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Kapitel 6

Mictlan, Xibalbá und Jagdgründe

Altamerikaner: Indianer

Das Schicksal eines AZTEKEN im Jenseits hängt nicht davon ab, wie er auf Erden gelebt hat. Ob er hienieden gut oder böse gewesen ist ‒ das bestimmt nicht sein Los nach dem Tod. Es gibt kein Totengericht. Mit anderen Worten: Das Nachtodleben versteht sich nicht als Belohnung für Verdienste und nicht als Bestrafung für Vergehen.

Das Indianervolk der Azteken schuf vom 14. bis zum 16. Jahrhundert eine glanzvolle Hochkultur in Mittelamerika (Mexiko). 1521 wurden die Azteken von den waffentechnisch überlegenen Spaniern unterworfen.

Geprägt wurde das mächtige Aztekenreich von Religion, Militärwesen und Landwirtschaft.

Die Azteken verehrten 1600 Götter. Um die Götter zufriedenzustellen und den glatten Lauf des Universums zu gewährleisten, brachten sie sogar Menschenopfer dar. Gang und gäbe waren sogenannte Blumenkriege, die nur dem Zweck dienten, sich Kriegsgefangene zu beschaffen für die religiös motivierten Menschenopfer.

Über das Leben im Jenseits entscheidet nach aztekischer Mythologie allein die Art und Weise des Todes: die Todesursache. Es existieren vier Totenreiche: das östliche, westliche, südliche und nördliche.


Jaguar-Krieger“ = Elitekrieger der Azteken


Mictlantecuhtlioberster Totengott in der Unterwelt Mictlan

➲ In das nördliche Jenseitsreich, die Unterwelt Mictlan, gelangen die gewöhnlich Sterblichen bzw. alle Menschen, die eines natürlichen (sprich: ruhmlosen) Todes gestorben sind.

Um die Tiefe von Mictlan zu erreichen, muss der Seelenleib des Toten 4 Jahre lang an 9 verschiedenen Stationen Mutproben bestehen und Entbehrungen durchleiden. Der Tote durchquert Schluchten, die sich fortwährend verschieben, überwindet eisige Wüsten, überfliegt dunkle Moore und Sümpfe. Dichte Nebel führen ihn in die Irre. Der Herr der Pfeile schießt ihm das Herz aus dem Leib. In einem Abwasserfluss schnappt eine Riesenechse nach ihm …

Wenn er die Prüfungen und Mutproben unbeschadet übersteht, erreicht der Tote das Ufer eines neunarmigen Flusses im Tal der Finsternis. Er überquert den Fluss mit Hilfe des Höllenhundes Xolotl und steht plötzlich vor dem Tor des Tempels des Herrschers von Mictlan namens Mictlantecuhtli.

Den Gott der ewigen Dunkelheit stellen sich die Azteken als Skelett mit blutbespritztem Schädel vor, mit Eulenfedern als Kopfschmuck und einer Halskette aus menschlichen Augäpfeln.

Die Unterwelt Mictlan ist wie eine Hölle. Überall wirbelt Sand herum. Das Essen der Insassen ist giftig. Zum Frühstück beispielsweise gibt es Eiter aus einer Hirnschale.

➲ Das östliche Totenreich der Azteken, das „Sonnenhaus“ (Tonatiuh Ichan), ist das höchste Paradies. Es ist für die von den Göttern auserwählten Seelen bestimmt, namentlich für die im Kampf getöteten Krieger und für Menschen, die auf dem Altar den Opfertod gestorben sind. Selbst die den Göttern kultisch geopferten Kriegsgefangenen wurden im Sonnenhaus aufgenommen. Der Opfertod war also im Aztekenreich erstrebenswert.

4 Jahre lang dürfen die privilegierten Paradiesbewohner des Sonnenhauses die Sonne auf ihrem Weg über das Firmament begleiten, dann kehren die Gefährten der Sonne auf die Erde zurück: als schillernde Prunkvögel (vorzugsweise Kolibris) und bunte Schmetterlinge.

➲ Das westliche Totenreich ist das „Maishaus“ (Cincalco), in das die Frauen eingehen, die im Kindbett gestorben sind. Sie wurden gleichsam als weibliche Krieger betrachtet und verehrt.

Nach 4 Jahren verwandeln sich die Frauen in Gespenster, die auf die Erde zurückkehren, um vor Gefahren zu warnen.

