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B. Arbeiterschutz.
ОглавлениеMeine Herren!
In dem ersten Teile meines Referats habe ich zur Begründung der damals empfohlenen Programmforderung zu zeigen gehabt, daß eine Quelle nicht abzuleugnender wirtschaftlicher Mißstände und sie begleitender sozialer Übel wirklich gegeben ist in dem gegenwärtigen Verhältnis zwischen Kapital und Arbeit, und zwar insofern, als die neuere Entwicklung der Wirtschaftstätigkeit das Kapital, d. h. allen Besitz, mehr und mehr aus einer dem Verbrauch dienenden Vermögensansammlung zu einem unentbehrlichen Faktor aller produktiven Arbeit und damit die gesamte Arbeitstätigkeit vom Besitz abhängig gemacht hat. Ich habe dann aber weiter gezeigt, daß die gegenwärtigen nachteiligen Wirkungen dieses Verhältnisses nicht begründet sind in seinem Charakter selbst, d. h. in der erwähnten Abhängigkeit der Arbeit und auch nicht in dem persönlichen Eigentum am Kapital, also der privatkapitalistischen Produktion, und daß sie sogar nicht einmal eine notwendige Folge der sehr ungleichmäßigen Besitzverteilung sind, sondern ausschließlich entstehen durch das Zusammentreffen dieser ungleichen Verteilung des Besitzes mit einer privaten Zinswirtschaft. Der Weg zur Beseitigung der aus dieser Quelle stammenden Übel erschien nun als innerhalb der bestehenden Staats- und Gesellschaftseinrichtungen gegeben darin: der Staat besinne sich darauf, daß er selbst der eigentliche rechtmäßige Nutznießer des gesamten Nationalvermögens hinsichtlich alles reinen Zinsertrags sei und hierin seine eigene selbständige Einnahme habe, die er in Form der Vermögensteuer nur einzuziehen brauche, um aus dieser Quelle, statt aus direkten oder indirekten Abzügen vom Arbeitsertrag seiner Bürger, seine Bedürfnisse zu bestreiten und zugleich die gesamte Arbeitstätigkeit des Volkes von allem Druck durch Wirkungen der ungleichen Besitzverteilung zu entlasten.
Der Fortgang meiner politischen Betrachtung führt mich heute auf die Erörterung einer zweiten Quelle von sozialen Übeln, welche ihrem Wesen nach durchaus unabhängig ist von dem Verhältnis zwischen Besitz und Arbeit und ausschließlich in dem Verhältnis verschiedener Klassen der Arbeitstätigen zueinander beruht.
Derselbe Zug der Wirtschaftsentwicklung, welcher den Ertrag vorangegangener Arbeit als Kapital zu einem wesentlichen Faktor aller nachfolgenden Arbeit machte, hat gleichzeitig auch die Form dieser Arbeitstätigkeit der Völker durchgreifend verändert und innerhalb der Gesamtheit der Arbeitstätigen durch Teilung der Funktionen den Klassenunterschied zwischen selbständiger und unselbständiger Arbeit, oder von Unternehmer und Arbeiter schlechthin, eingeführt. Beides, diese Scheidung der Funktionen und jene Bewertung von Besitz und Vermögen als Arbeitswerkzeug, ist ganz gleichzeitig und in innerem notwendigen Zusammenhang entstanden; erst in dieser Scheidung und vermöge derselben gewinnt der Besitz, seine Bedeutung als Kapital.
