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D Deutsch-französische Zusammenarbeit in der Sicherheits- und Verteidigungspolitik

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Unmittelbar nach dem Beitritt der Bundesrepublik Deutschland zur Nordatlantischen Allianz (NATO) und zur Westeuropäischen Union 1955 begann vor allem zwischen den in Deutschland stationierten französischen Truppen und ersten Einheiten der Bundeswehr die militärische Kooperation. Erster Höhepunkt war die Ausbildung deutscher Soldaten im Herbst 1960 auf den Truppenübungsplätzen Sissonne und Mourmelon in der Champagne.

1963 erfolgte die Aussöhnung mit Frankreich auf der Basis des Elysée-Vertrags. Darin wurde das anspruchsvolle Ziel formuliert, künftig Fragen von Strategie und Taktik, des Personalaustauschs zwischen den Streitkräften und solche der Rüstung miteinander zu erörtern und gemeinsame Konzeptionen zu erarbeiten. Mit dem Austritt Frankreichs aus der militärischen Integration der NATO 1966 ging eine gewisse Stagnation auch der bilateralen sicherheitspolitischen Beziehungen einher, die erst Anfang der 80er-Jahre überwunden werden konnte. Bundeskanzler Helmut Schmidt und Staatspräsident Valéry Giscard-d’Estaing sowie dessen Nachfolger François Mitterrand begannen die bilaterale Zusammenarbeit mit neuen Inhalten zu füllen. Bundeskanzler Kohl und Staatspräsident Mitterrand gründeten am 24. Oktober 1982 den Deutsch-Französischen Ausschuss hoher ziviler und militärischer Verantwortlicher aus den Außen- und Verteidigungsministerien.

Konkretisierung

Zum 25. Jahrestag des Elysée-Vertrages wurde am 22. Januar 1988 der Deutsch-Französische Verteidigungs- und Sicherheitsrat (DFVSR) eingerichtet. Damit erhielt die deutsch-französische Zusammenarbeit im Bereich Sicherheit und Verteidigung eine breite institutionalisierte Grundlage, wie sie mit keinem anderen Land existiert (Zusatzprotokoll zum Elysée-Vertrag).

Laut Zusatzprotokoll wird der Rat von den Staatschefs gebildet und tagt zweimal jährlich. Das aus den Außen- und Verteidigungsministern sowie den Chefs der Streitkräfte bestehende Ratskomitee berät den Rat. Unterhalb dieses Daches sind weitere Arbeitsgruppen zur Vorbereitung tätig, z. B. die Arbeitsgruppe Militärische Zusammenarbeit unter Co-Präsidentschaft der Stellvertretenden Generalstabschefs DEU und FRA sowie eine Reihe von Unterarbeitsgruppen. Ohne Auswirkung auf den Rat wurde in den letzten Jahren die institutionelle Struktur durch Anpassungen in den Arbeitsabläufen weiterentwickelt.

Hauptsächliche Handlungsfelder sind:

•Ausarbeitung gemeinsamer Konzeptionen

•Abstimmung in europäischen Sicherheitsfragen, Rüstungskontrolle und Abrüstung

•Beschlussfassung hinsichtlich gemeinsam aufgestellter Truppenteile, gemeinsamer Übungen, Ausbildungs- und Unterstützungsmaßnahmen

•Verbesserung der Interoperabilität

•Vertiefung der Rüstungszusammenarbeit.

1996 wurde ein gemeinsames Deutsch-Französisches Sicherheits- und Verteidigungskonzept verabschiedet. Auf der Grundlage gemeinsamer Zielsetzungen und einer gemeinsamen Analyse der sicherheitspolitischen Rahmenbedingungen wurden Ansätze für Strategie und Aufgaben von Streitkräften sowie Leitlinien für die militärische Zusammenarbeit entwickelt. Auch dieses Konzept ist im internationalen Bereich einzigartig. Es wurde allerdings seither nur begrenzt weiterentwickelt. Seine Erkenntnisse flossen ein in die 2003 verabschiedete und mittlerweile durch die EUGS ersetzte Europäische Sicherheitsstrategie.