➲ Das südliche Totenreich Tlalocan, nach dem Regengott Tlaloc benannt, ist ertrunkenen bzw. im Wasser umgekommenen, vom Blitz erschlagenen sowie an Lepra gestorbenen Personen vorbehalten. Es ist ein fruchtbares immergrünes Paradies. Überall blühen Blumen. Maiskolben, Kürbisse, Tomaten und Obstbäume gedeihen in Fülle. Die Bewohner sind reich und glücklich und geben sich dem Spiel und Gesang hin.

Ort der Angst

Bereits vor 3000 Jahren entwickelte sich die Kultur der MAYA: die höchste im vorkolumbianischen Amerika. Sie breitete sich in Mexiko, Guatemala, Belize, Honduras und El Salvador aus. Blütezeit zwischen 250 und 900 n.Chr.

Die Maya faszinieren u.a. durch ihre einzigartige Architektur (Tempel, Pyramiden, Paläste), ihre brillante Astronomie, ihren komplexen Kalender, ihre vollständige Schrift, ihr aufwändiges Bewässerungssystem. Sie entfalteten eine städtische Zivilisation mitten im tropischen Regenwald.


Die Reise nach Xibalbá: Totenmaske der Roten Königin, einer Maya-Adeligen (7. Jahrhundert)

Was erwarteten die Maya nach dem Tod?

Beim Sterben trennt sich der Lebenshauch vom Körper und steigt hinab in die Unterwelt Xibalbá (= „Ort der Angst“), egal, ob der Verblichene auf Erden verwerflich oder sittsam gehandelt und gelebt hat.

Um dem Verstorbenenn die nötige Kraft für die mühsame Reise nach unten zu vermitteln, wurde ihm zuweilen eine Jadeperle in den Mund gelegt. Die von Dämonen regierte Schattenwelt ist, wie gesagt, ein Ort des Schreckens: gefährlich, gruselig, qualvoll.

Hier wird der Tote festgehalten.

Wenn er alle Prüfungen, Kämpfe und auferlegten Leiden in der Totenwelt Xibalbá besteht bzw. übersteht, steigt er in den Himmel auf, wenn nicht, muss er im Reich des Unheilsgottes verbleiben.

Die Unterwelt liegt an den Wurzeln des sogenannten Weltenbaumes. Der Weltenbaum (wacah-chan) verbindet in der Mythologie der Maya die 3 Bereiche des Weltalls: den Himmel, die von den Menschen bevölkerte Erde und die Unterwelt.

Auf dem Weltenbaum ‒ also dem kosmischen Verbindungsweg oder Kanal zwischen der natürlichen und der übernatürlichen Welt ‒ reist also die aus der Unterwelt entlassene Totenseele in den Himmel. Dort führt sie ein friedliches Leben und wird wiedergeboren.

Die Durchquerung der Unterwelt Xibalbá steht allen Normalsterblichen bevor, erspart bleibt sie aber allen kultisch Geopferten sowie den Frauen, die im Kindbett starben – und den Selbstmördern! Der Opfertod war in der Maya-Welt hoch angesehen, so dass ihn so mancher freiwillig wählte.

Mit Keulen gegen Kanonen

Die dritte Indianer-Hochkultur in Lateinamerika haben die INKA vom 13. bis zum 16. Jahrhundert in Peru geschaffen. In seiner größten Ausdehnung erstreckte sich das riesige Imperium von Kolumbien über Ekuador, Peru (Kernland) und Bolivien bis in den Norden Chiles und Argentiniens.

Die Lebensadern des straff organisierten Staates waren die hervorragend ausgebauten Straßen. Das gigantische Straßennetz war 40.000 km lang: es übertraf an Länge und Qualität selbst das weltberühmte Straßensystem der alten Römer. Über Schluchten und Flüsse errichteten die Inka kunstvolle Hängebrücken mit bis zu 60 m Länge.


Skizze von Inka-Adeligen in vollem Ornat

Hochentwickelt waren neben monumentaler Baukunst Ackerbau (mit ausgeklügeltem Bewässerungssystem), Viehzucht (vor allem Lama als Trag-, Schlacht- und Wolltier), Bergbau, Küstenfischerei, Weberei, Töpferei, Goldschmiedekunst und Bronzeguss. Die „Chirurgen“ der Inka führten bereits Schädeloperationen durch.

Die Inka betrachteten sich als Kinder der göttlichen Sonne: des Sonnengottes Inti. Dementsprechend gipfelte ihre Staatsreligion im Sonnenkult.

