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Der Luberon, Gordes und Avignon

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Einer unserer schönsten Ausflüge war besonders naturnah und führte uns in den „Luberon“. Wir wanderten hier durch einen Zedernwald, den einst Caesar pflanzen ließ, um daraus Holz für seine Schiffe zu gewinnen. Wenn man bedenkt, wie lange eine Zeder zum Wachsen braucht, muss er sehr weit in die Zukunft geplant haben. Die Bäume waren entsprechend hoch und es duftete überall nach Harz und Narzissen. Bei den Blumen handelte es sich um eine kleine Art von gelben Narzissen, die hier den gesamten Waldboden bedeckten. Wir ruhten uns mitten unter ihnen aus, und während ich in die hohen Wipfel schaute, sagte ich: „Hier möchte ich einmal beerdigt werden.“ Später konnte ich mir das an andern Orten auch vorstellen. Aber hier stimmte alles zusammen: der herrliche Wald, die milde Luft und der Duft von Blumen und Bäumen.

In welch einen Gegensatz kamen wir danach: wir waren zum Hochplateau der Vaucluse gefahren und dann über einem tiefen Tal, den „Gorges de la Nesque“, wo man von der gewundenen Straße immer in die tiefe Schlucht sehen kann, in der das Wasser schäumt und gurgelt. Nach einer abenteuerlichen Fahrt kamen wir nach Apt. Als wir hier eine Auskunft holen wollten wegen unserer Weiterfahrt, begegnete uns eine deutsche Familie, die sich in arger Bedrängnis befand. Man hatte ihren großen Variant total ausgeraubt; selbst die Spielsachen der Kinder waren gestohlen worden. Nun wollten sie zur Polizei, aber keiner von ihnen konnte Französisch. Gerd bot sich an, zu dolmetschen, und so konnten sie wenigstens eine Anzeige machen. Wir waren ganz betroffen von ihrem Unglück. Wie konnte man so gefühllos sein!

Wir kamen auf einer kurvenreichen Straße wieder ins Gebirge und sahen schließlich Gordes in der Nachmittagssonne liegen: oben, nahe dem Himmel, die Kirche und das Schloss und darunter im Hang die Häuser, malerisch verstreut zwischen Olivenbäumen und Gärten. Man hat von hier einen weiten Blick auf das Tal des Coulon, das tief unten liegt, von der Sonne beschienen. Wir stellten fest, dass ein Spaziergang in den Steilhang dieses Städtchens für meine Hüfte eine zu große Belastung sein würde – und so wandten wir uns dem Freilichtmuseum „Village des Bories“ zu, das sich etwa drei Kilometer von Gordes entfernt auf der andern Seite der Straße befindet. Es handelt sich um eine kleine Siedlung von Steinhütten, den sogenannten „Bories“. Diese ohne Mörtel aufgeschichteten, kegelförmigen Häuschen findet man im gesamten Mittelmeerraum, die ältesten stammen vermutlich aus dem 2. Jahrtausend vor Christus. Die Hütten bei Gordes wurden noch bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts bewohnt und man kann sie heute besichtigen. Eng und finster ist es in den kleinen, fensterlosen Hütten, die oft aus mehreren Räumen bestehen. Die Fenster dienen gleichzeitig als Rauchabzug für das Feuer, auf dem man kocht und das wärmt. Die Siedlung, die wir uns ansahen, wurde bis ins 14. Jahrhundert von Waldensern bewohnt, einer Sekte, die sich von der römisch-katholischen Kirche abgespalten hatte und das wahre Christentum leben wollte, in Armut und Frieden. Sie lehnten daher Sakramente und Ablass ab, als auch den Kriegsdienst und die Todesstrafe. Dafür wurden sie von der Inquisition verfolgt und zogen sich in unzugängliche Alpentäler zurück, wo es sie heute noch gibt.

Die Abtei Senanques ist nur wenige Kilometer von Gordes entfernt, es geht über eine kleine Straße abwärts. Dann liegt die Abtei mitten zwischen Feldern einsam im Tal. Sie wurde von Benediktinern gegründet und ist heute eine Zisterzienserabtei. Der viereckige Turm der Kirche ragt nur wenig über die grauen Dächer des Klosters. Die Kirche selbst ist im romanischen Stil erbaut und enthält im Innern keinen weiteren Zierrat. Schön ist aber der Kreuzgang, der mit Doppelsäulchen rings um den ganzen Innenhof führt, in dem mit Buchsbaum einige Beete angelegt sind. Das anschließende Refektorium hat ein Kreuzgewölbe, in das an diesem Nachmittag die Sonne schien. Die Krypta in ganz gelbem Stein ist sicher noch aus dem 12. Jahrhundert, der Zeit der Gründung. Das Kloster macht einen in sich geschlossenen Eindruck, weit weg von dem Lärm der Welt. Wir kehrten über St. Rémy zu unserer ebenfalls ruhigen Unterkunft am Waldrand zurück. Jeder Tag in der Provence hatte seinen eigenen Reiz und seine besondere Note

Wir sahen Avignon zuerst von der andern Seite der Rhône. Da wirken die Festungsmauern im gotischen Stil noch wie eine Verzierung, überragt vom Papstpalast und dem Turm des Doms. Kommt man in die Stadt, empfindet man die Enge der Straßen, bis man zu dem leicht gewölbten Platz des Papstpalastes kommt, der wie eine Festung, dunkel und hoch, vor einem aufragt. Als wir dort ankamen, stand ein Musikant, gekleidet wie ein mittelalterlicher Barde, vor der Mauer und spielte auf seiner Flöte alte Weisen. Wir hörten eine Weile zu und ließen uns in die Zeit Petrarcas versetzen, in der dieser Palast entstanden war. Schmucklos und streng steigt dahinter die Fassade mit zwei schlanken Türmen hoch. Auch der Turm am Ende der Mauer ist zinnen bewehrt, dahinter sieht man den Glockenturm des Doms.

