Читать книгу Waidmannsheil - Erich Witte - Страница 7
5 Die Demo
ОглавлениеNatascha geht, sich bei einer Blondine eingehakt, auf dem Gehsteig in Richtung Innenstadt. Bei der Blondine, das gegenteilige Erscheinungsbild von Natascha, handelt es sich um Liesa, die langjährige Freundin von Natascha. Die langen, blonden und glatten Haare, fallen Liesa bis über die Schultern herab. Alle ihre Rundungen sind kräftig, organisch geformt, aber mit einer ästhetisch, erotischen Weiblichkeit, die viele Blicke und nicht nur die von der männlichen Gesellschaf, auf sich zieht und ihr selbstsicherer, wiegende Schritt, trägt noch zu dem erfreulichen Gesamterscheinungsbild bei. Ihre seeblauen Augen, strahlen aus einem Gesicht, dass ihr durch die leicht stupsige Form der Nase und den verschieden dicht auftretenden Sommersprossen, einen kindlichen, lausbubigen Ausdruck verleiht, obwohl ihr Alter sicher bald die 30 Jahre erreichen wird.
Da laufen diese beiden Schönheiten durch die Straßen auf die Demo zu, nicht weil sie selber voll hinter dieser Aktion stehen, sondern höchstens mit deren Themen sympathisieren, sondern weil ihre Neugierde und die Hoffnung auf etwas Spaß, sie antreiben. Die kleine „Hindenburg Straße“, auf der sie sich jetzt bewegen, mündet in die Kaiserstraße und bevor sie diese erreichen, können sie schon den Strom von Demonstranten sehen, der sich auf der Kaiserstraße, in Richtung Schlossplatz bewegt. Auf der Straße wimmelt es von Menschen, die meisten von ihnen haben sich der Demo entsprechend verkleidet. Die Mehrzahl trägt grüne, Jägerrock ähnlichen Jacken. Viele hängen, aus Holz bestehende Attrappen von Jagdgewehren über die Schulter, oder andere besitzen echte Jagdhörner, aus denen sie von Zeit zu Zeit ein paar unharmonische Töne entweichen lassen. Wieder andere haben sich wie Treiber verkleidet, mit Utensilien, wie sie auch für die Treibjagd benutzt werden könnten, als da wären: „Gegeneinander geschlagene Stöcke, Töpfe, Holzlöffel usw.“ und alle diese Gegenstände verstärken den Geräuschpegel, der über der Schlossstraße liegt.
Die altehrwürdigen, mit viel Liebe restaurierten Häuserzeilen, geben dem bunten Treiben auf der Straße, eine theaterfähige Kulisse. Nur die Anwesenheit, der am Rande des Demozuges mitlaufenden, zum Teil berittenen Polizei, lies einem von außen zuschauenden Beobachter, ein beunruhigendes Gefühl hervorrufen. Viele der alten Häuser, werden von kleinen, beidseitigen Freitreppen, die in ein kleines Podest vor dem Eingang münden, geschmückt. Auf einem dieser Vorsprünge stehen die Freundinnen, an einem aufwendig verzierten Schmiedeeisengeländer, das als Trennung der Plattform zur Straße hin dient und seitlich als Treppengeländer weiter läuft, gelehnt. Von diesem erhöhten Standpunkt aus, können Liesa und Natascha, die gesamte Szenerie auf der Schlossstraße überblicken, sie sehen, dass der Anfang der Demonstration gerade vorüber und die Dichte der Menschenmassen so extrem ist, dass das Straßenpflaster nur noch stellenweise zu erkennen ist.
