Читать книгу Oktobermeer - Erik Eriksson - Страница 12
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ОглавлениеEin schlecht eingehaktes Fenster klapperte im Wind, die Gardine war vom Regen nass geworden, ein Buch war auf den Boden geworfen worden und war dort mit aufgeschlagenen Seiten liegen geblieben. Als Helena aufwachte, brauchte sie einen Augenblick, um das Geräusch einordnen zu können, nicht das Pladdern des Regens auf das Fensterblech, das war ihr vertraut, sondern das Flattern der Buchblätter auf dem Boden. Das ängstigte sie.
Einige Sekunden lang, dann hatte sie begriffen, sie stand auf, schloss das Fenster, stellte das Buch zurück. Die Unruhe jedoch war geblieben. Sie lag wach, lauschte dem Regen, der an Stärke zunahm. Sie drückte auf die Leuchttaste des Weckers: zwanzig nach eins.
Ein Zweig schlug gegen das Fenster im Erdgeschoss. Sie wusste, dass es die Eberesche war, dachte, dass die Zweige geschnitten werden müssten. Auch die Eiche draußen vor der Veranda hatte zu lange Äste, einige waren außerdem trocken. Sie nahm sich vor, möglichst bald etwas dagegen zu unternehmen.
Dann fiel ihr ein, dass sie einen fast freien Tag vor sich hatte, eine späte Unterrichtsstunde nur, mehr ein Gespräch, zwischen drei und vier. Sie konnte also im Bett bleiben, Rolf anrufen, sich Kaffee und ein Butterbrot holen, liegen bleiben und lesen.
Die Unruhe war verflogen. Sie schlief wieder ein, der Regen trommelte weiter auf das Hausdach und gegen die Fenster, die Windböen schüttelten die nassen Bäume, die um das Anwesen am Meer standen.
Sie wurde durch das Klingeln des Telefons geweckt. Im Raum war es nicht mehr ganz dunkel, und ehe sie abnehmen konnte, glaubte sie, dass sie verschlafen hatte. Im nächsten Moment jedoch fiel ihr ein, dass sie ausschlafen konnte, und sie merkte auch, dass sie den Wecker abgestellt hatte, als sie nachts den Lichtschalter gedrückt hatte. Die Uhr stand immer auf zehn nach sieben, aber manchmal rief Rolf früh an, ehe er zur Arbeit ging, in den Wochen, in denen sie getrennt voneinander lebten.
Das war jetzt eine solche Woche.
Sie nahm nach dem zweiten Klingeln ab, nannte seinen Namen, ehe er überhaupt etwas hatte sagen können. Vielleicht tat sie das, damit er wissen sollte, dass sie kein anderes Gespräch erwartete.
»Du hast geschlafen«, sagte er.
»Ich war gerade dabei aufzuwachen«, antwortete sie.
»Ist alles in Ordnung? Ich weiß, dass es sehr windig ist, im Radio wurde gesagt, dass bei Understen Windstärke acht herrscht.«
»Ja, es ist alles in Ordnung, das Haus steht noch, ich stehe gleich auf, und vielleicht nehme ich den Wagen hinauf zum Briefkasten, hole die Zeitungen, lege mich wieder hin und lese.«
»Hast du heute frei?«
»Fast frei.«
»Ich habe Unterricht und nach dem Mittagessen einen Vortrag vor dem Forschungsrat, aber das klappt sicher alles.«
»Du weißt, dass es klappt.«
»Ich komme am Samstagnachmittag.«
»Vorher hören wir noch voneinander.«
»Ja, mach‘s gut.«
»Du auch, und fahr vorsichtig.«
Sie blieb noch ein paar Minuten liegen, dachte an Rolfs Gesundheit, seine Abneigung, über einen Arztbesuch zu sprechen. Er hatte jedoch unbeschwert und jung geklungen, auf die Art und Weise, wie sie ihn haben wollte, und sie verspürte ein wenig Sehnsucht nach ihrem Mann.
Dann stand sie auf, zog ein Paar Wollsocken über, stopfte die Hosenbeine ihres Schlafanzugs in die Strümpfe, zog eine Jeans und eine Strickjacke an, ging hinunter in die Küche. Dort füllte sie einen Topf mit Wasser, setzte ihn auf, stellte den Herd auf die kleinste Stufe, zog eine Jacke über und schlüpfte in ihre Stiefel.
