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Reisen im 18. und frühen 19. Jahrhundert

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Tourismus als Massensport gab es im 18. Jahrhundert noch nicht. Reisen war von alters her zunächst einmal Sache von Händlern, von Fuhrleuten. Sie mussten sich auf den Weg machen, um zu kaufen und zu verkaufen. Handwerksburschen gesellten sich zu ihnen. Dann gab es die Pilger, die nach Jerusalem, Santiago di Compostela oder Rom wanderten, um etwas für ihr Seelenheil zu tun, um einen Sündenablass zu erreichen. Zu ihnen gehörte zum Beispiel Martin Luther. Drei Monate war er von Erfurt nach Rom unterwegs – zu Fuß, auf des Schusters Rappen. Ihre Wege kreuzten sich mit denen von Malern, Architekten, Studenten und Schriftstellern. Sie wollten bei ausländischen Meistern lernen. Albrecht Dürer zog es nach Holland und nach Venedig. Fugger schickte seinen Sohn ebenfalls nach Venedig: Das italienische Bankensystem kennenzulernen war sein Ziel. Eine besondere Erscheinungsform des Reisens waren schließlich auch die Kriegszüge quer durch Europa. Dann gab es noch das herrschaftliche Reisen: Es waren Kaiser und Könige mit ihrem Gefolge unterwegs, von Burg zu Burg, von Pfalz zu Pfalz – und der ganze „Hausstand“ wurde dabei mittransportiert.

In diesen Jahrhunderten war Reisen ein wahres, ein gefährliches Abenteuer. Ohne triftigen Grund verließ niemand seine Heimat und zog in fremde Landschaften und Länder. Straßenräuber und Wegelagerer waren eine der Gefahren. Die Straßen waren in einem schlechten Zustand, erst zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurde allmählich mit ihrer Pflasterung begonnen. Das führte dazu, dass Achsbrüche und umstürzende Kutschen an der Tagesordnung waren. Nicht ohne Grund wünschte man Reisenden „Hals- und Beinbruch“. Hinzu kamen die Sorge um ein Nachtquartier und eine akzeptable Bewirtung. Reisen war ein Unterfangen mit vielen Unwägbarkeiten. Die drei Goethes können ein Lied davon singen.

Gereist wurde zu Fuß, zu Pferd oder mit dem Fuhrwerk. „Per pedes apostolorum“ zu reisen war natürlich am preiswertesten, allerdings auch am langsamsten und gefährlichsten. Das Pferd war demgegenüber deutlich schneller, wenn auch nicht übermäßig bequem. Logistische Probleme waren zu lösen. Es musste an Futter für die Pferde gedacht werden und bei den Übernachtungen brauchten die Pferde einen Stall bei den Gasthäusern. Auch das hatte seinen Preis. Für eine Strecke von etwa 400 Kilometern benötigte man rund eine Woche. Bei Kutschenreisen um 1800 nutzte man – sofern vorhanden – entweder die eigene Kutsche oder die nach einem festen Fahrplan verkehrenden Post- oder Eilkutschen. Sie waren pauschal zu bezahlen und deshalb was Reisedauer und Kosten betraf einigermaßen gut zu kalkulieren. Die Geschwindigkeit lag bei sieben bis zwölf Kilometern in der Stunde. Regelmäßig, etwa alle 25 Kilometer, mussten die Pferde an speziellen Pferdewechselstationen ausgetauscht werden, was auch seine Zeit kostete. Im Schnitt kamen Kutschen auf eine Tagesleistung von 75 bis 100 Kilometer.


Abb. 2: Pferdewechsel eines Reisewagens Aquarell von Wilhelm von Kobell (1792)

Um den langen Landweg von Mittelitalien nach Sizilien zu vermeiden, nutzte Johann Wolfgang von Goethe von Neapel aus ein Segelschiff nach Palermo. Zwei Generationen später konnte August von Goethe bereits mit dem Dampfschiff über den Comer See und den Lago Maggiore schippern.

Reisen ins fremdsprachige Ausland waren, neben den beschriebenen Komplikationen, nochmals schwieriger. Nur wenige der Reisenden beherrschten die jeweilige Landessprache.

Das Reisen in der Form der „Grand Tour“ entwickelte sich allen Widrigkeiten zum Trotz seit dem 16./17. Jahrhundert langsam zu einem Bestandteil der Bildungskultur des Adels und des wohlhabenden Bürgertums.

„Die lobenswerte pädagogische Maxime lautete: Lernen durch eigene Anschauung. Dafür startete man ein finanziell durchaus aufwändiges Unternehmen, denn der junge Mann trat die Studienreise mindestens in Begleitung eines Reisemeisters und eines Dieners an, manchmal aber auch mit einer größeren Schar Bediensteter, die mit Leibarzt, Koch, Sekretär, Zahlmeister, Maler und Musiker zu einer vielköpfigen Gesellschaft anwachsen konnte.“ (Knoll, S. 35)

Besser ausgebaute Handelsstraßen und ein sich weiter entwickelndes System von Schifffahrtslinien erleichterten das Abenteuer Reisen. Bevorzugte Länder waren Italien, Frankreich und England. Beliebt war auch die Schweiz. In Deutschland waren es vor allem der Harz, der Thüringer Wald, das Erzgebirge sowie das Elsass, die ein gewisses Reiserenommee besaßen.

Die so genannte Grand Tour diente nicht nur der Allgemeinbildung, sondern auch der „Berufsvorbereitung“ etwa für eine diplomatische Laufbahn oder in einem großen Handels- oder Bankhaus. Was alles dazu gehören sollte, stellte Francis Bacon in seinem Essay „Of Travel“ von 1625 zusammen:

„Was man sehen und beobachten muss, sind Fürstenhöfe, besonders wenn Gesandten Zutritt gewährt wird; weltliche und geistliche Gerichtshöfe, sobald Sitzungen abgehalten und Rechtsfälle abgehandelt werden; Kirchen und Klöster nebst den darin enthaltenen Denkmälern; Wälle und Befestigungen von größeren und kleineren Städten, wie auch Häfen und Werften; Altertümer, Ruinen, Bibliotheken, Universitäten mit ihren Vorlesungen und Disputationen, Handels- und Kriegsflotte; Gebäude und Gärten zu Staats- und Vergnügungszwecken in der Nähe größerer Städte; Waffensammlungen, Zeughäuser, Lagerhäuser, Waren- und Wechselbörsen, Warenhäuser, Reit- und Fechtschulen sowie Kasernen und dergleichen; ferner Schauspiele, doch nur solche, welche von den besseren Klassen besucht werden; Schatzkammern für Juwelen und Staatsgewänder; Museen für Kunstgegenstände und Altertümer und schließlich alles, was an einem Orte Merkwürdiges vorhanden ist, worüber die Hofmeister oder Diener sorgfältig Erkundigung einziehen sollten. Prachtaufzüge, Mummereien, Festlichkeiten, Hochzeiten, Begräbnisse, Hinrichtungen und dergleichen Schaustücke sind zur Ausbildung des Geistes nicht notwendig, dürfen aber nicht gänzlich vernachlässig werden“ (zitiert nach Knoll, S. 36)

Jean-Baptiste Colbert, der Finanzminister König Ludwigs XIV., ergänzt, dass auch die Beschäftigung mit Architektur, Bildhauerei und Malerei unverzichtbar ist.

Besonders bei Johann Caspar Goethe kann man schön sehen, wie er sehr penibel viele der aufgeführten Punkte bei seiner Italientour berücksichtigt, sie förmlich abarbeitet.

Mit der Kutsche durch Italien

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