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Ausgerechnet am Tag der Arbeit wurde nicht gearbeitet - Burkhardt Mahlmann fand das kurios, schon immer. Für ihn persönlich hieß das nichts weiter, als dass er an diesem Donnerstag keine Zeitungen auszutragen hatte. Nach alter Gewohnheit stand er trotzdem genauso früh auf wie immer. Das lautstarke Amselkonzert vor seinem Fenster ließ ihn ohnehin nicht mehr schlafen. Entgegen alter Gewohnheit rasierte er sich noch, ehe er aus dem Hause ging. So machte er den Donnerstag zum Feiertag. Das Frühstück verkniff er sich noch, die Vorfreude war schließlich genauso schön, wie das Frühstück selber. Sein scharfes Rasierwasser prickelte auf der geröteten Haut. Der kühle Ostwind verstärkte die wohltuende Frische. Ein Ziehen in der linken Hüfte kündigte einen Wetterumschwung an. Sein verschlissenes Gelenk war verlässlicher als manche Vorhersage von den Wetterfröschen im Fernsehen.

Von der Gaststätte Allersheimer Tor, in deren Dachgeschoss er eine winzige Wohnung hatte, radelte er gemütlich stadtauswärts, sein kleiner Anhänger, in dem sonst die Stapel mit den Tageszeitungen lagen, hoppelte über die Unebenheiten im Radweg. Die Wurzeln der Alleebäume drückten immer wieder den Asphalt hoch. Mahlmann kannte jeden Riss und jeden Huckel und steuerte sein Fahrrad durch dieses graue Wellenmeer wie ein erfahrender Kapitän. Nach dem Blauen Würfel, wie das Schulzentrum genannt wurde, bog er rechts ab in die Liebigstraße und nach der Baumschule fuhr er links rein, die Heusingerstraße entlang. Das war sein Lieblingsweg: an den Schrebergärten und am Reitstall vorbei, dann mitten durch die Feldmark mit Blick auf den sanften Bergrücken des Solling, dessen Waldrand von Äckern und einem Truppenübungsgelände der Bundeswehr nach oben gedrängt wurde. Im „grünen Halbjahr“ begann er seine Zeitungstour in der Dr. Jasper-Straße und arbeitete sich über den Grimmenstein bis zur Liebigstraße vor, um dann, wenn er die letzte Zeitung im Kasten der Baumschule versenkt hatte, eben jenen Abstecher durch die Felder zu machen. Die Macht der Gewohnheit zog ihn auch an diesem 1. Mai 2014 zum Briefkasten, bis er merkte, dass er heute gar nichts einzustecken hatte. Mahlmann lachte über diesen Reflex, der ihm wieder mal zeigte, dass ihm Pflichtbewusstsein noch immer über das Vergnügen ging.

Bis hin zu den Schrebergärten standen Wahlplakate. Europa-Wahl, Holzminden wählte zusätzlich noch den Bürgermeister, diesmal vielleicht sogar eine Bürgermeisterin. Eine Kanzlerin haben wir schon, eine Landrätin auch, irgendwann ist alles in Weiberhand, dachte er, der eingefleischte Junggeselle. Aber gut, wenn sie es denn besser machten als die Kerle, warum nicht? Im Zuge des Wahlkampfs kündigte ein Plakat prominenten Besuch aus Berlin an: ein Spitzenmann der Linken wollte am Tag der Arbeit in Holzminden sprechen. ‚Reden können die alle gut‘, dachte Mahlmann, ‚aber eine richtige Arbeit hat mir das bis heute nicht gebracht‘.

Buck - so nannten ihn alle, das spielte auf seinen Sprachfehler an - Buck Mahlmann hatte immer gerne gearbeitet. Viele Jahre lang war er Faktotum in der nahen Brauerei Sollinggold gewesen. Bis die Brauerei vor zehn Jahren den Besitzer gewechselt hatte. Der neue Besitzer brauchte kein Faktotum mehr. Auch niemand sonst in der Gegend brauchte einen ungelernten Fünfzigjährigen, der lispelte, Konsonanten zwischen den Lippen zerquetschte und in Erregung auch noch stotterte. Nur die Tageszeitung hatte Verwendung für ihn. Ein dickes Lob zum Dienstjubiläum: Immer pünktlich gewesen! Nicht einmal krank gewesen in den zehn Jahren, Respekt! In Burkhardts Augen war das Austragen von Zeitungen gar keine richtige Arbeit, es machte ja nicht müde. Aber gebraucht zu werden, war schön. Kein pflichtbewusster Mensch kann ganz ohne Aufgabe und völlig nutzlos in den Tag hineinleben. Da wird einer doch rammdösig bei, oder nicht?