Der weiße Opel ließ sich schlecht starten, sie vermutete, dass das am Regen lag und war nahe daran aufzugeben, als er dann doch ansprang. Sie fuhr langsam den lehmigen Waldweg bis an die Kreuzung hinauf, zog die Zeitungen aus dem Kasten ohne auszusteigen, warf einen Blick auf die erste Seite der Norrtelje Tidning: Die Inselbewohner fordern eine Brücke.
Sie dachte, dass sie selbst einer der Inselbewohner der Gemeinde sei, dass sie jedoch in der Brückenfrage keine Stellung bezogen hatte. Abgesehen davon gab es in der Richtung, in die sie normalerweise fuhr, Brücken, außerdem lebte sie im Winter nicht auf Fogdö, sondern dann zog sie mit Rolf in das Reihenhaus auf Lidingö, ungerne zwar, aber sie fuhr jeden Tag mit dem Auto in die Volkshochschule auf Väddö, wo sie arbeitete.
Ginge es nach Helena, würden sie das ganze Jahr über auf Fogdö wohnen, im Vävargård, dem Ort am Meer, den sie liebte und als ihr richtiges Zuhause empfand.
Als sie in die Küche zurückkam, hatte das Wasser auf dem Herd gerade begonnen zu kochen.
Die Wohnzimmeruhr im Erdgeschoss schlug neun. Helena lag noch im Bett; sie hatte die Lokalzeitung ausgelesen, sah die Anzeigen in Dagens Nyheter durch, sie suchte ein älteres Nachschlagewerk, bemerkte ein Angebot einer frühen Ausgabe von Nordisk Familjebok, unterstrich die Telefonnummer und nahm sich vor, später anzurufen. Als sie ins Badezimmer ging, warf sie einen kurzen Blick durch das Fenster im Treppenhaus. Weit draußen in der Bucht konnte sie ein vor Anker liegendes Schiff erkennen. Es kam gelegentlich vor, dass sie bei schlechtem Wetter einen Tag lang dort draußen lagen.
Nachdem sie geduscht und sich angezogen hatte, trank sie eine zweite Tasse Kaffee in der Küche. Es regnete nicht mehr so stark, und der Wind hatte abgenommen. Sie dachte über das Gespräch nach, das sie später am Tage mit einigen Schülern führen sollte. Sie wollten sich um Praktikantenplätze bei verschiedenen Redaktionen in Roslagen bewerben, sie unterstützte sie mit Ratschlägen, das gehörte zwar nicht zu ihren Pflichten als Lehrerin für Schwedisch an der Volkshochschule, doch sie half einem Kollegen des Medien-Zweiges und freute sich darauf.
Als Helena gegen elf, bekleidet mit Windjacke, Schirmmütze und Stiefeln, hinausging, hatte der Regen nachgelassen. Sie wollte ein wenig am Strand spazieren gehen, nachsehen, ob irgendetwas angespült worden war, die Lunge mit frischer Meeresluft füllen, eine Stunde laufen, nachsehen, ob die Sanddornbeeren reif waren, an nichts Besonderes denken, sich Appetit für das Mittagessen holen.
Als sie die steinerne Böschung zu dem kleinen Felshügel vor dem Haus hinaufging, rutschte sie aus, bekam einen Busch zu fassen, der leistete schlechten Widerstand, aber es gelang ihr, das Gleichgewicht zu halten. Nach dem Regen war es auf dem blanken Felsen spiegelglatt. Sie wusste das, trotzdem passierte es sehr häufig, dass sie gerade dort ausrutschte. Sie fragte sich, warum sie nicht daran gedacht hatte. Sie war wirklich nicht vergesslich, aber gewisse Dinge konnten sich ihrer Aufmerksamkeit entziehen, vor allem, wenn sie in Gedanken war. Und das kam in letzter Zeit häufiger vor.
Das Schiff war nicht mehr da. Sie spähte aufs Meer hinaus, konnte es jedoch nicht mehr sehen, und auch in Richtung Svartklubben, dem flachen breiten Leuchtturm im Nordosten, war nichts zu erkennen. Aber der Wind war abgeflaut, das Schiff war natürlich wieder auf seine Route zurückgekehrt, die es vierundzwanzig Stunden zuvor hatte unterbrechen müssen. So war es immer. Sie unterbrachen nicht länger als notwendig. Helena hatte schon viele von ihnen gesehen, hatte nie ihre Namen und Nationalitäten notiert, jedoch gehört, dass viele sowjetische Schiffe darunter waren.