Ein Höhepunkt in den deutsch-französischen Beziehungen war zweifellos das politisch sichtbare Begehen der Jubiläen 40 Jahre Elysée-Vertrag und 15 Jahre DFVSR in Paris, Versailles und Berlin im Januar 2003. Hier wurden entscheidende Anstöße zur Weiterentwicklung der bilateralen Zusammenarbeit, aber insbesondere der Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik gegeben.

Mit dem im Januar 2019 abgeschlossenen Vertrag von Aachen wurde eine weitere Blütezeit der deutsch-französischen Beziehungen eingeleitet, die erneut die Einzigartigkeit der deutsch-französischen Beziehungen herausstellt. Mit diesem Vertrag werden die bilateralen Beziehungen auf eine neue Stufe gehoben und an die aktuellen Entwicklungen angepasst, u. a. mit Blick auf die gemeinsamen Bestrebungen zur Intensivierung der Weiterentwicklungen der EU. In Artikel 4 erklären Deutschland und Frankreich, dass ihre Sicherheitsinteressen untrennbar miteinander verbunden sind sowie dass sie einander im Fall eines bewaffneten Angriffs auf ihre Hoheitsgebiete jede in ihrer Macht stehende Hilfe und Unterstützung leisten, dies schließt militärische Mittel ein. Zudem verpflichten sie sich, ihre Zusammenarbeit der Streitkräfte zu intensivieren sowie den Deutsch-Französischen Verteidigungs- und Sicherheitsrat als politisches Steuerungsorgan für die beiderseitigen Verpflichtungen auszurichten.

Die europäische Perspektive

Eine Reihe der GSVP-Entwicklungen beruht auf deutsch-französischen Initiativen bzw. auf Initiativen, an denen Frankreich und Deutschland maßgeblich beteiligt waren. Die Europäische Verteidigungsagentur für die Bereiche Entwicklung der Verteidigungsfähigkeiten, Forschung, Beschaffung und Rüstung basiert auf einer solchen bilateralen Initiative. Der gemeinsame Gedanke wurde erstmals im November 2002 geäußert und fand sich dann wieder in der Erklärung zum Jubiläumsgipfel im Februar 2003. Das Konzept der EU Battlegroups basiert auf einer französisch-britisch-deutschen Initiative aus 2003. Auch die Kernaussagen der gemeinsamen deutsch-französischen Erklärung der Verteidigungsminister vom 10. Dezember 2010 verweisen auf die europapolitische Zielsetzung der bilateralen Zusammenarbeit und die angestrebte Rolle als Impulsgeber der europäischen Integration. Um die sicherheitspolitische Handlungsfähigkeit Europas zu stärken, lancierten die Minister eine Reihe von Initiativen, welche die Kooperation und Interoperabilität der deutschen und französischen Streitkräfte ausbauen sollen und sich auch auf den Bereich der Bündelung von militärischen Fähigkeiten und die Aufgabenteilung erstrecken:

•Untersuchung gemeinsamer Ausbildungseinrichtungen;

•Standardisierung von Einsatzgrundsätzen und Einsatzverfahren;

•engere industrielle Zusammenarbeit und gemeinsame Beschaffung;

•Prüfung der Möglichkeit gemeinsamer Ausrüstung in den Bereichen Schutz der Truppe, Sanitätsdienst, Großraumtransport und gepanzerte Fahrzeuge;

•Austausch der Einsatzerfahrungen mit unbemannten Flugsystemen für mittlere Flughöhen in Afghanistan;

•Prüfung der Bündelung und gemeinsamen Nutzung, einschließlich wechselseitiger Abhängigkeiten, von Fähigkeiten wie Such- und Rettungsdienst im Rahmen von Kampfeinsätzen (CSAR) und Hubschraubern;

•Koordination der Erarbeitung der deutschen und französischen sicherheitspolitischen Weißbücher der kommenden Jahre.