Von Montag bis Sonnabend holte er seinen Stapel direkt beim „Holzmindener Anzeiger“ in der Bülte, warf ihn in seinen Fahrradanhänger und mäanderte - im „grauen Halbjahr“ - von der Liebigstraße über den halben Grimmenstein, Fröbelstraße, Braunschweiger Straße, usw. bis zur Dr. Jasper-Straße. Im „grünen Halbjahr“ aus erwähnten Gründen andersrum.

Die Felder hinter der Baumschule und dem Liebigstadion waren noch größtenteils kahl, während drüben unterm Beveraner Burgberg schon die Rapsfelder leuchteten als verfügten sie über eine eigene Lichtquelle. Eine Amsel flog aus dem Gebüsch und flatterte zeternd vor ihm her. Weiter hinten, gut versteckt, antwortete eine Singdrossel vielstimmig-melodiös. Die unscheinbaren Amseln mit ihrem schlichten Geschrei hüpfen einem immer vor den Augen herum. So wollen die Vögel mögliche Feinde vom nahen Nest weglocken. Ihre begabte Kollegin, die Singdrossel dagegen bekommt man kaum zu Gesicht. Scheues Künstlervolk, das gibt’s also auch bei den Vögeln. Weit oben flog ein Reiher von der Weser her, vermutlich ins Hasselbachtal zum Frühstück. Links, hoch über den Feldern schmetterte eine einsame Lerche ihre Sehnsüchte nach einem Partner in den glasklaren Morgenhimmel - es ist so wenig, was die Lebenden treibt, doch das Wenige ist stark und mächtig: der leere Magen und der volle Sack, sie alleine schreiben uns all die schönen Lieder und Geschichten. Ja, Burkhardt Mahlmann kannte das Leben und deshalb fürchtete er es nicht.

Im Glück nicht jubeln, im Leid nicht klagen,

das Unvermeidliche mit Würde tragen.

Das hatte ihm sein Vater ins Poesiealbum geschrieben. Da war Bucki zehn gewesen. Das hatte er sich gemerkt, bis heute. Das Leben gab ihm wenige Möglichkeiten zu jubeln. Grund zu klagen hatte er keinen. Ein wahrhaft würdevolles Leben führte er.

