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Das Chang

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Philip glaubte nicht an Zauberei, auch dann nicht, wenn eine Verpackung mit gelber Sternenschrift auf blauem Grund das Wort Wundertüte an­pries.

Auf dem Trödelmarkt, im dichten Menschengedränge, fasste er in seine Hosentasche, holte die üb­riggebliebenen Münzen hervor und zählte sie. Was konnte er für 3 Euro kaufen?

Jungen und Mädchen boten an den Verkaufsständen ihre Besitztümer an: Hörspielcassetten, CDs, Matchboxautos, Plastikpanzer, Comics, Fantasyfi­guren, Filmcassetten ... Eigentlich war es ihm fast gleich, was er kaufen würde. Auf einem Tisch, den er bereits zweimal abge­schritten hatte, sah er wieder die blaue Wundertüte mit den gelben Sternen.

»Wie viel?«, fragte er den Jungen mit den Sommer­sprossen auf der Nase.

»Drei Euro.«

»Ich habe aber nur zwei«, schwindelte er.

Der Junge beschrieb eine abwinkende Macht-nichts-Geste und hielt Philip seine geöffnete rechte Hand über den Verkaufstisch entgegen.

Philip ließ die beiden Münzen in die Hand purzeln und ergriff die flache Papiertüte. Er drehte sich herum und spürte sogleich, während er langsam weiterging, ein Gefühl von Enttäuschung über das ge­ringe Gewicht der Tüte, die er am obe­ren Rand aufriss. Den schmalen Papierstreifen ließ er zu Boden zappeln. Er zog ein streichholzgroßes pech­schwarzes Plastikgehäuse hervor und betrachtete es von allen Seiten. In der Mitte des Kästchens befand sich ein runder roter Knopf, der, als er ihn hinunterdrückte, mit einem sanften Chang einrastete und kurz hell aufleuchtete. In diesem Moment stieß ein vorbeieilender Mann hart gegen Philips Schulter, wobei die Tüte auf den Bürgersteig fiel. Achtlos schritten die Leute darüber hinweg. Zuerst wollte Philip sie dort liegenlassen, da sie offensichtlich keine Kostbarkeiten mehr enthielt. Aber dann bückte er sich danach. Vielleicht hatte er das Beste dieses Kaufes übersehen. Er hob die Tüte auf und blies leicht von oben gegen die of­fengerissene Stelle, wobei sich Vorder- und Rückseite der Verpackung nach außen wölbten. Im Innern fand er einen weißen Zettel, auf dem in gaukelnden schwarzen Buchstaben ein kurzer Text stand. Er las:


DAS CHANG

Suchst Du das Abenteuer, das Glück, das Besondere? - Ein Knopfdruck verändert Dein Leben! Wann immer Du das CHANG benutzt, wird es Deinem Leben eine Wendung ge­ben.

Gebrauch nur auf eigene Gefahr.


Ein Glücksbringer? Made in Hongkong. Eigentlich hatte Philip sich etwas Anderes ge­wünscht. Etwas Wertvolles mit Gewicht, das sich, wenn es ihm nicht gefiele, zum Tauschen eig­nete. Aber für zwei Euro konnte man nicht viel ver­lan­gen. Er bahnte sich seinen Weg nach Hause durch den Menschenstrom in der Einkaufsstraße.

Unterwegs drückte er den für eine Sekunde rot auf­leuchtenden Knopf des Kästchens. Chang machte es, nachdem der Knopf mit einem sanften Knacken eingera­stet war. Philip hörte das leise schwir­rende Ausklingen einer Sprungfeder im Innern des Gehäuses. Eine weiße Wolke am Himmel schob sich für einen Moment vor die Sonne, während ein Schatten über die Stadt hinweg glitt.

Plötzlich entschloss er sich, noch einmal über den Trödelmarkt zu schlendern. Vielleicht konnte er sich von seinem letzten Euro ein Eis kaufen und das nutzlose Ding in seiner Hand gegen ein Buch oder einen anderen Gegenstand eintauschen.

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