Читать книгу KUNGELBOY - Erhard Schümmelfeder - Страница 9
Eine bahnbrechende Erfindung
ОглавлениеPhilip spielte mit dem Gedanken, Dirk von der magischen Kraft des Chang zu erzählen, er wollte ihn überraschen, vielleicht sogar verblüffen. Etwas hielt ihn zurück. Es war das Wort Seelenklempner, das aus Dirks Mund merkwürdig überheblich klang. Philip genoss es noch, ein kleines Geheimnis zu besitzen, das er mit keinem Menschen auf der Welt teilte.
»Wo ist deine Mutter heute?«, fragte er seinen Freund, als dieser nachmittags die Haustür öffnete.
»Habe ich dir doch schon in der Schule erklärt«, sagte Dirk. »Bei ihrer Teefreundin. Mindestens zwei Stunden haben wir hier sturmfreie Bude.«
»Und deine Schwester?«
»Die besucht die Emaildetektive. Was sagt denn der Zahnklempner zu deinen Zähnen?«
»Er will sich die Röntgenaufnahmen noch genau ansehen. Vielleicht kriege ich bald eine Spange.«
»Was machen wir heute?«
»Wir könnten ins wurmzerfressene Haus gehen und den Mann mit dem wurmzerfressenen Gesicht besuchen«, schlug Philip vor. Er fügte hinzu: »Vielleicht treffen wir auch den Mann mit dem gespaltenen Schädel.«
»Nee, du, besser nicht.«
In seinem Zimmer legte Dirk sich aufs Bett, drückte auf den Knopf des Wandschalters und verfolgte, wie der Rollladenpanzer vor seinem Fenster herunter gelassen wurde. Als die Hälfte des Fensters verdeckt war, blendete die Sonne nicht mehr, und Dirk nahm den Finger von dem Knopf. »Ich habe nachgedacht«, sagte er und verschränkte beide Arme hinter dem Kopf.
»Worüber?«
»Vielleicht mache ich bei Ewalds Bande mit.«
»Finde ich nicht gut«, sagte Philip. »Die hängen den ganzen Tag nur rum und drücken auf Gameboy-Knöpfe.«
»Sie gucken auch Filme in Ewalds Scheune.«
»Ewald«, sagte Philip und suchte in Gedanken nach Argumenten gegen ihn. Er war gemein. Mit Schwächeren trieb er seine Scherze. Einmal hatte er Martin gesagt: »He, Martin. Da ist n Fleck auf deinem linken Schuh.« - »Wo denn?«, fragte Martin. »Ich sehe nichts.« - »Na, da«, sagte Ewald und spuckte auf Martins Schuhspitze. »Jetzt müsstest du ihn aber sehen«, meinte Ewald, und alle Jungen schlugen sich lachend auf die Schenkel. Blöde Späße. Irgendwann spuckte Martin Ewald auf einen Schuh. Als die anderen Typen in der Scheune zu lachen anfingen, schlug Ewald Martin die Faust ins Gesicht. So einer war Ewald.
»Bei den Jungs ist wenigstens was los«, sagte Dirk.
»Hier ist auch was los«, erwiderte Philip und ließ seinen Blick durchs Zimmer schweifen. Als er die Rolle mit Bindfaden auf dem Schreibtisch entdeckte, drückte er - Chang! - den Knopf in seiner Tasche. »Wir könnten eine verrückte Maschine bauen.«
»Verrückte Maschine«, wiederholte Dirk lustlos. »Wie lange soll das denn dauern?«
»Fünf Minuten«, sagte Philip. »Höchstens.«
»Das will ich sehen!«
»Was gibst du mir, wenn ich es schaffe?«
»Eine Tüte Salzstangen und den kaputten Kopfhörer.«
»Haha.«
Philip nahm den Papierlocher vom Regal, lochte die Spitze von Dirks Socken, band Schnüre daran und verknotete sie, nachdem er das Fenster geöffnet hatte, mit der untersten Lamelle des Rollladenpanzers.
»Maschine starten!«
Als Dirk den Knopf an der Wand neben seinem Bett drückte, spannten sich die Schnüre und zogen die Socken Stück für Stück von seinen Füßen, bis sie vor dem Fenster baumelten.
»Die Sockenausziehmaschine«, sagte Philip und fügte hinzu: »Eine bahnbrechende Erfindung.«
»Was du für verrückte Gedanken hast.«