Читать книгу Geisterenthüller John Bell - Erik Schreiber, Friedrich Rolle, Leo Woerl - Страница 12

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Mein kleines Zimmer sah genauso aus wie am vorigen Abend. Die grotesken Muster der Tapete schienen wie ein Relief hervorzustehen. In diesem Moment schienen einige der hässlichen Linien in meiner Vorstellung fast menschliche Formen anzunehmen, sich in trollähnliche Gesichter zu verwandeln und mich anzugrinsen. Wagte ich zu viel? War es falsch, mein Leben auf diese Weise zu riskieren? Ich war furchtbar müde und, so seltsam es scheinen mag, meine größte Angst in diesem entscheidenden Moment war, dass ich einzuschlafen drohte. Ich hatte zwei Nächte fast ohne Rast verbracht und fühlte, dass jeden Moment trotz all meiner Anstrengungen der Schlaf mich übermannen könnte. Um Bindloss die volle Gelegenheit zu geben, seinen Plan in die Tat umzusetzen, war es notwendig, dass ich zu Bett ging und sogar, dass ich mich schlafend stellte. In meinem momentanen erschöpften Zustand konnte vorgetäuschter Schlaf sehr schnell zu Echtem werden. Dieses Risiko, so groß es auch war, musste ich allerdings eingehen. Ohne mich auszuziehen, legte ich mich ins Bett und zog die Bettdecke weit über mich. In meiner Hand hielt ich meinen Revolver. Ich löschte bewusst die Kerzen und bewegungslos wartete ich auf das, was da kommen sollte.

Das Haus war still wie ein Grab – es gab keinerlei Bewegung und mit der Zeit beruhigten sich meine Nerven, so angespannt sie zuvor gewesen waren. Wie ich es erwartet hatte, übermannte mich der Schlaf und trotz aller Anstrengung driftete ich in das Land der Träume ab. Ich begann mir zu wünschen, dass egal, welche Erscheinung es war, die sich zeigen würde, sie es jetzt gleich tun sollte, damit wir es hinter uns bringen konnten. Langsam, aber sicher schien ich mich von all den Erinnerungen der realen Welt zu entfernen und in eine seltsame und schreckliche Fantasiewelt abzutauchen. In diesem Zustand schlief ich, in diesem Zustand träumte ich auch und es waren Albträume.

Mir war, als ob ich einen Walzer mit einer enorm großen Frau tanzte. Sie türmte sich über mir auf, hielt mich fest in ihren Armen und begann mich in einem schwindelerregenden Tempo im Kreis zu wirbeln. Ich konnte die polternde Musik einer Band in der Ferne hören. Schneller und schneller wurde ich in einem großen leeren Saal umhergewirbelt. Ich wusste, dass ich das Bewusstsein zu verlieren begann, und schrie sie an, aufzuhören und mich gehen zu lassen. Plötzlich gab es einen furchtbaren Knall ganz in meiner Nähe. Guter Gott! Ich merkte, dass ich wach war – aber ich bewegte mich immer noch. Wo war ich? Wohin ging ich? Ich versuchte einen Sprung auf das Bett zu machen, nur um zu torkeln und rückwärts wieder auf den Boden zu fallen. Was war das? Warum schlitterte ich? War ich plötzlich verrückt geworden oder erlitt ich einen furchtbaren Albtraum? Ich versuchte, mich zu bewegen, auf die Füße zu kommen.

Dann, ganz allmählich, begannen meine Sinne zurückzukehren und ich wusste, wo ich war. Ich war in der runden Kammer, in dem Zimmer, in dem Wentworth gestorben war. Aber was mit mir passierte, konnte ich nicht begreifen. Ich merkte nur, dass ich mit einer Geschwindigkeit im Kreis gewirbelt wurde, die jeden Moment zunahm. Im Mondlicht, das sich durch das Fenster quälte, sah ich den Boden und das Bett darauf drehen. Nur der Tisch lag auf der Seite, er musste mich geweckt haben, als er umgefallen war.