Eine grausame Seite ihrer Religion: Menschenopfer und rituelle Tötungen auserwählter Mädchen und Knaben (bekannt als Capacocha-Ritual).

Die spanischen Eroberer, von Goldgier verzehrte Plünderer unter Francisco Pizarro ‒ einst Schweinehirt ‒, zerstörten 1533 das damals durch Thronwirren geschwächte Inkareich. Die mit Keulen und Pfeilen ausgerüsteten Indianerkrieger hatten keine Chance gegen die Feuerwaffen ‒ Musketen und Kanonen ‒ der spanischen Haudegen.

„Spuk“ der Mumien

Die Inka konservierten bzw. mumifizierten die Toten: nicht bloß die gesellschaftlich hochrangigen und adeligen Verstorbenen, sondern nach Möglichkeit die Toten aller sozialen Schichten.

Sie ließen die Toten austrocknen (die Austrocknung wurde durch das trockene Klima der Anden-Region unterstützt). Die Leichname wurden mit Salz eingerieben und durch Räuchern behandelt, in Textilien gewickelt und in Hockstellung ‒ mit angewinkelten Beinen ‒ beigesetzt: mitsamt der Beigaben, darunter Töpferwaren, Schmuck, Tierfelle und Maisbier.

Die Gräber der Mumien ‒ ob in Höhlen, Felsspalten, Bergschreinen, an Quellen oder in Kammern gelegen ‒ waren heilige Plätze: Kultstätten (Huaca).

Die Mumien nehmen am Leben der Nachkommen teil: sie werden gepflegt, werden an Hochzeiten oder Erntefeiern beteiligt, sie werden konsultiert und um Hilfe oder um Fürsprache bei den Göttern gebeten. Sie genießen die Zuneigung, den Respekt und die Dankbarkeit der Verwandten und Angehörigen. Beim Sonnenfest, dem Hochfest der Inka, wurden die Mumien der verstorbenen Könige in der Prozession mitgeführt.

Ein Bruder Pizarros, des spanischen Eroberers des Inkareichs, berichtete 1571 verwundert über den Jenseitsglauben der Inka: „Es war üblich, dass die Toten einander besuchten, sie hielten große Feste und Tänze ab, und manchmal besuchten die Toten die Lebenden in ihren Häusern und manchmal gingen die Lebenden in die Häuser der Toten.“

Kein Wunder also, dass die christlichen Spanier dem „Spuk“ der Mumien den Garaus machen wollten, war doch der tiefverwurzelte Mumienkult ein Haupt-Hindernis für die Christianisierung der „Heiden“. Daher inszenierten die Spanier auf Druck der Inquisition einen regelrechten Feldzug gegen die Mumien. Sie konfiszierten alle Mumien, deren sie habhaft werden konnten, und verbrannten sie auf dem Scheiterhaufen. Den Schmuck der Mumien raubten sie.

Hanan, Kay oder Uku?

In der Mythologie der Inka haben aber die lebenden Mumien die Chance der irdischen Reinkarnation/Wiederverkörperung, nachdem sie die Pacha – die 3 Seinsebenen – durchschritten haben.

Die Inka haben die Welt in 3 kosmische Bereiche eingeteilt: Hanan Pacha, Kay Pacha und Uku Pacha.

Hanan Pacha: das ist die Oberwelt, das Reich der Götter, der Sonne, des Mondes, der Sterne, der Blitze – und der guten Ahnengeister. Wer ein gutes Lebens geführt hat, betritt über eine dünne Brücke aus Haaren die hohe Welt und lebt hier friedlich und frei von körperlicher Mühsal.

Kay Pacha: das ist die Mittelwelt, die diesseitige Welt der Menschen, Tiere und Pflanzen.

Uku Pacha: das ist die Unterwelt, die Heimat der dunklen Mächte, der Lebensraum der Wurzeln und Schlangen. Beherrscht wird die Unterwelt von einer Satansfigur: Supay, dem Totengott und Boss der Dämonen. Das teuflische Haus ist ein Strafort für Böse und Schlimme. Die Leidenden und Gequälten ernähren sich von Ungeziefer.

Doch irgendwann erfolgt ein Aufstieg: eine Wiederverkörperung.

„Glücklich“, nicht „ewig“

In die „Glücklichen Jagdgründe“ einzugehen, ist die geläufige Jenseitshoffnung der Indianer in Nordamerika. Der amerikanische Schriftsteller F. Cooper (1789-1851) hat die „glücklichen“ Jagdgründe in „ewige“ Jagdgründe umbenannt, eine falsche Bezeichnung, die sich in unseren populären Wildwest-Geschichten à la Karl May aber durchgesetzt hat.