Trotz der engen institutionellen Verknüpfung, der hohen Dichte an Kooperationszusammenhängen und der erfolgreichen Wiedereingliederung Frankreichs in die integrierten militärischen Strukturen der NATO im Jahr 2009 fällt es der ~ allerdings augenscheinlich schwerer, gemeinsame Prioritäten zu generieren. Der britisch-französische verteidigungspolitische Kooperationsvertrag vom November 2010 als auch die deutsch-französischen Differenzen bezüglich des NATO-geführten Libyen-Einsatzes 2011 können als Abkehr von traditionellen Mustern gewertet werden. Teilweise liegt diese in Richtungsänderungen der französischen Sicherheitspolitik unter Präsident Sarkozy begründet, der eine pragmatisch-flexible Vorgehensweise auf Ad-hoc-Basis stärkte und den zuvor starken Fokus auf die gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik der EU relativierte. Die Interessenkonvergenz in den sicherheitspolitischen Grundlinien scheint zwischen Frankreich und Deutschland abgenommen zu haben. Um diesen Tendenzen entgegenzutreten und eine Belebung der ~ zu erreichen, initiierte der Bundesminister der Verteidigung, Thomas de Maizière, im Juli 2011 einen deutsch-französischen strategischen Dialog.

In Bezug auf die PESCO bestehen trotz des generellen Erfolgskurses dieser Initiative noch einige bemerkenswerte Diskrepanzen in den jeweiligen deutschen und französischen Erwartungshaltungen. Deutschland versteht PESCO als ein außenpolitisches Mittel zur Vertiefung der europäischen Integration. Da in vielen anderen Politikfeldern Uneinigkeit zwischen den Mitgliedstaaten dominiert, sollte PESCO als Zeichen des Zusammenhalts und der Handlungsfähigkeit möglichst viele EU-Staaten einschließen. Für Frankreich stand dagegen die eher militärisch-verteidigungspolitisch begründete Idee der Kooperation einer kleinen Anzahl einsatzfähiger und -williger Staaten im Vordergrund, die im Falle einer Krise in Europas Umgebung schnell gemeinsam eingreifen können.

In seiner Sorbonne-Rede im September 2017 lobte der französische Präsident Macron zwar den Fortschritt der europäischen Verteidigungsunion durch PESCO und den Europäischen Verteidigungsfonds. Gleichzeitig betonte er aber die Notwendigkeit weiterer Anstrengungen, um als Europäer eine eigenständige operative Handlungsfähigkeit zu entwickeln, komplementär zur NATO. Als größtes Hindernis für eine ambitionierte europäische Verteidigungsunion identifizierte er das Fehlen einer gemeinsamen strategischen Kultur, was die Europäer daran hindert, gemeinsam zu handeln und schnell auf Krisen reagieren zu können.

Mit der Gründung einer Europäischen Interventionsinitiative (EI2) sollte diese Lücke gefüllt werden. EI2 sollte daher ein weiteres Instrument im europäischen Werkzeugkasten erschaffen werden. Ein Instrument, das den Mitgliedstaaten erlauben sollte, schneller, entschiedener und unbürokratischer eingreifen zu können.

Die Gründung von EI2 wurde in Deutschland allerdings zunächst skeptisch betrachtet. Ein wesentlicher Grund dafür war die Tatsache, dass EI2 außerhalb der EU-Strukturen erschaffen worden ist und somit komplementär zu PESCO und der GSVP ist. Letzten Endes stimmte Deutschland der Schaffung von EI2 zu und unterschrieb im Juni 2018 gemeinsam mit neun weiteren Staaten (Frankreich, Großbritannien, Belgien, Spanien, Portugal, Dänemark, Niederlande, Estland und Luxemburg) den Vertrag zur Gründung von EI2. Die Zustimmung Deutschlands kann vor allem als Zeichen der deutsch-französischen Partnerschaft gesehen werden.

Für DEU und FRA zählen natürlich auch die bilateral gestarteten Rüstungskooperationen (v. a. FCAS, MGCS) zu denjenigen Projekten, die neben der nationalen Verteidigungsstärkung auch maßgeblich zur Intensivierung der europäischen Handlungsfähigkeit dienen. Das Ziel wird geteilt, die Aufgaben- und Lastenteilung sind jedoch auch Gegenstand laufender Verhandlungen.

Militärische Zusammenarbeit

Die gemeinsamen Großmanöver Kecker Spatz (1987) und Champagne (1988), die Gründung des DFVSR und die Schaffung einer vertieften Struktur der bilateralen Zusammenarbeit, die Aufstellung von Deutsch-Französischer Brigade (1988) und Eurokorps (1991/92) waren Ausdruck der damaligen Dynamik in der ~.