Vor 200 Jahren war alle wirtschaftliche Tätigkeit noch ganz und vor 100 Jahren noch fast ganz freie, selbständige Einzelarbeit, für alle von wesentlich gleichem Charakter, nur verschieden nach der Natur des Arbeitsgegenstandes. Ausgenommen hiervon waren nur der Landbau in denjenigen Bezirken, in welchen das Recht des Eroberers gegenüber den Besiegten noch fortwirkte, oder ausnahmsweise besondere Rechtseinrichtungen dauernde Abhängigkeit einzelner von anderen herbeigeführt hatten, im übrigen aber nur ganz vereinzelte Gewerke, wie z. B. die Gewinnung und Vorbearbeitung der Metalle und anderer Rohprodukte, die Schiffahrt u. a., bei denen die Unzulänglichkeit der physischen Kraft der einzelnen frühzeitig ein genossenschaftliches Zusammenarbeiten vieler angebahnt hatte. Das typische Bild jener ursprünglichen Arbeitsform ist der alte Handwerksmeister, der mit Lehrling und Gesellen als Gliedern seines Hausstandes, in der Wohnung der Familie als Arbeitsstätte, und ohne anderes Betriebskapital als sein Werkzeug, sein Erzeugnis vom ersten bis zum letzten vollendete und wirtschaftlich wie persönlich in keiner andern Beziehung oder Abhängigkeit stand als zu seinesgleichen. Zwar gab es auch bei dieser Arbeitsform unselbständige Arbeiter; diese, die Lehrlinge und Gesellen, standen aber dem Meister nicht als eine andere Klasse von Arbeitern gegenüber, ihre Unselbständigkeit war vielmehr nur die Vorstufe und Vorbereitung zu späterer Selbständigkeit, die der Regel nach auch alle erreichten; und ihre zeitweilige Abhängigkeit war dem Wesen nach nur die Botmäßigkeit des Lernenden gegen den Lehrmeister und die Unterordnung des Hausgenossen unter das Familienhaupt, also nicht sowohl wirtschaftlicher als vielmehr sittlicher Art.
Auch gegenwärtig ist dieser Typus des alten Handwerksmeisters im Gewerbe und das ihm Entsprechende in Landbau, Handel und Verkehrswesen noch überall vertreten, wo Kleingewerbe irgend einer Art sich erhalten hat. Überall aber sehen wir auch diese Form der wirtschaftlichen Arbeit zurückgedrängt und deutlich in fortdauerndem Zurückweichen begriffen vor einer ganz andern, neuen Arbeitsform, gemäß welcher je eine größere oder kleinere Anzahl von Personen, jedenfalls immer ihrer viel mehr, als jemals in ihrem Gewerke selbständige Meister werden könnten, als dauernd unselbständige Arbeiter im Dienst von Unternehmern tätig sind — in besonderen Arbeitsstätten getrennt von ihren Familien, mit weitgehender Teilung der verschiedenen technischen Verrichtungen für jedes einzelne Arbeitserzeugnis und unter Benutzung elementarer Kraft, sowie wertvoller Maschinen, großer Gebäude und sonstiger Einrichtungen, welche durch vorangegangene Arbeit anderer beschafft sind. Die Tätigkeit dieser Unselbständigen richtet sich bei den einzelnen nicht mehr auf Erzeugung eines in sich fertigen Ganzen, sondern nur auf Herstellung von Teilstücken, welche nachher von andern Unselbständigen zum Ganzen zusammengefügt werden — alles nicht nach eigenen Intentionen, sondern nach Plan und Vorschrift des Unternehmers, der allein eine wirkliche Initiative behält, Ziel und Verfahren der Arbeit bestimmt. Dabei gesellen sich aber zur physischen Leistung und zur technischen Fertigkeit der Arbeiter ganz neue Kräfte, welche teils der Unternehmer persönlich stellt, teils durch andere heranbringt, die gleichfalls als Unselbständige in seinem Dienst stehen. Es sind die geistigen Kräfte der Organisation, welche nicht nur die Gliederung und das richtige Zusammenwirken der einzelnen Arbeitsverrichtungen fortgesetzt ordnen und regeln, sondern zugleich immer neue Antriebe schaffen, neue Aufgaben wirtschaftlicher und technischer Art aufwerfen, neue Wege ersinnen und endlich auch noch die Funktionen des Kaufmanns der Gewerkstätigkeit des Ganzen einverleiben. — Also die gemeinsame organisierte Arbeit vieler gegenüber der Einzelarbeit des alten Kleingewerbes.
