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In der Schule passiert etwas

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Wie langweilig alles war. Nichts Neues geschah am er­sten Schultag nach den Herbstferien. Gleich wür­den sie wieder ihre Bücher schlagen. Philip nahm sich vor, sein Buch auf­zubiegen oder aufzuklappen. Keinesfalls würde er es schlagen.

»So«, sagte Herr Vahle trocken. »Dann schlagt eure Bücher auf. Seite 14.«

Schlagen. Blättern. Biegen. Klappen. Jemand gähnte. Ein Bleistift fiel zu Boden. Jetzt müsste etwas passieren, dachte Philip. Er fasste in seine rech­te Hosentasche und fühlte die glattpolierte Seitenfläche des Chang. Er glaubte nicht an Zauberei. Er hörte neben sich Dirk hu­sten. Dann vernahm er das sanfte Einrasten des Knopfes. Konnte man das aufleuchtende Licht durch den Jeansstoff sehen? Nein. Er war darauf ge­fasst, vom Chang enttäuscht zu werden. Seine Augen wanderten über die Seite 14. In dem blauen Himmel über einer Sandwüste stand die orangene Überschrift: Jesus lädt uns ein zum Heiligen Mahl.

Herr Vahle nahm die Kreide und schrieb den Satz schwunglos aber ordentlich an die Tafel. Dann legte er das Kreidestück in das Fach zurück, drehte sich herum und rieb seine Hände, von denen weißer Puder zu Boden schwebte. »Diesen Satz schreibt ihr in euer Heft«, sagte er.

Niemand in der Klasse bemerkte, dass etwas nicht stimmte. Alle kritzelten Wort für Wort, was von der Tafel prangte, aufs Papier: Jesus lädt uns ein zum Heiligen Mehl.

Das ist ja verrückt, dachte er.

Herr Vahle bemerkte seinen Fehler erst, als es zur Pause läutete, doch da war es zu spät, denn alle Jungen und Mädchen strömten durch die Gänge des Schulhauses auf den sonnigen Hof. Im Geäst der alten Linde hockte der Mann mit dem wurmzerfressenen Gesicht und beobachtete sie lauernd. Niemand außer Philip bemerkte ihn.

Fred sprach Philip im Vorbeigehen an. »He, die Spiele sind gut. Wenn du neue hast, tauschen wir wieder. Okay?«

»Mal sehen«, sagte Philip und wandte sich um zu Dirk. »Gab es gestern bei euch keinen Milchreis mit Kirschen?«

»Doch«, antwortete Dirk. »Mit Milch aus der Tüte. Schmeckte auch nicht übel.«

»Was hast du deiner Mutter erzählt?«

»Ich habe ihr gesagt, ich wäre auf den Kopf gefal­len.«

»Das hat sie dir geglaubt?«

Dirk zuckte die Achseln. »Jedenfalls gab es keinen Ärger mehr. Mein Vater und meine Schwester wol­lten sich totlachen, als sie mich sahen.«

»Du hast eine Schwester?«

»Ich dachte, das wüsstest du.«

»Bisher hast du sie mir verschwiegen. Wie heißt sie denn?«

»Donna.«

»Klingt nach Donnerwetter. - Dabei fällt mir ein: Ruft deine Mutter noch bei uns zu Hause an?«

»Vielleicht vergisst sie es. Aber mach dir nicht allzu große Hoffnungen.«



Das Chang, dachte Philip, als sie nach dem Klingelzeichen zurück in die Klasse gingen. Er über­legte, ob er Dirk von seinem Glücksbringer erzählen sollte. Aber ein wenig nahm er ihm noch das Wort Seelenklempner übel.

Was soll­te sich heute noch verändern? dachte er. Frau Lustig würde nicht plötzlich als bucklige Hexe, einäugig und zahnlos, in die Klasse humpeln. Nein, es würde ein trostloser, langweiliger und er­müdender Morgen werden.

Ohne viel Hoffnung drückte er den roten Knopf: Chang.

Plötzlich neigte sich die Klinke der Tür. Herr Rabauke trat ein.

»Erstens: Für alle, die mich noch nicht kennen: Mein Name ist Rabauke. Zweitens: Guten Morgen! Drittens: Frau Lustig ist ab heute vorzeitig in Schwangerschaftsur­laub.«

Das war eine Überraschung.

»Dann sind Sie die Vertretung?«, rief Katja durch die Klasse.

»Allerdings«, sagte Herr Rabauke. »Die bin ich. Ab heute ist Schluss mit Lustig. Bei mir gibts keine Gnade für Faulpelze und Schlafmützen.« Er kniff ein Auge zu und fuhr fort: »So, und jetzt wollen wir uns erst einmal richtig bekannt machen, damit ich weiß, mit welchen hohen Herrschaften ich die Ehre ha­be.«

Obwohl Frau Lustig nicht anwesend war, wurde es ein lustiger Morgen. Jeder durfte sich vorstellen und erzählen, wo er wohne und was seine Eltern von Beruf seien. Spannung lag in der Luft, als Irma sich weigerte, den Beruf ihres Vaters zu nennen. Sofie, die neben Irma in der Bank saß, schnippte mit den Fingern und klärte Herrn Rabauke auf: »Heini und Norbert haben gesagt, Irmas Vater hätte einen Scheiß-Job.«

»Niemand in der Klasse hat das Recht, einen Beruf so zu titulieren, solange ich hier das Kommando führe«, donnerte Herr Rabauke. Keiner wagte zu widersprechen. Er fuhr fort: »Mein Großvater war von Beruf ein einfacher Schafhirte. Nie hat jemand seinen Beruf in den Dreck gezo­gen. In meiner Kindheit träumte ich oft da­von, einst ein Schafhirte zu werden. Na ja, in gewis­ser Hinsicht ist mir das gelungen.«

»Was war denn Ihr Vater von Beruf?«, wollte Nelly wis­sen.

»Das will ich euch sofort verraten«, sagte Herr Rabauke. »Und wer eine fiese Bemerkung darüber macht, fliegt raus. Achtkantig. Das garantiere ich. - Also: Mein Vater war ein ehrbarer Pommesbudenbesitzer. Ein Berufsstand übrigens, der viel zu wenig Anerkennung findet.« Dann legte er Irma eine Hand auf den Kopf, strich ihr übers Haar und fragte: »Nun, Kind, willst du uns jetzt verraten, was dein Vater von Beruf ist?« Aufmunternd zwinkerte er ihr zu.

Jedes Geräusch in der Klasse erstarb. Nicht ein­mal ein Bleistift fiel zu Boden. Schüchtern sagte Irma etwas, das niemand verstand.

»Kann sie das noch einmal sagen?«, fragte Eugen, der angestrengt gelauscht hatte. »Irma spricht so undeut­schlich.«

Nun hörten es alle, als Irma ihren Mund öffnete und endlich den Beruf ihres Vaters nannte.

Niemand spottete. Herr Rabauke presste seine Lippen fest aufeinander. In seinen Wangen zuckte es.

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