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ОглавлениеBeseitigung der indirekten Steuern und auch Beseitigung aller Besteuerung des Arbeitseinkommens. Anweisung aller Bedürfnisse von Staat und Reich auf eine reine Vermögenssteuer, welche, nach oben progressiv, alle größeren Vermögen besteuert annähernd mit dem Prozentsatz des jeweiligen Boden- und Hypothekenzinsfußes — in der ausgesprochenen Absicht, den Zinsabwurf des gesamten Nationalvermögens für den Staat (d. h. für Staat und Reich) in Anspruch zu nehmen.
Die Begründung einer solchen Forderung entnehme ich aber den folgenden Erwägungen.
Das Gesamtvermögen des Deutschen Volkes wird auf nicht viel unter 200 Milliarden anzuschlagen sein — alles zusammen gerechnet, was an nutzbarem Grund und Boden, an Gebäuden in Stadt und Land, an Inventar der Industrie und an mobilem Kapital in Deutschland sich vorfindet und alles in der üblichen Weise nach seinem Ertragswert veranschlagt. Läßt auch die Ziffer selbst sich nur sehr unsicher bestimmen, so bietet doch die Einkommens- und Vermögensstatistik genügende Anhaltspunkte dafür, daß die untere Grenze nicht weniger als 160 Milliarden sein könne. Ich nehme diese Ziffer hier an — eigentlich nur zur Exemplifikation; denn die Schlußfolgerungen würden sachlich ebenso bestehen bleiben, auch wenn eine viel niedrigere Zahl eingesetzt würde.
Von diesem Nationalvermögen Deutschlands liegt in der jetzigen Zeit hochentwickelter Wirtschaftstätigkeit fast kein Stück brach. Abgesehen von ganz wenigen, in ihrer Summe geringfügigen Objekten steht alles in Benutzung als Mittel für weitere Gütererzeugung, sei es in der Hand der Eigentümer selbst, sei es in der Hand anderer, denen letztere ihren Besitz zeitweilig überlassen. Dieses kommt schon darin zum Ausdruck, daß alle Vermögensobjekte, mit alleiniger Ausnahme der wenigen reinen Luxusgegenstände, sich schätzen lassen und tatsächlich auch immer geschätzt werden nach dem Nutzwert oder Ertragswert, den sie für den Eigentümer haben — insofern haben, als er entweder selbst sie als Hilfsmittel produktiver Arbeit anwenden oder sie zu gleichem Zweck ändern gegen Pacht, Miete, Zins usw. auf Zeit abtreten kann.
Demgemäß hat in unserer Zeit aller Besitz neben und außer seinem ursprünglichen, natürlichen Wert: durch seinen Verbrauch Mittel der Lebensführung, des Genusses usw. zu sein, noch einen besonderen, sehr eigenartigen Wert: ohne dem Verbrauch oder der Minderung zu unterliegen, dem Eigentümer Vorteile zu verschaffen, welche einem Verbrauch von Besitz ganz gleichwertig sind, und zwar, wenn er will, ohne jede Tätigkeit seinerseits, da er immer andere findet, die an seiner Statt die erforderliche Tätigkeit ausüben.
Dieses ist nicht immer so gewesen, es ist im Gegenteil, als Faktor des Wirtschaftslebens, eine Erscheinung noch sehr jungen Datums. Selbst die Art von Eigentum, welche scheinbar Quelle des Ertrags in sich selbst ist — Grund und Boden —, hat in Wahrheit jene zweite Eigenschaft nur insoweit und solange gehabt, als die Institution der Leibeigenschaft den Boden mit arbeitsfähigen Händen, als ihm zugehörigen Bestandteil des Eigentums, ausgerüstet hielt. Offensichtlicherweise sind die notwendigen Bedingungen für jede Ertragsfähigkeit von Vermögen und Besitz: daß, erstens, die Objekte desselben nicht nur Mittel der Gütererzeugung sein können, sondern daß sie hierzu auch tatsächlich voll benutzt werden — d. h. daß die Wirtschaftstätigkeit des ganzen Volkes genügend entwickelt und gesteigert sei, damit immer solche sich finden müssen, welche diese Objekte gegen Entgelt zur Benutzung übernehmen wollen — und daß zweitens die Einrichtungen des Staates, Rechtsordnung und Rechtsschutz, dem Eigentümer ermöglichen, sie ohne Verlustgefahr zeitweilig aus der Hand und in die Verwahrung anderer zu geben.
Der Zinsertrag, den auf diese Weise das Gesamtvermögen des Deutschen Volkes für die Gesamtheit der anteiligen Eigentümer abwirft, ist gemäß der vorhin angesetzten Ziffer und nach dem dermaligen Stand des Zinsfußes auf rund 5 Milliarden Mark jährlich zu veranschlagen, wenn man nur beiläufig 3 Prozent als durchschnittliche Höhe von Bodenrente und Hypothekenzins annimmt. Wenn diese Rentensumme sich gleichmäßig verteilte, so ergäbe sie also etwa 500 Mark jährlich für jede von den rund 10 Millionen Familien oder Haushaltungen im Deutschen Reich. Hierbei ist jedoch selbstverständlich alles außer Ansatz gelassen, was, wenn es auch gewöhnlich unter dem Namen von Kapital-Verzinsung mitbegriffen wird, doch nicht reiner Zins, sondern Äquivalent für irgend eine Art von mitwirkender Arbeit des Besitzers ist — im besondern also der Unternehmergewinn, den jemand über den bloßen Pacht- oder Zinsertrag hinaus erreicht, wenn er seinen Besitz in landwirtschaftlicher oder industrieller Tätigkeit selbst nutzbar macht, ebenso auch aller Handelsgewinn und alles, was ganz oder zum Teil den Charakter von Risikoprämie trägt. Gerechnet ist also nur derjenige Vermögensertrag, der den Eigentümern auf Grund ihrer Besitztitel zufließt oder doch, wenn sie wollen, zufließen kann ohne irgend andere direkte Mitwirkung als vierteljährliches Einkassieren fälliger Zinsen, Pachtgelder u. dergl.
