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-Kapitel 5- Die prachtvolle Entwicklung vom Welpen zum Junghund
ОглавлениеWir arbeiteten nun schon über ein Jahr lang an der Unterordnung, und Katie entwickelte sich prächtig. Je besser der Gehorsam wurde, um so selbstsicherer wurde sie, und das Zusammenleben mit ihr wurde immer besser und besser. Doch mit der Selbstsicherheit wurde sie natürlich auch immer frecher. Als sie entdeckte wie toll eine Katzenjagd ist, musste ich immer mehr auf der Hut sein. Ich wollte es tunlichst vermeiden, dass eine Jagd einmal vom Erfolg gekrönt wird. Da ich selbst zu jenem Zeitpunkt Besitzerin zweier Stubentiger war, musste ich wirklich gut aufpassen. Doch Katie konnte gut unterscheiden zwischen meinen Katzen, und den freilaufenden Katzen die uns draußen immer wieder begegneten. Ich muss zugeben, meine Katzen waren nicht sonderlich begeistert, dass nach Angel wieder ein Hund bei uns einzog. Aber sie machten Katie ganz schnell klar, dass sie es waren, die zuhause das sagen hatten.
Als Katie schon fast ein Jahr alt war, bereitete ich mich innerlich schon auf die Pubertät meines Hundemädels vor. Katie war immer eine brave Hündin, die von Anfang an stubenrein war, nie etwas zerstörte, oder sonst irgendwelchen Blödsinn anstellte. So ist es auch sehr lange geblieben. Als sie ein Junghund war, war sie nur sehr temperamentvoll, aber mit einem sehr guten Gehorsam. Nachdem sie ihren dritten Geburtstag feierte, war ich so froh, dass wir die Pubertätsphase so gut überstanden hatten. Ich wog mich in Sicherheit, dass wir das gröbste hinter uns hatten. Doch ich sollte mich noch ganz gewaltig täuschen, denn ich hatte mich zu früh gefreut.
Irgendwann fand sie heraus, dass sie wesentlich schneller rennen kann, als ich es je könnte. So machte sie sich ein Spiel daraus, wenn ich sie zu mir rief, bis auf ca. 1 Meter auf mich zu zu kommen, und dann stehen zu bleiben. Wenn ich sie dann nochmal rief, reagierte sie erst nicht. Doch sobald ich einen Schritt auf sie zu machte, flitzte sie wieder weg von mir, blieb dann aber wieder stehen, und wartete ab. Sie handelte nach dem Motto: Fang mich doch, wenn du kannst. Da sie viel Ausdauer hat, hätte sie dieses Spiel stundenlang mit mir treiben können. Da ich aber wusste, dass sie es gar nicht mochte, wenn ich mich von ihr entfernte, tat ich dies, und ging in die andere Richtung. Als ich einmal zurückblickte, stand sie wie verdattert da, und konnte es kaum glauben, dass ich sie nun im Regen stehen lasse. Ich ging weiter, und sie stand immer noch regungslos da, und sah mir nach. Ich bin mir heute sicher, dass sie mich damit testen wollte, ob ich es wirklich über´s Herz brachte, und sie alleine ließ. Eiskalt begab ich mich außer Sichtweite, in dem ich um eine Hausecke ging, und mich dort zu verstecken. Von diesem Versteck aus konnte ich sie gut beobachten. Immer noch wie ein begossener Pudel stand sie da, und konnte es offenbar nicht fassen, dass ich einfach weg ging. In der Hoffnung, dass ich zurück komme starrte sie immer noch in die Richtung, in die ich gegangen war. Aber ich kam nicht wieder. Als ihr das klar wurde, rannte sie wie der geölte Blitz ebenfalls in diese Richtung. Panik überkam sie, denn sie konnte mich lange nicht sehen. In dieser Panik rannte sie um das Eck, an mir vorbei, blieb ein paar Meter von mir entfernt stehen, und fing an zu winseln.