Dieser Blickwinkel ist für die Smartphone der beiden, eine herrliche Einladung, um interessante und lebendige Fotos zu schießen. Nach einer kleinen Fotoorgie, nimmt Natascha sich die Muße, beide Ellenbogen auf das Geländer gestützt, ihre Blicke langsam über die Demoteilnehmer schweifen zu lassen und dann und wann an einzelnen Personen hängen zu bleiben. Urplötzlich stockt ihr Blick und bleibt ungläubig an einer Figur hängen. Liesa, leicht mit dem Ellenbogen in die Seite stoßend sagt sie ihr, mit verschwörerischer Stimme:
„Schau nur, da drüben geht Robin Hood.“ „Wo?“ „Direkt vor uns, etwa 7m entfernt.“ Sie hatte recht, dort unten lief Robin Hood, in seiner birkengrünen, von einem braunen Ledergürtel, leicht taillierten Jacke und einer beige, hautengen Hose, die durch die vielen Leute um ihn herum nur zeitweise und das auch nur zum Teil, zu sehen ist. Es ist aber nicht zu übersehen, wie drahtig schlank und gleichzeitig muskulös er aus der Masse der Leute heraus sticht. Seine breiten Schultern, betonen die sportliche Figur, ein ebenfalls birkengrüner, spitz zulaufender Hut, geschmückt mit einer schwarz - weiß - braunbunten Feder, bedeckt seinen Kopf und unter seinem Hut, quillt eine schwarze Haarpracht hervor. Quer vor der Brust, von einer Schulter zur gegenüberliegenden Hüfte, trägt er einen Bogen und auf dem Rücken einen Lederköcher, aus dem mehrere Pfeile herausschauen.
Natascha konnte nicht anders, sie musste diese Traum - Figur anstarren. In diesem Moment, war es Zufall? War es Gedankenübertragung? Robin Hood lacht zu ihnen herüber, reißt seinen Hut vom Kopf und winkt ihnen damit zu und gleichzeitig scheint er etwas zu rufen, dass aber in dem allgemeinen Lärm untergeht. Gleichzeitig aufmerksam geworden, oder auch von Robin aufmerksam gemacht, winkt die Person neben Robin ganz eindeutig mit beiden Armen, sie sollten doch zu ihnen runter kommen. Natascha erwacht aus ihrer Erstarrung und spürt peinlich, wie ihr Gesicht rot anläuft, sie gibt sich einen Ruck, berührt Liesas Arm, schaut in ihre Augen und will gerade mit ihr die Treppe runter laufen, da sie in Liesas Augen die gleiche Entscheidung erkennt.
Doch so weit kommt es nicht! Mit einem lauten, dumpfen und gleichzeitig klirrenden Geräusch, zerspringt unmittelbar neben Natascha, in einem kleinen Fenster neben der Eingangstür des Hauses, vor dem sie stehen, eine Fensterscheibe. Abrupt bleiben beide erschrocken stehen und als sie zu den Leuten runterschauen sehen sie, dass Dinge durch die Luft, auf die Polizisten zufliegen. Erst auf den zweiten Blick erkennt man, dass die Gegenstände Pflastersteine sind, Pflastersteine von der Schlossstraße?
Instinktiv ergreift Liesa ihr Smartphon, stellt die Video – Sequenz ein, nimmt instinktiv Deckung, hinter dem Geländer, schreit Natascha noch zu: „RUNTER“ und macht einen langen, durch ihre ängstliche Nervosität, zeitweise einen zu hektischen Schwenk, über die gesamte Menge. Der Lärmpegel schwillt an, das Brüllen der Demonstranten, das nervtötende Schrillen der Polizei - Trillerpfeifen, lässt die negative Stimmung bedrohlich ansteigen und als die berittene Polizei auch noch ihre Pferde in die Leute drängt, sind die Massen nicht mehr zu halten und der Tumult ist im vollen Gange.
Wie aus dem Nichts, tauchen plötzlich zwei Wasserwerfer auf und halten ihre gebündelten Wasserstrahlen auf die Aktivisten, um sie zurück zu drängen, weg vom Schlossplatz, der eigentlich der Sammelpunkt und Höhepunkt der ganzen Veranstaltung werden sollte. Wo kamen die Wasserwerfer so plötzlich her, hatten sie schon auf Abruf, genau an diesem Punkt gewartet? War es Zufall, dass genau in diesem Moment die Steine flogen?
Natascha hockt noch immer ungläubig hinter dem Geländer, sie hat es noch gar nicht realisiert, alles um sie herum geschieht wie im Traum und ihr Körper hat eine Starre angenommen, die ihr die Möglichkeit nimmt, irgendwie zu handeln, oder sich auch nur irgendwie zu bewegen. Unbewusst nimmt sie war, dass ein Polizist die Treppe herauf gestürzt kommt, an ihr vorbei rennt, Liesa brutal am Arm packt und versucht, ihr das Smartphon zu entreißen. Liesa schreit auf und versucht sich zu wehren. In dem Augenblick stürmt von der anderen Seite Robin Hood die Treppe herauf, rammt dem Polizisten so heftig seine Schulter vor die Brust, dass dieser rückwärts ins straucheln gerät und unweigerlich die Treppe hinunter gestürzt wäre, doch zu seinem Glück fällt er in die Arme seines Kollegen, der ihm behilflich sein wollte. Durch die Wucht des Aufpralls, können beide ihr Gleichgewicht nicht mehr halten und sie finden sich mit dem Hosenboden, auf dem Gehwegpflaster vor der Treppe wieder.
