Читать книгу Jenseits-Welten - Ernst Sturmer - Страница 8
ОглавлениеKapitel 1
Das Phänomen NTE
Nahtod-Erfahrungen
Im medizinischen Sinn Tote*, die ins Leben zurückgeholt worden sind, berichten, sie haben sich durch einen langen stockfinsteren Tunnel bewegt und ihre stoffliche Körperhülle zurückgelassen, besaßen aber noch einen geistigen Leib: einen schwerelosen, schwebenden. Der Thanatologe** Raymond A. Moody spricht von einem „spirituellen Körper“. Ein Zeuge der Todesnähe verglich ihn mit einem „Kraftfeld“.
Oft verläuft eine NTE (Nahtod-Erfahrung) so: die Zeugen werden im fortgeschrittenen Stadium „drüben“ in einer Welt ohne Zeit und Raum von den Geistwesen früher verstorbener lieber Verwandter und Freunde willkommen geheißen.
„Highlight“ des Schwellenerlebnisses im Grenzbereich des Todes ist aber in der Regel die Begegnung mit dem Lichtwesen. Das gewaltige kristallklare Licht mit überirdischer Leuchtkraft hat in der Wahrnehmung der Nahtod-Bürgen personalen Charakter. Das Lichtwesen strömt Liebe aus. Die Nahtod-Zeugen fühlen sich bejaht und geborgen. Badend im Licht ‒ das „tausendmal heller als die Sonne“, aber nicht blendend ist ‒ durchschreiten sie im Zeitraffer ihr ganzes Leben. Sie bewerten es im Rückblick: ohne Angst, spüren aber Leiden und Freuden, die sie anderen bereitet haben.
Das Lichtwesen reagiert nie mit Grimm und Groll, selbst wenn in der Lebensinventur grobe Verfehlungen und Peinlichkeiten offenbar werden. Die in ihrer „Erleuchtung“ plastisch erlebte Lebensrückschau scheint allein dem Zweck der Selbstbesinnung zu dienen. Die Nahtod-Zeugen sind beim Erinnerungsvorgang gleichsam Richter in eigener Sache.
Der Weg ins Jenseits — nach Hieronymus Bosch (Gemälde um 1500)
Die Nahtod-Zeugen werden überwältigt von einem Gefühl der Glückseligkeit: der Ganzheit, der Gelöstheit, der Harmonie, der Freiheit, des Friedens und der Liebe. Alles ist gut.
Wenn sie erkennen, dass ihre Stunde noch nicht geschlagen hat und sie umkehren müssen, sträuben sie sich zunächst dagegen.
Nicht weniger als 60 Millionen Menschen in aller Welt haben (nach dem deutschen Sterbeforscher Bernard Jakoby) schon von sogenannten Nahtod-Erfahrungen berichtet. In Deutschland dürften es nicht ganz 4 Millionen sein. Die Fallberichte gleichen einander freilich nicht aufs Haar, aber sie ähneln einander frappant. Häufig vorkommende Erfahrungen sind die oben geschilderten.
In Stillschweigen gehüllt
Für die Zurückgekehrten besteht nicht der geringste Zweifel an der Realität ihrer Sterbeerlebnisse, die sie nie mehr vergessen. Sie empfinden sie „realer als real“.
Warum schweigen aber die „Todesspione“, statt ihre Erfahrungen ‒ wie es einer Sensation gebühren würde ‒ an die große Glocke zu hängen?
Erster Grund: die menschliche Sprache reicht nicht aus, um die Erlebnisse an der Schwelle zum Jenseits vorstellbar zu machen. Sie sind „unbeschreibbar“ und „unaussprechbar“, nicht in Worte zu fassen, betonen die Zeugen.
Der zweite Grund ‒ der Hauptgrund ‒, warum sie den Mund halten, ist die berechtigte Befürchtung, dass die Gesellschaft sie für übergeschnappt hält. Bestenfalls werden die Erfahrungen als Halluzinationen abgetan.
Erst die wissenschaftliche Sterbeforschung brachte Licht in die Nahtod-Erfahrungen.
