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Von Ligurien in die Provence Nimes, Pont du Gard und Mont Ventoux

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Am andern Morgen mussten wir von unserm idyllischen Aufenthaltsort Abschied nehmen, um unserm nächsten Ferienziel entgegenzufahren. Die Straße nach Genua führte an Nervi vorbei, einem Luftkurort, in dem wir 1953 mit Oma und Opa übernachtet hatten. Unvergessen war uns die „Winterpromenade“ in Nervi, ein Fußweg, der über dem anbrandenden Meer in die Felsen geschlagen war und von der Gischt der Wellen ab und zu benetzt wurde. Das Einatmen der Salz Luft ist für geschädigte Atemwege heilsam. Wir wollten uns aber in Genua noch den Palazzo Doria ansehen, nachdem wir von Andrea Doria so viel gehört hatten.

Nun ist es ja nicht verwunderlich, dass die Genueser Andrea Doria als Volkshelden und Freiheitskämpfer feiern, hat er doch dafür gesorgt, dass die Stadt Genua eine ganze Zeit von den eigenen Adelsgeschlechtern und Bürgern regiert wurde. In der Zeit sind die schönen Palazzi entstanden, die heute meist musealen Charakter haben und besichtigt werden können. Wir suchten also den Palazzo Doria, der am Hafen liegen sollte; aber wir konnten ihn unter den vielen Lagerhäusern nicht finden. Die Einwohner, die wir fragten, schickten uns in die nahe „Via Balti“, in der mehrere Palazzi nebeneinander stehen: zum Beispiel der Palazzo Balbi Senarega, der Palazzo Darazzo-Plavicini und der schönste von ihnen: der Palazzo Reale, der einen wunderschönen Innenhof mit Brunnen und Böden besitzt, die im schwarzweißen Mosaik Fabelwesen darstellen.

Es war schade, dass wir nicht mehr Zeit hatten, aber wir waren für den heutigen Tag in der Provençe angemeldet. So fuhren wir weiter die Riviera-Autobahn, und als wir am Ende von Genua aus dem Tunnel herauskamen, erfasste uns eine so heftige Bö von der Seite, dass es Sabine beinahe das Steuerrad verriss. Es ging aber gut, und wir fuhren nur in San Remo mal kurz von der Autobahn runter, um uns die Beine zu vertreten und Eis zu essen. Im Ort selbst quälte sich die Autoschlange durch, und wir hatten insofern nichts von dem Abstecher, aber im Park am Meer konnten wir uns etwas erholen. Bei Menton überschreitet man die Grenze und ist nun in Frankreich. Bei Cannes entfernt sich die Autobahn von der Küste und man fährt nach Westen bis Aix-en-Provençe und wir fuhren weiter bis St.-Rémy-en-Provence. Nun galt es nur noch, Eyragues und zwei Kilometer davon entfernt „Le Mazet de la Gardy“ zu finden, das ganz allein am Waldrand liegt. Wir waren aber sehr zufrieden mit unserer Unterkunft, da alle Zimmer Dusche und WC besaßen und wir mit den andern Gästen zusammen im Wohnhaus der Familie „Gret“ frühstückten. Wir gewöhnten uns daran, dass uns zwei Hunde Tag und Nacht bewachten, was in dieser Gegend dringend nötig war, wie wir noch erfuhren. Morgens holte der Patron mit seinem Auto frische Brötchen und Croissons und für alles andere war Madame zuständig. Wir hatten das Gefühl an unserm Waldesrand, dass von hier aus die provenzalische Landschaft wie ein aufgeschlagenes Bilderbuch vor uns läge.

Wir wussten, dass die römischen Relikte hier überall mit dem Land und den Siedlungen verbunden sind, und obwohl das alles schon 2000 Jahre her ist, immer noch lebendige Geschichte ist. So hatten wir, weil wir am Sonntag den wenigsten Verkehr erwarteten, uns als erstes Ziel Nîmes ausgesucht. Zwar blies der „Mistral“ kräftig an diesem Tag, aber wir fanden gleich bei der Arena einen Parkplatz für unser Auto. Die Arena sieht aus, als würde sie heute noch regelmäßig für Spiele und Kämpfe genutzt, wie in den Zeiten um Christi Geburt. Es ist ein gewaltiger Bau, schon von außen mit seinen doppelstöckigen Arkaden. Wir stiegen innen bis auf den obersten Rang, der Wind zerrte an unsern Röcken – und dann hatten wir den Blick frei auf das riesige Oval, das im Augenblick ganz leer war. Wir stellten uns vor, dass in Kürze hier wieder ein Stierkampf stattfinden würde, den wir aber lieber nicht sehen wollten, auch wenn die Kämpfe nicht mehr blutig enden sollten. In Nîmes, das mit seinen breiten Straßen und dem großen Park einen hellen und freundlichen Eindruck macht, gibt es noch mehr „Römisches“ zu sehen: da war der Tempel, der seit dem 16. Jahrhundert „Maison Carrée“ genannt wird und noch wunderbar erhalten ist. Es handelt sich um eine Cella mit Vorplatz, überdeckt mit einem von Friesen umzogenen Giebeldach, das auf 30 korinthischen Säulen ruht. Im Innern sind noch Bildwerke aufbewahrt, wie die Venus von Nîmes, mit schmalem Gesicht und jugendlich frischem Körper, eine junge männliche Gestalt und eine Büste, vielleicht Augustus – alles sicher von einem großen Künstler. Oben auf dem Berg sahen wir noch die Ruine eines römischen Wachturmes, den wir aber nicht mehr besuchten, sondern wieder in die Richtung unseres Domizils, aber nur bis Eyragues, fuhren, um in einem kleinen Restaurant zu Abend zu essen, das uns empfohlen worden war.

