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Das Funzeng’schwader
ОглавлениеDas hohe Gericht tagt. Der Gerichtsdiener ruft zur Ruhe auf. „Bitte erheben Sie sich von Ihren Plätzen, bis sich das Richtergremium im Gerichtssaal eingefunden hat.“ Das Gremium betritt den Verhandlungsraum und nimmt im Gericht Platz. Als Erstes wendet sich die Richterin an alle Anwesenden im Gerichtssaal.
„Heute stehen vier Damen vor Gericht, die von ihren Ehemännern verklagt wurden, weil die Beschuldigten ihnen laut Anklage übel mitgespielt hätten. Da sich anscheinend die vier Damen Nina, Aurelia, Ramona und Elisabeth gegen ihre Ehemänner verschworen hatten, wurde das Quartett von ihren Ehegatten laut Anklageschrift als Funzeng’schwader10 bezeichnet. Diese Bezeichnung für das Frauenquartett wird vom Gericht vehement abgelehnt und ist nicht Bestandteil der Verhandlung. Wir beginnen mit der Befragung der Kläger, ich rufe nun Herrn Ferdinand in den Zeugenstand.“
Herr Ferdinand tritt vor den Senat und auf Aufforderung der Richterin berichtet er: „Am 16. August bin ich wie jeden Abend nach der Arbeit noch hinunter zum Fluss an den FKK-Strand gefahren. Es war schon spät und auch nicht mehr so warm, darum war ich auch der einzige Badende an diesem Abend und sprang sogleich ins Wasser, um ein paar Bahnen zu schwimmen. Wieder ans Ufer zurückgekehrt, bemerkte ich, dass meine Kleider weg waren, jedoch meine Tasche mit Geldbörse und Autoschlüssel lag noch auf meinem Liegeplatz. Da war guter Rat teuer, denn wie sollte ich ohne Garderobe nach Hause kommen. Nützt nichts, dachte ich, und setzte mich unbekleidet ans Steuer. Um schnell nach Hause zu kommen, trat ich ordentlich ins Gaspedal. Pech war nur, dass mich zwei Straßen weiter eine Polizeistreife anhielt. Dies brachte mir eine Geldbuße wegen überhöhter Geschwindigkeit innerorts und zusätzlich noch eine Anzeige wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses ein. Zu Hause angekommen, versuchte ich, unbemerkt in der Garage aus dem Auto auszusteigen, jedoch das komplette Funzeng’schwader, Entschuldigung, das Damenquartett, erwartete mich dort bereits. Als mich die Ladys so aus dem Auto aussteigen sahen, verfielen sie in eine regelrechte Lachorgie.“
Die Richterin muss kurz schmunzeln, fasst sich jedoch gleich wieder und es setzt eine Verwarnung bezüglich der Bemerkung Funzeng’schwader. Sodann hinterfragt sie die Aussage von Ferdinand bei den Damen auf der Anklagebank. „Ja, wenn man nach der Arbeit lieber nackert am Strand herumflaniert als nach Hause zu fahren, dann kann so was schon passieren“, war das kurze Statement seiner Frau Ramona, zugleich brach auf der Anklagebank großes Gelächter aus.
