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2 Natascha mit dem Prof. in der Kantine

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Sie sitzt an einem Tisch, in einer typisch aussehenden Kantine des Universitätskrankenhauses. Typisch, für die cremefarbenen Wände mit den Kunstdrucken, die in den Etagen für die Ärzte und Verwaltungsbosse als Originale wieder zu finden sind. Typisch für die breite Fensterfront, mit Aussicht über die Dächer der Stadt. Typisch für die schlichten, abwaschbaren, beigen Tischplatten auf Tischbeinen, die aber mehr die Bezeichnung Metallgestell lichtgrau verdient hätten. Typisch für den Tischschmuck, der sich nach näherem hinschauen als Aschenbecher, Salz- und Pfefferstreuer zu erkennen gibt. Typisch für die Metallstuhlgestelle, mit gezogenen Mehrschichtholzsitzflächen, frei nach Bauhaus und typisch für den putzfreundlichen Fliesenboden Marke lichtgrau, beige – rot gesprenkelt.

Der Fensterfront gegenüber, befindet sich die „Ausschankabfertigungsanlage“, die wirklich nur so nüchtern bezeichnet werden kann, da sie mit ihren Edelstahlablageflächen, Edelstahlhandlauf- und Abtrennrohren, eher einer modernen Melkanlage ähnelt, in die glückliche Kühe mit Freude und freiwillig hinein schreiten. Hinter einer nüchternen Glasscheibe findet sich Edelstall wieder, in Form von Vertiefungen, die zum Teil mit Massenspeisen gefüllt sind, aus denen große Edelstahlkellen, mit langen Stielen herausragen, die die Speisen, mit einem eleganten Schwung auf die dargebotenen Teller klatschen. Von den Rückwänden strahlen einem, in greller Leuchtreklame, Speiseangebote des Tages entgegen, die einem Dönerimbiss aller Ehren gereicht hätte.

Sie, dem Anschein nach eine Krankenschwester, ist das Gegenteil der nüchternen Räumlichkeit. Ihre Erscheinung wirkt befremdend, wie eine Kokospalme im ewigen Eis der Pole. Schon vom weiten leuchtet ihr Haar, mit seinen Rot- und Orangetönen wie eine Abendsonne, die gerade im Begriff ist, sich von unserer Erdkugel zu verabschieden aber nicht ohne uns zu versprechen, dass der nächste Tag ein herrlicher und sonniger Tag werden wird. Ihre Haarpracht fällt, in lockeren Wellen bis über ihre Schultern und wird von einer kleinen, weißen Krankenschwesterhaube bedeckt, die aber auf dieser locker wirkenden Haarfülle, auch ohne Diamanten, wie eine Krone wirkt. Ihre ovalen, leicht schräg gestellten Augen, schweifen durch die Kantine und ein jeder, der sie beobachtet, bekommt den Eindruck, dass ihr nichts entgeht. Die laubgrüne Augenfarbe, mit kleinen, bernsteinfarbenen Einschlüssen, ergänzt sich auf wundersame Weise mit der Haarfarbe. Die Augenbrauen nehmen sich die Freiheit, überwiegend die Kastanienfarbtöne der Haupthaare zu übernehmen und durch den stimmigen Abstand und dem leichten Schwung der Linienführung, konnte es die Natur nicht besser hinbekommen und kein Kosmetikstudio wäre dazu in der Lage, es zu verschönern. Das gleiche trifft auf den freundlich, sinnlich blickenden Mund zu, der durch seinen Schwung, seinem Verhältnis zwischen Oberlippe zur Unterlippe, optimal ausgewogen wirkt und durch den dezenten Auftrag von Lippenstift, einfühlsam unterstützt wird. Die nicht zu kleine Nase, bekommt durch den leicht angedeuteten Höcker und den kaum merklich, nach oben gezogenen Nasenlöchern, eine klassische Form, die durch die betonten Wangenknochen unterstützt wird. Der Abschluss dieser Vollkommenheit, wird durch den zarten, natürlichen Braunton vollbracht, der erkennen lässt, dass diese Haut noch nie unter einer Sonnenbank, den schädlichen Strahlen ausgesetzt war.

Vor diesem „Traum“ steht eine Tasse, mit noch dampfenden Kaffee, die wohl anzeigt, dass die Pause, mit einer ruhigen Gelassenheit, zu Ende gebracht werden soll. Ihr Blick bleibt an der Essensausgabe hängen und sie bemerkt eine große, stabile, um den Bauch und um die Hüften herum gut gepolsterten, ihr unangenehmen Person: Professor Dr. Neihus, Karl Neihus. Sie lässt ihren Blick schnell weiter gleiten und hofft, dass der bittere Krug an ihr vorbei geht und Herr Professor Dr. Karl Neihus nicht auf den Gedanken kommt, sie mit der Anwesenheit seiner Person, an ihrem Tisch zu beglücken. Prof. Dr. Neihus, der Platzhirsch der ganzen Klinik, der von sich so sehr eingenommen ist, das ein Rad schlagender Pfau wie ein Sperling, der auf einem Herbstlaubweg sitzt, wirkt.