Kein Beweis, aber…
Der Pionier: Raymond A. Moody
Der modernen Nahtod-Forschung hat in den 1970er Jahren Dr. phil. und Dr. med. Raymond A. Moody (Jahrgang 1944), Facharzt für Psychiatrie und Nervenheilkunde, die Bahn gebrochen. Der amerikanische Psychiater hat 1975 das Buch „Life after Life“ publiziert (deutsche Ausgabe, 1977: „Leben nach dem Tod“), das in kurzer Zeit Millionenauflagen erreichte. Darin setzte er sich in nüchterner Wissenschaftlichkeit mit 150 Berichten von Nahtoderlebnissen auseinander. Sie liefern wohl keinen „Beweis“ für ein Leben nach dem Tod, aber die absolut glaubhaften Berichte bestärken seiner Meinung nach den Glauben an ein Leben nach dem Tod.
Zu den Medizinern, die bahnbrechend dem Phänomen Nahtod nachspürten, gehörte ebenso die schweizerisch-US-amerikanische Psychiaterin und Sterbeforscherin Dr. Elisabeth Kübler-Ross (1926-2004). In ihrem Standardwerk „Interviews mit Sterbenden“ (Originaltitel: „On Death and Dying“, 1969) arbeitete sie die Erlebnisse Betroffener wissenschaftlich auf. Sie behauptete, dass sich aus den Nahtoderfahrungen ein Leben nach dem Tod ableiten lässt. Denn viele klinisch Tote haben im Koma Dinge gesehen und gehört, die sie gar nicht wissen konnten.
Pim van Lommel, Kardiologe und Nahtod-Forscher
Der niederländische Kardiologe Pim van Lommel (Jahrgang 1943) hat seit 1988 mit seinen Kollegen Patienten, die einen Herzstillstand überlebt haben, nach der Wiederbelebung über ihre Erfahrungen befragt. Von 344 befragten Patienten hatten 62 eine Nahtoderfahrung durchlebt. Obwohl rund 95% der Wissenschaftler überzeugt sind, dass das Bewusstsein ein Produkt des Gehirns ist, vertritt Pim van Lommel als Nahtod-Forscher die These, dass das Bewusstsein unabhängig vom Gehirn ist und nach dem Tod fortlebt. Sein Buch „Endloses Bewusstsein“ ist ein Bestseller in Europa und Amerika.
Mehr als ein biochemisches Gewitter
Der derzeit bekannteste deutsche Sterbeforscher und Sterbebegleiter ist der Berliner Bernard Jakoby (Jahrgang 1957).
Jakoby ist Autor zahlreicher Bücher über das Tabu-Thema Sterben und Nahtod.
Bernard Jakoby
Die Seele entweicht dem Sterbenden (Holzschnitt, 15. Jahrhundert)
Er tourt nimmermüde durch Deutschland, Österreich und die Schweiz, veranstaltet Seminare, hält Vorträge, gibt Interviews in Presse, Rundfunk und Fernsehen ‒ über Botschaften aus dem Vorhof des Todes.
Einige seiner Buchtitel: „Keine Seele geht verloren“, „Was geschieht, wenn wir sterben?“, „Das Tor zum Himmel“, „Trost und Hilfe aus dem Jenseits“, „Wie wir die Angst vor dem Sterben überwinden“, „Geheimnis Sterben“, „Gesetze des Jenseits“, „Damit der Tod als Freund kommt“, „Wir sterben nie“. Den Erden-Ichs versichert Jakoby: „Der Mensch ist mehr als ein biochemisches Gewitter.“
Abhängig oder unabhängig?
Wird unser Bewusstsein vom Gehirn geschaffen oder existiert es unabhängig vom Gehirn? Das ist die Frage der Fragen bei der Erklärung der sogenannten Nahtod-Erfahrungen.
➲ Die Naturwissenschaft (Neurowissenschaft/Schulmedizin) neigt mehrheitlich zu der Ansicht, dass das Bewusstsein vom Gehirn produziert wird: der Geist ist für Materialisten das Resultat der Hirnchemie. Nahtod-Erfahrungen sind ihrer Meinung nach daher das Produkt einer gestörten Hirnfunktion. Sie werden sozusagen vom Gehirn inszeniert.
Die These, dass alles Geistige eine Funktion neuronaler Netzwerke ist, ist selbst in Fachkreisen umstritten. Der australische Hirnforscher und Nobelpreisträger Sir John C. Eccles (1903-1979) beispielsweise, eine der weltweit größten Autoritäten in der Gehirnforschung, widerspricht der These. Er glaubte an die „Seele“. Er war überzeugt, dass das menschliche Gehirn ohne die Annahme eines materieunabhängigen Bewusstseins nicht verstanden werden kann.