Es hieß „Farigoule“ (Thymian) und hatte einen Speisesaal mit fünf oder sechs Tischen, die aber immer besetzt waren; denn hier kochte der „Chef“! Wir bekamen als erstes eine große Glasschüssel, voll mit einem frischen, gemischten Salat - und mit Knoblauch. Die vielen Vitamine schmeckten köstlich, und als der Hauptgang kam, hatten wir die Schüssel schon geleert. Zum Nachtisch gab es noch Eis – und wir hatten das Gefühl, noch nie so gut gegessen zu haben. Als der Koch kam, um zu fragen, ob alles nach unserem Geschmack war, spendeten wir ihm ein großes Lob; er strahlte über das ganze Gesicht und sagte zufrieden im Weggehen: „Parfait!“

Während des Essens hatte sich noch ein Ehepaar aus Hannover an unsern Tisch gesetzt, und wir waren gleich in ein lebhaftes Gespräch gekommen. Als wir hörten, dass wir Nîmes besichtigt hatten, setzten sie das sofort auf ihren morgigen Tagesplan. Wir hatten uns vorgenommen, den „Pont du Gard“ zu besuchen. Gerd und ich kannten ihn schon, weil wir auf unserer Spanienreise mit Peter zu Füßen des riesigen Bauwerks gezeltet hatten, gleich am Ufer der Gard. Sabine war schon sehr gespannt, aber der Anblick des berühmten, römischen Aquädukts überstieg jegliche Vorstellung, es ist ein Monument der Größe des römischen Imperiums. Gerd hatte den Ehrgeiz, vom obersten Rand der Bögen eine Aufnahme hinunter zur Gard zu machen. Er stand hoch oben im Mistral, der sogar den Fotokoffer umwarf, und fotografierte; wir waren froh, als er heil wieder unten war. Die Brücke besteht aus sechs großen Bögen, die das Wasser erreichen, darüber elf große Bögen und zum Abschluss nach oben 35 kleine Bögen, sodass das Bauwerk trotz seiner Größe leicht aussieht. Gerd hat zu Hause vom schönsten Dia ein Aquarell gemalt. Die Bögen spiegeln sich in voller Größe im Wasser der Gard. Seit dem Jahr 20 vor Christus wird das Wasser aus den Euse-Quellen 50 Kilometer weit nach Nîmes gebracht, 20 000 Kubikmeter pro Tag. Erst vor wenigen Jahren mussten die Bürger von Nîmes auf eine neue adäquate Wasserversorgung umsteigen.

Voll von Eindrücken trafen wir am Abend wieder in unserm Restaurant ein. Wir wurden sehr aufgeregt von unsern Tischnachbarn empfangen. Sie hatten an dem Tag wirklich die Arena von Nîmes besucht; als sie aber zu ihrem Auto zurückkehrten, war die Rückscheibe eingeschlagen und die Tasche der Ehefrau verschwunden, in der alle Ausweise und Visakarten untergebracht waren. Sie hatten dann sofort ihre Bank angerufen und alle Konten sperren lassen, und es war ein Glück, dass der Ehemann noch Bargeld bei sich trug. Wir boten unsere Hilfe an, aber sie kamen ohne uns zurecht. Es war aber doch ein Schock! Wir nahmen uns vor, nun besonders achtsam zu sein.

Für den nächsten Tag erwartete uns ein weiterer Höhepunkt, dieses Mal im wahrsten Sinne des Wortes: wir wollten auf den höchsten Berg der Provençe, den Mont Ventoux, der mit seinen 1990 Metern Höhe fast ein Zweitausender ist. Bevor man den Aufstieg beginnt, kommt man an der „Fontaine de Vaucluse“ vorbei. An der Quelle befindet sich eine Gedenktafel an Petrarca, mit seiner Büste als Relief. Er hat hier eine Zeitlang gewohnt und seine „Canzoniere“ an Laura gedichtet. Der Ort ist schattig und romantisch, eine erholsame Oase. Dann fuhren wir die kurvenreiche Straße zum Gipfel des Ventoux (mons ventosos) hinauf. Unterwegs begegnete uns ein älterer Radfahrer, der sich im kleinsten Gang den Berg hinauf abmühte. Schließlich geht die Tour de France meist auch über den Ventoux. Bevor wir auf den Gipfel kamen, fuhren wir an aufgetürmten Wänden aus Schnee vorbei, und dann lag die Bergkuppe in glänzendem Weiß vor unsern Augen. Darüber wölbte sich ein völlig wolkenloser, tiefblauer Himmel. Auf dem Berg steht ein Observatorium, zu dem Gerd und Sabine emporstiegen. Für mich war das zu anstrengend, und so ging ich einen ebenen Pfad am Rande der Schneehaube entlang und genoss den weiten Blick auf dieser Seite des Berges in die Ebene bis zum Meer. Andere, noch schneebedeckte Berge, lagen seitlich in Richtung Alpen; kurz: man hatte einen Blick auf die ganze Provençe.

Auf Entdeckungsreise in Europa Band 2

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