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2 Grundbegriffe 2.1 Das Wort

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Bei der grammatischen Beschreibung einer Sprache müssen lautliche, morphologische, syntaktische und semantische Aspekte berücksichtigt werden. Die lautlichen Eigenschaften einer Sprache sind Gegenstand von Phonetik und Phonologie. Die Phonetik befasst sich mit dem Inventar und den Eigenschaften von Sprachlauten, während die Phonologie das Lautsystem einer Sprache beschreibt – wie z.B. die sprachspezifischen Regeln, nach denen Laute zu größeren Einheiten wie Silben verknüpft werden. Die Syntax legt die Regeln fest, wie die Wörter einer Sprache zur Bildung von größeren strukturierten Einheiten wie Wortgruppen (Phrasen) und Sätzen kombiniert werden können. Bedeutungsaspekte werden in der Semantik behandelt, die beschreibt, wie sich die Bedeutung eines Satzes aus den lexikalischen Bedeutungen von Wörtern und den speziellen strukturellen Beziehungen zwischen diesen ergibt. Gegenstand der Morphologie schließlich sind die universellen und sprachspezifischen Regularitäten, die die innere Struktur und den Aufbau von Wörtern betreffen.

Wörter stellen für die meisten Sprecher wohl die offensichtlichsten Bestandteile von Sprache(n) dar. Dennoch stößt unser Wissen über Wörter schnell an seine Grenzen. So haben die wenigsten Sprecher eine Vorstellung davon, über wie viele Wörter sie verfügen. Dies liegt zum Teil daran, dass es nicht ganz klar ist, welche Einheiten in die Zählung eingehen. Soll man gehe, gehst, geht, gehen, ging etc. als eigenständige Wörter zählen, oder berücksichtigt man lediglich eine Grundform wie gehen? Zudem ist der Begriff des Wortschatzes mehrdeutig. Zum einen kann er sich auf die Anzahl der Wörter in einer Sprache beziehen. Für das Deutsche geht man von einem Gesamtwortschatz aus, der je nach Schätzung zwischen 300000 und 500000 Wörtern liegt. Nimmt man dazu noch das Vokabular spezieller Gebiete wie Fachsprachen hinzu, dürfte die Zahl der Wörter in die Millionen gehen. Zum anderen kann sich der Begriff des Wortschatzes aber auch auf die Zahl der Wörter beziehen, über die ein einzelner Sprecher verfügt. Hier kommen entsprechende Schätzungen auf Zahlen zwischen 30000 bis 200000 Wörtern, wobei es große Unterschiede geben kann abhängig von Faktoren wie Alter oder Bildungsgrad.

Man nimmt an, dass der Bestand an Wörtern, über die ein einzelner Sprecher verfügt, in einem mentalen Lexikon abgespeichert ist, das für jeden Lexikoneintrag Informationen wie Lautgestalt, Bedeutung und Wortart (Nomen, Verb, Adjektiv etc.) enthält. Allerdings enthält das mentale Lexikon nicht nur vollständige Wörter, sondern auch Wortbausteine wie un-, ver-, ent-, -bar, -lich, mit deren Hilfe komplexe Wörter gebildet werden können.

Jeder kompetente Sprecher einer Sprache hat auch ohne Grammatikschulung ein intuitives Verständnis, was ein Wort ist und was nicht. So werden die meisten Sprecher des Deutschen darin übereinstimmen, dass Hund, aber oder Personenvereinzelungsanlage Wörter des Deutschen sind, während die oben genannten Wortbausteine un-, ver-, ent-, -bar, -lich es nicht sind. In der Folge wollen wir uns dennoch kurz mit der Frage befassen, wie diese Sprecherintuitionen in eine Definition des Wortbegriffs übersetzt werden können. Bei näherer Betrachtung zeigt sich aber recht bald, dass dieses Unterfangen keineswegs einfach ist. Tatsächlich gibt es im Gegensatz zu anderen sprachlichen Bausteinen wie Phonem oder Morphem (siehe dazu weiter unten) bislang keine allgemein akzeptierte formale Definition des Wortbegriffs. Ein Grund dafür ist sicherlich der bereits angesprochene Charakter von Wörtern als integrierte Bauteile, die als Schnittstelle zwischen verschiedenen Teilmodulen der Grammatik fungieren und einen Komplex aus lautlichen, morphologischen, syntaktischen und semantischen Eigenschaften bilden. Eine kritische Auseinandersetzung mit entsprechenden Definitionsversuchen kann aber dazu beitragen, unser intuitives Vorverständnis dessen, was ein Wort ist, zu schärfen.