Woher kommt nun die vorher genannte große Summe, die jährlich in Deutschland als Zins- oder Rentenertrag teils bar entrichtet, teils von sonstigen Einnahmen vorweg abgerechnet wird? — Da ausschließlich die menschliche Arbeit Werte erzeugt, die zuvor noch nicht da waren, so kann kein Zweifel darüber bestehen, daß es die Gesamtheit aller Arbeitenden im Volk ist, welche jene Summe für die Gesamtheit aller Besitzenden durch ihre Arbeit jährlich aufzubringen hat, und zwar dafür aufzubringen hat, daß die Eigentümer der Objekte des Nationalvermögens diese Objekte der Arbeit des ganzen Volkes als Mittel der Gütererzeugung vorhalten oder darleihen.
Das durchschnittliche Einkommen einer fünfköpfigen Familie in Deutschland beträgt nun, hoch veranschlagt, sicher nicht über 1500 Mark jährlich, wobei indes gleich vorzumerken ist, daß nach der Einkommenstatistik für Preußen und Sachsen über 70 Proz. der Bevölkerung dieser Staaten dieses durchschnittliche Einkommen noch nicht, und ungefähr 50 Proz. noch nicht die Hälfte davon erreicht. Hierbei ist aber alles Zins- oder Renteneinkommen bei denen, die dergleichen haben, mitgerechnet. Nach Abzug desselben in der vorher angenommenen Höhe verbleibt mithin für die ganze eigentliche Arbeitstätigkeit des Deutschen Volkes nur ein Netto-Ertrag, der wiederum gleichmäßig verteilt gedacht, pro Familie höchstens 1000 Mark jährlich abwirft — alles eingeschlossen, was nicht reiner Zins ist, also außer dem gewöhnlichen Arbeitslohn auch die Gehälter aller öffentlichen und Privat-Beamten und aller Unternehmer- und Handelsgewinn.
Die Verzinsung des Nationalvermögens beansprucht hiernach zurzeit in Deutschland vorweg ein Drittel der gesamten durch die Verbindung von Kapital und Arbeit bedingten Werterzeugung und läßt nur zwei Drittel davon als Entgelt für die Arbeitstätigkeit selbst übrig. Mithin hat die Gesamtheit aller Arbeitenden in allen Tätigkeitsgebieten, dem Durchschnitt nach, immer zwei Tage in der Woche zu arbeiten für die Gesamtheit der Besitzenden, d. h. derer, welche Miteigentümer des Nationalvermögens sind, dessen Verzinsung vorweg aufgebracht werden muß. Denn zur Bemessung des durchschnittlichen Anteils der einzelnen an dieser Leistung der Gesamtheit gibt es keinen andern Maßstab als den relativen Wert den die Arbeit der einzelnen für sie selbst hat.
Es gehört nicht hierher, die sehr mannigfaltigen und verwickelten Wege zu betrachten, auf welchen in den verschiedenen Klassen der Arbeitstätigen der einzelne seine Zinsabgabe direkt oder indirekt leistet, auch wenn er selbst gar keine Schulden hat. Sozialpolitisch hat nur das Endresultat Bedeutung, welches das Verhältnis zwischen Arbeit und Kapital für die Gesamtheit der Arbeitenden gegenüber der Gesamtheit der Besitzenden zum Ausdruck bringt. Ich erwähne also nur noch, daß die zuvor charakterisierte Tributpflichtigkeit der Arbeit alle betrifft, soweit sie in irgend einer Form arbeitstätig sind — alle vom letzten Tagelöhner bis zu den obersten Staatsbeamten. Auch die Staatsbeamten haben ihren Anteil redlich zu leisten in einer zwar ganz mittelbaren, aber gerade sehr charakteristischen Form. Abgesehen von den wenigen, welchen die Staatsraison eine repräsentative Lebenshaltung nach dem Vorbild der Reichsten zuweist, kann auch den Beamten der arme Teufel »Staat« von sechs Tagen, welche sie arbeiten, nur die bewußten vier Tage wirklich bezahlen; denn nachdem alles Arbeitseinkommen der Bürger durch die Vorwegnahme der Zinsquote schon stark herabgedrückt ist, können Steuern, welche wiederum fast ganz an dieses Arbeitseinkommen sich halten, unmöglich noch in genügender Höhe auferlegt werden, um den Beamten des Staats eine befriedigende Bezahlung zu sichern.
Das zuvor charakterisierte Verhältnis von Arbeit und Besitz gewinnt seine soziale Bedeutung natürlich nur in Verbindung mit der Tatsache der äußerst ungleichmäßigen — und nach dem jetzigen Lauf der Dinge noch immer ungleichmäßiger werdenden — Verteilung des Besitzes. Eine solche Bedeutung würde ihm gar nicht zukommen, wenn das Gesamtvermögen des Volkes auf die Individuen in den verschiedenen Volksschichten durchschnittlich sich verteilte proportional dem Werte persönlicher Arbeitsleistung in diesen Schichten. Alsdann wäre jeder sein eigener Zinsherr, nähme den auf ihn entfallenden Anteil an der gemeinsamen Tributleistung selbst wieder in Empfang, und als sozialpolitisch erhebliches Moment bliebe nur noch die Ungleichheit des Wertes der Arbeitsleistung in den verschiedenen Volkskreisen übrig. Die Wirklichkeit aber ist ungeheuer weit entfernt von einer derartigen Bilanz. Zwar gibt es nur verhältnismäßig wenige, welche gar keinen, auch nicht den kleinsten, Anteil am Nationalvermögen hätten, noch nicht einmal den notdürftigsten Betriebsfonds für eine kleine Hauswirtschaft; sehr gering aber ist auch der Prozentsatz solcher, für welche — soweit es Arbeitstätige sind — die Renteneinnahme, einschließlich der Ersparnis von Ausgabeposten infolge eigenen Besitzes, einen nennenswerten Zuschuß zum Arbeitseinkommen ausmacht, sei es auch nur viel weniger als die normalen 50 Proz. Tatsächlich bedeutet das vorher gekennzeichnete Verhältnis: effektive Abgabe einer größeren oder geringeren Quote des natürlichen Arbeitsertrags seitens der großen Majorität der Arbeitstätigen an die kleine Minorität derjenigen Miteigentümer am Nationalvermögen, welche die großen Brocken desselben inne haben. Mindestens 80 Proz. des ganzen Volkes ist gegenwärtig tributpflichtig geworden zugunsten der obersten 5 Proz.
Welche Wirkungen aber dieser Zustand mit sich bringt, liegt klar genug zutage.