An der Brücke, die den Wirtschaftsweg über die Umgehungsstraße führte, stoppte Buck und stieg vom Rad. ‚Das müsste Wolfgang sehen‘, dachte er, ‚das würde er malen wollen‘. Mahlmann bewunderte die Hobby-Maler der Gegend und besuchte jede Ausstellung des Kunstkreises Holzminden. Die Abstrakten sagten ihm nichts, aber die Landschaftsmalereien liebte er. Buck hätte gerne selber gemalt, allein, ihm fehlte das Talent. Er hatte es versucht - für sich im stillen Kämmerlein und in Zeichenkursen der Volkshochschule, doch seine groben Pranken gehorchten ihm nicht. Arbeiterpranken eben. Muss man mit leben. Dennoch sah er die schönen Seiten der Welt durchaus mit dem Blick eines Malers und gab den Begabteren gerne Hinweise auf schöne Motive. Was Buck an diesem ersten Mai an dieser Stelle so gefiel, war der Weißdornbusch, der seine schneeflockengleichen Blüten in das knallige Gelb des Rapsfeldes auf der anderen Straßenseite hineinstreckte. Er sog den herben Rapsblütenduft ein, den der leichte Ostwind ihm direkt in die Nase trieb. Roch ein bisschen wie Schweißfüße, der Raps, sagte er immer, aber der wunderschöne Anblick tröstete über den Geruch hinweg. Der verschwenderische Frühling trägt eben gerne dick auf. Kurz überlegte Mahlmann, geradeaus weiter zu fahren, entschloss sich aber, wie immer links runter den Radweg zu nehmen, der in einigem Abstand zur Umgehungsstraße durch die Büsche führte. Weiter unten dann der offene Blick zur Brauerei Sollinggold. War über 25 Jahre lang sein zweites Zuhause gewesen, der Laden. Alles hatte er gemacht, ohne zu murren, ohne auf Überstunden zu achten. Leider zählt heute nur noch, was mit dem Rechenstift erfassbar ist. Die gute Seele eines Betriebes erfasst der Rechenstift nicht. Bucks versöhnliches Wesen, das so manchen Streit geschlichtet hatte, erfasste er auch nicht; seinen unerschütterlichen Optimismus, der so manchem Morgenmuffel auf die Sprünge half, erfasste der Rechenstift nicht. Auch nicht seine Hilfsbereitschaft. Und auch das neue kühle Arbeitsklima und die Angst um den Arbeitsplatz, die sich mit dem Führungswechsel eingeschlichen hatten, fanden keinen Eingang in die Zahlenkolonnen. Nur die Abfindung, die man ihm als Trostpflaster über die Seelenwunde geklebt hatte, die drei Monatsgehälter extra, die fanden sich als soziales Feigenblatt in den Büchern wieder und als Großzügigkeit in den Köpfen der neuen Geschäftsleitung.

Über die Jahre hinweg hatte er sich daran gewöhnt, nicht mehr gebraucht zu werden - glaubte er. Es war ein wackeliger Glaube. Ein wenig wie das Ziehen in der Hüfte: wenn man es gerade nicht spürt, glaubt man es überwunden. Nicht gebraucht zu werden, war schon schlimm genug, noch schwieriger aber war es, sich nicht als Schmarotzer zu fühlen. Immer wieder musste er sich von neuem einreden:

- Ich will ja was tun, aber sie lassen mich nicht! Wenn der Staat mir keine Arbeit geben kann, muss er mir wenigstens zu essen geben - sonst muss ich betteln, oder gar stehlen.

Nur so war’s auszuhalten. Er hatte ausreichend zu essen, er hatte ein Dach über dem Kopf und er hatte ein warmes Bett. Brauchte einer mehr? Er nicht! Seine Genügsamkeit und sein jederzeit abrufbarer Arbeitswille bildeten einen Schutzwall, an dem er jeden Tag baute und flickte. So konnte er leben, ja sogar verhalten genießen: den Frühling, die Sonne, die klare Luft, den nach Schweißfüßen riechenden Raps. Noch ein kurzer, wehmütiger Blick hinüber zur Brauerei, dann bog er am Bültekreisel links ab und fuhr zurück in die Stadt. Nach Hause. Frühstücken. An der Bülte-Kreuzung stieg er brav vom Rad, weil er von vorne einen Streifenwagen kommen sah. Dort hatten sie ihn vergangenen Montag erst vom Rad geholt, die Brüder. Ausgerechnet der Warnecke und so ein junger Hilfssheriff, neu in der Stadt. Der hatte ihm unbedingt zeigen müssen, was er schon gelernt hatte:

- Was steht da, bitte?

Und Mahlmann hatte, wie ein Schuljunge, vorlesen müssen:

- R-Radfahrer a-abteigen! I-I-Ich kann lesen, Bolfgang, dag doch was!

Polizeihauptmeister Wolfgang Warnecke hatte nur vieldeutig das Gesicht verzogen, er ließ den Jungen gewähren. Mahlmann hatte noch nachgeschoben:

- W-War doch aber Grün. Und is doch w-weit und breit kein M-Mensch tu sehen, kein Auto, n-nix!

Da hatte der junge Polizist gesagt, man könne die Gesetze nicht nach Tageszeit oder Verkehrsaufkommen variabel auslegen, das führe geradewegs ins Chaos. Nein, man müsse - JEDER - müsse die bestehenden Vorschriften buchstabengetreu einhalten,

- ...verstehen Sie: buchstabengetreu!

Dabei hatte der junge Polizist genüsslich mit seinem Finger auf das Schild getippt.