In der Zwischenzeit hat der grüne Schatten, Robin Hood, die immer noch erstarrte Natascha aus der Hocke hochgerissen, sie an beiden Armen gepackt und mit ihr zusammen so schnell wie möglich die Treppe wieder verlassen, sie an die Hand genommen und beide sind schnell weitergerannt. Natascha, endlich wieder aus ihrer Erstarrung erwacht, dreht sich mit ängstlichen Augen um und ruft:
„Liesa.“ Doch sie hätte sich nicht so große Sorgen machen brauchen, denn fast gleichzeitig, hatte sich der Freund ihres Retters, auf ähnliche Art und Weise, Liesa geschnappt und beide sprintenn hinten Natascha und Robin her. Robin und sein Freund rufen gleichzeitig:
„Schneller, schneller.“
Bei der nächsten Möglichkeit, biegen sie in eine Nische, zwischen zwei Häusern ab, aber nicht ohne noch vorher einen kurzen Blick zurück zu riskieren, um zu sehen, dass sich die beiden Polizisten wieder aufgerappelt haben und versuchen ihnen zu folgen. In dem engen Gang, stehen an der einen Hauswand Ölfass ähnliche Behälter, Holzkisten und sonstiges Gerümpel. Der zweite Retter versuchte so viel wie möglich um zu schmeißen, damit sie einen kleinen Vorsprung bekommen können. Der war auch unbedingt erforderlich, da Robin vor einer verschlossenen Tür steht, mit einem Maschendrahtzaun drüber. Robin und sein Freund mussten sich schon lange kennen, denn was jetzt kam, war so gut und ohne ein Wort eingespielt, dass es ein großes Verständnis und ein gegenseitiges Vertrauen voraus setzt.
Robin nimmt zwei Schritte Anlauf, fliegt aufsteigend auf den Zaun zu, zieht sich an ihm hoch, schmeißt mit einer fließenden Bewegung seine Beine über den Maschendrahtzaun und stellt sich auf der anderen Seite, mit beiden Füßen auf die Tür. Jetzt reicht er, mit dem Bauch auf dem Zaun liegend, die Arme nach unten und gleichzeitig hebt sein Freund Natascha, an der Taille haltend, hoch. Robin packt mit beiden Händen zu, hebt Natascha, die so gut wie möglich mit hilft, über den Zaun und lässt sie mit einem Arm, sich mit dem anderen Arm am Zaun festhaltend, nach unten.
Natascha steht verdattert auf der anderen Seite des Zaunes und begreift noch immer nicht richtig, was sie da zu sehen bekommt. Liesa wird von Robins Freund angehoben, als währ sie ein superleichter, kurvig geformter Gegenstand, der mit flauschigen Federn gefüllt ist und nicht ein menschlicher Körper, der bei einer geschätzten Körpergröße von 1.76m, sicher ein Gewicht von über 60 Kg auf die Waage bringt. Robin packt sie an den Händen und hilft Liesa genau so geschmeidig über den Zaun, wie er es vorher mit ihr getan hatte.
Im Hintergrund hört sie, die beängstigend näher kommenden Geräusche, mit denen die beiden Polizisten versuchen, sich mit roher Gewalt einen Weg durch die Fässer, Kisten und so weiter, zu bahnen. Gleichzeitig sieht sie, wie auch der Freund an den Zaun springt und Robin ihn hilft, da es ihm durch sein höheres Gewicht, nicht so leichtfüßig wie Robin möglich war, den Zaun zu überwinden. An der nächsten Hausecke halten sie gemeinsam und schauen kurz zurück. Die beiden Polizisten stehen vor dem Zaun und sehen es wohl ein, dass sie es durch ihr eigenes Übergewicht und das ganze zusätzliche Gewicht ihrer Ausrüstung nicht schaffen und schon gar nicht rechtzeitig schaffen können, den Zaun zu bezwingen um die Vier zu stellen.