Die Herabminderung des durchschnittlichen effektiven Arbeitsertrages durch den Abzug der Zinsquote drückt relativ am stärksten die untersten Volksklassen, weil jede Minderung des Einkommens um so härter wirkt, je weniger seine absolute Höhe die Erfordernisse der notdürftigsten Lebensführung überschreitet. In diesen untersten Volksklassen ist aber gerade die weitaus größte Majorität der unselbständigen Arbeiter enthalten, deren Arbeitsertrag noch einem zweiten Abzug zugunsten des »Unternehmergewinns« unterliegt — kraft der wirtschaftlichen Verhältnisse, auf welche mein zweites Referat sich beziehen wird. So ergibt sich also eine starke Herabsetzung des sonst möglichen durchschnittlichen Niveaus der Lebenshaltung der breiten Volksschichten. Je weniger nun die herabgesunkene Lebenshaltung der Ärmsten ihnen noch einen indirekten Vorteil von der Steigerung des Wohlstandes der Reichen übrig läßt, desto mehr gewinnt ihre fortdauernde Beitragsleistung zur Zinsquote des Gesamtvermögens die Bedeutung und den Charakter der reinen Frone.
Weitere sehr verhängnisvolle Wirkungen ergeben sich auf Grund des Umstandes, daß von der Gesamtsumme, die zur Verzinsung des Nationalvermögens jährlich aufgebracht wird, ein sehr beträchtlicher Teil auf eine relativ ganz geringe Zahl von bevorzugten Nutznießern entfällt, den Eigentümern der sehr großen Vermögen, und dadurch diesen ein Einkommen verschafft, welches über die Bedürfnisse selbst einer sehr erhöhten Lebenshaltung weit hinausgeht. Die Millionäre sind aber meist sparsame Leute, die den Überschuß nicht zu vergeuden oder zu verschenken pflegen. Von jenen großen Einkommen gelangt daher nur ein Teil zum Verbrauch, der andere — häufig größere — Teil wird zurückgelegt und figuriert am Schluß des Jahres in dem Zuwachs des Nationalvermögens, der für das nächste Jahr mit zu verzinsen ist. Von Jahr zu Jahr wiederholt sich dieser Vorgang. Dadurch wächst das Nationalvermögen, also auch dessen Zinsabwurf, fortwährend rascher als der effektive Ertrag der gesamten nationalen Arbeit wächst, und die Tributquote, welche die Gesamtheit der Arbeitenden der Gesamtheit der Besitzenden zu leisten hat, wird stetig größer. Gleichzeitig aber muß dabei die Ungleichmäßigkeit der Verteilung sowohl von Einkommen wie von Besitz immer weiter zunehmen, und von Jahr zu Jahr ein immer größer werdender Teil der gesamten Tributsumme dem kleinen Prozentsatz der Reichen zufließen. Dabei aber wird die gesamte Wirtschaftstätigkeit des Volkes — gleichfalls in immer steigendem Maße — dadurch gelähmt, daß fortgesetzt ein großer Teil des effektiven jährlichen Arbeitsertrages der Gesamtheit dem Konsum vorenthalten, dem wirklichen Gebrauch entzogen bleibt.
Die Konstatierung dieser verschiedenen Folgen der gegenwärtigen Wirtschaftseinrichtungen fordert die Fragen heraus: sind diese Einrichtungen sittlich gesund? — sind sie gerecht und vernünftig? — sind sie notwendig und unabänderlich?
Sind sie sittlich gesund? — Nein!
»Im Schweiß deines Angesichts sollst du dein Brot essen!« ist nicht nur ein Bibelwort, es ist zugleich der treffendste Ausdruck tiefer sittlicher Wahrheit. Hierüber noch ein Wort zu verlieren scheint mir überflüssig, solange ich nicht den gesehen habe, der den Mut haben wird, beweisen zu wollen: es gehöre zu den Bedingungen einer sittlichen Gesellschaftsordnung, daß solche vorhanden sein müßten, die ohne irgend einen anderen Vorzug, bloß weil sie ein genügend großes Vermögen irgendwie erworben oder ererbt haben, berechtigt sind, ohne alle eigene Arbeit in begünstigter Stellung zu leben, nicht etwa von diesem Vermögen, mittelst dessen Verwendung, sondern durch dieses Vermögen, ohne Minderung seiner Substanz, allein von der Arbeit anderer.
Sind, diese Einrichtungen gerecht und vernünftig? — Nein, wiederum ohne jedes Wenn und Aber!
Von Gerechtigkeit in der Zinswirtschaft könnte nur dann die Rede sein, wenn bei ihr der Leistung des einen Teils irgend eine entsprechende Gegenleistung des andern Teils gegenüberstände. So war es in der Tat einmal — vor 200 oder 300 Jahren, also just zu der Zeit, da ein naives Rechtsbewußtsein Zinsnehmen schlechthin als »Wucher« stempelte. Zu dieser Zeit hatte der Zins als Gegenleistung die Übernahme einer besonderen Verlustgefahr, welcher das Eigentum dann ausgesetzt wurde, wenn der Eigentümer es aus seinem Besitz heraus in die Hand eines anderen gab. Heute ist es gerade umgekehrt. Wenn einer eine Million in natura selbst aufbewahren wollte, so hätte er damit nicht nur viel größere Last, sondern auch zehnmal größere Verlustgefahr zu übernehmen, wie wenn er sein Eigentum gegen sichere Hypothek oder unter gleichwertigen Garantien andern behufs wirtschaftlicher Nutzung übergibt. Soweit Leistung und Gegenleistung in Frage kommt, würde also eher umgekehrt der andere eine Aufbewahrungs-Prämie verdienen. Und das gleiche gilt auch für das Verhältnis von Grundbesitzer und Pächter. Denn wenn jemand ein Landgut nicht selbst bewirtschaften kann oder will, so würde er, wenn sich kein Pächter dafür fände, es nicht einfach brach liegen lassen können, ohne einer raschen Entwertung seines Besitzes durch Verlust der Kultur u. dergl. ausgesetzt zu sein. Um ohne Nutzung, nur unvermindert, den Besitz zu erhalten, hätte er erhebliche laufende Aufwendungen zu bestreiten, von welchen derjenige ihn befreit, der das Landgut in Verwaltung nimmt, um es später dem Besitzer unvermindert wieder abzuliefern. Unter dem Gesichtspunkt von Leistung und Gegenleistung verdiente also auch der Pächter eine Aufbewahrungsprämie. Die vorhin in Rechnung gesetzen 3 Prozent Zins beziehen sich aber gerade auf diejenigen Nutzungsformen des Eigentums, die weder Mitarbeit des Eigentümers noch Verlustrisiko einschließen, auf die »mündelsichern« Kapitalanlagen.
