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8. Kapitel
Das Kinderheim am Nordseestrand

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Inhaltsverzeichnis

Ein nettes Hausmädchen mit weißem Hamburger Häubchen und blütensauberem Latzschürzchen öffnete. Mit freundlichem Gruß führte sie durch eine blumengeschmückte Diele in den Empfangsraum. Dieser war ein gemütliches Wohnzimmer, in dem ein großes Ölgemälde, einen blonden Schiffskapitän darstellend, den Platz über dem Sofa einnahm. Darunter hing das Bild eines entzückenden Knaben. See-und Schiffsbilder schmückten die gegenüberliegende Wand. Merkwürdige Dinge aus fremden Ländern standen auf Tischchen und Paneelbrettern umher. Auch hier ein Blumentisch in der Fensterecke mit blühenden Gewächsen. Alles blitzte vor Sauberkeit.

Ehe Annemarie ihre neugierigen Augen noch allenthalben hatte herumspazieren lassen können, wurde die zu einem andern Zimmer führende Tür geöffnet, und eine noch jugendliche Dame in Schwarz trat herein. Es war Frau Kapitän Clarsen, Annemaries Pensionsmutter. Mit herzgewinnender Freundlichkeit ging sie auf ihre Gäste zu.

»Das freut mich, gnädige Frau, daß Sie mir selbst Ihr Töchterchen bringen. Also dies ist unsere neue kleine Annemarie – guten Tag, mein Herzchen. Sei herzlich willkommen bei uns auf Wittdün, wir wollen dich hier sehr lieb haben.« Damit küßte sie das fremde kleine Mädchen auf die Stirn.

Die tief knicksende Annemarie machte ein ganz verdutztes Gesicht. Auf solch einen herzlichen Empfang war sie nicht vorbereitet gewesen. Sie hatte sich die Frau Kapitän wie eine strenge Lehrerin vorgestellt, und nun war die so liebevoll zu ihr wie die Großmama oder wie eine Tante. Aber sie wollte sich hier ja gar nicht lieb haben lassen – sie wollte doch wieder mit zurück nach Berlin.

Indessen besprachen die beiden Damen alles Notwendige. Annemarie hatte Zeit, ihre neue Pensionsmutter eingehender zu betrachten.

Was war denn eigentlich nur so merkwürdig an der Dame? Immer wieder mußte die Kleine das lieblich zarte Gesicht der Frau Kapitän, das so jung wie das von Mutti erschien, studieren.

»Ich hab’s« – laut entfuhr es plötzlich dem kleinen Mädchen, das gewöhnt war, alles herauszusprudeln, was es auf dem Herzen hatte. Dann aber biß sich Annemarie erschreckt auf die Lippen.

»Was hast du, Herzchen?« freundlich wandte sich Frau Kapitän ihr zu. »Na, magst du es mir nicht sagen? Wir wollen doch beide gute Freunde werden, da mußt du auch Vertrauen zu mir haben.«

Hilflos stand Doktors Nesthäkchen da. Es zupfte an seinem weißgepunkteten Musselinkleid herum und steckte schließlich in grenzenloser Verlegenheit den Finger in den Mund.

»Ei, da will ich nicht drängen, vielleicht erzählst du’s mir mal später von selbst«, Frau Kapitän hatte Mitleid mit der Schüchternheit der kleinen Fremden. Sie setzte das Gespräch mit der Mutter fort.

Frau Doktor Braun jedoch war ärgerlich auf ihre Lotte. Tat das dumme Mädel nicht, als ob es nicht bis drei zählen konnte? And war doch sonst solch Plappermäulchen, das gar keine Schüchternheit kannte. Warum antwortete sie denn nicht, wie sich’s gehörte, auf Frau Clarsens freundliche Frage?

Hätte Frau Doktor Braun jedoch gewußt, was Annemarie mit ihrem »ich hab’s« gemeint hatte, dann hätte sie wohl ihre Befangenheit verstanden. Die Kleine hatte nämlich gerade in dem Augenblick herausgefunden, daß ihre neue Pensionsmutter ja schneeweißes Haar hatte, genau wie die Großmama. Das war es, was ihr so merkwürdig zu dem noch jungen Gesicht erschienen war. Und dies konnte sie doch unmöglich sagen.