Man braucht nur beides in seiner Eigenart klar sich vorzustellen, um auch sofort zu wissen, warum das Kleingewerbe von dem Großbetrieb zurückgedrängt ist und vor ihm immer weiter zurückweichen muß. Nicht der Vorteil der Größe an sich macht es; der rein ökonomische Gewinn verminderter Unkosten bei größerem Betriebsumfang ist durchaus die Nebensache. Die Organisation ist es, welche die weit größere, durch nichts anderes zu ersetzende Überlegenheit verleiht, indem sie gänzlich verschiedene Kräfte, die nie in einer Person vereinigt sein können, die vielmehr von ganz verschiedenen Personen mit verschiedenen Fähigkeiten und verschiedener Ausbildung getragen werden, in solcher Art zum Zusammenwirken bringt, daß sie sich gegenseitig ergänzen und dadurch den wirtschaftlichen Effekt riesenhaft gesteigerter Körperkraft und geistiger Potenz hervorbringen. — Zugleich wird auch ersichtlich, daß nicht das Kapital die kapitalistische Produktion geschaffen, sondern umgekehrt die fortschreitende Einbürgerung des organisierten Zusammenarbeitens vieler dem Besitz und Vermögen die Bedeutung von Kapital als Arbeitsfaktor überhaupt erst verliehen hat. Die Dampfmaschine, als Werkzeug einzelner gedacht, ist das nutzloseste Ding von der Welt, viel weniger wert als der einfache Hammer; erst als Werkzeug der gemeinsamen Arbeit vieler verzehnfacht sie deren Körperkräfte. Ehe irgend welche Maschinen für die Arbeit Wert gewinnen konnten, mußte schon Organisation da sein. Die kapitalistische Produktion ist durchaus nichts anderes als die organisierte Produktion — und umgekehrt.
Die Veränderungen, welche die fortschreitende Ausbreitung der neuen Produktionsform bisher im Volksleben hervorgebracht hat und immer weiter hervorzubringen in sichere Aussicht stellt, sind zum Teil durchaus unerfreulicher Art. Das wichtigste ethische Moment in aller Arbeit, die Freude am Schaffen selbst, die daraus entspringt, daß man seine Arbeit wachsen und allmählich ein Ganzes werden sieht, ist dem unselbständigen Arbeiter infolge der Arbeitsteilung stark verkümmert. Nicht mehr lebendige Anschauung, nur verstandesmäßige Überlegung kann ihm noch zum Bewußtsein bringen, daß auch er an einem Ganzen arbeitet, welches, von anderen vollendet, einen wirklichen Wert haben wird. Aus einer Quelle unmittelbarer Lebensfreude wird also für sehr viele die Arbeit zur pflichtmäßigen Erfüllung eines Arbeitsvertrags gemacht. Dazu kommt noch der Verlust der wohltätigen Anregungen, welche die Möglichkeit eigener Initiative gewährt, und das Gefühl persönlicher Unfreiheit aus der strengen zeitlichen Gebundenheit der Arbeit und aus der notwendigen Unterordnung unter andere Personen, welche die Arbeit zu leiten haben. Die Arbeitsteilung hat aber auch noch unbestreitbare direkte Nachteile, oder doch Gefahren, im Gefolge. Die größere Einförmigkeit der Arbeit der einzelnen, der Mangel öfteren Wechsels der Verrichtungen, macht die Tätigkeit viel ermüdender, und kann sie, zumal wenn noch die sehr gesteigerte Anspannung der Aufmerksamkeit bei der Arbeit mit Maschinen hinzukommt, zu einer Ursache geistiger Abstumpfung machen. Die Einseitigkeit der Beschäftigung aber, welche für lange Zeit immer dieselben Organe in Anspruch nimmt, ist geeignet, offensichtliche Nachteile für das körperliche Wohl hervorzubringen.
