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Glanum, St. Gilles, Tarascon und Beaucaire

Da wir in den Ostertagen nicht viel herumfahren wollten, sahen wir uns die Ruinen von Glanum an, die einen Kilometer von St. Rémy entfernt ausgegraben wurden und über eine breite Straße leicht zu erreichen sind. Im äußersten Süden liegt die „heilige Quelle“, die dem Ort ihren Namen gegeben hat. Hier war also eine gallo-romanische Stadt, die im 3. Jahrhundert nach Christus zerstört wurde. Durch die Mitte verlief ein großer, verdeckter Kanal, zur Linken die Thermen, dahinter das Sanktuarium, zur Rechten Häuser griechischen Stils. Uns fiel als erstes das große Stadttor auf, das einem Triumphbogen gleicht, denn man sieht zwei Säulen, zwischen denen Reliefs mit Darstellungen gefesselter Gefangener zu sehen sind.

Das Wichtigste ist aber das berühmte Mausoleum, das eines der schönsten in der römischen Welt ist. Über einem Sockel erhebt sich ein Turmbau von 20 Metern Höhe: über zwei quadratischen Etagen ragt ein drittes Geschoss, das von zehn korinthischen Säulen und einer kleinen Kuppel gebildet wird. Die mittlere Etage zeigt auf ihren Friesen Tritonen und Meerungeheuer, die vier Reliefs des Sockels aber zeigen Bilder aus der griechischen Mythologie, die alle mit dem Tod zu tun haben: da sehen wir den Streit der Griechen und Trojaner um den Leichnam des Patroklus, Achill, der die Penthisilea ermordet, den Untergang der Töchter der Niobe, und dann noch den Tod des Adonis. Man nimmt heute an, dass es sich hier um ein Kenotaph zu Ehren der beiden Enkel des Augustus handelte, des Caius, den ein Armenier ermordete, und des Lucinus, der mit 19 Jahren auf der Fahrt nach Spanien starb. Augustus hat den frühen Tod seiner Enkel sehr betrauert. Es ist jedenfalls ein Denkmal aus römischer Zeit, dem kein Zeichen von Gewalt anhaftet. Es gab in Glanum verschiedene Gottheiten, zum Beispiel der Cybele, aber auch keltischer Gottheiten, ähnlich wie wir sie in Gerolstein auf der Munterley kennengelernt haben, von denen mein Vater ja Duplikate in der Apotheke stehen hatte. Auch sonst gibt es hier einige Parallelen, zum Beispiel die Verehrung einer Lokalgottheit, der „Glanis“, die in Gerolstein „Caiva“ hieß, oder den Tempel des Apollo, der hier mit der Heilquelle in Verbindung stand.

Der Ort wurde später den Mönchen von St.- Rémy übergeben, woher die Stadt ihren heutigen Namen erhielt. Wir bummelten ein bisschen durch die Gassen und erwarben in einem kleinen Geschäft das letzte Glas vom Lavendelhonig des vergangenen Jahres. Dann fuhren wir durch eine Allee von gekappten Kastanienbäumen in unser gutes Esslokal.

Nun lebt in der Provençe nicht nur die Erinnerung an die Zeiten der Römer weiter, sondern in Klöstern und Kirchen kann man in die Zeit der Kreuzzüge zurückversetzt werden. Als wir nach St. Gilles kamen, waren wir überrascht, in diesem kleinen alten Ort eine so schöne, künstlerisch überragende romanische Kirche zu finden. Wir erfuhren, dass mehrere Päpste in diesen Mauern geweilt haben, Päpste wie Urban II und Clemens IV, die von Aigues-Mortes aus die Kreuzzüge organisiert haben. Die Abtei, zu der die Kirche und die Krypta gehören, war schon sehr alt; sie war dem heiligen Peter und Paul geweiht, später aber dem heiligen Gilles oder Ägidius, der Abt in diesem Kloster war und 723 hier verstorben ist. Die Fassade ist in dieser Zeit gestaltet worden. Ich kann mich noch erinnern, wie wir neben der Treppe standen und den ersten Blick auf die Vielfalt der Figuren erlebten. Wir haben dann einige Szenen aus dem Reliefstreifen fotografiert, wobei wir feststellten, dass das theologische Programm von Himmelshöhen bis zu Höllentiefen verläuft.