Der einzelne handelt natürlich durchaus loyal und korrekt, indem er seinen Besitz nur gegen den marktgängigen Zins der Nutzung eines ändern überläßt, denn er, als einzelner, gewährt damit dem andern einzelnen in der Tat Vorteile, die er sonst nicht haben würde. Die Gegenleistung aber, die er in Form von Zins, Pacht usw. dafür empfängt, ist unter dem volkswirtschaftlichen Gesichtspunkt nur das Kennzeichen der Zwangslage, in welcher die Arbeit dem Besitz gegenüber insofern sich befindet, als die Wertobjekte des Gesamtvermögens als Mittel produktiver Arbeit absolut unentbehrlich sind. Diese Zwangslage allein ergiebt das Resultat, daß auch die risikofreie, pfandsichere Vermögensanlage, statt eine Aufbewahrungsprämie zu erfordern, eine Abgabe einbringt. So klar es nun einerseits ist, daß in der Zinswirtschaft ein redliches Verhältnis zwischen den einzelnen besteht, so sicher ist es anderseits, daß kraft derselben die Gesamtheit der Besitzenden als solche die Gesamtheit der Arbeitstätigen als solche bewuchert. Denn »die Zwangslage eines andern benutzen, um sich Vorteile auszubedingen, welche außer Verhältnis zu den Leistungen stehen«, ist der richtige, anerkannte Begriff des Wuchers.
Die soziale Ungerechtigkeit dieses Verhältnisses wird leider verdunkelt durch eine eigenartige Verunstaltung, welche der Eigentumsbegriff im Kreise derjenigen allmählich erfahren hat, deren Lebenshaltung ganz oder doch in erheblichem Grad von ihrem Anteil am Zinsertrag des Nationalvermögens abhängig geworden ist. Im Kreise der Besitzenden — aber auch nur in diesem — wird nämlich der ursprüngliche, in sich selbst gegebene Wert von Besitz und Vermögen, sein Verbrauchswert, schon gar nicht mehr gewürdigt, sondern eigentlich nur noch der sehr bedingte und sekundäre Nutzungswert. Man schätzt hier den Besitz tatsächlich nicht mehr als Verwendungsfonds für eine erhöhte Lebenshaltung, als unmittelbare Quelle von Genüssen und Vorteilen aller Art, sondern fast nur noch als »Unterlage« der Lebenshaltung, nach dem, was er ohne Verwendung »abwirft«, und es muß einem erst ein rechtes Stück seines Vermögens gestohlen worden oder sonst verloren gegangen sein, damit er merke, daß er noch etwas mehr verloren hat als zukünftige Zinseinnahmen. Anders ist der Maßstab noch bei dem kleinen Mann, dem Arbeiter, Bauer, Handwerker, der vor 50 Jahren seine ersparten Taler oder Gulden in den Strumpf zu stecken gewohnt war. Auch er trägt zwar seine Ersparnisse jetzt lieber in die Sparkasse oder legt sie sonstwie an, weil er eingesehen hat, daß er sie so viel bequemer und sicherer aufbewahrt. Die paar Mark Zinsen, die er dabei bekommt, sind ihm aber ganz Nebensache. Er schätzt seinen Besitz durchaus unter dem Gesichtspunkt der Frage: Wie lange kann ich es damit aushalten, wenn ich krank oder arbeitslos werden sollte? — was kann ich mir nötigenfalls dafür kaufen? — was kann ich dafür meinen Kindern zuwenden? Das allein aber ist noch der richtige, ehrenwerte Eigentumsbegriff, dessen hohe sittliche, kulturbildende Bedeutung die rechtliche Forderung der Unantastbarkeit des Eigentums ausschließlich begründet. Die üblich gewordene Wertschätzung des Vermögens bei den Reichen aber, nach der Größe des daraus abzuleitenden Tributanspruchs an die Arbeit anderer, gehört ganz und gar zu den Symptomen der zunehmenden plutokratischen Entartung der Rechtsbegriffe, von welcher ich im Fortgang meines Referats noch mehrmals zu reden haben werde.
Nicht besser wie mit der Gerechtigkeit ist es in dem Zinswesen mit der Vernunft bestellt. Als beständiger Faktor der Volkswirtschaft gedacht, ist es voll innern Widersinns und trägt den Keim unabwendbarer Zerstörung in alles, was dauernd zu beherrschen ihm gelingen sollte.
Das Beispiel von dem Pfennig, der, seit Christi Geburt zu ganz niedrigem Zinsfuß auf Zins liegend, heute den Wert eines Goldklumpens gewonnen haben müßte, schwerer als alles Gold der Erde zusammengenommen, erläutert die physische Unmöglichkeit dauernden Fortbestehens von Einrichtungen, kraft welcher Vermögen und Besitz die Eigenschaft haben sollen, in geometrischer Progression anzuwachsen, also, wie niedrig der Koeffizient dieses Wachstums mit der Zeit auch werden möchte, doch mehr und mehr alles zu absorbieren, was als menschliche Arbeit und Gütererzeugung unter den Daseinsbedingungen auf unserem Planeten steht — deren Beschränktheit doch einstweilen nur in kühnen Phantasieen als aufgehoben erscheint. Nach dem vorhin gesagten muß das Fortbestehen solcher Einrichtungen schon in absehbarer Zeit dem wachsenden Nationalvermögen rein fiktive Werte einfügen, die nichts anderes mehr sind als Anweisungen auf den Arbeitstribut zukünftiger, noch ungeborener Geschlechter.
Elimination des Zinswesens aus dem Wirtschaftssystem der Völker ist daher die Voraussetzung für eine haltbare, nicht auf völlige Desorganisation hinsteuernde Wirtschaftstätigkeit.
Hieran knüpft sich nun die dritte Frage: ist dieses möglich? — oder sind etwa die vorher betrachteten Übel unabänderlich — außer unter Aufhebung des privaten Kapitalbesitzes?