Auf der anderen Seite ist jedoch gerade die Arbeitsteilung, nicht nur hinsichtlich der ganz ungleichartigen Funktionen geistiger und körperlicher Tätigkeit, sondern auch innerhalb des Gebietes der rein technischen Verrichtungen, der wichtigste Hebel wirtschaftlichen Fortschritts in aller gewerblichen Tätigkeit. Denn die Beschränkung des Erlernens und der Übung auf einen engeren Kreis von Verrichtungen steigert für diese Verrichtungen Fertigkeit und Geschicklichkeit in hohem Maße. Zehn einseitig geschulte Personen, die sich in ihrer Arbeit gegenseitig gut ergänzen, leisten nicht nur viel mehr, sondern auch viel besseres als zehn andere, sonst gleiche, die vielseitiger ausgebildet und geübt sind, wofern der Gegenstand sehr verschiedenartige Verrichtungen erfordert. — Die Alten unter meinen Arbeitsgenossen — von denen ich einige in dieser Versammlung sehe — erinnern sich noch der Zeit, da in unserem Betrieb die Arbeitsteilung nur bis zur Scheidung der technisch gänzlich ungleichartigen Arbeiten fortgeschritten war. Sie wissen, wieviel erfreulicher damals, vor 30 und auch vor 20 Jahren, ihre Arbeit für sie alle noch war, als ihrer zwei, oder höchstens drei, zusammenwirkend ein kunstvolles Instrument aus den rohen Metall- und Glasstücken heraus bis zur letzten Vollendung fertig zu machen gewohnt waren. Sie können aber auch bezeugen, daß was sie auf diese Art mit allem Bemühen zustande brachten, doch nicht entfernt dasjenige erreichen konnte, was heute durch Zusammenarbeiten von zehn oder noch mehreren viel leichter erreicht wird. Die technische Arbeitsteilung steigert also nicht nur quantitativ die Leistungsfähigkeit der Arbeit, sondern sie erhöht auch das qualitative Niveau der Leistung. Veranschlagt man hierzu nun noch die Bedeutung, welche die Teilung der physischen und der geistigen Funktionen in der organisierten wirtschaftlichen Arbeit dadurch gewinnt, daß sie eine ständige, geregelte Mitwirkung besonders geschulter technischer und kaufmännischer, geeignetenfalls auch wissenschaftlicher Kräfte herbeiführt; und rechnet man endlich noch hinzu den unmittelbar ersichtlichen Vorteil, den die Organisation hat in der möglichen und tatsächlichen Benutzung des Kapitals als Arbeitsmittel, so kann kein Zweifel daran bleiben, daß die neue Arbeitsform einen ganz außerordentlichen Fortschritt in der Wirtschaftstätigkeit der Völker eingeleitet hat und weiterzuführen berufen ist.
Damit ist aber auch gesagt, daß die der neuen Wirtschaftsform charakteristische Scheidung der Arbeitstätigen in Selbständige und Unselbständige ein notwendiges Attribut der Wirtschaftsordnung geworden ist. Diese könnte solche Personen, welche zwar selbst nicht unmittelbar an der physischen Arbeit sich beteiligen, aber die gemeinschaftliche Arbeit vieler organisieren und leiten und dazu sich fähig gemacht haben, durchaus nicht mehr entbehren. Das Unternehmertum in diesem Sinn ist also eine ganz notwendige Institution des Wirtschaftssystems geworden. Und da der Natur der Sache nach nur relativ wenige jene besonderen Funktionen ausüben können, die weitaus große Mehrzahl immer zu den Organisierten und Geleiteten, d. h. den Unselbständigen gehören muß, so besteht nun die soziale Wirkung der organisierten Arbeit, in dem Maße, als diese sich mehr ausbreitet, in der Scheidung des ganzen Volkes hinsichtlich der Arbeitstätigkeit in zwei Klassen, von ganz verschiedenen Funktionen, dementsprechend verschiedenen Rechten und Pflichten, und demgemäß notwendig verschiedenen Interessen, und zwar mit der Nebenbestimmung: kleine Minderheit gegen große Mehrheit — Was viele Jahrhunderte lang die festeste Grundlage, der eigentliche Kern des Volkstums gewesen ist, der wirtschaftlich selbständige und persönlich unabhängige Bürger- und Bauernstand, muß in dem Maße verschwinden, als das Kleingewerbe in Industrie, Handel und Landbau zurückgedrängt wird, soweit nicht etwa auf einzelnen Wirtschaftsgebieten, z. B. im Landbau, der Übergang der Kleinen zur gemeinschaftlichen, organisierten Arbeit auf dem Wege der Genossenschaftsbildung zwischen Gleichberechtigten sich vollziehen mag.