Dann begannen wir die Besichtigung mit einem Führer, der uns durch die kahlen Räume bis zur Kapelle führte, durch deren kunstvoll gestaltete Fenster man in den Innenhof blicken konnte. Unter einem Scheinpfeiler blickte das ernste Gesicht eines Mönchs auf uns herab. Die Zeit der Päpste in Avignon begann 1309, als Clemens V wegen politischer Intrigen in Rom nach Avignon floh. Sein Nachfolger Johannes XXII blieb auch lieber in Avignon. Der dritte Papst in Avignon, Benedikt XII, hat den Papstpalast bauen lassen und Avignon wurde eine Zeitlang zum Vatikan des Nordens. Rom nannte diese Periode „Babylonische Gefangenschaft“, denn die Päpste führten hier ein extravagantes Luxusleben, Kunst und Kultur blühten, aber auch Laster und Prostitution. Als Gregor XI 1376 nach Rom zurückkehrte, begann Avignon, seine eigenen Päpste zu wählen. Die Zeit der Gegenpäpste endete schließlich 1417 mit der Wahl Martins V in Rom.

Der Papstpalast spiegelte den Reichtum und die Prunksucht der Päpste in vielen seiner Räume, die heute kahl anmuten und den Eindruck religiöser Strenge und Entsagung vermitteln. Während der französischen Revolution und der dritten Republik wurde der Palast als Abladeplatz von Leichen nach Massakern, als Gefängnis, Baracke und Pferdestall benutzt und natürlich vandalisiert. Nur die Privatgemächer der Päpste wie der von Clemens VI eingefügte „Tour de la Garderobe“ vermitteln noch die Lebensfreude damaliger Zeiten: im päpstlichen Schlafgemach ranken sich Weinreben und tummeln sich Vögel im Laub, im „Chambre du Cerf“ sieht man Szenen des Fisch- und Vogelfangs und Jagdszenen mit Hunden, Hirschen, Falken und Fasanen. Weder im großen Saal des Konsistoriums, wo die Beratungen der Päpste und Kardinäle stattfanden, noch in dem großen Festsaal, dessen Decke einst als sternenübersäter Nachthimmel bemalt war, sind noch Spuren vergangener Pracht erhalten. Angeblich wurden anlässlich der Weihe Clemens des VI 9000 Hühner, 1400 Gänse und 118 Ochsen geschlachtet, das muss eine üppige Party gewesen sein. Gespeist wurde von silbernen oder goldenen Tellern mit Besteck aus demselben edlen Metall. Im „Tour Saint Jean“ gibt es noch eine sehenswerte Kapelle mit wunderschöner Deckenbemalung, die der Sieneser Künstler Matteo Giovanetti zwischen 1345 und 1348 gemalt hat. Die Fresken stellen Szenen aus dem Leben Johannes des Täufers und Johannes des Evangelisten dar.

Es waren sieben Päpste, die in dieser Zeit in Avignon regiert haben, und es ging wie bei den Staufern darum, wer mehr Macht beanspruchen durfte, die königliche Krone oder die Kirche, vertreten durch den Papst. Als Clemens V 1309 seine Residenz nach Avignon verlegte, begann ein Luxus dort, der seine Zeitgenossen empörte. Dazu kam die sogenannte „Vetternwirtschaft“, das heißt er machte fünf Verwandte zu Kardinälen, und schließlich ließ er sich 1311 von der französischen Krone missbrauchen, bei der Vernichtung des Templerordens zu helfen. Dabei wollte König Philip nur an das Vermögen des Templerordens kommen, um seine Staatskasse zu sanieren. Nach ihm kam Johannes XXII, der 18 Jahre lang regierte und weitere fünf Päpste, bis 1376 Katharina von Siena Papst Gregor XI dazu überredete, wieder nach Rom zurückzukehren.

Zu der Geschichte Avignons ließe sich noch eine Menge sagen, aber kehren wir ans Ufer der Rhône zurück, wo wir die abgebrochene Brücke in Augenschein nahmen. Der heilige Bénézet war ursprünglich ein Schafhirte, dem in einer Vision aufgetragen wurde, die Brücke zu bauen. Zunächst waren die Bürger von Avignon skeptisch, aber als er einen riesigen Steinbrocken aufhob, erklärten sie sich bereit, das Werk zu beginnen. Die „Pont-Saint-Bénézet“ wurde zwischen 1177 und 1185 erbaut; man muss bedenken, dass der Wasserstand der Rhône damals viel höher war und das Wasser wilder, was die Überquerung mit kleinen Booten gefährlich machte.1226 wurde sie zum ersten Mal zerstört, weil Avignon sich auf die Seite der Albigenser geschlagen hatte, dann wieder aufgebaut, wieder zerstört, aufgebaut, bis man sie im 17. Jahrhundert als Rudiment stehengelassen hat. Statt 22 Bögen gibt es nur noch 4. In der Legende heißt es, dass die Brücke unter dem vergnügten Tanzen der Bürger von Avignon zerbrochen ist. Daher stammt das Lied:

„Sur le pont d’Avignon,

l’on y danse, l’on y danse,

Sur le pont d’Avignon

L’on y danse tout en rond.“

- aber die Farandole hat man wohl eher auf der Insel Barthelasse getanzt, über die die Brücke einst führte.

Auf Entdeckungsreise in Europa Band 2

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