Ich muss gestehen, dass ich mir das Lachen verkneifen musste. Durch ein scharren mit meinem Schuh auf dem Asphalt erlöste ich sie von ihrem Leid. Als sie zurückblickte und mich entdeckte, war ihr die Erleichterung deutlich anzusehen, und beinahe schreiend rannte sie auf mich zu, und veranstaltete einen Freudentanz um mich herum. Dieses Erlebnis war für sie so traumatisch, so dass sie, sobald ich mich nur umdrehte, sofort die Richtung wechselte, und mit mir mitkam. Um ihr aber nicht wieder eine Gelegenheit zu geben, mich zu prüfen, lief sie danach eine Zeitlang an der Schleppleine.
Im Training lief währenddessen bis dato alles bestens. Wir beide hatten Spaß an der Arbeit, und bereiteten uns auf ein Turnier vor. Und dort hatte Katie die nächste "gute" Idee, wie sie mir zeigen konnte, dass sie bei weitem noch nicht aus der Pubertät draußen war. Im Training wurde sie für jede ausgeführte Übung mit Leckerlis belohnt, was sie ja ganz toll fand. Doch schnell fand sie auch heraus, dass auf einem Turnier kein Leckerli kommt, und auch keine Einwirkung wenn sie eine Übung nicht ausführte. Denn beides ist auf Turnieren und Prüfungen nicht erlaubt. Diese Tatsache nutzte Katie schamlos aus, und fing an mich vorzuführen.
Es begann damit, dass sie auf der Prüfung neben mir herlief, als würde ich sie verprügeln. Was natürlich nicht der Wahrheit entspricht. Dann muss sie bei den Stellungen Sitz, Platz und Steh, unter kurzweiliger Amnesie gelitten haben, denn oft verhielt sie sich so, als hätte sie noch nie was von diesen Kommandos gehört. Oder sie machte genau das Gegenteil von dem was ich von ihr verlangte. Das Apportieren übten wir sehr lange, bis sie verstand was sie dabei machen sollte. Auch diese Übung verwendete sie gegen mich, in dem sie mir erst andeutete, dass sie bereit ist das Holz zu holen. Sie rannte manchmal zielstrebig auf das zuvor von mir geworfene Holz zu, blieb dann davor stehen, schnupperte daran, deutete ein aufnehmen an, ließ es aber dann doch liegen, und kam ohne Holz zu mir zurück. Oder sie verweigerte die Übung, in dem sie erst gar nicht hinaus rannte, um es zu holen. Nach drei erfolglosen Kommandos wird die Übung vom Leistungsrichter abgebrochen, und mit mangelhaft bewertet.
Für die Zuschauer draußen, sah das bestimmt oft sehr lustig aus. Doch für mich war das alles andere als witzig. Sehr oft haben wir die Prüfungen nicht bestanden, weil Katie es vorzog den Pausenclown zu spielen. Ich versuchte immer die Enttäuschung zu unterdrücken, in dem ich mir einredete dass es mir nichts ausmachte. Doch dabei belog ich mich immer wieder selbst. Denn es machte mir sehr wohl etwas aus. Wir arbeiteten oft Wochen auf ein Turnier hin, und glaubten immer gut vorbereitet zu sein. Und dann passierten eben solche Dinge, die nur Katie lustig fand, ich aber nicht. Mir wurde dann klar, dass Katie mich nicht ernst nahm.
Nach jedem solchen Desaster, wurde das Training konsequenter. Irgendwann nahm Katie auch beim Training dieses Clownverhalten an, was mir nur recht war. Denn im Training konnte ich einwirken. Doch dann ging alles schief. Ein Turnier nach dem anderen folgte, an denen wir nicht mal mehr die Mindestpunktezahl erreichten, weil Katie sich komplett quer stellte, und mich blamierte. Bei einer Veranstaltung war es so schlimm, dass ich nach dem Start, weinend beinahe zusammen brach, weil das Verhalten von Katie für andere schon fast darauf schließen ließ, dass ich meine Hündin misshandelte. Was aber nur der Schein war, denn so etwas schreckliches würde ich meinem Hund nie antun, denn dies wäre ein absoluter Vertrauensbruch. Nicht einmal in dieser verzweifelten Situation, in der ich mich befand, hätte ich so etwas schlimmes meiner Katie antun können. Doch für die anderen, die diese miserable Unterordnung mitverfolgt hatten, sah das ganz anders aus.