Jene Klassen- und Interessenscheidung innerhalb der Gesamtheit der Arbeitstätigen ist aber so sehr im Wesen der neuen Arbeitsform begründet, daß selbst die radikalste Umwälzung unserer Staats- und Gesellschaftsordnung sie nicht aufheben könnte, außer mittels vollständiger Rückbildung aller Wirtschaftstätigkeit zur alten Einzelwirtschaft. Denn jener Gegensatz innerhalb der organisierten Arbeitstätigkeit ist seinem Wesen nach ganz unabhängig davon, ob der eine Teil das Kapital besitzt oder nur verwaltet und ob dieser unter dem Namen von Privatunternehmern oder Staatsbeamten fungiert. Er hat also gar nichts zu tun mit der privat-kapitalistischen Produktion, sondern nur mit der kapitalistischen, d. h. der organisierten Produktion. Auch im »Zukunftsstaat« würden zum Schiffbau nicht nur geschickte Zimmerleute ausreichen und im Maschinenbau selbst die tüchtigsten Schmiede nicht zugleich die Ingenieure und Disponenten sein können. Auch der Zukunftsstaat also vermöchte den Gegensatz der Interessen, welcher aus der notwendigen Verschiedenheit der Funktionen und der Befugnisse entspringt, nicht aufzuheben; er könnte nur durch vernünftige Rechtseinrichtungen seine Wirkungen regeln — was der heutige Staat aber gleichfalls kann, wenn er will.
In dem vorher charakterisierten Gegensatz: Unternehmer und Arbeiter, liegt aber auch der einzige wirkliche Klassengegensatz, d. h. Interessengegensatz zwischen bestimmten Personenklassen, den unter dem wirtschaftlichen Gesichtspunkt unsere Gesellschaftsordnung einschließt. Der Gegensatz von Kapital und Arbeit begründet an sich einen solchen nicht. Denn er ist seinem Wesen nach ein ganz unpersönlicher Gegensatz zwischen den beiden Wirtschaftsfaktoren, Besitz und Arbeitstätigkeit, und stellt nur die Interessen der Gesamtheit aller Arbeitstätigen denen der Gesamtheit aller Besitzenden gegenüber. Diese Gesamtheiten aber entsprechen keineswegs bestimmten abgegrenzten Klassen. Denn beide Begriffssphären überdecken sich zu einem großen Teil und nur an der Peripherie entstehen da, wo sie ganz aussereinander liegen, gegensätzliche Gruppen, einerseits von solchen, die nichts besitzen und viel arbeiten, anderseits von solchen, die viel besitzen und nichts arbeiten, wirtschaftlich. Alle dagegen, die mit ihrem Besitz, sei er ein kleiner Acker oder ein großes Vermögen, selbst wirtschaften, sind Kapitalisten im richtigen Sinn nur insoweit, als ihr Wirtschaftsertrag auch die Quote reinen Zinses mit enthält, die ihnen im Schlaf zufließen würde, wenn sie andere mit ihrem Besitz wirtschaften ließen; hinsichtlich alles dessen, was sie mehr als diesen Zins erzielen, sind sie aber Arbeitstätige. Hiervon sind selbst die Aktionäre der Aktiengesellschaften nicht ausgeschlossen, insoweit ihre Dividenden über den reinen hypothekenmäßigen Kapitalzins hinaus noch Unternehmergewinn einschließen. Denn letzterer beruht auf einer Arbeitstätigkeit des Unternehmers, und es macht dabei keinen Unterschied, daß jene solche Arbeitstätigkeit nicht selbst, sondern durch Mandatare ausüben. — Auf der ganz unpersönlichen Natur des Gegensatzes: Kapital und Arbeit, beruht es auch, daß die Wirkungen, die an diesen Gegensatz sich knüpfen — und damit die wirtschaftlichen Wirkungen des Unterschiedes von arm und reich — aufgehoben werden können durch Maßregeln, welche das wirtschaftliche Verhältnis des einzelnen zum einzelnen völlig unberührt lassen — wie ich im ersten Teil meines Referats ausgeführt habe.
