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3 Weißohr und Waldblume grübeln, Natascha stellt sich vor
Оглавление„Weißohr.“
Ein schwach wahrnehmbarer Hauch von Ton, der kaum meine Gehörnerven erreichte, schwebte zitternd durch die Luft zu mir und noch einmal:
„Weißohr.“
Ich schaue zu ihr rüber, in ihre trüben, verwirrten und ängstlichen Augen. „Hey, Blümchen, mache dir keine unnötigen Sorgen. Wie fühlst du dich?“
Ihre Augen werden riesengroß und ihr Atmen heftig und hektisch, so dass ihr Brustkorb sich bis in den Grenzbereich auf und nieder bewegt. Noch einmal tief durch atmend, schleudert sie mir entgegen:
„Ich soll mir keine Sorgen machen, wo ich auf dem Rücken liegend, mich nicht bewegen kann, da ich ja offensichtlich mit Riemen an einem Bett, oder was immer das sein soll, gefesselt bin und da fragst du auch noch, wie ich mich fühle???“
Oh, oh, Frauen, warum müssen die immer gleich so hysterisch werden!
„Blümchen, ich weiß wie es dir geht, mir geht es im Moment genauso, aber ich bin glücklich, dass du wieder unter den Lebenden weilst. Leider kann ich dir nichts Erfreuliches mitteilen, denn ich habe selber keine Ahnung wie wir hier hergekommen sind, noch weiß ich, was uns hier geschehen ist.“
Waldblumes Blick verändert sich und ihre Augen, bekommen einen herzerwärmenden Blick: „Es tut mir leid, Weißohr, ich weiß, dass du nichts dafür kannst und du immer zu mir stehen wirst und mir nie, in keinster Weise, etwas Böses tun wirst. Puh, eigentlich kann ich gar nicht so viel reden, bei den Kopfschmerzen und der Übelkeit.“ Dabei schließt sie die Augen und um ihren Mund entsteht ein kaum sichtbares, ein flüchtiges Zucken.
„Blümchen, mein Vorschlag wäre, die Augen geschlossen zu halten, uns fallen zu lassen und versuchen uns zu entspannen, da wir im Moment nichts unternehmen können, außer abzuwarten.“
„Ja Weißohr, ich will es versuchen.“
Irgendetwas ist mit mir, wahrscheinlich mit uns geschehen. Ich sehe Waldblume, trotz meiner geschlossenen Augen vor mir, als würde sie direkt vor mir stehen, sie ist in meinem Kopf und lässt sich nicht mehr heraus bekommen und das ist mit so viel Liebe und Zärtlichkeit verbunden, wie ich sie so noch nie empfunden habe. Jedes Detail von ihr, Ihre Augen, ihre Ohren, ihr Mund, ihre Hüften, ihre, ja alles, jede Einzelheit, die an ihr zu finden ist, sehe ich vor mir und alle diese schönen Einzelheiten berühren und küssen zu dürfen, erfüllt mich mit so viel Wärme, dass allein der Gedanke daran, ein wohltuendes Schaudern, durch meinen Körper laufen lässt. Dieses Aufwallen der Gefühle, diese liebevollen, warmen Gedanken, kannte ich vorher nicht. Waldblume war da, sie gehörte zu mir und ich gehörte zu ihr und das war so in Ordnung. Sex zu haben war auch in Ordnung, es wurde getan und das war es dann, aber jetzt ist alles anders. Liegt es an meinem, unserem Kopfverband, haben die Flachlandbewohner, mit den weißen Kitteln, etwas in unseren Köpfen angestellt, haben sie unser Gehirn manipuliert? Es scheint so und es macht mir Angst, oder sollte es mich freuen, da es mein zukünftiges Leben, vielleicht total umkrempeln wird? Das zu erfahren würde bedeuten, erst einmal hier heraus zu kommen und damit wären wir wieder an unserem Ausgangspunkt angekommen. Wieso mache ich mir nur soviel Gedanken? Die habe ich mir vorher auch nicht gemacht, da war das Leben für uns ganz einfach gestrickt.
„Waldblume, Waldblume, ich liebe dich.“ flüstere ich.
„Oh mein Stoppelbärtchen, das hast du noch nie zu mir gesagt, aber obwohl es mich wundert, gefällt es mir. Auch ich habe dich schon eine Weile beobachtet und ich finde Gefallen daran, dich anzuschauen, etwas, das neu für mich ist.“
Plötzlich höre ich Geräusche, die nach Schritten auf einem harten Fliesenboden klingen, auf die Tür zukommen. Ich kann Waldblume noch schnell signalisieren, dass wir uns schlafen stellen sollten, da öffnet sich schon die Tür und durch meine fast geschlossenen Augenwimpern sehe ich einen Engel, einen Engel in einem weißen Kittel hereinschweben und im gleichen Moment hör ich diesen Engel, mit einer freundlichen, melodischen Stimme sagen:
„Hallo ihr Lieben, ich bin Schwester Natascha, wie geht es euch?“ Dann wird sie stutzig, schaut verwundert und spricht zögernd in einem Ton, als wenn sie zu sich selbst sagen würde, "ja spinn ich denn", weiter: „Ihr könnt mich ja gar nicht verstehen.“ Sie kommt zu uns, krault und tätschelt erst Waldblume und dann mich. Irgendwie spüre ich, dass sie es ehrlich meint, dass ihre kleine, herzliche Geste voll Wärme und Mitgefühl, nicht vorgetäuscht ist. Wieso kann ich ihre Sprache verstehen? Bisher konnten wir ihre Worte nicht sinngemäß wahrnehmen, aber wir kannten die unterschiedlichen Tonlagen für Stimmungen, Zorn, Befehle, Traurigkeit und so weiter, jetzt aber verstehe ich den Sinn jedes Wortes, es ist unfassbar, es ist unheimlich,…....oder wunderbar?