Da stehen sie nun, in einem lockeren Kreis, schwer atmend und schauen sich von Einem zum Anderen an. „Danke Robin Hood“ bricht Natascha, die sich wieder voll gefangen hat, das Schweigen: „Erzähl mir nicht, du heißt auch so.“ „Es tut mir leid, ich heiße wirklich Robin, aber nicht Hood, sondern Bartels und wir sollten uns nur ganz kurz unsere Namen sagen und uns später näher vorstellen. Das ist mein Freund Eduard Grünwald.“ „Ich heiße Natascha und das ist meine Freundin Liesa.“ „Eure Namen passen sehr gut zu euch, aber jetzt lasst uns erst bis zur nächsten Ecke laufen, dort beginnt ein kleiner Park und da sollten wir eine kleine Lagebesprechung abhalten.“
Ohne auf eine Antwort zu warten, läuft er vor und die anderen drei hetzen hinter ihm her. In einer Ecke des Parks bleibt er stehen, sieht einmal in die Runde und fängt an, seinen Hut ins Gras zu schmeißen und seinen Bogen und Köcher ab zu legen, dabei meint er, von dem Gerenne noch leicht außer Atem: „Ich bin der einzige in unserer Gruppe, der extrem auffällig ist und das möchte ich jetzt schnell abstellen.“ Er machte weiter, den Gürtel seiner grünen Jacke ab zu nehmen, zieht seine Jacke aus, wendete sie, zieht sie wieder an und durch das rote Futter steht er in einer neuen Jacke da, die ihm locker über Taille und Hüfte hängt. Er sieht an sich herab und meint: „Mit der Hose müssen wir das Risiko eingehen, aber ich glaube, jetzt nicht so schnell erkannt zu werden.“
„Robin, kannst Du dich noch an unseren Spielplatz, aus unserer Jugend, hier ganz in der Nähe erinnern? Da könnten wir deine verräterischen Utensilien gut verstecken.“ „Gute Idee, Eduard, also schnell.“ und schon rennt er los und alle so schnell sie können hinterher. Nach kurzer Zeit sind sie vor einem, jetzt trockenen Oberflächenwasserkanal angelangt.
Jetzt stehen sie sich vor dem Kanal, in einem lockeren Kreis gegenüber. Ein jeder auf seine Art und Weise, noch immer schwer nach Luft ringend. Der Eine, indem er die Arme beim Einatmen hochhebt und beim Ausatmen wie ein Taschenmesser zusammen klappt, der Andere stützt sich nur, schwer atmend auf die Oberschenkel auf. Der Kanal kommt aus einem Bahndamm hervor und ist mit einem kräftigen Metallgatter verschlossen. An ihm hängt ein stark verrostetes Vorhängeschloss.
„Und nun?“ Fragte Natascha. „Kein Problem“, meinte Eduard, geht zu den Gatterhängen und zieht die Bolzen nach oben heraus. Das Gatter lässt sich leicht öffnen, wenn auch etwas anders, als von der zuständigen Behörde vorgesehen. Unter der Decke des Kanals war immer noch das Brett angebracht, das sie sich als Jungs dort montiert hatten und im Nu waren Robins Sachen schnell und sicher verstaut.
Sie schauen sich verwirrt und verblüfft an, in so kurzer Zeit sich kennen zu lernen und dann auch noch in so kurzer Zeit so viel intensives erleben, dass erscheint allen fast traumatisch und ist nicht so schnell zu verarbeiten.
„Hey Jungs, dürfen wir euch als Dankeschön umarmen“? Löste Liesa die angespannte Situation. Gleichzeitig breiten die großen Lausbuben ihre Arme aus und strahlen die beiden Mädels an. Natascha lässt sich von Eduard umarmen und Liesa von Robin, kurz darauf wird getauscht und ein Beobachter könnte den Eindruck haben, dass diese zweite Umarmung sehr viel länger und sehr viel inniger war.
Robin räusperte sich nach der Umarmung und sagte in einem Ton, der keine Widerworte zulässt:
„Jetzt lade ich euch zu Luigi ein und dort können wir in aller Ruhe besprechen, wie wir weiter vorgehen.“