Ich stellte mich etwas abseits von der Menge, und weinte nur noch. Der gute Engel, meine Trainerin, entdeckte mich, und nahm mich tröstend in die Arme. Sie versicherte mir, dass wir gemeinsam eine Lösung finden würden. Was würde ich nur ohne sie machen, dachte ich mir. Es tat mir gut, sie an meiner Seite zu haben.
Ich zweifelte an mir selbst. Und es war wiederum genau diese Verzweiflung, die ich auf Katie übertragen habe. Mein Entschluss stand fest: So schnell würde ich mit ihr nicht mehr an den Start gehen. Die darauf folgenden Trainingseinheiten verliefen genauso katastrophal wie der letzte Start. Katie rebellierte, in dem sie mich ständig an der Nase herum führte. Damals war ich noch nicht soweit, mir die Frage zu stellen, woran es tatsächlich lag. Heute weiß ich, dass es meine emotionale Verfassung war, die es mir unmöglich machte klar mit Katie zu kommunizieren.
Wir trainierten mit mehr Druck, um Katie klar zu machen, dass sie mit dem Pausenclown nicht weit kommen würden. Mein guter Engel legte sich da für mich richtig ins Zeug, und ich vertraute ihr da zu 100 Prozent, und das tu ich heute noch. Im Bereich Apportieren war der erhöhte Druck völlig angebracht, und wir hatten kurzweilig auch den Erfolg, dass Katie das Holz wieder apportierte. Doch dieser Erfolg war nur von kurzer Dauer, und wir konnten wieder von vorne anfangen. Wieder verschmähte sie das Holz, und weigerte sich es wieder zu mir zu bringen. Wir waren mit unserem Latein am Ende.
Deshalb beschlossen wir, dass wir das Training für Katie eine ganze Weile einstellen, und nichts mehr tun. Wir hofften, dass ihr und mir diese Zwangspause gut tut. Ich weiß nicht mehr wie lange wir aussetzten, aber ich denke es war bestimmt fast ein halbes Jahr. In dieser Zeit hab ich an mir gearbeitet, d.h. ich habe meine psychischen Baustellen begonnen aufzuräumen. Ich musste lernen, ehrlich zu mir selbst zu werden, und meine Gefühle anzuerkennen. Der Weg zu meiner Selbstfindung glich einer Achterbahn Fahrt. Es gab Tage da war ich ganz oben, und dann folgten wieder Tage an denen ich an meinem persönlichen Tiefpunkt angelangt war. Wer aber immer an meiner Seite war, war meine treue Seele Katie.
Aber genau das war wichtig, um mich von alten Gedankenmustern zu lösen. Auch für meine Katie war diese Zeit nicht sehr einfach. Da sie sehr sensibel ist, bekam sie meine Höhen und Tiefen hautnah mit. Eigentlich wollte ich ihr das ersparen, aber das war einfach nicht machbar, da sie mich immer sofort durchschaute. Oft zeigte sie mir im Alltag eine Art Demutshaltung, und große Unsicherheit. Und da ein Hund so etwas wie Schuldbewusstsein nicht hat, glaube ich auch nicht, dass denken hätte können, dass sie etwas mit meinem Verhalten zu tun haben könnte. Sehr oft höre ich von anderen Hundebesitzern: " Mein Hund weiß ganz genau, was er angestellt hat, denn er hatte ein schlechtes Gewissen." Dabei ist das gezeigte Verhalten des Tieres eine Demutshaltung, um uns milde zu stimmen. Dass der Hund ein schlechtes Gewissen hätte, also Schuldgefühle zeigt, ist unsere eigene Interpretation. Die Demutshaltung nimmt der Hund ein, um einer Bestrafung vorzubeugen. Er weiß nicht, dass wir ihn gerade ausschimpfen, weil er den Mülleimer entleert hat, oder den teuren Perserteppich gerade in Streifen gelegt hat.