„Waldblume, verstehst du auch die Worte der Krankenschwester?“
„Ja, ich verstehe sie und es ist mir schleierhaft, wieso? Weißohr, ich habe Angst, was ist mit uns geschehen?“ „Ich habe auch Angst, aber Schwester Natascha ist bestimmt keine Gefahr und ich werde jetzt versuchen sie anzusprechen.“
„Schwester Natascha!“ Natascha schaut überrascht über ihre Schulter zur der Tür, sieht aber niemand, blickt zurück zu mir, mit einem verwunderten Gesichtsausdruck.
„Ja Schwester Natascha, ich bin es, ich bin in Ihrem Kopf.“ „Wie ist so etwas möglich, wie kann das sein?“
„Das ist ganz einfach, wir Waldbewohner haben telepathische Fähigkeiten.“ „Ha, ha, ganz einfach und wieso Waldbewohner?“
„Wir nennen uns Waldbewohner und euch bezeichnen wir, mit Flachlandbewohner. Soll ich Ihnen erzählen, warum es für uns so einfach ist, mit der Telepathie?“ „Ja, ich bitte darum.“ Sagt sie etwas kurz angebunden.
„Also gut, wie Sie ja als Krankenschwester wissen, wird unser Gehirn von elektrischen Strömen beherrscht und die haben wir uns zunutze gemacht. In einer kleinen Ecke unserer Schaltzentrale, befindet sich eine Art Sender, der unsere Gedanken als Stromwellen durch den Äther schickt und bei Ihnen kommen sie wieder als Worte an und umgekehrt geht es genau so. Jetzt wird es etwas schwieriger, da jedes Gehirn individuell ist, sind auch die Gehirnströme verschieden. Man könnte sagen, jedes Gehirn läuft mit einer anderen Frequenz und wir können diese Frequenzen erkennen und stellen unseren Sender darauf ein. Zwischen uns Waldbewohnern ist es kilometerweit möglich, aber zwischen euch und uns wahrscheinlich nur eine kurze Distanz, weil ihr über keinen eigenen Sender verfügt.“ Natascha schaut mich immer noch sehr verwundert an und fragt: „Wieso versteht ihr unsere Sprache?“
„Das weiß ich auch nicht. Ich vermute, ihre Arztkollegen haben in unseren Köpfen einige Veränderungen vorgenommen.“ Natascha hält sich an meinem Lager fest, als würden ihr die Knie weich werden, holt tief Luft und sagt: „Ich kann es noch gar nicht fassen, es kommt mir vor, als wäre ich in einem schlechten Film. Habt ihr auch Namen?“
„Ja, da drüben liegt meine liebe Frau Waldblume und ich werde Weißohr genannt. Du kannst dir sicher vorstellen warum. Übrigens, du brauchst nicht laut reden, sondern kannst uns die Worte wie wir, über deine Gedanken zu uns schicken.“ „Ihr könnt unsere Gedanken lesen?“
„Nein, nein, so ist es nicht, denn die Gedanken bleiben in euren Kopf, aber wir können sie nur lesen, wenn sie euer Gehirn verlassen und das geschieht nur, wenn Ihr es so wollt uns also mit euren Gedanken direkt ansprecht.“ „Da bin ich ja beruhigt.“ Sagt sie leicht sarkastisch.
Ich frage mich, ob ich ihr vertrauen kann, soll ich sie um Hilfe bitten? Ich sehe zu Waldblume rüber, sie schaut mich an und nickt mir zu und ich lächle zurück:
„O. K., du bist also auch der Meinung, dass wir ihr trauen können.“
„Schwester Natascha, können Sie uns helfen, diese Anstalt zu verlassen?“ Verblüfft schaut sie mich an. „Wie stellt ihr euch das vor?“ Platzt es aus ihr hervor.
„Befreien sie uns von den Fesseln und den Rest der Flucht schaffen wir allein.“ Natascha sieht mich an und schüttelt den Kopf:
„Nein, nein, so geht es nicht, ihr würdet nicht weit kommen, da ihr überall im Hause auffallen würdet. Ich möchte euch ja helfen, da ich meinen Beruf gewählt habe, um für die Patienten da zu sein, egal welcher Rasse sie angehören, was ich überhaupt nicht möchte, mit zu helfen, dass Patienten zu Experimenten und seelischer Folter missbraucht werden. Bitte habt etwas Geduld, ich werde mir etwas überlegen. In der Zwischenzeit besorge ich etwas zum Essen und Trinken, denn ich könnte mir vorstellen, dass ihr in dieser Beziehung, als Objekte, sehr nachlässig behandelt werdet. Noch etwas, es wird in Kürze eine Visite mit Professor Dr. Karl Neihus stattfinden und der Prof. hört sich sehr gerne reden, vielleicht könnt ihr, bei der Gelegenheit, einiges darüber erfahren, was mit euch geschehen ist, aber lasst es keinen wissen, dass ihr uns versteht.“
Ich sehe wie Waldblume dankbar zu ihr rüber schaut und mit einer warmen Stimme zu ihr sagt:
„Danke Natascha, ich darf Sie doch so nennen?“
„Ja, natürlich, sehr gerne und tschüss bis bald.“ Mit diesen Worten und einem Lächeln, dreht sie sich um, stutzt, schaut noch einmal zu uns zurück und sagt mit einem noch wärmer werdenden Lächeln:
„Ein Du wäre auch sehr gut angebracht.“ Mit diesen, leicht unsicher ausgesprochenen Worten, wendet sie sich wieder der Tür zu und eilt aus dem Zimmer.
„Ich hoffe sie kann uns irgendwie helfen.“
„Ja, das hoffe ich auch.“