Die beiden Damen hatten indessen alles miteinander verabredet. Annemarie sollte sich so viel wie möglich in der frischen Luft aufhalten. Mit den Seebädern wollte man noch etwas warten, bis das Wasser sich mehr erwärmt hatte. Inzwischen sollte sie Sonnenbäder nehmen und auch eine Liegestuhlkur durchmachen. Im übrigen viel frische Milch – Annemarie schüttelte sich heimlich – Milch trank sie höchst ungern. Der Unterricht sollte bis zum Ablauf der großen Ferien ausgesetzt werden, um dem Kind erst Zeit zur Erholung zu lassen.

»Ja Kuchen« – dachte Annemarie nicht sehr respektvoll – »nach den großen Ferien bin ich bestimmt wieder in Berlin und gehe mit Margot Thielen zusammen in die Schule.«

Die Mutter erhob sich mit warmen Dankesworten. Die Dame, der sie ihr Kind anvertrauen wollte, hatte den denkbar günstigsten Eindruck auf sie gemacht.

»Ich darf Ihnen vielleicht noch das Haus mit all seinen Einrichtungen zeigen, gnädige Frau,« schlug Frau Kapitän liebenswürdig vor.

Gern nahm die Mutter dies Anerbieten an. Fräulein Neugier schob sich hinter den Damen her – konnte man es ihr denn verdenken, daß sie sehen wollte, wo sie hinkam?

»Mein Haus ist nicht groß, denn ich nehme nie mehr als höchstens fünfzehn Kinder auf. Bei einem größeren Betrieb fühlen sie sich nicht daheim,« hörte Annemarie Frau Clarsen sagen.

»Bei einem kleineren auch nicht«, es waren ziemlich unartige Gedanken, mit denen Doktors Nesthäkchen ihre neue Heimat in Augenschein nahm.

»Hier unten liegt gleich das Eßzimmer,« damit öffnete die Dame eine Tür.

Von dem langen die Mitte des Zimmers einnehmenden Tisch hoben sich blonde und braune Kinderköpfe mit ebensolchen neugierigen Augen, wie die hineinspähende Annemarie sie hatte. Hier und da erhob sich ein höfliches kleines Mädchen und knickste.

»Bleibt sitzen, Kinder«, rief Frau Clarsen. »Fangt nur heute an, mal ohne mich die Suppe zu essen. Dafür bringe ich euch nachher auch eine neue kleine Freundin mit.«

»Die neue kleine Freundin« hatte inzwischen mit Verwunderung wahrgenommen, daß auch Jungen an dem Eßtisch saßen. Annemarie, die selbst ein halber Junge war, wie Vater immer sagte, empfand das durchaus nicht unangenehm. Im Gegenteil – das laute Herumtoben von Jungen sagte dem Wildfang mehr zu als die artigen Spiele kleiner Mädchen.

Eine Dame, die Frau Clarsen sehr ähnlich sah, nur daß sie blonde Haare hatte, teilte die Suppe aus.

»Meine Schwester – Frau Doktor Braun«, stellte Frau Kapitän vor. »Lenchen ist unser guter Hausgeist, der für das körperliche Wohl der kleinen Gesellschaft Sorge trägt – Annemarie wird die Tante Lenchen auch bald so lieb haben wie alle übrigen Kinder.«

Die grauen Augen der jungen Dame begegneten sich mit den strahlendblauen des fremden kleinen Mädchens – nur eine Sekunde. Da wußte Annemarie es sofort, daß sie Tante Lenchen lieb haben mußte, ob sie nun wollte oder nicht.

