Читать книгу Stadt ohne Licht - Ernst Meder - Страница 12

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6. Kapitel

Es war ein Knall, auf den eine grüne Rakete folgte, der das neue Jahr einleitete. Sein Blick durch das vergitterte Fenster fiel auf eine Vielzahl von Feiernden, die das alte Jahr mit Böllern vertrieb und das neue Jahr mit bunten Raketen begrüßte. Er sah, wie sich einige umarmten, sich auf die Wange küssten, um zum Nächsten zu wechseln, wo sich das Spiel wiederholte. Bei den Leuten, die sich unter einer Laterne eingefunden hatten, konnte er die Bewegung der Münder beobachten. Nichts davon drang bis zu ihm an sein vergittertes Fenster kein Laut drang zu ihm. Aus ihrem Verhalten schloss er, dass sie sich wahrscheinlich ein gesundes und erfolgreiches neues Jahr wünschten,.

War diese Stille sein Omen für das kommende Jahr, würde er nach der Verhandlung nur die Zelle wechseln. Nichts wies darauf hin, dass sich im neuen Jahr für ihn etwas ändern würde. Auch wenn Sebastian und Elisabeth ihm Mut zusprachen, so war ihr Handlungsspielraum nur begrenzt darin, etwas ändern zu wollen. Beide waren nicht in der Lage tatsächlich etwas an seiner misslichen Lage zu ändern.

Die Nachricht von Sebastian, dass Elisabeth trotz Verbots nach Kiel gefahren war, hatte ihn nur kurz überrascht. Alles, was er bisher über Elisabeth erfahren oder in der kurzen Zeit erlebt hatte, zeigte ihre nicht zu bremsende Energie. Sie wäre sprichwörtlich mit dem Kopf unter dem Arm gefahren, wenn sie sich dies fest vorgenommen hätte.

Trotzdem hoffte er, dass sie in Kiel etwas finden würde, was diesen Zeugen unglaubwürdig machte, etwas was man gegen ihn verwenden konnte. In seinen Überlegungen, er hatte hier mehr Zeit, als er sonst hätte ausfüllen können, war er immer mehr zu der Überzeugung gelangt, dass der Vorfall mit der Mutter von Elisabeth zu tun hatte und sehr weit zurückliegen musste.

Wenn er das Alter der Beteiligten berücksichtigte, kam er zu der Überzeugung, dass es in den zehn Jahren zwischen neunzehnhundertvierzig und neunzehnhundertfünfzig geschehen sein musste. Vielleicht noch ein paar Jahre vorher, allerdings nicht später, da sonst Elisabeth sich an den Vorfall erinnert hätte, wenn sie etwas von einem Streit mitbekommen hätte.

Als Elisabeth ihn vor ihrer Verletzung besuchte, hatte er ihr seine Gedanken mitgeteilt. Dabei hatte er ihr unverblümt gesagt, dass dieser Überfall, als auch die Einbrüche vorher, ausschließlich mit ihr zu tun haben müssen. Es war ihm damals nicht aufgefallen, wahrscheinlich war er zu sehr mit sich selbst beschäftigt, sodass es ihm erst sehr viel später wieder einfiel. Ihr Verhalten war ganz und gar ungewöhnlich, im Nachhinein wirkte es so, als habe sie ein schlechtes Gewissen. Oder war da mehr, wusste sie mehr as sie zu sagen bereit war, ahnte sie, weshalb dies alles geschah, wagte es aber nicht zu sagen. Ständig kreisten seine Gedanken um die Ungewissheit, verschwieg Elisabeth etwas, obwohl es ihm hätte helfen können.

Er hatte ihn nicht erwartet, deshalb war er überrascht als er ins Besucherzimmer geführt wurde, wo Sebastian auf ihn wartete. Dieser lächelte unerwartet fröhlich, als er ihm die besten Wünsche für das kommende Jahr aussprach.

»Eigentlich mache ich so etwas ungern, aber ich habe gestern Abend einen Anruf erhalten, der den Aufenthalt in diesem ungastlichen Haus bald ein Ende bereitet«.

Johann blickt etwas verwundert zu seinem Rechtsanwalt, eigentlich wirkte er bei seinem letzten Besuch noch normal, drückte sich weniger blumig aus.

Immer noch fröhlich sprach er weiter, »ich habe Dir doch von meinem Bekannten bei der Polizei erzählt, der mir ab und zu etwas hilft, wenn es wieder einmal brennt. Wie gesagt, gestern Abend hat er mich angerufen, um mir mitzuteilen, dass die Polizei sich erneut mit Deinem Fall befasst. Irgendwie haben die mitbekommen, dass dieser Roger Winter mit diesem Zeugen Walter Vohberg verwandt sein soll. Wenn sich das bestätigen sollte, dann stellt sich die Frage, weshalb dieser Vohberg das damals nicht gesagt hat. Wieso hat er so getan, als sei er nur ein Zeuge, der zufällig ein Verbrechen gesehen hat«.