Speziell Quantenphysiker (s. S. 253 ff.) gehen aufgrund ihrer Erkenntnisse davon aus, dass der Mensch eine Seele hat, die nicht mit dem Körper stirbt. Beispiele sind der Physiker Sir Roger Penrose (Jg. 1931) von der Oxford-Universität (England) oder Hans-Peter Dürr (1929-2014), mehrmaliger Direktor des renommierten Max-Planck-Instituts für Physik in München.
Sir Penrose spricht von der „Bewusstheit“, die in einem Quant oder auf subatomischem Level gespeichert ist und den Körper verlässt, wenn dieser stirbt, aber zurückkehrt, wenn die Wiederbelebung gelingt. Daher kann jemand ein Nahtod-Erlebnis erfahren.
Sir Roger Penrose: Unsterblichkeit dank Quantenbewusstsein?
Dürr, ein deutscher Physiker der Weltspitze: „Der Körper stirbt, doch der spirituelle Quant geht weiter. So gesehen bin ich unsterblich.“
Penrose und Dürr sprechen als renommierte Avantgarde-Physiker, nicht als Esoteriker.
➲ Weltanschauungen, die der Meinung sind, dass das Bewusstsein unabhängig vom Gehirn ist, deuten die Nahtod-Erfahrungen in der Regel als Schwelle zum Jenseits.
Unser Buchthema Jenseitserwartungen zwingt uns nicht, uns in diesen Streit der beiden Parteien ‒ hie abhängiges, hie unabhängiges Bewusstsein – einzumischen.
> Denn für die Vertreter der These, dass das Bewusstsein eine Kreatur des Gehirns ist, gibt es gar kein Danach, kein Drüben. Tod: Totalschaden - Ende. Aus. Vorbei.
Um das Sterben zu zuckern?
Nur so viel: Die Ende-Aus-Parteigänger haben ihre Erklärungen für die bizarren Erlebnisse bzw. Bewusstseinszustände, die Nahtod-Zeugen schildern. Sie machen eine Sauerstoffunterversorgung im Gehirn dafür verantwortlich. Die Erfahrung innerer Glückseligkeit in der Nahtodsituation schreiben sie einem finalen Notfallprogramm des Körpers zu: in extremen traumatisierenden Notsituationen erzeugen die Hypophyse und der Hypothalamus im Gehirn körpereigene Opiate (Endorphine) ‒ Glücksdrogen ‒, die für ein High des Todgeweihten sorgen. Die Glückseligkeit ist also gleichsam ein Trick der Evolution, um das Sterben zu zuckern.
Soweit die Weisheit der Materialisten.
> Die Anhänger der These vom unabhängigen Bewusstsein ziehen hingegen Schlussfolgerungen für ein Leben nach dem Tod.
Was den biologischen Tod überdauert, wird ‒ je nach Weltanschauung ‒ Seele, Geist, Selbst, Wesen oder Sein genannt.
Der Tod – eine Illusion!
Nahtod-Zeugen sind sich sicher: Es gibt ein Leben nach dem Tod. Nicht die Spur eines Zweifels daran kommt auf. Der Tod hat für sie seinen Schrecken verloren.
Sie haben die Überzeugung gewonnen, dass sie sich noch verändern müssen, bevor sie die Erde endgültig verlassen. Sie werden spiritueller, religiöser. Das äußert sich nicht in häufigerem Kirchenbesuch oder im Zelebrieren frommer Rituale. Der US-Amerikaner Eben Alexander, als Neurochirurg ein „Mann der Wissenschaft“, ist durch sein eigenes Nahtoderlebnis gläubig geworden (sein Buch „Blick in die Ewigkeit“ war nahezu zwei Jahre auf der New-York-Times-Bestsellerliste).
Die Nahtod-Zeugen sehen nach der Reanimierung die Welt mit anderen Augen und verändern sich - zum Teil grundlegend. Sie leben bewusster und dankbarer. Sie werden sensibler und aufgeschlossener. Den Mitmenschen begegnen sie versöhnlicher, nachsichtiger, fürsorglicher, hilfsbereiter, mitfühlender: sozialer mit einem Wort. Überhaupt wächst ihr Mitgefühl gegenüber allen Wesen. Ihre Selbstgerechtigkeit jedoch schrumpft.
