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Anhang.

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Den beiden Vorträgen über »Steuersystem« und »Arbeiterschutz«, die E. Abbe auf Grund einer stenographischen Nachschrift nachträglich selbst für den Druck ausgearbeitet und auch als Broschüre (Jena, Bernh. Vopelius 1894. Vergriffen.) veröffentlicht hat, folgte noch ein drittes Referat über »Volksbildung«. Bei diesem verhinderte er eine Nachschrift als überflüssig, weil er sich besonders sorgfältig vorbereitet hatte und daher des Wortlautes für eine spätere Drucklegung durchaus sicher glaubte. Zu einer solchen ist er aber aus verschiedenen Gründen nicht gekommen und damit ist eine eingehende Kenntnis seiner Ideen über diese wichtige Frage unmöglich gemacht.

Als Ersatz werden deshalb hier die Stellen aus E. Abbes »Entwurf zu einem Statut der Carl Zeiss-Stiftung« und den »Motiven und Erläuterungen zum Entwurf eines Statuts der Carl Zeiss-Stiftung« wiedergegeben, die seine Ansicht über Volksbildung in gedrängter Form zum Ausdruck bringen. Die Wiedergabe dieser Abschnitte scheint auch deshalb angezeigt, weil das am Schlusse des vorliegenden Bandes in seiner endgültigen Fassung abgedruckte Statut über diesen Gegenstand nichts enthält; denn Abbe hat sich den Bedenken angeschlossen, welche von seinen Freunden gegen die praktische Ausführbarkeit seiner dahingehenden Absicht erhoben waren und auf Verwirklichung seines Planes durch die Organe der Carl Zeiss-Stiftung verzichtet.

Hierzu mag noch bemerkt werden, daß nach Abbes Hinscheiden der von ihm gehegte Plan von jüngeren Freunden ohne Kenntnis dieser Vorgänge als gewiß in seinem Sinne liegend aufgenommen und die Verwirklichung durch eine von ihnen begründete, aus freiwilligen Beiträgen seiner Freunde und Verehrer zu dotierende »Ernst Abbe-Stiftung« angebahnt wurde.

Der Herausgeber.

Aus »Entwurf zu einem Statut der Carl Zeiss-Stiftung

(als Manuskript gedruckt, d. d. Lugano, Mai 1895)«:

§ 80.

Eine Verwendung von Stiftungsmitteln zum Vorteil einzelner bestimmter Personen soll unter dem Titel des zweiten Absatzes sub B in § 1 gänzlich ausgeschlossen sein, außer für den einen Fall, daß es geschieht, um Söhnen des Arbeiterstandes die Wege zu höherer Ausbildung zu eröffnen — aber abseits von jeglicher Wohltätigkeitsidee, allein unter dem Gesichtspunkt: Talent und geistige Kraft in den unteren Volksschichten, welche mangels der Möglichkeit genügender Ausbildung dem Dienst der größeren Aufgaben im wirtschaftlichen und öffentlichen Leben der Nation fortgesetzt verloren gehen, zum Vorteil des Gemeinwohls für diesen Dienst quasi zu rekrutieren und damit zugleich den oberen Volkskreisen, der Leitung der wirtschaftlichen und öffentlichen Angelegenheiten, solche Elemente zuzuführen, die noch vermöge der eigenen Lebenserfahrung mit den arbeitenden Klassen Fühlung haben und die kastenartige Scheidung der Berufsstände in ihren Personen durchbrechen können.

Für den Fall, daß die Carl Zeiss-Stiftung später reichlichere Mittel zur Verwendung nach außen verfügbar erhielte, soll der Stiftungsverwaltung besonders empfohlen sein, auch solcher Aufgabe nach dem Sinne des Stifters sich anzunehmen.

§ 81.

Die Stiftung möge alsdann junge Leute, die auf irgend einer Stufe des unteren oder des mittleren Schulwesens nicht sowohl als sogenannte gute Schüler sich auszeichnen, als vielmehr, vielleicht ohne das zu sein, deutliche Anzeichen besonderer geistiger Kraft oder ungewöhnlichen Talents erkennen lassen, zu höherer Ausbildung heranzuziehen suchen. Sie wolle zunächst den Angehörigen solcher ausreichende Mittel anbieten, um ohne Opfer ihrerseits die Betreffenden auf einer geeigneten Schule erhalten zu können — möglichst lange im Kreise der eigenen Familie und jedenfalls unter Ausschluß von Pensionatserziehung irgend einer Art; und sie wolle dieselben nachher als »Stipendiaten der Carl Zeiss-Stiftung«, unter Gewährung einer nicht ärmlichen Sustentation und mit Belassung vollster Freiheit der Berufswahl ohne Gegenverpflichtungen, bis zum Abschluß einer ihren Neigungen und Fähigkeiten entsprechenden Ausbildung auf gelehrte oder technische Hochschulen oder sonstige höhere Lehranstalten entsenden.