Oben im Tympanon thront Christus, auf der linken Seite die Anbetung der Könige, rechts die Kreuzigung. Darunter ziehen sich Friese hin, die vom Einzug in Jerusalem bis zur Geißelung und Kreuztragung und schließlich bis zur Erscheinung Christi reichen. Darunter folgt die Zone der lebensgroßen Apostel, begleitet von Erzengeln. Sie stehen auf merkwürdigen Fabelwesen. Die Welt der damaligen Zeit ist durchzogen von der Gewalt des Bösen, die in dämonischen Wesen dargestellt wird, und Christus ist der Überwinder teuflischer Mächte. Wir haben später ähnliches in den alten Kirchen im Elsass gesehen und früher ja auch in der Bretagne. Der Mensch ist in den unlösbaren Zwiespalt zwischen Himmel und Hölle geworfen. Das wird in St. Gilles dargestellt.

Tief beeindruckt fuhren wir weiter nach Tarascon, das mit seiner Burg, den Türmen mit ihren Zinnen und den hohen Mauern hell und unversehrt auf dem Kalksteinfelsen am Rhône Ufer liegt. Es sieht ein bisschen so aus, wie man sich eine Festung für den Baukasten vorstellt. Man konnte die Burg nicht besichtigen, wohl aber in den Burghof, der von den hohen Mauern eingerahmt ist. Es hieß, man habe die Hugenotten seinerzeit gezwungen, nackt vom Gesims in die Rhône zu springen. Tarascon ist die Stadt der heiligen Martha, die hier nach der Legende eine Tarasque (Drachen) gebändigt hat, was man jährlich feiert und woher die Stadt ihren Namen hat. Die Tarasque hatte einen Löwenkopf, sechs Beine und einen Panzer wie eine Schildkröte. Kein Ritter konnte sie im Kampf besiegen, die heilige Martha hat es mit Gebeten und Hymnen geschafft, das Untier nach Tarascon zu führen, wo es sich widerstandslos von der Bevölkerung abschlachten ließ. Es ist eine traurige Legende mit der Moral, dass man Heiligen nie trauen sollte.

Wir blickten noch nach Beaucaire hinüber, das auf der andern Seite der Rhône liegt und auch eine Burg hat und wo der große Kanal beginnt, der die Rhône mit der Bucht von Aigues Mortes verbindet. Beaucaire hat auch ein legendäres Ungeheuer, „Le Drac“ genannt. Es war für menschliche Wesen unsichtbar, konnte aber nach Belieben jede Gestalt annehmen. Darstellungen zeigen es als riesigen geflügelten Seedrachen, der nicht wie die Tarasque durch Hymnen gezähmt werden konnte. „Le Drac“ entführte 1250 eine Lavendelverkäuferin und lebte mit ihr sieben Jahre lang unter den Wassern der Rhône, um mit ihr einen Sohn zu haben. Danach brachte er sie nach Beaucaire zurück; sie hatte die magische Fähigkeit behalten, ihn mit einem Auge wiederzuerkennen. Das nützte ihr allerdings wenig, denn als sie ihn eines Tages auf dem Markt erblickte, riss er ihr dieses Auge aus und verschwand. Daraufhin tötete „Le Drac“ 3000 Ritter und Bauern in Beaucaire und Umgebung, doch sogar ganze Armeen konnten es nicht mit ihm aufnehmen. Entweder ist er an Altersschwäche gestorben oder lebt immer noch in der Rhône wie Nessie in Loch Ness und gibt dem Fluss einen besonderen Reiz.

Auf Entdeckungsreise in Europa Band 2

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