Anlässlich des 50. deutsch-französischen Gipfels am 12./13. November 1987 wurde der Beschluss zur Aufstellung der Deutsch-Französischen Brigade gefasst. Zum 12. Januar 1989 folgte bereits die Indienststellung. Die Brigade besteht aus deutschen, aus französischen und aus gemischten Truppenteilen, die alle in Baden-Württemberg disloziert sind. Der gemischte Stab liegt in Müllheim am Rhein. Die Brigade hat sich vom politischen Vorzeigeobjekt mit begrenztem militärischen Wert zu einem einsatzbereiten Großverband vorzugsweise im Rahmen des Eurokorps entwickelt. Auf dem Weg dorthin war eine Vielzahl kleinerer und größerer Probleme zu lösen. Es galt, in mühevoller Kleinarbeit die Vielzahl an Unterschieden entweder zu überbrücken oder zumindest miteinander in Einklang zu bringen. Bis heute ist die Deutsch-französische Brigade einzigartig in der Tiefe ihrer Integration. Seit Dezember 2010 ist ein deutscher Truppenteil der Brigade, das Jägerbataillon 291, dauerhaft in Frankreich (Illkirch-Graffenstaden) stationiert. Dieser Schritt wird als wichtiges Symbol der deutsch-französischen Freundschaft gewertet. Die Brigade soll zum Einsatz als schneller Eingreifverband vorrangig für das Eurokorps befähigt und auf ihre Beteiligung am NATO Response Force Konzept der NATO (NRF) und am EU Battlegroups-Konzept vorbereitet werden.

Das Eurokorps wurde im November 1993 in Dienst gestellt. Es basiert auf einer deutsch-französischen Initiative aus dem Jahre 1991, der sich im Laufe der Jahre weitere Partnernationen anschlossen. Heute sind neben Frankreich und Deutschland noch Belgien, Spanien und Luxemburg als Truppensteller beteiligt. Griechenland, Italien, Österreich, Polen, Rumänien, Türkei und die USA stellen einzelne Offiziere im Stab des Eurokorps. Damit sind heute insgesamt zwölf Nationen am Eurokorps beteiligt. Das Hauptquartier wurde gemäß NATO-Standards als High Readiness Forces Headquarters zertifiziert und ist für Einsätze sowohl im Rahmen der EU als auch der NATO vorgesehen.

1992 wurde ein gemeinsamer Deutsch-französischer Marineverband (DEFRAM) aufgestellt, der ursprünglich nur zu Übungs- und Ausbildungszwecken einmal im Jahr für drei bis vier Wochen aktiviert werden sollte. Beim Jubiläumsgipfel 2003 wurde beschlossen, DEFRAM zu einem bei Bedarf schnell aufstellbaren und einsetzbaren Marineverband weiterzuentwickeln, der den europäischen Partnern zur Beteiligung offensteht. Seit 2003 kam DEFRAM bereits mehrfach im Rahmen der Operation Enduring Freedom am Horn von Afrika zum Einsatz und wird nach wie vor jährlich zu Übungszwecken formiert.

Auf dem Gebiet der gemeinsamen Ausbildung des Personals ist die Zusammenarbeit zwischen den beiden Streitkräften besonders eng. Auf allen Ebenen der Führerausbildung sowie in einer großen Vielzahl fachlicher Ausbildungsgänge erfolgt ein reger Austausch von Lehrgangsteilnehmern. Eine große Anzahl von Verbindungs- und Austauschoffizieren auf allen Ebenen stellt einen äußerst regen Erfahrungsaustausch sicher.

Die deutsch-französische Rüstungskooperation erfuhr, im Vergleich zu ihren binationalen Anfängen, zunächst eine zunehmende Europäisierung. In jüngster Zeit erscheint auch diese fraglich, da Frankreich auch in diesem Feld stärker auf Großbritannien zugeht. Die Entscheidung Frankreichs, aus einer geplanten deutsch-französisch-spanischen Kooperation (Talarion-Projekt) im Bereich der unbemannten Flugsysteme zugunsten einer britisch-französischen Allianz auszusteigen, unterstreicht diesen Trend.

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