Auf die tapferen und ehrlichen Indianer wartete nach dem Tod also ein Jagdrevier. Selbstmördern beispielsweise, die für Feiglinge gehalten wurden, blieb der Eintritt verwehrt.

Grünes Land mit nie welkenden Blumen, rauschende Wälder und allüberall wimmelt es von Jagdtieren wie Büffeln und Hirschen: das Land der Seligen, frei von Sorgen und Schmerzen. Kaum waren die erlegten Tiere verspeist, sprangen sie wie vorher umher, denn sie waren unsterblich wie die Menschen.

Bei manchen Stämmen war der Aufenthalt in den sogenannten „ewigen“ Jagdgründen freilich nur von begrenzter Dauer: die Geister der Verstorbenen wurden entweder in neuen Körpern auf der Erde geboren oder die Seele folgte schließlich dem Schöpfergott in die Ewigkeit.

Die Jenseitsvorstellungen der nordamerikanischen Indianer waren von Volk zu Volk sehr unterschiedlich. Es gab, als Amerika „entdeckt“ wurde, allein in Nordamerika rund 350 Stämme. Neben der Erdbestattung waren Feuerbestattung, Wasserbestattung und Hochbestattung auf Gerüsten üblich.

Die Milchstraße entlang

Die CHEYENNE, ein Volksstamm in der Kurzgrassteppe der Great Plains, berühmt als Büffeljäger, glauben, dass sich die Seelen der Verstorbenen vom Körper lösen, zum Firmament aufsteigen und über die „hängende Straße“ (Milchstraße) in das Reich des Schöpfergottes Heammawihio (anderer Name: Maheo) wandern.

Der Stamm der NAVAJO (im Südwesten der USA) glaubt gar nicht an ein Fortleben nach dem Tod, denn der im Körper fließende „Atem des Lebens“ wird beim Sterben an die Sonne und an die Erde zurückgegeben. So können Sonne und Erde ewig leben, weil jeder Todesfall sie mit neuen Lebenskräften versorgt. Das ist keine attraktive Nachtod-Verheißung.

Die HURONEN (im Nordosten der USA) glauben, dass die Seele nach dem Tod von einem anderen neugeborenen Huronen Besitz ergreift.

Koyaanisqatsi

Die mit tiefer Spiritualität begabten HOPI im Südwesten der USA gelten als die „Weisen der Wüste“. Die von ihnen seit Jahrtausenden gehüteten und erst 1948 der Öffentlichkeit preisgegebenen Prophezeiungen haben die Welt der Weißen aufhorchen lassen. Sie betreffen das Überleben der Menschheit und enthalten die Warnung: Die Welt steuert ihrem Ende entgegen, weil die Menschen die Naturgesetze und die Bedingungen der Erde missachten. Ausweg: Rückkehr zu einem friedfertigen, respektvollen, mitfühlenden, bescheidenen, haushälterischen, nachhaltigen, naturbezogenen (ökologisch orientierten) Lebensstil. Denn der Mensch ist Partner und Behüter der Erde, nicht ihr Beherrscher und Ausbeuter.

Das Leben, das in den Untergang führt, nennen die Hopi Koyaanisqatsi.

Die Hopi-Spiritualität ist inzwischen stark romantisiert, doch die unheilverkündende Prognose der Hopi sollten wir nicht einfach als esoterischen oder naturschwärmerischen Mythos abtun. Sie ist ein hoch aktuelles Menetekel für die Menschheit: Nur durch Abkehr von Koyaanisqatsi können wir knapp vor Zwölf verhindern, dass unsere Erde unrettbar aus dem Gleichgewicht gerät.

Doch unser Thema lautet eigentlich: Jenseitserwartungen. Wie stellen sich also die Hopi die postmortale Welt vor?

Vorsicht Feuergruben

Die Totenwelt der Hopi liegt unter der Erde. Der Eingang zur Unterwelt ist die gigantische Schlucht des Grand Canyon. Die Einlass begehrenden Atemkörper der Verstorbenen werden dort gecheckt. Die guten Geister lässt der Pförtner Tobonaka, der den Eingang bewacht, passieren. Sie ziehen in das Totenreich ein.