„Manche Aspekte des Lebens ‒ teure Autos, ein großes Haus, Erfolg im Beruf ‒ verlieren an Bedeutung. Stattdessen fühlen sich viele tief verbunden mit der Natur …“, erläutert der Kardiologe Pim van Lommel, den wir schon als einen der führenden wissenschaftlichen Nahtod-Experten der Gegenwart vorgestellt haben. Die Nahtod-Zeugen machen alles in allem einen Wertewandel durch.
Die Skeptiker wenden ein:
Okay, die unauslöschlichen subjektiven Erfahrungen mögen die Nah-Toten zu einem Kurswechsel in der Lebenspraxis angespornt haben, ist das aber schon ein schlüssiger ‒ objektiver ‒ Beweis für die Zuverlässigkeit der Nahtod-Berichte? Kurzum: das Nahtod-Thema bleibt für die Skeptiker „Phantasterei von Obskurantisten“.
Keine Hirngespinste
Freilich enthalten Nahtod-Erfahrungen Elemente, die Skeptiker in Verlegenheit bringen. Für tot erklärte Patienten, die reanimiert werden konnten, berichten häufig, dass ihr Bewusstsein den Körper verlassen hat und dass sie sich emporgehoben fühlten und von oben auf ihren Körper blickten. Sie beobachteten dabei die Wiederbelebungsversuche in allen Einzelheiten. Sie schilderten nachher genau, was passiert ist, was wer gesagt, getan und ‒ gedacht (!) hat. Ja, manche spürten sogar die Emotionen oder Gedanken von Operateuren oder Sanitätern. Sogar verborgene Abläufe im Nebenzimmer nahmen sie wahr. Wände und Türen bieten keinen Widerstand.
Die Beobachtungen der „ausleibigen“ Zeugen sind überprüfbar und wurden überprüft ‒ unzählige Male. Es handelt sich also nicht um Hirngespinste.
Ein Beispiel, das der holländische Kardiologe und Nahtod-Forscher Pim van Lommel gerne erzählt: Einem komatösen 44jährigen Mann, dessen Körper schon blau verfärbt war, hat eine Krankenschwester das Gebiss herausgenommen, um den Beatmungsschlauch einzuführen. Als der Herzstillstandspatient nach über einer Woche künstlicher Beatmung auf der Intensivstation aus dem Koma erwachte und in die kardiologische Station zurückgebracht wurde, erkannte er sofort die Pflegerin: „Oh, Sie wissen wo meine Zahnprothese ist. Sie haben sie mir herausgenommen und in die Schublade des Wagens gelegt, auf dem die vielen Flaschen lagen.“
Die „Materialisten“ runzeln die Stirn oder zucken mit den Schultern. Im Erklärungsnotstand bleibt den Skeptikern, die sich dem Spirituellen verweigern, freilich immer noch der Ausweg, darauf zu vertrauen, dass die Wissenschaft irgendwann das Gebiss-Rätsel „vernünftig“ lösen wird. Der Heidelberger Psychiater und Neurologe Michael Schröter-Kunhardt, namhafter Experte für Nahtod-Erfahrungen, kennt aber seine akademische Kollegenschaft: „Die Wissenschaft hat geradezu Angst vor solchen Erfahrungen.“
Energiefeld ohne weißen Bart
Sie haben das Licht am Ende des Tunnels gesehen, die Nahtod-Zeugen. Die Grenzgänger im Vorhof des Todes können gewiss keine letztgültigen Aussagen über das Jenseits treffen. Es ist vielmehr, um mit dem Theologen Werner Thiede zu sprechen, „ein Ahnen und Erspüren, was sein wird; es ist ein Schimmer durch den Vorhang.“
Dennoch: Wer die Nahtod-Zeugen gleichsam als „Todesspione“ betrachtet, die einen Blick über den Zaun werfen durften, frägt sich, was sie über die Nachtod-Wirklichkeit denken.
Zusammengefasst: Höhepunkt ist die Begegnung mit dem Lichtwesen, verbunden mit dem Gefühl der Glückseligkeit. Manche bezeichnen das Lichtwesen als Gott, andere einfach als „etwas Hochheiliges“.
„St. Patricks Fegefeuer“ (Bild): Der hl. Patrick (385-461) bediente sich der Legende nach zur Bekehrung der Iren einer Fegefeuer-Schau. Nahtod-Zeugen erfahren jedenfalls nichts über einen Reinigungsort zur Läuterung der armen Seelen nach dem Tod
Bernard Jakoby, der Berliner Erforscher von Nahtod-Kontakten, glaubt sogar im Namen der Nahtod-Zeugen ein Gottesbild skizzieren zu können: „Gott ist ein unendliches energetisches Feld von Liebe und Allwissenheit. Er hat weder Gestalt noch Geschlecht ‒ und ist eben nicht der alte Mann mit dem weißen Bart.“
Die Nahtod-Zeugen fühlen sich bedingungslos geliebt.