»Dies ist unsere Erzieherin, Fräulein Mahldorf, die einen Teil des Unterrichts gibt, den übrigen erteilt ein hiesiger Lehrer«, stellte Frau Kapitän weiter vor. »Und hier noch Miß John, unsere Engländerin.«

Man verließ den Speiseraum und trat in das nebenliegende Spielzimmer. Das war ein luftiges helles Gemach mit hübschen Kinderbildern an den Wänden. Eine weitgeöffnete Tür führte zur Terrasse und in den Garten hinaus. Die eine Ecke des Zimmers gehörte den Puppen, die zweite dem Militär. Bleiregimenter aller Gattungen waren dort aufmarschiert. In der dritten Ecke sah man in einem Regal Gesellschaftsspiele aufgestapelt, in der vierten aber stand der Bücherschrank mit Märchen und Geschichtenbücher. Konnte es wohl ein Kinderherz geben, das solchem Zauber widerstanden hätte? Immermehr fühlte Annemarie ihre Abneigung gegen das Kinderheim schwinden. Ob Gerda, wenn sie erst wieder da war, wohl auch hier einquartiert wurde?

Nun ging es in die Schulstube. Nein, wie eine Klasse sah es hier ganz und gar nicht aus. Zwar standen Tische und Bänke nebeneinander aufgereiht, aber die weißen Mullgardinen an den Fenstern, die Gruppenbilder ehemaliger Zöglinge, welche die Wände schmückten, machten auch diesen Raum der Arbeit anheimelnd und nahmen ihm das schulmäßig Nüchterne. Nur die große Landkarte an der Hauptwand verriet das Klassenzimmer.

Frau Kapitäns Wohnräume und die der Lehrerinnen waren besichtigt, nun ging es über eine blankgebohnerte Treppe in das obere Stockwerk. Dort lagen die Schlafzimmer der Kinder. Alles helle freundliche Zimmer mit graublau oder rosa getünchten Wänden und weißen Möbeln. Zwei oder auch drei Betten in jedem Raum, die meisten mit einem kleinen Balkon, der einen herrlichen Blick über Strand und Meer erschloß.

»Ach, die wundervollen Blumen überall«, Frau Doktor Braun war entzückt von dem, was sie sah. Hier ließ sie ihre Lotte ganz beruhigt.

»Ja die haben sich unsere Kinder im Frühling selbst gesät. Jedes Kind hat seinen Blumenkasten und auch ein Fleckchen Erdreich unten im Garten. Ich halte soviel von dieser gärtnerischen Tätigkeit. Sie erhält Körper und Seele gesund. Du bekommst auch deinen Blumenkasten, Annemarie«, versprach Frau Kapitän. In den blauen Augen des kleinen Mädchens leuchtete es auf. Es gefiel ihr hier genau so gut wie ihrer Mutter, aber – es durfte ihr ja gar nicht gefallen.

Die Damen stiegen die Treppe wieder hinab. Da rutschte etwas an ihnen vorüber, etwas Rotes mit weißen Punkten.

»Aber Lotte – – –« rief Mutti entsetzt.

»Au, hier rutscht es sich fein das Geländer herab, hier müßte Klaus sein!« mit strahlenden Augen stand Annemarie unten.

»Sieh mal an, das habe ich gar nicht gedacht, daß du solch kleiner Wildfang sein kannst – ich habe dich für ein ganz schüchternes kleines Mädchen gehalten«, lächelte Frau Kapitän.

Der Mutter war die Einführung ihres Töchterchens sichtbar peinlich.

»Nun will ich mich aber verabschieden, ich habe Ihre Mittagszeit schon allzu lange in Anspruch genommen, Frau Kapitän,« damit reichte die Mutter der Dame die Hand.

Auch Annemarie streckte mit tiefem Knicks ihr Händchen hin.

»Ei, Herzchen, bleibst du denn nicht gleich bei uns?« verwunderte sich die Pensionsmutter. »Ich wollte dich jetzt mit deinen kleinen Kameradinnen bekannt machen.«

»Ach nee – nee, das geht nicht.« die dumme Annemarie verkroch sich hinter ihrer Mutter.

»Aber Lotte, sei doch nicht so töricht, warum sollte das denn nicht gehen?« Frau Doktor Braun schob ihr Nesthäkchen wieder nach vorn.

»Ich – ich – ich hab’ ja überhaupt noch gar kein Mittagbrot gegessen –« wie gut, daß ihr das noch einfiel.