In Anbetracht dessen, dass man sich hier im Gerichtssaal befindet und nicht im Caféhaus, ermahnte die Richterin die Damen zur Ruhe und fuhr eilends mit der Verhandlung fort. „Unser nächster Aufruf gilt Herrn Peter. Bitte treten Sie in den Zeugenstand und berichten uns von Ihrem Geschehen zwei Wochen später.“
Peter erhebt sich von seinem Platz und sagt aus: „Hohes Gericht, ich bin am 30. August wie jeden Abend in mein Fitnesscenter gegangen. Während des Trainings gesellte sich Nina, die Frau von Ernst, zu mir. Wir plauderten miteinander und sind dann auch nebeneinander aufs Rad gestiegen. Gemeinsam trainieren verbindet und ich glaubte, dass wir uns dabei etwas nähergekommen sind. Wie’s halt so ist, nach dem Training habe ich Nina angeboten, sie in meinem Auto mitzunehmen und zu Hause abzusetzen. Doch nach dem vielversprechenden Abend bin ich nicht geradewegs zu ihrem Haus gefahren, sondern machte einen kleinen Abstecher zum See. Als ich von der Hauptstraße abbog und Nina nicht reklamierte, war ich mir sicher, dass der Abend vielversprechend enden könnte. Auf dem Parkplatz dann wollte ich mich ihr nähern und legte meinen Arm um ihre Schultern. Soweit ließ sie mich auch gewähren, bis ich sie zu küssen versuchte. Da schüttelte Nina plötzlich den Kopf und meinte abweisend: „Ach Peter, ach Peter“. Dann öffnete sie die Tür und stieg fluchtartig aus. Zu meiner Überraschung warteten draußen bereits ihre Freundinnen und gemeinsam schauten sie zum Fenster herein. Große Schuldgefühle trafen mich, als ich wie ein sündiger Schulbub mit hochrotem Gesicht dagesessen habe. Ich schämte mich sehr für meine spontane Entgleisung, vor allem vor meiner Frau Aurelia. Die Damen hingegen fanden meine missliche Situation lustig und lachten mich schallend aus.“
Wiederum wird der Vorfall auf der Anklagebank hinterfragt. Weil Peter die Abende lieber im Fitnesscenter verbringt als zu Hause, wollte ihm seine Frau einfach mal ordentlich eins auswischen. Erneutes Gelächter bestätigt auch diesen Vorfall, was den Damen die zweite Ermahnung einbringt.
Als Nächster steht nun Ernst vor dem Gremium. Ernst hatte Anfang Oktober abends in seiner Stammkneipe gesessen und Karten gespielt. Zu später Stunde wollte er mit seinem Auto nach Hause fahren, aber der Wagen war weg. Sofort kontaktierte er die Polizei und meldete den Diebstahl. Doch die Anzeige brachte ihm auch nicht gleich sein Auto wieder zurück und so musste er wohl oder übel den Heimweg zu Fuß antreten. Zu Hause angekommen erwartete ihn bereits das versammelte Quartett. Als er seiner Frau Nina erzählte, was geschehen war, tat sie, als wäre sie erstaunt und konterte:
„Soso, dem Herrn wurde der Wagen gestohlen. Komisch, die Polizei hat vorhin angerufen und mitgeteilt, dass dein Auto auf dem Parkplatz vor dem Swinger-Club steht. Zu mir sagt man, dass man zum Stammtisch geht, derweilen vergnügt man sich in einem Etablissement. Wie ich dich kenne, weißt du von nichts, wahrscheinlich hat sich nur dein Auto dorthin verfahren.“
„Jetzt verstehe ich gar nichts mehr, was soll das, ich war wirklich beim Stammtisch, du kannst den Wirt fragen.“
„Habe ich bereits gemacht; leider, mein Lieber, hat dieser dich heute noch nicht in seinem Lokal gesehen. Kommt davon, wenn man nach der Arbeit nicht gleich den Weg nach Hause findet. Zudem, wer macht sich die Arbeit und stiehlt ein Auto, um es zwei Straßen weiter wieder abzustellen.“
Die Richterin sendet erneut einen Blick zur Anklagebank. Klar, dass diese Aussage von dort mit erneutem Gelächter bestätigt wird, denn die Damen haben selbst den Wagen dort geparkt, um Ernst eins auszuwischen.