Ich konnte nichts von den anderen Möbeln im Zimmer sehen. Aber auf welch geheimnisvolle Weise waren sie entfernt worden? Mit unheimlichem Aufwand kroch ich zur Mitte dieser furchtbaren Kammer und, das Fußende des Bettes greifend, kämpfte ich mich auf die Füße. Ich wusste, hier würde weniger Bewegung sein und ich konnte gerade so die Umrisse der Tür ausmachen. In weiser Voraussicht hatte ich den Revolver in meine Tasche geschoben, und war mir immer noch sicher, dass ich damit mein Leben gegen jede menschliche Erscheinung verteidigen konnte. Aber der Horror, den ich durchlebte, war mit Sicherheit nicht menschlicher Natur! Als sich der Boden des Raumes in Richtung der Tür bewegte, stürzte ich auf sie zu, wurde aber prompt vorbeigetragen und fiel erneut schwer. Als ich wieder an der gleichen Stelle vorbeikam, machte ich einen verzweifelten Versuch, mich an einer der Stufen festzuhalten, aber vergeblich. Das Kopfteil der Bettstatt erwischte mich, als es in einer nächsten Runde an mir vorbeiflog, und zog mir die Arme weg. Einen Moment später glaubte ich, ich würde verrückt durch den ganzen Horror. Mein Kopf fühlte sich an, als würde er platzen. Es war mir unmöglich, logisch zu denken. Der einzige Gedanke, der mich wirklich beherrschte, war der sehnliche Wunsch, diesem furchtbaren Ort zu entkommen. Ich kämpfte mich zum Bett, zog dessen Beine aus den Sockeln und schleifte es in die Mitte des Raumes, weg von der Wand. Als es aus dem Weg war, schaffte ich es schließlich zur Tür.

In dem Moment, in dem ich den Türgriff erhaschen konnte, sprang ich auf die kleine Stufe und versuchte die Tür aufzureißen. Sie war verschlossen, von außen verschlossen. Sie widerstand all meiner Anstrengungen. Dort, wo ich stand, hatte ich gerade so Platz für meine Füße. Unter mir raste der Boden des Raumes immer noch in furchtbarem Tempo im Kreis. Ich wagte kaum, darauf zu blicken, denn der Schwindel in meinem Kopf nahm ständig zu. Im nächsten Moment waren deutlich leise Schritte zu hören, und ich sah einen Lichtschimmer durch einen Spalt in der Tür. Ich hörte jemandem am Schloss fummeln, die Tür wurde langsam von außen geöffnet und ich sah das Gesicht des alten Bindloss. Er nahm mich nicht wahr, denn ich hockte auf der Stufe, und im nächsten Moment warf ich mich mit all meiner Kraft auf ihn. Er stieß einen Schreckensschrei aus. Die Laterne, die er getragen hatte, fiel herunter und ging aus, aber ich hatte ihn am Hals gefasst und bohrte meine Finger tief in seine hagere, sehnige Kehle. Rasch zog ich ihn durch den Flur zu einem Fenster, durch welches das Mondlicht schien. Hier löste ich meinen Griff von seiner Kehle, aber bedrohte ihn augenblicklich mit meinem Revolver.

„Auf die Knie oder Sie sind ein toter Mann!“, rief ich. „Geben Sie alles zu oder ich schieße Ihnen mitten ins Herz.“

Sein Mut hatte ihn offensichtlich verlassen. Er begann zu wimmern und weinte bitterlich.

„Verschonen Sie mein Leben“, heulte er. „Ich werde alles erzählen, aber verschonen Sie mein Leben.“

„Dann rasch“, sagte ich, „ich bin nicht in der Stimmung, gnädig zu sein. Heraus mit der Wahrheit!“

Ich lauschte besorgt nach den Schritten seiner Frau, aber außer dem leisen Summen der Maschine und dem Plätschern des Wassers hörte ich nichts.