Das Institut des Professors besitzt eine große Gewichtung, da es in die Klinik intrigiert ist. Durch die Gehirnforschung des Prof., die in der Fachpresse von einer Genieleistung, bis zu einer zweifelhaften, nazistischen und menschenverachtenden Beurteilung geführt hatte, war er zu einer hochgradig, zwielichtigen Berühmtheit geworden, dass mittlerweile auch den Bekanntheitsgrad der Klinik vergrößert. Was macht ein Professor Dr. in dieser Kantine, da doch für die Ärzte und Professoren eine eigene, luxuriöse Wohlfühlkantine eingerichtet wurde?

Der bittere Krug geht nicht an ihr vorbei, der Herr Professor Dr. Karl Neihus tritt an ihren Tisch heran und fragte von oben herab, ob noch ein Platz frei sei, um sich dann im gleichen Atemzug, sich ihr gegenüber, in den Stuhl wuchtet und gleichzeitig seine Kaffeetasse so energisch auf den Tisch abstellt, dass ein Teil des Inhalts überschwappt und sich ein kleiner See auf der Untertasse bildet. Mit einem süffisanten Lächeln, schaut er sie mit seinen kalten, kleinen, mehr rund als ovalen Augen an und säuselt ihr zu: „Es freut mich immer wieder, sie zu sehen, Schwester Natascha und heute um so mehr, da ich ihnen eine wunderbare Neuigkeit mitzuteilen habe.“ „Guten Tag Professor Neihus, ich wüsste nicht, was sie mir Neues erzählen könnten.“ „Oh doch Schwester, sie werden in mein Institut versetzt, um sich intensiv um meine Objekte zu kümmern.“ Bei diesen Worten wurde sein Lächeln, in seinem fast kugelrunden Gesicht, zu einem breiten, kaum hörbaren Lachen, das durch seinen kleinen, schwarzen Oberlippenbart und den unregelmäßig stehenden und gelben Zähnen, zu einem noch diabolischeren Ausdruck wird. Nataschas Augen werden noch größer, als sie schon sind und sie kann ein trockenes Schlucken nicht verhindern. „Professor, ich bin nur eine Krankenschwester, aber sie wissen, dass ich ihre Forschungen nicht gutheiße und ihre so genannten Objekte sehr bemitleide, für mich sind sie keine Objekte, sondern Lebewesen.“ „Ja, ja Schwester Natascha, ich kenne ihre Einstellung sehr gut.“ Der Prof. macht eine kleine Pause und streicht sich theatralisch über seine schwarzen, seitlich gescheitelten, mit Pomade geglätteten Haare, die durch die Geheimratsecken schon sehr weit zurück gedrängt sind: „Aber das wäre doch für sie eine Möglichkeit, etwas Gutes für meine Objekte zu tun und ich könnte mir sehr gut vorstellen, dass sich die Lebewesen sehr gerne von ihnen verwöhnen lassen. Außerdem ist ein diskutieren überflüssig, da bereits alles mit der Personalabteilung abgesprochen und beschlossen wurde. Morgen, um 8 Uhr 30 melden sie sich in meinem Büro!“

Bei diesen Worten, stößt er energisch den Stuhl zurück, ignoriert seine nicht benutzte Kaffeetasse und geht mit einem stechschrittähnlichen Gang davon, der seinen inneren Zorn nach außen sichtbar werden lässt. Ein Professor Dr. Karl Neihus, lässt nun mal zu seiner Meinung, keine gegenteilige Meinung zu. Natascha schaute dem Prof. mit einem unverständlichen Blick hinterher. Sie fühlte sich wie vor den Kopf geschlagen und kann es noch gar nicht fassen, was sie da gehört hatte. Da schritt er dahin, in seinem füllig wirkenden, weißen Doktorkittel, das Stethoskop demonstrativ, seitlich herausragend.

Von ganz unten, aus dem Bauch heraus, wird ihr klar, dass sie nichts machen kann. Es wäre auch völlig zwecklos, bei dem Personalbüro vorzusprechen, da es sowieso nur Anweisungen des Prof. befolgt. Die Forschungen der Prof. sind, auch wenn sie noch so umstritten diskutiert werden, für die Klinik einfach zu wichtig, da sie auf die Forschungsgelder nicht verzichten kann.

Ich werde das Beste draus machen, sagte sich Natascha und kümmert sich um ihren, noch warmen Kaffee, denn den gleichen Fehler wie, Professor Dr. Karl Neihus, wird sie nicht begehen, sie wird nicht auf ihren Kaffee verzichten. Ein zartes Lächeln legt sich auf ihr Gesicht, denn warum sollte sie nicht etwas Gutes tun und sich um die armen, so genannten Objekte kümmern, denn sie ist eine Krankenschwester, sie ist eine gute Krankenschwester und sie ist gerne eine Krankenschwester! Sollte der Prof. sich außerhalb der Arbeit intensiver für sie interessieren wollen, würde sie sich schon seiner erwehren können. Ihr Lächeln ist verschmitzter geworden, als sie sich locker auf den Stuhl zurücklehnt und genüsslich den restlichen Kaffee aus ihrer Tasse geniest. Danach erhebt sie sich und mit dem Bewusstsein, dass ihr einige Augenpaare nachschauen werden, verlässt sie, mit einem wiegenden Schritt, die Kantine.




Waidmannsheil

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