauste davon.

Durch die Hammerschläge aufgeschreckt beobachtet sein Vater hinter den Fensterländen Garys Abfahrt. Er sah den Mantel an der Haustür hängen und ballte die Fäuste.

„Eines Tages findet sich schon einer der dich umlegt“, stieß er zwischen den Zähnen hervor.

Die Enthemmten

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