Sie blickte hinab auf den Bootsschuppen und die winkelförmige Brücke. Das Motorboot lag noch dort, sicher vertäut, das Ruderboot war auf den Strand gezogen worden.
Zwei Schwäne schwammen neben dem Motorboot auf dem Wasser, einer davon war grauweiß, vermutlich ein Junges. Helena ging langsam in die andere Richtung. Bis zu dem großen Sanddorngebüsch auf der Landzunge waren es ungefähr dreihundert Meter. Sie entschloss sich, bis dorthin zu gehen, nach den Beeren zu sehen und umzukehren.
Sie hatte die Hände in die Taschen gesteckt. In der rechten Tasche lag ein Garnknäuel, Segelgarn. Sie erwischte das Garnende, drehte es ein paarmal um den Zeigefinger, wich einem glatten Stein aus, machte einen kleinen Umweg um einen Haufen blaugrünen Seegrases.
Zuerst bemerkte sie das Hosenbein, eine Idee hochgerutscht, der untere Teil des Schienbeins war entblößt, dem Fuß fehlte der Schuh, er war jedoch mit einem dünnen dunklen Strumpf bekleidet.
Sie blieb stehen, überlegte, begriff nicht sofort, was sie da sah. Einen Augenblick lang glaubte sie, dass es ein schmaler Baumstamm ohne Zweige war, auf dem ein Lumpen lag.
Dann wurde ihr plötzlich bewusst, dass es ein toter Mensch sein musste, ein Ertrunkener, der an Land geschwemmt worden war. Sie näherte sich langsam dem Körper, hielt die Hand vor die Nase in Erwartung des Gestanks, sie hatte das schon einmal erlebt, einen toten Seehund am Strand im Zustand der Verwesung.
Jetzt konnte sie den ganzen Körper erkennen, einen Mann in einem blaukarierten Hemd, auf dem Rücken liegend, die Arme an den Seiten, ein Bein angezogen, das andere ausgestreckt.
Sie hockte sich nieder, in diesem Moment schlug der Mann die Augen auf und sah sie an.
Viel später sollte sich Helena an ihre eigene Verwunderung über die seltsame blaue Augenfarbe des Mannes erinnern, die auf eine ungewöhnliche Art leuchtete.
Sie konnte sich nie an irgendein Erstaunen darüber erinnern, dass der Mann, den sie für tot gehalten hatte, tatsächlich lebte, keine Verwunderung war in ihrer Erinnerung zurückgeblieben, keine Erleichterung darüber, dass der erwartete Leichengeruch durch den milden Duft von Heidekraut und trockenem Baldrian ersetzt worden war.
Eine Wange und die Stirn des Mannes wiesen Schürfwunden auf. Helena holte ihr Taschentuch heraus und wischte ein wenig Blut weg, das die Wange des Mannes heruntergelaufen war.
Er hustete leise, blieb auf dem Rücken liegen, bewegte eine Hand, berührte Helenas Bein.
»Ich … habe … verlassen«, sagte der Mann langsam mit heiserer Stimme.
»Ja«, antwortete Helena.
»Ein ... Schiff.«
Der Mann sprach ein deutliches Schwedisch, er benutzte jedoch einen Dialekt, der Helena nicht geläufig war, er betonte einige Silben zu stark, rollte das R sehr hart. Jetzt versuchte er sich aufzurichten. Das ging nur langsam, Helena fasste mit der Hand um den Nacken des Mannes und stützte seinen Kopf. Sie war ganz dicht bei ihm, spürte eine leichte, aber kühle Ausdünstung von seinem Hals und seinem Gesicht. Er zitterte etwas, Helena wusste nicht, ob vor Anstrengung oder Kälte.
»Frierst du?«, fragte sie.
»Das Meer – ich bin …«
»Du frierst, nimm meine Jacke.«
Sie ließ den Hals des Mannes los, zog ihre Jacke aus, der Mann sackte etwas in sich zusammen, blieb jedoch gestützt auf seine Ellbogen sitzen. Jetzt lächelte er zum ersten Mal, ein schwaches Lächeln, ein Mundwinkel wurde schwach nach oben gezogen, während sich die Wange kräuselte. Es war die Seite des Gesichts, auf der sich die Schürfwunde befand.