»Das schadet nichts, mein Herzchen,« lachte Frau Kapitän. »Wir beide tafeln nach, sie werden uns schon noch etwas übrig gelassen haben.«

»Und – und mein kleines neues Köfferchen ist ja auch noch nicht da, das muß ich bestimmt erst noch holen« – wie der Wind war Annemarie an der Tür.

Frau Kapitän Clarsen war eine erfahrene Frau. Sie hatte schon so manche Heulszene mit kleinen Neuankömmlingen erlebt, die sich nicht von den Eltern trennen wollten. Sie wußte, daß man nur mit Güte die jungen, ängstlichen Herzen gewinnen konnte.

»Schön, Annemarie, dann gehst du jetzt mit deiner Mutti Mittag essen. Am Nachmittag treffen wir uns am Strande, da kannst du gleich mit deinen neuen Freundinnen spielen. Und heute abend schläfst du dann das erstemal bei uns. Ja, wollen wir es so machen?« schlug Frau Kapitän freundlich vor.

»Ja – ja« – Annemaries ganzes Herz flog der netten Dame zum Dank für diese Worte entgegen. Sie durfte noch ein bißchen bei Mutti bleiben, weiter wollte sie ja fürs erste gar nichts. Bis heute abend war ja noch schrecklich lange, und – sie hatte ja überhaupt gar kein Bett in Muttis Zimmer.

Frau Doktor Braun war weniger einverstanden mit dem Vorschlag der Frau Kapitän. Sie fürchtete, daß sich am Nachmittage genau dasselbe Manöver abspielen würde. Und wenn man dem Kinde erst einmal nachgegeben hatte, würde es am Ende das zweitemal auch sein Köpfchen durchsetzen wollen. Aber Frau Doktor Braun irrte sich diesmal.

Nachdem sie in dem schönen Kurhaus gespeist hatten, ging die Mutter mit ihrem Töchterchen an den Strand hinunter.

»Ach, die niedlichen, rotweißgestreiften Häuschen, sind die für Puppen?« für große Menschen waren sie doch viel zu klein.

»Das sind ja Strandkörbe, Lotte. Dort hinein setzt man sich mit einem Buch oder einer Handarbeit, wenn die Sonne zu sehr brennt, oder wenn es regnet.«

»In einen Korb – wie unser Puck!« amüsierte sich die Kleine.

Herrliche Muscheln lagen auf dem feuchten Sand, die das Meer herangeschwemmt. Weiße, gelbe, bläuliche und rosa, große und kleine. Jubelnd machte sich Annemarie ans Sammeln. Muschelsuchen – das war ein bisher unbekanntes Vergnügen für die kleine Berlinerin.

»Ich hätte dir eine Sandschaufel kaufen sollen, Lotte«, meinte die Mutter, »aber das kann ich ja noch morgen nachholen.«

»Was, eine Schippe für mich, großes Mädel? Mit zehn Jahren spielt man doch nicht mehr mit Sand, was sollten da wohl die anderen Kinder von mir denken!« lachte Nesthäkchen los.

»Sieh mal dorthin, Lotte,« die Mutter wies auf den belebten Teil des Strandes, dem sie sich jetzt näherten.

Nanu – Annemarie traute ihren Augen nicht. Da schaufelten ja erwachsene Damen und Herren im Schweiße ihres Angesichts große Gruben in den weißen weichen Sand. Und Kinder jeden Alters waren eifrig bemüht, hohe Sandwälle gegen die näher kommende Flut aufzuwerfen.

»Mutti – ach, ist das ulkig! Sich bloß mal, ein Herr wie Vater buddelt noch Sand,« Annemarie wollte sich vor Lachen ausschütten.

»Hier an der Nordsee bauen auch die großen Leute Burgen, so nennt man die Sandgruben mit den hohen Wällen, Lotte. Jeder gräbt sich eine Burg und schmückt sie, so schön er kann. Sieh nur all die bunten Fähnchen, die sie dort aufgepflanzt haben, und hier sogar ein Anker aus Muscheln, ist das nicht hübsch?«

Ja, wundervoll war das. Nesthäkchen bedauerte lebhaft, noch keine Sandschaufel zu haben. Sie hätte sich am liebsten sofort eine Burg gebaut.

