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Orbán wird angezählt

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Viktor Orbáns politisches Ende scheint nach seiner zweiten Wahlniederlage plötzlich in greifbare Nähe gerückt zu sein. Der charismatische Führer wirkt angeschlagen, saft- und kraftlos. Er taumelt. Erstmals wird innerhalb der Partei Kritik an Orbán laut, politische Konsequenzen werden verlangt. Junge FIDESZ-Funktionäre fordern mehr Mitsprache in der Partei und kritisieren Orbáns „Alleinherrschaft“. Pläne werden öffentlich, wonach Viktor Orbán als Parteichef abgelöst und auf den Posten des Fraktionsvorsitzenden abgeschoben werden soll. Rasch bildet sich eine Gruppe von prominenten FIDESZ-Funktionären, darunter die Museumsdirektorin Mária Schmidt, der Bürgermeister von Debrecen Lajos Kósa, der ehemalige Kanzleramtsminister István Stumpf, der ehemalige Bildungsminister Zoltán Pokorni und der Politologe Tamás Fricz, die heimlich an der Demontage Orbáns arbeiten. Ermutigt werden sie vom damaligen CSU-Chef und bayerischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber, der zunehmend auf Distanz zu Orbán geht. Stoiber – von Orbán anfangs begeistert – hält ihn heute für einen Demagogen. István Stumpf reist sogar extra nach München, um mit Stoiber Strategien für den Sturz Orbáns zu besprechen …

Kurz scheint es, als hätte Orbán die Kontrolle über die innerparteilichen Diskussionen und den künftigen Weg der Partei verloren. In die Defensive gedrängt, bietet Viktor Orbán seinen Rücktritt an, reicht ihn aber offiziell nicht ein. Damit lässt er Dampf ab aus einer Diskussion um seine Person, die immer hitziger und unkontrollierter zu werden droht. Und er versucht Zeit zu gewinnen. Personelle Änderungen innerhalb von FIDESZ sollen ein Jahr später, bei einem Parteitag im Mai 2007 erfolgen, wie Orbán ankündigt.

Die gewonnene Zeit nutzt er, um jeden Einzelnen seiner Widersacher kalt abzuservieren. Dabei helfen ihm seine engsten Verbündeten, wie etwa László Kövér, heute Parlamentspräsident. Viktor Orbán hat dank seiner loyalen Freunde die Verschwörer rasch enttarnt. Über jeden Einzelnen kennt er Geschichten, die in der Öffentlichkeit nicht gut ankommen. Und daher haben sie sich auch in politisch unbedeutende Positionen abschieben lassen, quasi über Nacht, sang- und klanglos, ohne öffentlich dagegen zu protestieren.

István Stumpf wird der Posten eines Verfassungsrichters zugeschoben, obwohl er keine juristische Ausbildung hat.

Zoltán Pokorni muss sich mit dem Bürgermeisteramt des 12. Budapester Bezirks begnügen, was für ihn aber immer noch besser ist als die Rückkehr in seinen Brotberuf als Lehrer.

Die Ambitionen des Bürgermeisters von Debrecen, Lajos Kósa, Parteichef von FIDESZ zu werden, hat Orbán ebenfalls im Keim erstickt. Bei einer Parteiversammlung hat er Kósa öffentlich gedemütigt und der Lächerlichkeit preisgegeben. „Der Bürgermeister einer Großstadt ist nicht in der Lage, auch die größte politische Organisation des Landes zu führen“, sagt Orbán und erntet Applaus. FIDESZ-Mitglied Tamás Fricz verlässt die Partei freiwillig.

Der sogenannte „heiße Herbst“ (siehe das Kapitel „Der ‚heiße Herbst‘ in Ungarn“) mit zum Teil gewaltsamen Massendemonstrationen gegen die erst neu gewählte Regierung unter Ministerpräsident Ferenc Gyurcsány und der überlegene Sieg von FIDESZ bei den Kommunalwahlen am 1. Oktober, dem ersten Urnengang nach der Parlamentswahl, festigen Viktor Orbáns Position als Parteichef.

Beim FIDESZ-Parteitag am 20. Mai 2007 steht er ohne Gegenkandidaten zur Wahl. 1.608 Delegierte stimmen für seinen Verbleib als Parteichef, nur 39 dagegen. Und Viktor Orbán rüstet sich für die nächste (Wahl-)Schlacht im Kampf um die Macht in Ungarn.


Auf einem Parteikongress der sozialistischen Partei gibt Ferenc Gyurcsány am 21. März 2009 überraschend seinen Rücktritt vom Amt des Ministerpräsidenten bekannt.

Schöne Grüße aus dem Orbán-Land

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