„Reden Sie“, forderte ich und schüttelte den alten Mann. Seine Lippen zitterten, die Worte kamen stockend.

„Es war Wentworths Werk“, keuchte er.

„Wentworth? Doch nicht der Ermordete?!“, rief ich.

„Nein, nein, sein Cousin. Dieser Verbrecher, der Fluch meines Lebens. Dank dieses letzten Todesfalls erbt er das Anwesen. Er ist der eigentliche Besitzer der Mühle und er erfand den sich drehenden Boden. Es gab Todesfälle – oh ja, oh ja. Es war so leicht und ich wollte das Geld. Die Polizei schöpfte nie Verdacht, genauso wenig die Ärzte. Wentworth war furchtbar hart mit mir und hatte mich in der Hand.“ An dieser Stelle würgte und schluchzte er. „Ich bin ein schlechter alter Mann, Sir“, japste er.

„Also töteten Sie Ihre Opfer wegen des Geldes?“, vermutete ich und packte ihn bei den Schultern.

„Ja“, sagte er, „Ja. Bailiff hatte zwanzig Pfund in Gold, niemand wusste davon. Ich nahm es und konnte Wentworth für eine Weile befriedigen.“

„Und was war mit Archibald Wentworth?“

„Das war sein Werk, und ich sollte bezahlt werden.“

„Und jetzt wollten Sie schließlich mich loswerden?“

„Ja, denn Sie hatten Verdacht geschöpft.“

Während des Gesprächs bemerkte ich im fahlen Mondlicht eine weitere Tür in der Nähe. Ich öffnete sie und sah, dass es der Eingang zu einem dunklen Abstellraum war. Ich stieß den alten Mann hinein, drehte den Schlüssel herum und rannte nach unten. Die Ehefrau war immer noch unerklärlicherweise abwesend. Ich öffnete die Vordertür und zitternd, erschöpft, in Schweiß gebadet stand ich an der frischen Luft. Ich war erschüttert. In diesem schrecklichen Moment war ich alles andere als Herr meiner selbst. Mein einziger Wunsch war von diesem schrecklichen Ort zu fliehen. Ich hatte gerade das kleine Tor erreicht, als eine Hand, leicht wie eine Feder, meinen Arm berührte. Ich sah auf. Das Mädchen, Liz, stand vor mir.

„Sie sind gerettet,“ sagte sie, „Gott sei Dank! Ich habe alles versucht, was ich konnte, um das Rad zu stoppen. Schauen Sie, ich bin nass bis auf die Knochen. Ich schaffte es nicht. Aber zumindest habe ich Großmutter eingeschlossen. Sie ist in der Küche, friedlich schlafend. Sie hat ein Menge Gin getrunken.“

„Wo warst du gestern den ganzen Tag?“, fragte ich.

„Eingeschlossen in einer Kammer im anderen Turm, aber ich schaffte es, aus dem Fenster zu klettern, obwohl es mich fast umbrachte. Ich wusste, wenn Sie bleiben, würden sie es diese Nacht wieder versuchen. Gott sei Dank sind Sie in Sicherheit.“

„Nun, dann halte mich jetzt nicht auf“, sagte ich. „Ich bin wie durch ein Wunder gerettet worden. Du bist ein gutes Mädchen. Ich verdanke dir viel. Du musst mir ein anderes Mal erzählen, wie du es geschafft hast, den ganzen Horror hier zu überleben.“

„Bin ich nicht verrückt geworden?“, war ihre traurige Antwort. „Oh, mein Gott, wie ich leide!“ Sie presste die Hände aufs Gesicht. Der Ausdruck ihrer Augen war furchtbar. Aber ich konnte nicht länger warten, um mich mit ihr zu unterhalten. Ich verließ den Ort hastig.

Geisterenthüller John Bell

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