Sie empfinden ihren Seelenflug als Heimkehr: als Rückkehr zum Ursprung. Sie fühlen sich befreit aus der Ichbefangenheit und eingebunden in das Ganze. Sie erleben eine allumfassende Einheit und Verbundenheit.
Das ist kein Verlust des Ich, im Gegenteil: eine Erweiterung, eine Entgrenzung, betonte der Neurologe und Psychiater, Professor und Chefarzt Eckart Wiesenhütter (1919-1995), der selbst Nahtoderfahrungen nach zwei Lungeninfarkten hatte. Wiesenhütter war von den Leitfiguren der Thanatologie Moody und Kübler-Ross unbeeinflusst. Sein Buch „Blick nach drüben/Selbsterfahrungen im Sterben“ war 1974 erschienen, also ein Jahr vor dem Werk Moodys. Er beschreibt die Rückkehr in die Ganzheit bzw. die Wiedervereinigung des Getrennten keineswegs als Auflösung oder Auslöschen der Individualität, sondern als Fort- und Übergehen des Bewusstseins in ein nicht beschreibbares Überbewusstsein.
Die Nahtod-Zeugen erleben „grenzenlose Geborgenheit“.
Von Strafe oder Lohn oder Sühne erfuhren die Menschen, die dem Tod ins Auge gesehen haben, wenig bis nichts. „Während meiner gesamten Forschungstätigkeit auf diesem Gebiet habe ich nicht den leisesten Hinweis auf die Vorstellungen von Himmel oder Hölle gehört, wie sie in unserer Kultur jedermann geläufig sind“, bekennt Raymond A. Moody, der Pionier der Nahtod-Forschung.
„Der Tod - mein schönstes Erlebnis“
Ein charakteristisches Fallbeispiel:
Stefan von Jankovich (1920-2002), Diplomingenieur, Architekt, Dozent für Städtebau und Raumplanung, Sportler, Hobbymaler, ein in der Schweiz lebender gebürtiger Ungar: aktiv, realistisch, praktisch, auf Leistung ausgerichtet, der Welt zugewandt, religiös gleichgültig, gesund ‒ also ganz und gar nicht vorprogrammiert für Überirdisches und Außersinnliches.
16. September 1964, 13: 10 Uhr, bei Bellinzona in der Schweiz:
Der (damals) 44 Jahre alte Stefan von Jankovich wird als Beifahrer bei einem Frontalzusammenstoß mit einem Lastwagen aus dem Auto geschleudert. 18 Knochenbrüche und jede Menge schwerste Verwundungen. Ohnmächtig liegt er in einer Blutlache. Ein Arzt, der eine Wiederbelebung versucht, kann wegen der gebrochenen Rippen des Unfallopfers keine Herzmassage machen: „Es geht nicht, man kann nichts machen, er ist tot.“
Der klinisch tote Diplomingenieur, dessen Wachbewusstsein erloschen war, konnte aber, zirka 3 Meter über der Unfallstelle schwebend, die Vorgänge und die Gespräche ‒ und sogar Gedanken ‒ von Helfern und Zuschauern wahrnehmen. Er sah hinunter auf seinen „ehemaligen“ Körper und war erheitert, als ihn der Arzt für tot erklärte, wusste er doch, dass er lebte. Er bekam sogar mit, dass der Arzt Berner Deutsch und ein „leicht komisches Italienisch“ sprach. Ein nicht gerade mit Mitgefühl gesegneter Zuschauer mit Schnurrbart dachte: „Den hat`s erwischt. So ist es, wenn einer mit seinem Sportwagen rücksichtslos durch die Gegend flitzt.“
Was ist gut, was ist schlecht
Wie bei den meisten Nahtodzeugen waren die Lichterscheinung und der abrollende Lebensfilm die zentralen Erlebnisse im klinischen Tod.
Sein Lebensfilm mit abgerundeten Szenen begann mit dem Unfall und endete mit seiner Geburt bei Kerzenschein in Budapest.