- Die Dinger hängen nicht zum Spaß da! Heute will ich nochmal ein Auge zudrücken, das nächste Mal sind vierzig Euro fällig.

Der Staat gibt, der Staat nimmt.

- Ich zahle pünfzig, wenn Sie mir eine A-A-Arbeit geben.

Der junge Polizist hatte ihn verständnislos angeglotzt. Das alte Zuständigkeitsproblem: jeder ist der Staat, aber zuständig fühlt sich jeder nur für sich selbst.

Und nun sah Burkhardt Mahlmann eben jenen jungen Polizisten aus dem Auto winken, als wolle er ihm sagen: Bitte, geht doch! ‚Wichtigtuer‘, dachte Buck und lächelte betont freundlich zurück. Dabei machte er einen kleinen Schlenker mit dem Rad, der Blick zur Seite und ein gleichzeitiger Stich in der Hüfte verleiteten ihn dazu. Es machte den Eindruck, er sei betrunken. Doch Mahlmann hatte sich schnell wieder im Griff. Am anderen Ende der Kreuzung, wo der Radweg aus Allersheim auf den aus der Liebigstraße stieß, stieg er wieder auf sein Rad und fuhr erwartungsfroh auf sein Frühstück zu. Nun, da der Streifenwagen weg, und sein Respekt vor dem forschen jungen Beamten verflogen war, dachte Mahlmann: ‚Heute hätten sie anhalten müssen, da konnte ich Wolfgang gleich den Tipp geben.‘

Mindestens drei Anregungen Mahlmanns hatte der Hobbymaler Wolfgang Warnecke schon verwertet und auch andere nahmen seine Hinweise dankbar an. Etliche Bilder hatten ihre Existenz nur Bucks geübtem Auge zu verdanken. Also durfte er sich dem Kunstkreis Holzminden durchaus ein wenig zugehörig fühlen.

Am Tag der Arbeit öffnete das Back-Drive-In etwas später als gewöhnlich. Keine eiligen Arbeiter, keine gehetzten Paketzusteller heute, die ihre Frühstückstüte holten, nur einige Frühaufsteher: Hundebesitzer, Jogger, Schlaflose, Genießer, die sich am Feiertag gerne was Frisches gönnten. Das Back-Drive-In war ein Shop der Bäckerei Klingspor, daher das Back- im Namen. Der Laden hatte nach amerikanischem Vorbild ein Fenster, überdacht, an dem man aus dem Auto heraus kaufen konnte. Ein Drive-In also. Buck hatte noch nicht einen Menschen aus dem Auto heraus kaufen sehen, nicht alle amerikanischen Ideen fallen hier auf fruchtbaren Boden. Dagegen witzelten Wortspieler und Spaßvögel mit Englischkenntnissen darüber. Back-Drive-In - Fahr hinten rein! Solche Geschichten eben. Buck hatte diese Anspielungen nie so ganz verstanden, die englische Sprache war ihm ebenso fremd wie amerikanische Ideen.

An gewöhnlichen Tagen kam Mahlmann immer nachmittags und holte sich die übriggebliebenen Brötchen zum halben Preis. Und meist ließen Maike oder eine ihrer Kolleginnen ein, zwei Brötchen mehr in die Tüte fallen. Besser auf Buckis Tisch als im Mülleimer.

Heute, im Hochgefühl des Feiertags leistete Mahlmann sich ein Baguette mit Kochschinken und Salatblättern - und zusätzlich zwei Brötchen für süßen Belag. Maike, die Verkäuferin, legte ihm mit Augenzwinkern noch eine Frühstücksportion Honig in die Tüte. Buck zwinkerte dankend zurück und sagte:

- Armes Mädchen, bist eine der benigen, die arbeiten müssen, am Tag der Arbeit. Eigentlich müsste er ja Tag der Faulheit heißen, oder nich, hahaha!

Maike kannte Buckis Witze allesamt, lachte höflich und sagte:

- Wenn ich‘s nicht tue, macht‘s eine andere.

- I-Ich bünschte, ich tönnte das auch sagen.

- Komm Bucki, das wird schon, fit und fleißig wie du bist, kriegst du irgendwann wieder ‘n Job.