Er erkennt nur unseren Ärger, und dass dieser Ärger auf ihn ausgerichtet ist. Doch warum das so ist, weiß er nicht. Wir vergessen dabei, dass das Gehirn des Hundes nicht so funktioniert, wie das des Menschen. Sie können zwar denken, wie wir Menschen, und doch denken sie anders als wir. Der Hund verknüpft eine Konsequenz mit seiner Handlung. Er zerlegt den schönen Perserteppich mit einer Leidenschaft, und ich erwische ihn inflagranti dabei, und wirke sofort ein, dann lernt er: wenn ich das tu, dann folgt eine Konsequenz. Komme ich erst dazu, nachdem er sein Werk bereits vollendet hat, und ich schimpfe ihn dann aus, verknüpft er meine Einwirkung nicht mehr mit dem Teppich zerlegen, sondern mit dem was er gerade tut, z.b. freundlich gestimmt zu sein. Ich bestrafe ihn dann dafür, weil er sich freut mich zu sehen. Nur wenn ich ihn auf frischer Tat erwische, kann ich ihn für seine Untat strafen, oder besser gesagt tadeln. Diese Demutshaltung die der Hund einnimmt, wenn ich ihn für etwas ausschimpfe, was er vor 5 Minuten gemacht hat, nimmt er nur ein, weil er spürt, dass ich verärgert bin. Doch der Grund des Ärgernisses kennt er nicht mehr.
Man spricht dann auch von dem sogenannten Sekundenfenster. Eine Bestrafung, sowie auch eine Belohnung sollte innerhalb einer Sekunde nach der ausgeführten Handlung geschehen, damit der Hund dies richtig verknüpfen kann. Falsche Verknüpfungen haben oft zur Folge, dass der Hund immer mehr ein unerwünschtes Verhalten zeigt.
In meinem Fall traf Katie überhaupt keine Schuld. Denn die Ursache meines Ärgernisses war nicht sie, sondern ich selbst. Meine Frustrationen und meine depressiven Phasen veranlassten aber immer öfter dies, dass Katie diese Demutshaltung einnahm, da sie dachte, dass ich ihretwegen schlecht gelaunt bin.
Es musste also dringend etwas geschehen. Meine emotionale Achterbahnfahrt musste endlich ein Ende finden, und Stabilität musste sich einstellen. Aber ich musste noch sehr vieles lernen. Stabilität ist nicht nur für uns Menschen wichtig, um Sicherheit zu haben, sondern auch für unsere Tiere. Ein Rudelführer oder das Alphatier in einem Wolfsrudel trägt die Verantwortung dafür, dass die Sicherheit innerhalb der Gruppe gewährleistet ist. Ist der Rudelführer unsicher, oder gar verstört, dann nimmt die Gruppe an, dass die Unsicherheit für sie zur Gefahr werden kann. Aus der übertragenen Unsicherheit entwickelt sich Aggression, und keiner vertraut mehr dem anderen. Für das Alphatier kann dies bedeuten, dass es seinen Status im Rudel verliert, und Chaos ist dann angesagt.
Das bedeutet also, ein Alphawolf hat nicht nur die Macht zu herrschen, sondern in allererster Linie die Verantwortung dafür, dass in seinem Gefolge Ordnung herrscht. Dafür ist es äußerst wichtig, dass sich der Alphawolf selbst wohl fühlt in seiner Rolle als Rudelchef. Er trägt die Verantwortung für sämtliche Entscheidungen, die er für seinen Clan trifft. Trifft er diese Entscheidungen nicht nur zum Wohle seines Clans, sondern auch für sich, dann begegnen sie ihm mit dem nötigen Respekt, und nehmen ihn auch ernst.