Widersinnig wäre es, den Eigentümern von Vermögen das Zinsnehmen etwa gesetzlich verbieten zu wollen. Denn damit würde der wichtigste Antrieb zur Darbietung des Besitzes für die Zwecke der wirtschaftlichen Arbeit beseitigt und jede natürliche Regelung seiner Benutzung aufgehoben sein. Sonach könnte es allerdings scheinen, als ob bei Fortbestehen des privaten Kapitalbesitzes das Wirtschaftssystem der Desorganisation verfallen müsse, beim Zinsnehmen durch den Zins und bei Beseitigung des Zinsnehmens durch dessen Aufhebung.
Den Ausweg aus diesem Dilemma zeigt aber das schlichte Wort: Gebt dem Kaiser was des Kaisers ist!
Das soll besagen: Nach wie vor wolle jeder, der ein nutzungsfähiges Stück des Nationalvermögens inne hat, den Nutzertrag desselben einziehen. Er wolle dabei aber sich erinnern, daß sein Vermögensstück nicht an sich selbst solchen Ertrag liefert, sondern nur als Teil eines »Nationalvermögens«, nur kraft seiner Einfügung in den Betriebsfonds der Volkswirtschaft eines betriebsamen, arbeitstüchtigen Volkes mit wohlgeordneten Staatseinrichtungen. Deshalb wolle er diesen Ertrag, soweit er reiner Zinsertrag ist, nicht als ihm, dem zufälligen Eigentümer, zukommend ansehen und für sich in Anspruch nehmen, sondern ohne Murren ihn abliefern an den, der der eigentliche Urheber und Eigentümer dieses Ertrages ist — an den Staat.
Die menschliche Gesellschaft unter der Form des Staates ist in der Tat mehr als ein Haufe zusammengewürfelter Individuen, gleich den Körnern in einem Sandhaufen. Wie im lebendigen Organismus die Zellen kraft ihres Zusammenhangs und ihrer Wechselwirkung mit Millionen von anderen Zellen Funktionen ausüben, welche sie nicht auszuüben vermöchten für sich, als selbständige, einzelne Zellen außerhalb des Organismus, so gewinnen auch in der organisierten menschlichen Gesellschaft Besitz und Arbeitskraft des einzelnen als Elemente des Nationalvermögens und der nationalen Arbeitskraft eines Volkes Kräfte und Funktionen, die ihnen nicht an sich zukommen. Ergebnis und Erfolg dieser Funktionen fallen nicht unter das Eigentumsrecht des einzelnen, weil sie nicht Ausfluß des Eigentums selbst sind, vielmehr, richtig betrachtet, Ausfluß der Gesellschaftsorganisation, Ergebnis und Erfolg der Staatsinstitutionen. Sie gehören also von Rechts wegen dem Staat.
Illustriert wird dieses Verhältnis durch den sehr bezeichnenden Umstand, daß aller Besitz, damit er als Zinsgut fungieren könne, ohne eigene Tätigkeit des Inhabers und ohne daß die Herausgabe an einen andern ihn in Frage stellt, immer erst in ein Stück Papier verwandelt werden muß. Pacht- oder Mietsvertrag, Pfandurkunde oder Staatsschuldschein sind die unentbehrlichen Vehikel, welche allein arbeitslosen Vermögensertrag dem Eigentümer zuführen können. Im Naturzustand gibt es dergleichen nicht; es muß erst ein Staat da sein, in dessen Obhut und Verwahrung der Besitz gegeben werden kann, wenn ein anderer seine wirtschaftliche Nutzung übernehmen soll. Dafür zeugt das »Papier«.
Das gesagte begründet unter dem sozialen und dem rechtlichen Gesichtspunkt die vorhin ausgesprochene Anforderung an die Gesetzgebung: in Form einer Vermögenssteuer den Zinsertrag des Nationalvermögens, den die Besitzträger der einzelnen Stücke regelmäßig einheben, für den Staat heranzuziehen und — abgesehen von der Ansammlung eines beschränkten Reservefonds — fortgesetzt zur Aufwendung zu bringen durch Bestreitung der jetzigen Staatsausgaben aus dieser Einnahmequelle und durch Übernahme neuer größerer Aufgaben, in welche einzutreten das Gemeinwohl dringend fordert.
Wir erleben jetzt das klägliche Schauspiel, daß die Gesetzgeber des Reichs und der Einzelstaaten in allen Winkeln herumsuchen: wo etwa noch »was Steuerbares« zu finden sein möchte, und allerlei Sophismen helfen müssen, das Gewissen zu beschwichtigen, welches angesichts feierlicher Zusagen sich dagegen sträubt, daß immer wieder »die Masse es bringen« müsse. Hier liegt das gesuchte Steuerobjekt: das Nationalvermögen Deutschlands, bei welchem in der Tat »die Masse es bringt«, das Gewissen sich aber nicht dagegen zu sträuben braucht! Denn es ist ein Steuerobjekt, dessen Ertrag nur wegen der Einfachheit und im Interesse ganz ungestörten Fortbestehens aller eingelebten Formen der Wirtschaftstätigkeit in der Form von »Steuer« erhoben werden muß, in Wahrheit aber schon vorher, in seinem Entstehen, ursprüngliches, rechtmäßiges Eigentum des Staates war, also nicht dem abgefordert werden muß, was der einzelne im Nettoertrag seiner eigenen Arbeit selbst erworben hat.