»Und für dich baue ich auch eine, und eine für Gerda – ach, wo mag meine Gerda jetzt bloß sein?« Aber Annemarie kam nicht dazu, sich weiter mit der auf eigene Faust in der Welt herumgondelnden Puppe zu befassen.

Eine Kinderschar, paarweise geordnet, wurde auf der breiten, von der Wandelhalle zur Uferpromenade herabführenden Steintreppe sichtbar – es waren die Clarsenschen Kinder. So wurden sie allgemein in Wittdün genannt, da es dort noch mehrere andere Kinderheime gab.

Sie waren in Begleitung von Tante Lenchen und der Engländerin. Erstere sah sich suchend um und trat dann auf Annemarie und ihre Mutter zu, die durch das weithin leuchtende rote Kleid des kleinen Mädchens kenntlich waren.

»Na, Annemarie, willst du nun mit unsern Kindern spielen?«

Ja, das wollte die Kleine sehr gern, denn spielen verpflichtete ja zu nichts. Sie ließ sich von Tante Lenchen zu den der »Neuen« voll Erwartung entgegenblickenden Zöglingen führen.

»Also das ist hier Annemarie Braun aus Berlin, eure neue Freundin. Nun spielt recht schön zusammen, die Namen der Kinder wirst du schon allmählich kennen lernen. Ellen, vielleicht nimmst du dich der Annemarie ein wenig an,« wandte sie sich an ein langaufgeschossenes, etwa dreizehnjähriges Mädchen mit braunen Zöpfen. Es sah ein wenig wie Margot Thielen aus, dies machte sie Annemarie gleich vertrauter.

»Komm, willst du an unserer Burg bauen helfen?« freundlich nahm die große Ellen die kleine Fremde bei der Hand.

»Au ja – aber ich habe bloß noch keine Schippe, die kauft mir meine Mutti erst morgen.«

»Das schadet nichts, du kannst mit meiner spielen, ich suche mir ein S-tück Holz zum Graben,« sagte die Hamburger Ellen freundlich. Annemarie aber lachte hellauf.

»Du sprichst ja genau wie unsere Rechenlehrerin Fräulein Neudorf, die immer sagt: »Macht nicht solchen S-pektakel, Kinder, Ihr s-tört die anderen Klassen. Ist das ulkig, daß ein Kind auch so s-pricht,« die kleine dreiste Krabbe hatte gar keine Scheu mehr vor der Großen. Auch Ellen und die anderen Kinder, die neugierig zuhörten, mußten lachen.

»Deine Lehrerin war gewiß auch aus Hamburg?«

»Nee, aus Hannover – aber nun wollen wir spielen,« unternehmungslustig hopste Annemarie in die ziemlich geräumige Sandgrube. Dort saß bereits ein kleines Mädchen in ihrem Alter mit rotgoldenen Haaren, die in lauter Locken und Löckchen das Kindergesicht umrahmten. »Wie das Engelsköpfchen auf Fräuleins Brosche zu Hause«, dachte Annemarie.

»Gerda, zeig’ mal der Annemarie eben, wie hoch unser Wall s-tehen soll, ich baue inzwischen die Burg nach der anderen Seite aus,« rief Ellen.

»Gerda heißt du – ach, ist das drollig, so heißt meine Puppe nämlich auch,« Annemarie ließ sich neben dem kleinen Lockenkopf nieder und begann eifrig den weißen, schönen Sand zu schaufeln. Dabei ruhten aber auch die Plappermäulchen nicht.

»Hast du deine Puppe mitgebracht?« erkundigte sich die fremde Gerda.

»Ja – nee – das heißt, sie kommt bald nach. Sie ist bloß noch mal allein nach Hamburg zurückgereist,« berichtete Annemarie.

»Was – allein?« das rotblonde Kind sah Sie Neue zweifelnd an. Schwindelte die am Ende?

»Es ist wirklich wahr,« beteuerte Annemarie, »ich habe sie nämlich in der Manteltasche meines Freundes, des Matrosen Willem, vergessen – aber der ist so nett, der bringt sie mir bestimmt wieder«. Nun lachten sie alle beide über die reiselustige Puppe, und damit war die Freundschaft zwischen den kleinen Mädchen besiegelt.

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