Читать книгу Frau mit rotem Hut - Erich Hübener - Страница 6
Isabel
ОглавлениеIsabel spielte am liebsten mit Diego. Er war der Sohn des Nachbarn und etwas älter als sie. Isabels Vater sah es allerdings gar nicht gerne. Schließlich war sie die jüngste Tochter des reichen Weinbauern und Diego nur der Sohn eines Kameltreibers. Diego fand allerdings, dass sein Vater ein wichtiger Mann auf Lanzarote war. Schon sein Großvater war Kameltreiber gewesen. Er hatte die Kamelkarawane geführt, die früher das Trinkwasser in hölzernen Fässern vom Hafen in die Dörfer und zu den abgelegenen Häusern gebracht hatte. Trinkwasser war wertvoll auf Lanzarote, denn es gab kein Grundwasser, das man anzapfen konnte und das Regenwasser, das die Einwohner in Zisternen und Brunnen sammelten, verdarb schnell und man konnte es oft schon nach wenigen Wochen nicht mehr trinken. Es reichte dann gerade noch zum Tränken der Ziegen und Kamele oder zum Bewässern der Pflanzen. Und so gesehen war der Kameltreiber schon ein wichtiger Beruf. Zwar transportierte sein Vater auf den Kamelen keine Wasserfässer mehr, sondern die Touristen in den Feuerbergen, aber auch das war ein verantwortungsvoller Beruf.
Isabel war gerne in dem Haus ihres Freundes. Sie liebte die Tiere und war glücklich, wenn sie auf einem der Kamele reiten durfte. Am meisten liebte sie allerdings Diegos Opa Albertos. Am Nachmittag, wenn die Sonne nicht mehr so heiß schien, saßen sie oft gemeinsam auf der Bank in der Laube, die über und über von einer lila blühenden Bougainvillea überwuchert war. Der Opa konnte so schöne alte Geschichten erzählen und Isabel hörte am liebsten die Geschichte von dem bösen Vulkan: „Das ist nun schon fast dreihundert Jahre her“ , begann der Opa seine Erzählung immer, „damals lebten schon viele Menschen auf dieser Insel. Und sie bauten Häuser und legten Felder an, weil sie meinten, dass die Vulkane ein für alle Mal erloschen wären. Aber die Vulkane haben nur geschlafen. Eines Tages wachten sie auf und brachen aus. Als die ersten Dampfwolken aus dem Vulkan aufstiegen und die Erde erzitterte, flohen die Bewohner aus dem Süden nach Norden und an die Küste. Beim zweiten Beben stieß der Vulkan Steine und riesige Aschewolken aus. Als die Erde zum dritten Mal erzitterte trat glühende Lava aus dem Vulkan und lief den Berg hinunter, direkt auf ein Dorf zu. Alle Menschen flohen vor Angst und Schrecken. Nur der Priester blieb dort und betete in der Kirche. Er sagte, er werde die Kirche bis zuletzt verteidigen, selbst wenn er dabei sterben würde. Als die Lava auf die Kirche zufloss nahm der Priester das Altarkreuz, ging hinaus vor die Kirche und hielt es dem Lavastrom entgegen. Und das Wunder geschah: Nur wenige Meter vor der Kirche stoppte der Lavastrom und die Kirche blieb verschont.
Aber der Vulkan tobte weiter, dreißig Jahre lang. Als die Menschen auf ihre Insel zurückkehrten waren alle Häuser zerstört und alle Äcker unter einer dicken Lavaschicht verschüttet. Aber sie begannen von vorn, bauten neue Häuser und gruben sich durch die Ascheschicht, bis sie den alten fruchtbaren Grund wieder gefunden hatten. Ja, so war das“, schloss Opa Albertos seine Geschichte. Dann zeigte er auf die gegenüberliegenden Feuerberge und sagte: „Und bis heute hat der Vulkan stillgehalten.“