»Vielleicht gehören die beiden zusammen, dann hat der Junge nur einen Auftrag ausgeführt«. Die Hoffnung, die in seiner Stimme mitschwang, war durch nichts begründet, trotzdem, dieses Verschweigen der Verwandtschaft war das Einzige, was bisher so etwas wie Hoffnung zuließ.

»Mit Elisabeth habe ich auch telefoniert«, Sebastian ging nicht darauf ein, so weit wollte er nun doch nicht gehen. »Sie hat mir gesagt, dass sie das Tagebuch ihrer Mutter gefunden hat. Leider hat sie ihre verletzte Hüfte überanstrengt, sodass sie jetzt bei ihrer Freundin flachliegt. Sie hofft, dass sie in der nächsten Woche wieder nach Berlin kommen kann, dann will sie uns informieren, was sie bis dahin findet«.

»Sie hat angedeutet, dass einige Überraschungen in dem Tagebuch enthalten sind, allerdings betrafen diese nur ihre Person. Sie hatte einen Teil bereits in der Bank gelesen, nun hat sie das Tagebuch zu ihrer Freundin mitgenommen und möchte es in den nächsten Tagen zur Gänze lesen«.

Johann schaltete ab, aus dem Tagebuch schien nichts zu erwarten, was ihm helfen konnte, er setzte seine Hoffnung mehr auf die Ermittlungen der Polizei. Vielleicht konnte er tatsächlich in ein paar Tagen die Freiheit genießen, auf die er nun schon zu lange verzichtet hatte. Einer dieser eigenwilligen Sprüche von früher fiel ihm wieder ein, wenn sich sein Onkel und sein Vater stritten. Bei einer dieser Streitereien hatte sein Onkel zu seinem Vater gesagt, wenn Du dich am Eigentum von Johann vergreifst, werde ich dafür sorgen, dass du gesiebte Luft atmest. Keines der angekündigten Ereignisse war eingetreten außer, dass er nun „gesiebte Luft“ atmete.

Sebastian, der die gedankliche Abwesenheit bemerkte, unterbrach seine Ausführung. »Hast Du eigentlich mitbekommen was ich gerade gesagt habe«.

Als Johann ihn fragend anblickte, fuhr er fort, »ich kann zwar den privaten Anruf meines Freundes bei der Polizei nicht offiziell verwenden, trotzdem werde ich vorsorglich Haftbeschwerde einlegen«.

»Das hat uns doch bisher auch nicht weiter gebracht«, Johann zweifelte inzwischen an der Vorgehensweise von Sebastian. Keine seiner Vorhersagen oder Prophezeiungen waren eingetreten, im Gegenteil, Richter und Staatsanwalt hatten ihm seine Grenzen aufgezeigt.

»Bisher haben wir einen Antrag auf Haftprüfung gestellt, da man in der Regel schneller einen Termin erhält. Innerhalb von vierzehn Tagen muss dann darüber entschieden werden. Nachteil, wir landen automatisch immer bei dem Richter, der schon einmal darüber entschieden hat«.

»Warum haben wie nicht gleich Haftbeschwerde eingelegt«, Johann überlegte noch, ob er wütend werden sollte, vielleicht hätte er Weihnachten nicht hier verbringen müssen.

»Es hat seine Vorteile«, Sebastian sprach ruhig ja fast begütigend weiter, »wenn bei der Haftprüfung eine vorzeitige Entlassung abgelehnt wird, kann zu einem späteren Zeitpunkt erneut ein Antrag gestellt werden. Bei der Haftbeschwerde wird die Prüfung von einer höheren Instanz vorgenommen, der Nachteil, er kann nur einmal gestellt werden. Wird diese abgelehnt, haben wir keine weitere Möglichkeit«.

»Und warum jetzt«, die Frage klang trotzig, »wenn es nun abgelehnt wird«.

»Bis zum Termin, das hat mir mein Freund zu verstehen gegeben, wird es Ergebnisse bei den Ermittlungen geben, deshalb habe ich mich entschlossen, aufs Ganze zu gehen«.

Erst jetzt wurde Johann die Gefahr bewusst, wenn es dieses Mal abgelehnt wurde, würde er die Zeit bis zu einem Termin hier verbringen müssen. Sebastian hatte ihm diese Endgültigkeit des Verfahrens bisher erspart, nun konnten beide nur noch hoffen.

Stadt ohne Licht

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