Demgegenüber begründet aber der Unterschied in den persönlichen Funktionen und Rechten, der in aller organisierten Arbeit zwischen Unternehmer und unselbständigem Arbeiter gegeben ist, einen wirklichen Klassenunterschied, weil er innerhalb der Gesamtheit der Arbeitstätigen wirtschaftliche und soziale Interessen bestimmter Personenklassen in unvermeidlichen Gegensatz stellt. Dieser Gegensatz aber ist seinem Wesen nach wieder ganz unabhängig von dem zwischen Kapital und Arbeit, nur ganz äußerlich fällt er öfters mit ihm zusammen. Denn der Pächter, der ein erpachtetes Gut bewirtschaftet, oder der Industrielle, der vorwiegend mit fremdem Geld arbeitet, ebenso auch die Betriebsleiter in irgend welchen wirtschaftlichen Unternehmungen, die, wie z. B. die Direktoren der Aktiengesellschaften oder die leitenden Beamten der Staatsbetriebe, nur als Mandatare der Kapitalbesitzer fungieren, stehen als Arbeitstätige dem Kapital genau so gegenüber, wie ihre Arbeiter, weil sie ja den Zins nicht bekommen, den das Kapital verlangt, sondern mit den Arbeitern zusammen ihn aufzubringen helfen müssen; trotzdem aber stehen auch sie als Unternehmer zu den unselbständigen Arbeitern in deutlichem Klassengegensatz hinsichtlich persönlicher und wirtschaftlicher Interessen. Und wenn nun in vielen Fällen Kapitalist und Unternehmer in einer Person zusammentrifft, wie z. B. beim Gutsherrn, der sein Land selbst bewirtschaftet, oder beim Industriellen, der nur mit eigenem Vermögen arbeitet, so ist auch in diesen Fällen der Klassengegensatz nicht zu suchen in dem Verhältnis des Kapitalisten zum Arbeiter, sondern nur in dem des Unternehmers zum unselbständigen Arbeiter.
Obwohl ich diese Unterscheidungen nur zum Hausgebrauch mir zurechtgelegt habe, zur eigenen Orientierung in den verwickelten Erscheinungen meines Beobachtungskreises, muß ich hier doch ausdrücklich auf sie hinweisen, um die Gesichtspunkte meiner Ausführungen genügend erkennbar zu machen. — Die Sozialdemokratie beurteilt das Verhältnis von Kapital und Arbeit (von anderen Parteien ist nicht zu reden, weil sie es gar nicht beurteilen) von dem ganz einseitigen Standpunkt des Klasseninteresses der Arbeiter im engeren Sinn und sie kommt so dazu, den unpersönlichen Interessengegensatz von Kapital und Arbeit zu einem persönlichen Klassengegensatz zwischen Kapitalisten und Arbeitern zu stempeln — in welchen sie nun die heterogensten Dinge hineinpackt, alles unter der ganz äußerlichen Rücksicht, daß dadurch dem Arbeitsertrag der eigentlichen Arbeiter Abbruch getan wird. Sie verdunkelt sich dabei vollkommen die Ursachen der Übel, die sie beseitigen will, und versperrt sich im besondern die Erkenntnis, daß es zwei ganz verschiedene Stellen sind, an welchen der wirtschaftlich-soziale Schuh drückt — zwei Stellen, die, zwar äußerlich dicht nebeneinander, doch auf ganz verschiedene Art krank sind und durchaus verschiedene Heilmittel erfordern, keineswegs mit einem Universalmittel kuriert werden können.
Aus vorhin gesagtem entnehmen Sie schon, daß meine Ansicht dahin geht: es werde die organisierte Arbeit mehr und mehr zur Herrschaft über das ganze Wirtschaftsgebiet gelangen und also zuletzt das ganze Volk in die vorher besprochene Scheidung zwischen selbständiger und unselbständiger Arbeit hineinziehen, soweit nicht etwa in einzelnen Kreisen der Wirtschaftstätigkeit — wie es für den Kleinbetrieb des Landbaues wohl denkbar scheint — der Übergang zur organisierten Arbeit ohne völliges Aufgeben der Selbständigkeit der einzelnen möglich ist.