Unsere Wahrnehmung und unser Verständnis davon, was ein Wort ist, ist stark von der Schriftsprache geprägt. Es lässt sich jedoch leicht zeigen, dass ein rein orthografischer Wortbegriff auf der Basis von Getrennt- vs. Zusammenschreibung zu Problemen führt:

(4)a.Alt: irgend jemand; neu: irgendjemand
b.Alt: wieviel vs. wie viele; neu: wie viel, wie viele

Die Beispiele in (4) zeigen einige Unterschiede zwischen alter und neuer Rechtschreibung. Es ist offensichtlich, dass entsprechende Veränderungen lediglich das Resultat orthografischer Konventionen darstellen – es ist nur schwer vorstellbar, dass sich der Wortstatus von wieviel oder irgend jemand mit dem Einsetzen der Rechtschreibreform quasi über Nacht geändert hat. Eine Definition des Wortbegriffs, der sich rein an der Schreibung orientiert, ist also wenig hilfreich. Vielversprechender sind daher Definitionsansätze, die sich auch auf Eigenschaften gesprochener Sprache anwenden lassen. Konzentriert man sich dabei auf lautliche Eigenschaften, dann können Wörter als Lautfolgen definiert werden, die aufgrund von unabhängigen phonetisch-phonologischen Kriterien als separate sprachliche Einheiten identifizierbar sind (relevant sind hier z.B. Grenzsignale wie Pausen oder die Beobachtung, dass Wörter in vielen Sprachen nur genau einen Hauptakzent tragen können). Allerdings lässt ein solcher phonologischer Wortbegriff die Tatsache außer Acht, dass es sich bei Wörtern – im Gegensatz beispielsweise zu Silben – nicht um rein phonologische Einheiten handelt; vielmehr stellt das Wort das zentrale Grundelement von Morphologie und Syntax dar.

Vor dem Hintergrund eines grammatischen Wortbegriffs können Wörter als kleinste frei auftretende sprachliche Zeichen definiert werden, die mit bestimmten grammatischen Merkmalen (z.B. Wortklasse [Nomen, Verb etc.], Numerus [±Plural], Genus [±Feminin, ±Maskulin], Kasus, Tempus etc.) assoziiert sind und Gegenstand von syntaktischen Regeln sein können (vgl. auch Abschnitt 2.2 zum Begriff des syntaktischen Worts). So repräsentiert die Form habe im folgenden Beispiel zwei unterschiedliche grammatische bzw. syntaktische Wörter, die beide dem Grundwort hab-(en) zugehörig sind:

(5)a.Ich habe Peter getroffen.
b.Er sagt, er habe Peter getroffen.

In (5a) ist die Form habe ein grammatisches Wort mit den Merkmalen [Verb, Präsens, Indikativ, 1. Person, Singular], während in (5b) ein anderes grammatisches Wort mit den Merkmalen [Verb, Präsens, Konjunktiv I, 3. Person, Singular] vorliegt.

Ein morphologisches Kriterium besteht darin, dass Wörter eine komplexe innere Struktur aufweisen können, d.h. sie können aus mehreren Bausteinen zusammengesetzt sein, die selbst nicht frei vorkommen können wie un-, -bar etc. Diese atomaren Bauelemente der Morphologie nennt man Morpheme (vgl. Abschnitt 2.3). Der Wortbegriff lässt sich nun wie folgt fassen:

Begriff des Worts: Wörter sind frei auftretende sprachliche Zeichen, die aus einer oder mehreren kleineren Einheiten (Morphemen) aufgebaut sind und Gegenstand von syntaktischen Regeln zur Erzeugung größerer Zeichenkomplexe wie Wortgruppen (Phrasen) oder Sätzen sein können.

Obwohl eine Definition des Wortbegriffs, die sich auf morphologische und syntaktische Kriterien stützt, auf den ersten Blick recht erfolgreich zu sein scheint, ist auch sie mit einer Reihe von Problemen konfrontiert, auf die wir an dieser Stelle nicht erschöpfend eingehen können. Schwierigkeiten macht z.B. das Verhalten von sog. Partikelverben (Verbindungen, die aus einem Verb und einer Partikel bestehen), die nicht immer als Einheit auftreten:

(6)a.Lydia und Leopold schlafen während der Vorlesung ein.
b.*Lydia und Leopold einschlafen während der Vorlesung.
c.Lydia und Leopold könnten während der Vorlesung einschlafen.

Obwohl die meisten Sprecher wohl sagen würden, dass das Verb schlafen und die Verbpartikel ein zusammen ein Wort bilden (nämlich einschlafen), scheint (6a-b) nahezulegen, dass es sich um zwei separate Wörter handelt: Offenbar kann schlafen, nicht aber einschlafen, von einer syntaktischen Regel (Voranstellung des finiten Verbbestandteils im Hauptsatz) erfasst werden. Darüber hinaus können syntaktische Tests auch widersprüchliche Ergebnisse liefern, da einschlafen auch als sprachliche Einheit auftreten kann, vgl. (6c).

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