Für die Auswahl solcher Stipendiaten soll nicht nur keinerlei territoriale Beschränkung bestehen, sondern im Gegenteil tunlichst weites Gebiet der Auslese besonders anzustreben sein. Es dürfen jedoch ausschließlich solche gewählt werden, deren Väter mit ihrer Hände Arbeit ihr Brot zu verdienen hatten — als industrielle Arbeiter, Kleinbauern, Kleinhandwerker oder dergl.

Aus »Motive und Erläuterungen zum Entwurf eines Statuts der Carl Zeiss-Stiftung

(als Manuskript gedruckt)«:

Zu §§ 80, 81.

Zur Erläuterung der in diesen Paragraphen angegebenen Richtschnur für etwaige Verwendung von Stiftungsmitteln zugunsten einzelner Personen bemerke ich folgendes:

Gemäß den — menschlich auch mir höchst achtenswerten — Absichten der bestehenden Einrichtungen zur Erleichterung der Ausbildung Unbemittelter würde einem solchen bei Gewährung eines Stipendiums oder dergl. immer zu sagen sein: »Du verdienst wegen deines Verhaltens oder wegen deiner Fähigkeiten, daß man dir zur Erlangung höherer Bildung und besserer Lebensstellung behilflich sei.« Im Sinne meiner Anordnungen aber müßte ihm vielmehr gesagt werden: »Du würdest wahrscheinlich glücklicher werden, wenn man dich in Ruhe ließe und in dem Stande, in welchem du geboren bist; denn dann würdest du, weil gescheiter als die Mehrzahl deiner Genossen, gegenüber deiner Umgebung von selbst einigen Vorsprung gewinnen und dann hinsichtlich des späteren Verhältnisses deiner Bedürfnisse zu den Mitteln für ihre Befriedigung und des Verhältnisses deiner Kräfte zu den Aufgaben, die dir zufallen, eines subjektiv größeren Überschusses dich erfreuen, als in einem höheren Lebensberuf meist der Fall sein kann. Aber — die Rücksicht auf das Gemeinwohl verlangt, daß man deine Kräfte für den Dienst von wichtigeren und schwierigeren Aufgaben zu gewinnen suchen muß, damit dieser Dienst nicht gänzlich angewiesen bleibe auf die allzu beschränkte Auswahl an über-mittelmäßigen Köpfen, die der Nachwuchs der Reichen für sich allein prästieren kann, usw.«

Die §§ 80, 81 markieren demnach, neben einer allem Eudämonismus abgewandten Lebensanschauung, den festen Standpunkt des Arbeitersohnes, dessen Vater nur mit größtem Widerstreben Wohltaten sich gefallen lassen mochte. Die Carl Zeiss-Stiftung soll also auch in diesem Punkt keine »milde« Stiftung sein.

Meine Ansicht ist nicht, daß eine Betätigung der Carl Zeiss-Stiftung in dieser Richtung, solange sie isoliert bleibt, gegenüber der Größe der Aufgabe eine nennenswerte praktische Bedeutung für das Gemeinwohl gewinnen könne. Was in diesem Punkt von einer einzelnen Stelle aus geschehen kann, wird immer »Tropfen auf einen heißen Stein« bleiben. Eine wirkliche Lösung kann das hier angedeutete soziale Problem erst dann finden, wenn einmal der Unterrichtsminister eines großen Staates begriffen hätte, daß es für das Staatsinteresse noch nicht genug ist, die nötigen vielen Millionen jährlich aufzuwenden, um höhere Unterrichtsanstalten aller Art auf bestem Fuß zu erhalten, sondern daß noch einige Millionen mehr dazuzulegen seien, um auch dafür geregelte Vorsorge treffen zu können, daß jene Anstalten just von denen benutzt werden müssen, an deren höherer Ausbildung allein dem Staat selbst etwas gelegen sein kann. Das würde besagen müssen: planmäßiges Heranziehen der höher veranlagten Köpfe aus allen Schichten des Volkes, nach Analogie der allgemeinen Wehrpflicht und der Rekrutierung für die Spezialwaffen zum Dienst der leitenden Funktionen im öffentlichen und wirtschaftlichen Leben — behufs Erhöhung des durchschnittlichen Niveaus der ganzen geistigen Aktion des Volkes und behufs Beseitigung plutokratischer Kastenbildung in den Berufsständen. Dazu aber würde gehören, nicht nur sich hinwegsetzen zu können über den unvermeidlichen Mangel solcher Maßnahmen, daß dabei wegen der Schwierigkeit richtiger Auslese auch manches Mittelgut auf öffentliche Kosten zu erziehen wäre, sondern vor allem, sich nicht fürchten zu müssen vor den mancherlei einschneidenden Konsequenzen, welche eine Wiederaufhebung des allmählich entstandenen faktischen Bildungsmonopols der Wohlhabenden nach sich ziehen würde.

Solange es deshalb mit all diesem gute Wege hat, würde einem von der Carl Zeiss-Stiftung etwa gemachten Anfang immerhin Wert und Bedeutung des ersten guten Beispiels auf einem wichtigen Gebiet des allgemeinen Volksinteresses verbleiben.

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