Gemäß dem sozialpolitischen Gesichtspunkt, unter welchem in meiner Betrachtung das Steuersystem gedacht ist, hätte der Staat grundsätzlich den ganzen Zinsertrag des Nationalvermögens in Anspruch zu nehmen und demnach, den Steuersatz für Vermögen jeder Art um so näher an den jeweiligen, durch Hypothekenzins und Bodenrente gekennzeichneten Zinsfuß für risikofreie Kapitalanlage heranzuführen, je mehr die Steuerobjekte vom Charakter des Sparguts und der Betriebsmittel privater Lebensführung sich entfernen. Nur wegen des sozialen Interesses der Allgemeinheit an der Erleichterung des Ansammelns kleiner Vermögen würde der Staat solchen gegenüber auf seinen Anspruch ganz oder teilweise verzichten. Im übrigen könnte zwischen den verschiedenen Vermögensarten ein Unterschied nicht anerkannt werden. Denn hinsichtlich der Bedeutung des Eigentumstitels ist gegenwärtig alles gleichwertig, wie auch stets das eine in das andere ohne weiteres verwandelt werden kann. Grund und Boden haben zwar auch jetzt noch ihre ganz spezifische Bedeutung als einziges ursprüngliches, von der Natur selbst gegebenes Produktionsmittel und als letzte Kraftquelle für alle wirtschaftliche Tätigkeit; das Eigentum an Grund und Boden aber ist mit der Aufhebung von Leibeigenschaft und Hörigkeit ein Eigentum wie jedes andere geworden. Solange diese bestanden, war allerdings der Eigentümer von Grund und Boden vor allen andern Eigentümern dadurch ausgezeichnet, daß die Zahl seiner Arme immer ungefähr proportional war der Größe seines Besitzes, er also jedes beliebig große Stück selbst, mit seinen eigenen Armen, gerade so nutzen konnte wie der Bauer seinen kleinen Acker. Seit jeder nur noch zwei eigene Arme hat, ist auch, der Grundbesitzer, wenn er nicht Kleinbauer ist, wirtschaftlich und rechtlich nur Unternehmer, der wie jeder andere Unternehmer darauf angewiesen ist, mit Hilfe fremder Personen zu produzieren. — »Gebt dem Kaiser was des Kaisers ist!« muß also allen gegenüber gelten.
Die Wirkungen der hier in Betracht gezogenen Maßregel würden auf wirtschaftlichem Gebiet für die einzelnen zunächst und unmittelbar nur darin in die Erscheinung treten, daß die Beseitigung der indirekten Steuern — von reinen Schutzzöllen natürlich hier abgesehen — und die Beseitigung der eigentlichen Einkommensteuer alles Arbeitseinkommen jeder Art um den jetzigen Betrag dieser Steuern entlasten würde. Dieses Arbeitseinkommen bliebe das natürliche Steuerobjekt für die Gemeinden und käme für Staat und Reich nur subsidiär in Betracht für den Fall, daß mit der Zeit ein starkes Herabgehen des Zinsfußes, also eine Verbilligung des Kapitals, ohne ausgleichende Vermehrung des ganzen Nationalvermögens eintreten sollte — was übrigens wohl, außer in Krisen, schwerlich zu gewärtigen steht.
Schon diese direkte Entlastung des Arbeitseinkommens würde für die unteren Volksschichten eine sehr erhebliche Bedeutung haben. Viel höher aber werden die Wirkungen anzuschlagen sein, welche man zu erwarten hat von der Belebung und Steigerung der ganzen Wirtschaftstätigkeit des Volkes, die dadurch eintreten muß, daß große, jetzt dem Konsum vorenthaltene Summen durch den Staat zur Verausgabung gebracht werden.
Die Aktion des Staates auf der anderen Seite würde unter wesentlich veränderte Bedingungen gestellt sein. — Solange alle Einnahmen in der Hauptsache auf Abzüge vom Arbeitseinkommen angewiesen sind, welches für die weitaus große Mehrzahl aller Steuerzahler nicht über die Anforderungen der Lebenshaltung hinausgeht und in dieser also aufgebraucht wird, ist die möglichste Sparsamkeit in allen Ausgaben allerdings dringend geboten. Hat dagegen der Staat seine selbständige Einnahme und hat er diese behufs Erfüllung sozialer Anforderungen auch aufzubrauchen, so würden die Ausgaben nach dieser eigenen Einnahme sich zu richten haben und auch sogenannte »unproduktive« Aufwendungen, sofern sie nur dem Gemeinwohl dienlich sein können, nicht nur vernünftig, sondern unter Umständen direkt geboten sein. Der Ertrag der ins Auge gefaßten Vermögenssteuer würde nun in jedem Falle weit hinausgehen über die Gesamtsumme aller gegenwärtigen effektiven Ausgaben in Reich und Einzelstaaten zusammengenommen. Es würden also Reich und Einzelstaaten mit der Umgestaltung des Steuersystems die Mittel zur Erfüllung neuer großer Aufgaben gewinnen.
Und dieses würde sicher nicht zu früh kommen! Denn es ist hohe Zeit, daß auch der Staat selbst auf ein höheres Niveau der Lebensführung gelange als das jetzige ist — welches, dicht am Existenzminimum stehend, durchaus vergleichbar erscheint dem Lebensniveau seiner Proletarier. Nicht zu reden von der Förderung feinerer Kulturinteressen, in welcher Deutschland seit einem Jahrzehnt in immer bedenklicher werdendem Grade in Rückstand kommt, gilt es vor allem, die zahlreichen Augiasställe auszufegen, deren Fortbestehen als Quellen physischen Elends und moralischer Erniedrigung ein Schandfleck ist auf dem Schild eines großen Kulturvolkes. Es gilt, Millionen von Bürgern noch rechtzeitig vor völliger physischer und sittlicher Verkommenheit zu retten, mit welchen das Wohnungselend in den Industriestädten und in gewissen Bezirken des platten Landes, die zahlreichen Hungerindustrien, die es in Deutschland gibt, und ähnliche Ursachen sie bedrohen. Also Aufgaben genug auch für den zukünftigen reichen Staat!
Niemand kann behaupten wollen, daß ein Steuersystem auf solcher Grundlage steuertechnisch undurchführbar sei. Denn Vermögensteuer besteht längst in vielen Ländern, in einigen kleinen Staatswesen sogar in einer Höhe bis 1 Proz., in welcher sie eine soziale Bedeutung schon zu gewinnen anfängt. Genau so wie man in der »Ergänzungssteuer« 1/2 pro Mille einheben kann, ließe sich auch 3 Proz. einheben.
Die Härten zu vermeiden, welche in der Übergangszeit eintreten würden dem Spargut und den kleinen Vermögen gegenüber, welche von Arbeitstätigen angesammelt wurden noch unter der Wirkung eines stark verkürzten Nettoertrages der Arbeit — dazu gäbe es viele Wege.