Was Stefan von Jankovich ‒ im Nachhinein ‒ beim Lebensfilm frappierte, war dreierlei:
1. Bei der Bewertung seiner irdischen Gedanken und Handlungen fällte er selbst das Urteil. Er selbst zog die Bilanz ‒ und nicht eine überirdische Instanz.
2. Merkwürdigerweise beurteilte er, vom Lichtwesen gleichsam erleuchtet, nicht nach irdischen religiösen oder gesellschaftlichen Moralgesetzen, sondern nach einem „absoluten“ (kosmischen) Maßstab. Manche sogenannte „gute“ Tat erschien in der „transzendenten“ Selbsterkenntnis negativ (wenn sie egoistischen Hintergedanken entsprungen war). Und manche sogenannte „schlechte“ Tat entpuppte sich im Lichterlebnis als positiv, wenn die Beweggründe uneigennützig gewesen sind und sie von Mitgefühl getragen wurde. Der springende Punkt ist stets die Selbstlosigkeit.
„Liebe deinen Nächsten wie dich selbst“ (Bibel): das ist, auf das Erdenleben bezogen, die größte Weisheit und der wichtigste Wegweiser, spürte Stefan von Jankovich in der Beurteilung des Lebensfilms.
Gedanken, Worte und Handlungen, die beispielsweise von Hass, Rache, Neid, Machtgier, Habsucht, Eitelkeit oder Stolz ausgehen, verstoßen im Licht der Nahtoderfahrung gegen das Gesetz der Harmonie.
3. Die Verstöße gegen das kosmische Harmoniegesetz verschwanden aber aus dem Bewusstsein, nachdem sie als solche begriffen und bereut worden sind. „Man nimmt nur die guten Noten mit“. Die schlechten werden getilgt. Es folgt keine Strafe für „gefallene Seelen“, keine Rache.
Fassungsloser Retter
Noch lag ‒ während der Lebensfilm des Diplomingenieurs Stefan von Jankovic ablief ‒ sein lebloser Körper am Straßenrand. Das 3 Meter darüber schwebende Bewusstsein des klinisch Toten nahm einen zweiten herbeilaufenden Arzt wahr, schlank und barfuß, Schriftdeutsch sprechend. Der verabreichte ihm eine Adrenalin-Spritze mitten in das Herz.
Im selben Augenblick stürzte Stefan von Jankovich in eine schwarze Tiefe hinunter und schlüpfte mit einem beklemmenden Ruck in seinen Körper zurück, der entsetzlich schmerzte. Er wurde mit Blaulicht und Sirenen-Tatütata in das Spital in Bellinzona gefahren.
Ein paar Tage später besuchte ihn der Lebensretter und war fassungslos, dass ihn das Unfallopfer erkannte, das doch zum Zeitpunkt des Rettungseinsatzes bewusstlos, ja klinisch tot gewesen ist. Die beiden wurden später gute Freunde.
Sobald er dazu gesundheitlich in der Lage war, begann der perfektionistisch veranlagte Jankovich seine Erlebnisse, die er während seines klinischen Todes gehabt hatte, so weit als möglich zu überprüfen und zu verifizieren ‒ mit Hilfe der Zeugen und des ärztlichen Lebensretters sowie der Dokumente (ärztliche Protokolle, Polizeiberichte, Unfallfotos etc.).
Laut Aussage des Arztes betrug sein Herzstillstand 5 ½ bis 6 Minuten.
Die während seines klinischen Todes gemachten Beobachtungen der Lage des Autos und der Position seines leblosen Körpers sowie die Wahrnehmungen der Tätigkeiten, Gespräche und Gedanken von Nothelfern und Schaulustigen entsprachen, soweit sie kontrolliert werden konnten, der Realität.
Mit seinem Buch „Ich war klinisch tot / Der Tod - mein schönstes Erlebnis“* geht es Stefan von Jankovic, wie er im Vorwort schreibt, nicht darum, Unfehlbares zu verkündigen, das geglaubt werden muss. Für ihn ist es allerdings ein Tatsachenbericht. Er hat seinen Alltag und seine Lebensphilosophie fundamental geändert.
* Der klinische Tod tritt ein, wenn Atmung und Herzschlag aufhören und die Gehirnfunktion aussetzt.
** Thanatologe = Sterbeforscher. Thánatos, griechisch: Tod. Thanatologie: Wissenschaft vom Tod und vom Sterben.
* Stefan von Jankovich: „Ich war klinisch tot /Der Tod – mein schönstes Erlebnis“, 9. Auflage, Drei Eichen Verlag, 2011.