Читать книгу FINSTERBLÜTE - Fabia Mortis - Страница 13
ОглавлениеEs war einmal …
eine blutjunge, wohlgestalte Nonne mit betörenden graublauen Augen. Sie lebte vor sehr langer Zeit in einer überaus düsteren Epoche, welche geprägt war von nagendem Hunger, unheilbaren Seuchen, abscheulichen Kriegen, grausamer Verwüstung und entsetzlichen Flüchen. Trotzdem führte sie zusammen mit ihren Mitschwestern ein beschauliches und friedvolles Leben in einem abgeschiedenen Kloster. Irgendwo im mittelfränkischen Hinterland. Wo genau ist leider nicht bekannt. Überliefert ist allerdings, dass unsere junge Nonne, nennen wir sie der Einfachheit geschuldet Maria, nicht nur von berückender Anmut, sondern auch von sehr sanftem und liebenswürdigem Wesen war. Aufgrund ihres großmütigen Herzens, ihrer Freundlichkeit, ihrer Güte und ihrem Talent für die Heilkunst war sie nicht nur bei ihren Gefährtinnen im Konvent, sondern auch bei den Menschen, die im benachbarten Dorf am fruchtbaren Ufer des tiefen Dunklen Sees ein einfaches aber auskömmliches Dasein lebten, ein gern gesehener Gast.
Das Kloster selbst lag unantastbar und erhaben auf einem bewaldeten Inselchen im Zentrum des unberechenbaren Gewässers, um das sich viele uralte Mythen rankten. An trüben Tagen war das Stift vom Dorf aus kaum zu sehen. Es verschwamm dann geradezu in einer mysteriösen grauen Nebelwand.
Dieser überaus geheimnisvolle Ort war einst in ganz Mittelfranken als Geisterbärensee bekannt oder vielmehr berühmt-berüchtigt. Im Laufe der Jahrhunderte sind seine stinkenden, fauligen Gedünste allmählich im Erdboden versickert, bis nichts mehr als geflüsterte nebulöse Gerüchte von diesem verwünschten und bösartigen Ort Kunde taten. Der Legende nach war jeder des Todes, der mit seinem verhexten Wasser in Berührung kam, auch wenn der Kontakt noch so gering und kurzzeitig gewesen war. In den eisblauen Tiefen des kristallklaren Sees hausten unzählige todbringende Schatten, die sogenannten Geisterbären. Wer so ahnungslos oder unvorsichtig war, der magischen Verlockung nicht zu widerstehen und zu nahe an ihn herantrat, dessen Welt geriet aus den Fugen, bis er schließlich von einem unrettbaren Sog erfasst und von kraftvollen Wellen zu seinem pechschwarzen Zentrum getragen wurde. Zum Hort des absolut Bösen, zum Nabel allen Übels und der Verdammnis schlechthin. Uralt und verderbt bis ins Mark verströmte er den giftigen Pesthauch von modriger Fäulnis und grenzenloser Niedertracht. Von dort gab es keinerlei Hoffnung auf gnädiges Entkommen. Wer nicht auf bestialische Weise von den Geisterbären zerfetzt und aufgefressen wurde, der ertrank qualvoll und langsam in den kalten Fluten.
Um überhaupt zu dem Kloster zu gelangen, musste man einen kleinen Obolus an den knorrigen alten Fährmann entrichten, der tagtäglich beharrlich Wind und Wetter trotzend seine unermüdlichen Fahrten zwischen Insel und Ufer bewältigte. Und sorgsam darauf achtete, dass kein Unglücklicher in die verwünschten Wogen geriet und dort auf Nimmerwiedersehen spurlos verschwand.