Das Lächeln wurde gegen eine Grimasse ausgetauscht, dann erschien ein neues Lächeln. Der Mann sah Helena an. Sie reichte ihm die Hand. Er ergriff sie. Sie lehnte sich zurück, der Mann stieß sich mit der anderen Hand vom Boden ab, kam auf die Knie, dann auf die Füße.
»Die Jacke«, sagte Helena.
»Danke«, sagte der Mann.
Er versuchte sie anzuziehen, sie war zu klein, er ließ sie über die Schultern hängen, zog sie vor der Brust zusammen, nickte Helena zu, ohne zu lächeln.
»Komm«, sagte Helena.
Sie ging vor, der Mann folgte, sie nahm den Weg um den Felshügel herum, wählte den Pfad durch den Kiefernwald, einen Umweg, aber leichter zu gehen. Der Mann blieb mehrere Male stehen. Helena bemerkte, dass er zitterte. Sie fragte sich, ob er es bis zu ihrem Haus schaffen würde, sie war bereit ihn zu stützen, aber als sie sich ihm näherte, begann er weiterzugehen, stolpernd und ungeschickt, mit nur einem Schuh angetan.
Helena merkte, dass er allein gehen wollte. Wie alle Männer, dachte sie, immer alles allein machen wollen, nie jemanden unnötig um Hilfe bitten, einsam und stark und halbtot, aber nicht um Hilfe bitten.
Sie ging vor ihm in die Küchenveranda, der Mann war draußen stehen geblieben, blickte sich um, ging dann langsam die Treppe hinauf, Schritt für Schritt, lauschte, sah durch die offene Tür hinein.
»Hier ist niemand«, sagte Helena.
Im selben Augenblick, in dem sie es sagte, bereute sie es. Sie wusste ja nichts über den Mann.
»Hier ist niemand«, wiederholte sie, »auf jeden Fall im Augenblick nicht, wahrscheinlich kommt bald jemand.«
Der Mann setzte sich auf einen Holzstuhl.
»Kaffee?«, wollte Helena wissen.
»Danke«, murmelte der Mann.
»Möchtest du das Telefon benutzen und die Polizei anrufen? Wenn du Probleme hast, kannst du telefonieren.«
»Nein.«
»Kaffee?«
»Ja.«
Helena setzte Wasser auf, suchte trockene Kleidung hervor, Rolfs Arbeitshosen, seine Socken, Hemd, Jacke. Der Mann hatte breite Schultern, war aber schlank. Rolf hatte einen größeren Leibesumfang. Sie ließ die Sachen auf einem Stuhl in dem kleinen Raum neben der Küche liegen.
»Du kannst dich umziehen«, sagte sie.
Der Mann blieb sitzen, aber als Helena begann, den Kaffee zu kochen, erhob er sich, ging langsam aus der Küche, zog die Tür hinter sich zu. Er blieb recht lange. Helena nahm an, dass das daher kam, dass er völlig erschöpft war. Dann fiel ihr ein, dass er vielleicht im Hause herumging und schnüffelte, dass er Schubladen öffnete.
Sie bekam Angst. Sie sollte Rolf anrufen oder eine Kollegin in der Schule, jemand musste es erfahren.
Der Mann öffnete die Tür. Er tastete mit der Hand die Wand ab, lächelte wieder sein schiefes Lächeln.
»Ich hole eine Decke«, sagte Helena.
Sie ging hinaus ins Wohnzimmer, die Treppe hinauf ins Obergeschoss, schlich sich ins Schlafzimmer, wählte die Nummer von Rolfs Zimmer in der Technischen Hochschule. Der Anrufbeantworter war eingeschaltet. Sie rief die Telefonzentrale an, hielt den Mund dicht an den Hörer, flüsterte.
»Bitten Sie ihn, so schnell wie möglich anzurufen, es ist wichtig.«
Sie nahm die Decke und ging wieder hinunter. Der Mann saß am Tisch, hatte die Arme auf der Tischplatte verschränkt, mit hängendem Kopf. Er zuckte zusammen, als Helena hereinkam.
»Die Decke«, sagte Helena.