Auch dem andern praktischen Einwand, den man gewiß zuerst erheben wird: daß bei starker Besteuerung des Vermögens, wofern das gleiche nicht auch anderwärts geschieht, die Reichen aus dem Lande gehen würden, kann ich eine ernstliche Tragweite nicht zugestehen. Es mag ja sein, daß unter diesen manche eilen würden, den Staub deutschen Bodens von ihren Pantoffeln zu schütteln, wenn auf ihm kein völlig arbeitsloses Einkommen mehr wachsen wollte — und dann ginge der rechnungsmäßigen Ziffer des Nationalvermögens eine gewisse Summe in der Tat verloren und dem Abwurf der Vermögensteuer der entsprechende Betrag. Der Staat als solcher verlöre aber dabei nichts was er jetzt hätte und die Volkswirtschaft nichts was wirklich einen produktiven Wert besitzt. Denn die Objekte dieser letzteren Art sind nicht transportabel und können nicht mit auswandern wie das mobile Kapital. Zu gewärtigen wäre also höchstens ein Defizit im flüssigen Betriebsfonds der Volkswirtschaft. Ein Staat indes, der seine Finanzen auf eine so feste Grundlage gestellt hätte wie es mit dem Aufruf des ganzen Nationalvermögens zur Steuerquelle geschähe, würde einen unermeßlichen Kredit besitzen und zur vorläufigen Ergänzung seines Betriebsfonds beliebig große Summen aus der Fremde geborgt bekommen, die dann doch nur so lange zu verzinsen wären, bis der Abgang sich wieder ersetzt hätte.
Endlich aber ist es auch kein Mangel, sondern ein deutlicher Vorzug der reinen Vermögensteuer, daß sie zum Unterschied von allen Einkommensteuern zugleich die Wirkung einer richtigen und kräftigen Luxussteuer insofern ausüben muß, als bei ihr alle Steuerobjekte zu veranschlagen sind nach dem marktgängigen Nutzungswerte, den sie objektiv als Mittel der Gütererzeugung haben, wenn sie wirtschaftlich benutzt werden, und den sie auch dadurch nicht einbüßen, daß der Eigentümer aus subjektiven Gründen sie zeitweilig nicht so benutzt oder benutzen lassen will. Darin nun: wirtschaftlich wertvolle Stücke des Nationalvermögens — wie z. B. Grund und Boden, Gebäude u. a. m. — dem Dienst der nationalen Arbeit zu entziehen zum Zweck rein persönlichen Gebrauchs, ist derjenige Luxus gegeben, dem als Luxus eine volkswirtschaftliche und soziale Bedeutung allein zukommt und der unter dem Gesichtspunkt von Luxus auch allein ein würdiges Steuerobjekt abgibt. Den »edlen« Luxus dabei zu schonen macht keine Schwierigkeit. Denn dieser ist schon äußerlich daran zu erkennen, daß er nicht egoistisch ist, sondern Quellen höheren Lebensgenusses vielen zugänglich machen will. — Es mutet sonderbar an, aus Anlaß der landesüblichen Suche nach »Steuerbarem«, in unseren Parlamenten fortwährend die ebenso folgerichtigen wie menschenfreundlichen Argumentationen zu vernehmen, die damit beginnen, für Luxus alles zu erklären, was zum Leben nicht unbedingt erforderlich, worin also Einschränkung ohne Schaden möglich — und damit enden, als steuerbaren Luxus nicht etwa dasjenige zu bezeichnen, was zu einer schon gehobenen Lebenshaltung entbehrlich, sondern vielmehr solche Dinge, die den Massen, d. h. hauptsächlich den Armen, zum Leben nicht unbedingt erforderlich sind — obwohl darin für viele fast das — einzige von Genüssen, Reizen usw. gegeben ist, was ihre physische Lebenshaltung von rein animalischem Dasein unterscheidet. Indem man diese Dinge als angeblich entbehrlich besteuern will, aber nicht etwa um den Luxus einzuschränken, sondern um Geld zu bekommen, setzt die Absicht sich in logischen Widerspruch mit der Voraussetzung; denn wenn das angeblich entbehrliche wirklich entbehrlich wäre, könnten die Steuern nichts einbringen.
Niemand aber darf, angesichts des gegenwärtigen Vorschlags, auf die Wahrung der »idealen Güter« der Gesellschaft sich berufen wollen, wie es gegenüber dem Enteignungsprogramm der Sozialdemokratie mit mehr oder weniger Recht geschehen mag. Er müßte sich sonst sagen lassen, sein Ideal sei das heckende, sich selbst vermehrende Geld — was allerdings ein sehr ideales Ding insofern ist, als in Wirklichkeit dergleichen nicht existiert. — Weder die Reichen, die für jede Million ihres Vermögens sei es z. B. 30000 Mk. an den Staat jährlich zu geben hätten, noch die Armen, welche dabei in ihrer Lebensführung erleichtert würden, brauchten deshalb irgendwie weniger gottesfürchtig, kirchlich und monarchisch gesinnt zu sein als sie es jetzt sein mögen. Und der reiche Mann bliebe nach wie vor derselbe reiche Mann, der alle Vorzüge erhöhter Lebenshaltung und alle Mittel zur Betätigung sittlich wertvoller Privilegien des Reichtums in Wohltätigkeit, Freigebigkeit und edlem Luxus behielte — mit dem einzigen Unterschied, daß er jetzt diese Mittel entweder in dem Ertrag seiner eigenen Arbeit oder in der Substanz seines Vermögens zu finden hätte — wie es vordem doch auch gewesen ist.
Die Unantastbarkeit des Eigentums, als strenge Rechtsforderung, gebietet, den Mantel der Verjährung über die Wege zu decken, auf welchen eine Hauptursache der jetzigen sozialen Übel, die exorbitante Größe vieler Einzelvermögen, entstanden ist. Soweit einmal diese Wege außerhalb des Gesichtskreises der lebenden Generation liegen, darf also nicht mehr untersucht werden, wieviel von solchen großen Vermögen durch redlichen Erwerb irgend einer Art, wieviel durch blutige Gewalttat, durch »Bauernlegen«, durch Arglist und Betrug oder durch schnöden Wucher zusammengebracht sein mag. Alles muß als jetzt unanfechtbares Eigentum der jetzigen Besitzer anerkannt werden. Keine Rücksicht des Rechts aber verbietet, Einrichtungen zu verändern, auf Grund welcher die Ungleichmäßigkeit der Besitzverteilung fortgesetzt immer neue Übel erzeugt. Wieviel immer von den Institutionen des Staates und der Gesellschaftsordnung jemand zu den sakrosankten und unberührbaren Dingen rechnen mag — die konkreten Gesetze, welche die Wirtschaftstätigkeit gemäß den Anforderungen des Gemeinwohls regeln sollen, gehören ganz gewiß nicht zu ihnen, und zu allerletzt das Steuersystem.