- Lass tecken, Maike. Mich wollte mit pünfzig schon teiner mehr, nächsten Monat werd‘ ich s-s-sechzig. Dat wird nix mehr.

Aber Maike ließ nicht locker:

- Nur den Kopp nicht hängen lassen, schönen Feiertag wünsch ich dir, Bucki.

Recht hatte sie: im Leid nicht klagen...

Kurz vorm Allersheimer Tor stieg Mahlmann abermals vom Rad. Die üppige Frau Klages kreuzte mit ihrem dicken, trägen Hund den Weg:

- Morjen, Burkhardt, na, auch am Feiertach schon so früh aus den Federn? Der frühe Vogel fängt den Wurm, was Bucki?

- Ja, Trudel, oder umgekehrt: der frühe Burm fürchtet den Bogel...

- Na du nun wieder mit deinen Spitzfindigkeiten. Was frisch, heute Morgen, oder?

- Bir sind noch bor den Eisheiligen, Trudel, sagte Mahlmann und streichelte den Hund.

- Stimmt schon, aber ich kann gar nicht so schnell zittern, wie ich friere.

Die Klages schüttelte sich. Das Wetter war ihr Lieblingsersatzthema. Wenn sonst nichts los war, Wetter ging immer. Immer mit denselben Sprüchen. Buck sagte:

- Dat bird nicht so bleiben. Ich hab da so ‘n Ziehen in der Hüfte. Benn’s in der Hüfte zieht, kriegen wir immer ander‘ Wetter.

Die Klages wusste um sein wetterfühliges Gelenk und fragte:

- Und? Wie wird’s?

Damit war seine Hüfte natürlich überfragt, aber wenn es jetzt noch klar und kalt war, musste es, wenn es anders werden wollte, warm und regnerisch werden.

- Wärmer würde mir ja genügen, meinte die Klages.

- Ich tann das Wetter spüren, Trudel, machen tann ich es nicht.

- Man gut, sagte die Klages, - dass wir das noch nicht können. Was gäb‘ das für ’ne Kappelei! Und lass dir doch endlich ‘ne neue Hüfte machen. Hab ich dir schon gesacht, wie zufrieden unser Alfred mit seiner neuen Hüfte ist?

- Ja, Trudel, hast du. Letzte Boche schon und auch die Boche davor.

- Ja nu, Bucki, ich mein’s ja nur gut. Der Alfred jedenfalls sacht immer: Ich hab jetzt nur noch ein Viertel der Schmerzen.

Burkhardt Mahlmann hatte den Verdacht, dass alleinstehende Männer bevorzugte Opfer weiblicher Fürsorge waren. Trudels Kinder waren längst aus dem Haus und seit ihr Mann vor drei Jahren gestorben war, wusste sie nicht mehr wohin mit ihrem Mutterinstinkt. Ihren Vermieter Alfred Meyer hatte sie so lange bekniet, bis er sich eine neue Hüfte hatte einsetzen lassen und nun sah sie es als ihren Verdienst an, wenn es ihm so sehr viel besser ging. Ihr Lebensziel war der Satz: Was würden wir nur ohne unsre Trudel machen? Und so war kaum jemand in ihrer Nähe vor ihren guten Ratschlägen sicher.

- Also Bucki, denk an meine Worte!

‚Nicht nur an deine Worte‘, dachte Buck und sagte

- Mach ich, Trudel, ‘n schönen Beiertach noch.

- Von wegen Feiertag, ich muss gleich noch schaffen gehen.

- Hilfst immer noch beim Griechen?

- Ja. ja, man gut, ich kann’s gebrauchen. Sind gute Leute, die Kallikratis‘, da lass ich nichts drauf kommen!

Buck schob das Rad über die Straße auf den Hof. Wie immer, wenn sich das Ziehen im Hüftgelenk verstärkte, kippte er seinen Oberköper mit jedem Schritt nach rechts, um Gewicht von der schmerzenden linken Hüfte zu nehmen. Das verlieh ihm einen marionettenhaften Gang. Es gab Holzmindener die behaupteten, an Mahlmanns Wackelgrad das Wetter ablesen zu können.

Maiglöckchen-Blues

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