Für den letzten Fall betritt nun Herbert den Zeugenstand. „Herr Herbert, können Sie uns von dem Vorfall am 17. Oktober dieses Jahres berichten.“
„Ich bin nach der Arbeit auf den Tennisplatz, um wie jeden Dienstag mit meinem Freund Ferdinand eine Runde Tennis zu spielen. Sogleich zog ich mich um und wartete auf Ferdi, aber er kam nicht. Darum schaute ich, ob sich vielleicht ein anderer Gegner für ein Match findet. Zur gleichen Zeit kam Ramona, Ferdis Frau, und entschuldigte ihren Mann für heute, jedoch wenn es mir nichts ausmache, würde sie gern für ihren Mann einspringen, lautete ihr Angebot, das ich gerne annahm.
Wir spielten zusammen ein paar Runden Tennis und gingen dann in die Umkleidekabine zum Duschen. Da wir zu diesem Zeitpunkt noch die einzigen Gäste im Tennisclub waren, regte mich die Situation sehr an und ich schlich mich in Ramonas Duschkabine, aber zu meiner Überraschung erwartete mich dort das komplette Funzeng’schwader, Entschuldigung, natürlich meine ich das Frauenquartett. Starr vor Schreck stand ich da, die Damen hingegen glotzten provokativ meinen entblößten Körper an. Ich spürte sofort, dass der Hut brannte und vor lauter Scham, aber auch mit einer riesigen Wut im Bauch, lief ich begleitet vom schallenden Gelächter der Damen, zurück in meine Umkleidekabine.“
Weil den Damen der Anblick von Herbert noch gut in Erinnerung geblieben ist, bestätigt erneutes Gelächter von der Anklagebank auch diesen Vorfall. Die erneute Lachsalve bringt den Damen eine Geldbuße vom Gericht ein. Auch Herbert erntet eine Ermahnung bezüglich des Funzeng’schwaders, wie auch seine Frau Elisabeth gegenüber dem Gericht ihre Rache an Herberts Tennisabenden gestand. Als nächster Schritt des Gerichts folgt die Befragung der Angeklagten, deren einstimmige Antwort von Nina vorgetragen wird.
„Wer nicht hören will muss fühlen. Nachdem unsere Männer der Meinung sind, dass wir nur zum Putzen, Bügeln, Kochen, Waschen und Kinder versorgen da sind, haben wir kurzerhand beschlossen, sie eines Besseren zu belehren. Auch wollen wir nicht mehr allabendlich für sie allzeitbereit zur Verfügung stehen und warten, ob sie vielleicht doch noch den direkten Weg nach Hause finden. Dieser Zustand brachte uns vier auf die Idee, unseren Männern mal ordentlich die Augen zu öffnen.“
Nach Abgabe dieser Erklärung zieht sich das Richtergremium zur Beratung zurück. Nach einer kurzen Pause kehren sie zurück in den Verhandlungssaal und die Richterin verkündet Folgendes: „Das Richtergremium hat aufgrund der intimen Sachlage beschlossen, den Fortgang der Verhandlung unter Ausschluss der Öffentlichkeit fortzusetzen.“
Ja, liebe Leser, damit sind auch wir draußen – schade. Jetzt, wo’s spannend wird, müssen wir den Verhandlungssaal verlassen. Aber uns bleibt ja noch die Gerüchteküche und da wird gemunkelt, dass man sich außergerichtlich auf einen Vergleich geeinigt habe. Auch sagt man, dass das Funzeng’schwader immer noch aktiv sei und die Damen mit ihren Erfahrungen gerne anderen Ehefrauen zur Seite stehen. Zudem agieren sie nicht mehr nur zu viert, sondern eine weitere Dame soll sich dem Quartett angeschlossen haben. Also aufpassen, meine Herren, immer schön sauber bleiben, könnte ja sein, dass sich gerade deine Frau Gemahlin dieser netten Damenrunde zugehörig fühlt.
Fazit: „Brüder, lasst euch nicht unterkriegen“, wäre wohl hier der richtige Schlachtruf. Doch wo hat eigentlich die Geschichte ihren Anfang genommen, vielleicht bei den Männern selbst? Denn wer im Wald ein Feuer entfacht, sollte sich der Gefahr eines Waldbrandes bewusst sein!