Dem Staat gegenüber hat nun niemand ein Recht auf zukünftige Vorteile, welche das Fortbestehen von gewissen Einrichtungen ihm bringen würde, oder ein Recht auf dieses Fortbestehen, weil es ihm bisherige Vorteile erhalten würde. Sollte aber etwa unter dem Namen des Rechts das Klasseninteresse derjenigen Stände und Volkskreise, welchen die gegenwärtigen Einrichtungen zu besonderem Vorteil gereichen, ins Feld geführt werden — dann müßte man auch die Frage aufwerfen: was ist das Deutsche Volk? Sind es die paar Tausende, welche als Nachkommen ehemaliger Feudalherren oder als deren Auskäufer und Hypothekengläubiger die Besitztitel an großen Stücken deutschen Bodens inne haben? Sind es die paar Hunderttausende, welche als Erben des alten Wohlstandes der Städte oder durch Glück und eigene Tatkraft und begünstigt durch die bisherigen Wirtschaftseinrichtungen, zu mehr oder minder großem Reichtum gelangt sind?
Die richtige Antwort kann nur lauten: weder die einen noch die andern — sondern mit beiden zusammen auch noch von den fünfzig Millionen die neunundvierzig, die der weitaus größten Zahl nach in täglicher strenger Arbeit ihr Dasein vollbringen, mit meist ganz geringem persönlichen Anteil an den Gütern einer erhöhten Kultur, und die, jeder einzelne von ihnen bedeutungslos wie der Tropfen im Meer, doch in ihrer Gesamtheit das große Reservoir abgeben, aus welchem alle wirtschaftliche und geistige Aktion des Deutschen Volkes nicht minder wie die Verteidigung seines Bodens in letzter Reihe ihre Kraft schöpft — die breiten Schichten der namenlosen Geschlechter, zu welchen die oberen Stände, die Träger von Bildung und Wohlstand, sich verhalten nur wie Blüten und Früchte des Baumes zu Stamm und Wurzel, aus denen Blüte und Frucht ihre Nahrung ziehen.
Und damit ist gesagt, daß unter dem Gesichtspunkt des allgemeinen alle Stände gleichmäßig umfassenden Volkswohls kein Staatswesen eine wichtigere Aufgabe haben kann als die Sorge, Wurzel und Stamm seines Volkstums dauernd gesund und kräftig zu erhalten. Träten nun sowohl nackte Klasseninteressen allen Bestrebungen entgegen, welche auf Beseitigung der am Volkskörper nagenden sozialen Übel dringen, so würde damit die Vertretung dieser Bestrebungen unter die Fahne gestellt sein: Solidarische Volksinteressen gegenüber den Prätentionen bevorzugter Stände!
Angesichts des immer deutlicher hervortretenden Kampfes der Sonderinteressen um die Klinke der Gesetzgebung in Deutschland, scheint es in der Tat Zeit zu sein, daß eine politische Partei, die eine »Volkspartei« sich nennt, ihre Bemühung um Einwirkung auf die Gesetzgebung deutlich unter diese Fahne stelle und in diesem Sinne die hier angeregte Reform der Steuergesetzgebung in ihr Programm aufnehme.
Gegenwärtig könnte dieses auch durch keine andere als eine politisch radikale Partei geschehen — radikal in dem Sinne: durch keine Rücksichten gehindert sein, erkannten Übeln an die Wurzel zu gehen und nicht Halt machen müssen vor, irgend einem noli me tangere. Alles was heute rechts von uns steht, ist als Partei unter den gegenwärtigen Umständen durchaus unfähig, wirkliche soziale Reformen in die Hand zu nehmen, weil jeder Versuch dieser Art hoffnungslos bleibt, wenn er von Anfang an innerer Folgerichtigkeit entsagen müßte. Alle diese anderen Parteien aber brauchen einstweilen noch privilegierte Stände als ihnen unentbehrlich scheinende »Stützen von Thron und Altar«. Wenn nun auch in konservativen Kreisen — wie allerlei Erscheinungen in der konservativen Presse erkennen lassen — neuerdings ein sehr bemerkenswertes Verständnis für die Absurditäten in unserer Wirtschaftsordnung zu finden ist, soweit sie in Industrie und Handel zum Vorschein kommen, so nützt dieses doch sehr wenig. Den Industrie- und Finanzbaronen von ihren Privilegien manches abzuknöpfen, wäre man in diesen Kreisen schon bereit; käme aber einer, der meinte, die Konsequenzen solchen Vorgehens dürften auch die Landbarone nicht unberührt lassen, so würde es gleich heißen: ja, Bauer, das ist was ganz anderes! — Von dieser Seite ist also nur hartnäckiger Widerstand zu erwarten.
Gegenüber der Sozialdemokratie, anderseits, würde die Aufstellung eines derartigen Programms — zumal wenn ihm noch einiges hinzugefügt würde, was ich in der Fortsetzung meines Referats beizubringen gedenke — den Beginn einer wirksamen und ehrlichen Bekämpfung bedeuten. — Mit Polemik sie bekämpfen zu wollen, ist ein vollkommen nutzloses, sogar schädliches Unternehmen. Durch geistreiche Parodie ihrer Glückseligkeitstheorien kann man zwar die Lacher auf seine Seite bringen und damit den Philister höheren und niederen Standes über den Ernst der Sache hinwegtäuschen, indem man ihn glauben macht, daß es sich nur um solche »Theorien« handele — der unwiderstehlichen Kraft der Kritik aber, welche die Sozialdemokratie an Einrichtungen und Zuständen übt, kann man damit nicht um ein[en] Deut Abbruch tun. Denn diese Kritik hat nicht Meinungen und Theorien zum Gegenstand, sondern Tatsachen. Tatsachen aber schafft man nicht aus der Welt durch noch so geschickte Dialektik, vielmehr, wenn man sie nicht mehr ableugnen kann, nur durch Beseitigung der realen Ursachen, auf welchen sie beruhen.
So empfehle ich also der Freisinnigen Volkspartei meinen früher ausgesprochenen Antrag noch speziell als Waffe zur wirklichen Bekämpfung der Sozialdemokratie.