Nun gibt es allerdings noch manche, sogar noch Parteien, welche glauben oder doch zu glauben vorgeben, es könne dieser Entwicklungsprozeß zum Stillstand, gebracht, vielleicht sogar dem Kleingewerbe aller Art ein Teil des jetzt verloren gegangenen Terrains zurückerobert werden. Ich sehe aber in dieser Meinung, da wo sie aufrichtig gehegt wird, die denkbar größte und auch schädlichste Illusion, zu welcher die Täuschung über die wahren Ursachen einer wirtschaftlichen Erscheinung nur immer führen könnte. Wer aber die erwähnte Umwandlung der Arbeitsform auf einem einzelnen Arbeitsgebiet mit erlebt und persönlich mit äußerstem Widerstreben ihrem Fortgang hat folgen müssen, für den kommt zur verstandesmäßigen Erkenntnis ihrer Notwendigkeit und Unwiderstehlichkeit auch noch die subjektive Gewißheit, daß sie zum Stillstand bringen zu wollen das gleiche besagt, wie ein Versuch, die Flutwelle im Ozean aufzuhalten. Man mag menschlich alle Teilnahme haben für die, welche im Kampf zweier Wirtschaftsformen zwischen Hammer und Amboß geraten sind; dieses kann aber die Überzeugung nicht ändern, daß alle Versuche, für das Kleingewerbe noch etwas zu retten — nicht nur die kleinen und die großen Kniffe, wie Schikanieren von Konsumvereinen, Zünftlerei, Judenhetze u. a. m., sondern leider auch die an sich verständigen und ehrenwerten Bestrebungen zur innern Hebung des Handwerks — doch nichts weiter mehr sind als: Maßnahmen zur Verlangsamung eines Todeskampfes. Die Zukunft gehört allein der organisierten Arbeit, und zwar auf allen Gebieten wirtschaftlicher Tätigkeit, Handel und Landbau nicht ausgeschlossen. In 30 oder 40 Jahren wird vom eigentlichen Handwerk gewiß nichts mehr übrig sein als kleine Inseln solcher Arbeitstätigkeit, die entweder auf ganz individueller Kunst beruht oder ganz individuellen Bedürfnissen dienen will und aus dem einen oder dem anderen Grund immer Einzelarbeit bleiben muß.
An diesem Urteil können auch Erwartungen mich nicht irre machen, die neuerdings von sehr beachtenswerter Seite ausgesprochen wurden im Hinblick auf die Hilfe, welche das Kleingewerbe von der erleichterten Benutzung der Naturkräfte infolge der raschen Fortschritte der elektrischen Kraftverteilung sehr bald zu hoffen haben werde. Die Berechtigung solcher Erwartungen an sich durchaus zugegeben, wird diese Hilfe doch nicht der Erhaltung und Ausbreitung des eigentlichen Handwerks zugute kommen, sondern nur dem Übergang vieler vom Handwerk zum Klein-Unternehmertum und der Konkurrenzfähigkeit des letzteren gegenüber der Großindustrie. Die Verwendung von elementarer Kraft führt überall, wo sie überhaupt einen Vorteil bringt, aus der handwerksmäßigen Arbeit heraus und drängt zur organisierten Arbeit, sei es auch in kleinerem Maßstab. Wie wichtig es nun in mehreren Beziehungen sein mag, daß auch kleine Unternehmungen, die nur 10 oder 20 Personen vereinigen, neben den großen, in denen Hunderte tätig sind, noch existenzfähig seien und daß innerhalb des Unternehmertums noch eine Konkurrenz unter vielen, kleinen und großen, möglich bleibe, so gering ist die soziale Bedeutung dessen in bezug auf die Hauptsache, die zunehmende Scheidung aller Arbeitstätigkeit in selbständige und unselbständige. Denn daß durch die Möglichkeit kleiner Betriebe eine etwas größere Zahl von Personen als es sonst sein könnte noch selbständig erhalten wird, ändert nichts daran, daß die Zahl dieser Selbständigen schließlich doch nur ein ganz kleiner Bruchteil der Gesamtzahl aller Arbeitstätigen bleiben kann.