Er wickelte sie um seinen Leib, Helena goss Kaffee ein, bestrich zwei Butterbrote, reichte dem Mann eines hin.
»Ich habe verlassen«, sagte er, »ich bin ... ein Fliehender.«
»Aha.«
»Ich komme aus Leningrad.«
»Aber du sprichst ja Schwedisch?«
»Meine Familie, wir haben, wir haben ein wenig Schwedisch in meiner Familie gesprochen, in älterer Zeit.«
Er sprach jetzt etwas schneller, legte zwischen den Silben keine Pausen mehr ein, aber er betonte die Wörter immer noch auf eine merkwürdige Weise, und er rollte das R.
»Warum bist du weggegangen?«
»Viel ist schwierig in der Sowjetunion, das weißt du vielleicht.«
»Ja, ein bisschen kenne ich mich aus.«
»Du weißt vielleicht nur ein wenig, aber ich lebe dort, nein früher lebte ich dort, jetzt nicht mehr.«
»Jetzt bist du in meiner Küche.«
»Trinke mit dir Kaffee.«
»Ich heiße Helena.«
»Mein Name ist Michail.«
Er sprach jede Silbe für sich aus. Helena fand, dass der Name gut klang, wenn er ihn auf diese Art und Weise aussprach, altmodisch und leicht und schön, mit deutlicher Betonung des letzten Vokals.
»Mi…cha…il«, sagte Helena.
Der Mann lächelte, hob die Hand gegen seine Wange.
Helena bemerkte, dass er kurze Bartstoppeln hatte, die vielleicht in der Schürfwunde juckten.
»Ich kann deine Wunden auswaschen, wenn du willst«, sagte sie.
Michail antwortete nicht, Helena stand vom Tisch auf, ging zu einem Wandschrank, holte Watte und Desinfektionsmittel. Er saß still da, ließ sie die Wunden auswaschen, der Wattebausch verfärbte sich zartrosa, sie warf ihn auf den Boden, nahm einen neuen, säuberte weiter, einige Wattefasern blieben im Bart hängen.
»Du solltest dich vielleicht rasieren«, sagte sie.
»Später.«
»Nein, du brauchst dich nicht zu hetzen.«
»Hetzen?«
»Beeilen, schnell machen, das ist nicht nötig.«
»Mir fehlen viele Wörter.«
»Du sprichst ausgezeichnet Schwedisch.«
»Ich glaube, es ist die Sprache einer alten Frau.«
»Frau?«
»Der Mutter meines Vaters, sie sind aus Finnland gekommen.«
Helena machte noch ein Butterbrot fertig. Michail aß es, trank mehr Kaffee, erhielt noch ein drittes Brot. Helena bemerkte, dass seine Wangen jetzt etwas weniger weiß waren. Sie legte kurz ihre Hand auf die seine, drückte die Finger ein wenig. So allmählich schien die Wärme zurückzukehren.
»Wohlschmeckender Kaffee«, sagte er.
»Möchtest du noch mehr haben?«
Sie wartete seine Antwort nicht ab, goss ihm den Rest aus der Kanne ein, erhob sich, um noch mehr zu kochen. Da läutete das Telefon. Helena eilte ins Wohnzimmer, vorbei an dem Apparat, der dort stand, und weiter zum Telefon im Obergeschoss. Rolf war am Apparat.
»Du hast angerufen«, sagte er.
»Ja, genau.«
»Ist etwas Besonderes?«
»Ja, ich, weißt du ...«
»Ja?«
»Weißt du … letzte Nacht war es ja so stürmisch, ich bin draußen gewesen und habe gesehen, dass das Motorboot etwas abgetrieben war, aber ich habe es ordentlich festgemacht. Meinst du, das reicht?«
»Wenn du es richtig befestigt hast, so reicht das sicher, ich nehme an, dass der Wind abgeflaut ist.«
»Ja, jetzt ist es ziemlich ruhig.«
»Dann ist wohl alles in Ordnung?«
»Ja, alles ist in Ordnung.«
»Gut, dann bis bald.«
»Mach‘s gut.«
Sie blieb einen Augenblick auf der Bettkante sitzen. Sie hatte keine Ahnung, warum sie das mit dem Motorboot gesagt hatte. Als sie in die Küche hinunterging, war sie immer noch erstaunt und ein wenig erregt, sie kannte sich selbst nicht wieder.