Die unwürdigen Geister schickt Tobonaka zur Läuterung seitwärts zu den 4 Feuergruben. Nach der Reinigung dürfen sie auf den Pfad der Guten zurückkehren und ins Totenreich einziehen. Wer allerdings nach der dritten Feuergrube noch nicht gereinigt ist, wird in der vierten verbrannt.

Die Beziehung zwischen Toten und Lebenden ist bei den Hopi sehr rührig. Die Ahnengeister sind beispielsweise für den Regen zuständig. Wenn die Erde nach Regen lechzt, vollführen die Hopi Tänze mit Klapperschlangen. Das motiviert die Ahnengeister, in Gestalt von Regenwolken am Himmel zu erscheinen, sich zu entladen und auf Erden das Wachstum der Pflanzen und die Stimmung der Menschen zu beschwingen. Die Hopi hielten nämlich die Klapperschlangen für ideale Vermittler und Dolmetscher zwischen den Lebenden und den Toten.

Wasser und Regen sind in der unwirtlichen, dürren Region der Hopi die Lebensspender schlechthin. Daher ist der Regentanz mit den Klapperschlangen ein zentrales Ritual.

„Ich bin der sanfte Herbstregen…“, spricht der Tote, aber er ist nicht nur der Herbstregen:

Steh nicht an meinem Grab und weine.

Ich bin längst nicht mehr dort

und ich schlafe auch nicht.

Ich bin in den tausend

wehenden Winden.

Ich bin der Diamant,

der im Schnee glitzert.

Ich bin das Sonnenlicht

über dem reifen Korn.

Ich bin der sanfte Herbstregen.

Wenn Du in der morgendlichen Stille erwachst,

bin ich der Vogel,

der sich schnell in die Lüfte erhebt und singt.

Ich bin der Stern, der in der Nacht leuchtet.

Steh nicht an meinem Grab und weine.

Ich bin nicht dort.

Ich bin nicht tot.

(Gebet der Hopi)

Sonne, Wind und Gras

Die Heimat der SIOUX sind die weiten im Grunde menschenfeindlichen Steppenlandschaften der Plains: ein „Land der Sonne, des Windes und des Grases“.

Ihr Gott ist „Wakan Tanka“, kein Gott in menschlicher Gestalt, sondern das unpersönliche „Große Geheimnis“: gleichsam die göttliche Weltseele: die Energie/Kraft/Macht, die sich überall offenbart und alles durchdringt.

Ihre Verstorbenen sind im grünen Tal der Glücklichen Jagdgründe gut aufgehoben, sofern sie korrekt gelebt haben. Die Bösen müssen indes ziel- und rastlos in abgründigen Schlünden und Schluchten umherirren.

Frei oder festgehalten

Die „Kinder des langschnäbeligen Vogels“ ‒ die CROW ‒ sind ein Volksstamm aus dem Kulturkreis der Plain-Indianer. Sie selbst nennen sich Absarokee (Vogelmenschen). Sie gehören zur Sprachfamilie der Sioux. Ihre Toten werden festlich bekleidet, geschminkt, in eine Zeltplane gehüllt ‒ und auf ein Gerüst gebettet.


Totengestell der Crow-Indianer alias Absarokee

Im Jenseits erfreuen sich die Crow einer vogelgleichen Freiheit, es sei denn, sie haben Tabus nicht befolgt. Dann werden sie an einem Ort interniert.

Die DELAWARE im Nordosten der USA gehören zur Algonkin- Sprachfamilie. Ihre Toten landen auf der Paradiesinsel, wo sie mit ihren früher verstorbenen blutsverwandten Angehörigen zusammentreffen. Sie genießen eine sorglose Existenz. Der Große Geist, Gott selber, der auf dem hohen Berg der Insel wohnt, besonnt das Delaware-Paradies mit seinem hellen Licht.

Die Mythologie des einst kriegstüchtigen Präriestammes der PAVNEE schickte die Verstorbenen auf einem gefährlichen Weg ins Jenseits. Sie mussten den Fluss, der das Totenreich abgrenzte, auf einem glitschigen Baumstamm überqueren. Während die Rechtschaffenen sicheren Fußes das jenseitige Ufer erreichten, fielen die Übeltäter in die Fluten.

Wonnen oder Gram und Leid: welches Schicksal die Indianer nach dem Tod zu durchleben haben, es dauert im Allgemeinen nicht ewig. Sie werden entweder in einem Kind neugeboren ‒ oder sie sterben, wenn die Nachwelt sie endgültig vergessen hat.

Jenseits-Welten

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