Читать книгу Bitter Elation - Fae Clarke - Страница 13
Alte Liebe
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ilith schaltet den Wecker aus und springt aus dem Bett. Gut gelaunt eilt sie nach unten und setzt wie jeden Tag Kaffee auf, um sich hernach erst fertigzumachen. Endlich wieder arbeiten! Sie ist gespannt, wer sie heute alles aufsuchen wird und was Laura vorgelegt hat. Ihre Arbeit empfindet sie nicht als solche, sondern es ist eher so, als ob sie täglich Besuch empfangen würde. Nie ist sie es leid, Bücher zu bestellen, auszupacken oder einzuräumen. Außerdem kann sie sich ins Café setzen, wann immer sie möchte und es ihr die Zeit erlaubt; was will man denn mehr? Sie kann sich einfach keinen besseren Job vorstellen.
Kaum zurück in der Küche, klopft Sonja an das seitliche Fenster und winkt ihr zu. Beschwingt öffnet sie die Haustür und umarmt die Freundin. Die beiden frühstücken wie so oft gemeinsam an dem kleinen eckigen weißen Tisch. Kurz nach 11 Uhr verlassen sie ihr Cottage. Gemeinsam winken sie Mrs Biggs zu, die Johannisbeeren in ihrem Vorgarten pflückt. Ineinander gehakt hüpfen sie ausgelassen die Straße hinunter. Als sie im Books Cave ankommen, ist Tim bereits am Herumwerkeln.
»Guten Morgen!«, rufen sie ihm entgegen.
»Hallo, ihr zwei!« Er umarmt beide und brüht Cappuccino auf, damit sie auch richtig wach bleiben.
Lilith nimmt die Liste, die Laura gestern vorbereitet hat, vom Tresen und setzt sich auf einen der vier Stühle an dem kleinen runden Tisch. Kurz darauf serviert er drei Tassen und gesellt sich zu ihnen. Er legt seinen Kopf auf ihre Schulter und liest ebenfalls.
»Laura war wieder ganz schön fleißig!«, stellt sie fest und deponiert das Blatt auf den Tisch.
»Oh ja, wie immer eben«, bestätigt er. »Ach so, es ist vorhin ein großes Bücherpaket eingetroffen. Es steht hinter eurem Tresen.«
»Danke schön. Da hat sie in den nächsten Wochen einiges vor.«
»Du solltest sie eben nicht zu oft und zu lange allein lassen«, meint er feixend.
»Das glaube ich auch. Aber so konnte sie sich mal wieder austoben. Nicht umsonst brummt der Laden so.«
Sonja blickt schmunzelnd von ihrer Zeitung auf. »Anders würdest du es gar nicht mehr wollen, oder?«
Lilith nickt zustimmend, trinkt ihren Cappuccino aus und geht hinüber. Hinter der Ladentheke entdeckt sie das besagte Paket und öffnet es. Darin befinden sich zahlreiche Bücher, die Laura in den letzten zwei Tagen geordert hat. Das bedeutet, dass heute ein großer Ansturm herrschen wird. Selbst Touristen bestellen auf die Schnelle Lesestoff bei ihnen, damit ihnen auch ja nicht langweilig wird. Und das zu Zeiten des Internets und anderer Ablenkungsmöglichkeiten.
Mit der Liste in der Hand kontrolliert sie den Inhalt des Pakets und fertigt Namenszettel an, die sie in die einzelnen Bücher legt. Punkt 12 Uhr betritt der erste Kunde den Laden und fragt sie nach einem vorbestellten Roman. Ab diesem Zeitpunkt weiß sie, dass heute definitiv kein langweiliger Tag werden wird.
Gerade als sie den alten Mr Fox bedient, kommt Laura wie erwartet herein. »Du solltest doch heute zu Hause bleiben«, rügt sie sie scherzhaft.
»Ach, du kennst mich doch!« Die Angestellte drückt sie und geht nach nebenan, um die anderen zu begrüßen. Als sie zurückkommt, hält sie Mr Fox die Tür auf.
Lilith geht an ihnen vorbei ins Café und nimmt sich eine Flasche Limonade aus der Kühltheke. Erschrocken erblickt sie die Uhr, es ist bereits kurz vor sechs. Als sie wieder hinübergehen will, um die Bücher weiter einzusortieren, winkt Laura, die noch immer an der Tür steht, ab und meint: »Mach du mal kurz Pause, ich übernehme schnell.«
»Danke. Du bist ein Schatz!« An Tim gewendet fragt sie: »Wo ist denn Sonja?«
»Draußen.« Er deutet aus dem Fenster und sie sieht sie am Handy tippend auf der Bank sitzen. Wann hatte sie sich denn an ihr vorbeigeschlichen?
»Dann gehe ich auch mal fix raus. Wenn wir wiederkommen, kannst du uns dann bitte einen Kaffee machen? Das wäre ganz lieb.« Zustimmend nickt er und sie küsst ihn dafür auf die Wange und verlässt das Geschäft über die zwei Stufen. Kaum wird die Freundin ihrer gewahr, steckt sie das Smartphone hastig in die Hosentasche und springt auf, um ihr entgegenzukommen. Komisch hat sie etwas zu verbergen? Plant sie vielleicht etwas?
Zusammen gehen sie an den Strand, unterdessen sie sich über den heutigen Abend unterhalten. Seit Langem wird Ethan wieder anwesend sein. Ihr wird flau im Magen, sobald sie an ihn denkt. Doch da schubst Sonja sie, da sie wohl ahnt was los ist und rast wie der Teufel johlend zum Wasser. Auflachend läuft sie hinterher und spritzt sie nass, sobald sie sie erreicht hat. Wie der Blitz rennt Lilith wieder Richtung Promenade, die Süße verfolgt sie wild mit den Armen wedelnd. Die Leute um sie herum lachen aus vollem Halse, weil die eine die andere über den Strand jagt. Das muss ein Bild für Götter sein.
Beide stürmen gleichzeitig in den Laden und Sonja ruft: »Tim, hol mir mal bitte ein Handtuch und ganz viel Eiswasser in einem großen Eimer! Das schüttest du dann bitte über Lil und danach rennst du, was das Zeug hält.«
Nicht nur die Gäste im Café lachen auf. Tim, der gerade frischen Cappuccino aufbrüht, reicht ihr feixend ein Handtuch. »Ihr zwei wieder! Wie die Kinder. Nur Dummheiten im Kopf.«
Lilith zwinkert ihm zu und nimmt dankend die beiden Tassen entgegen, während ihre Freundin sich zwischenzeitlich trocken rubbelt.
»Laura?«, ruft sie hinüber.
Diese kommt herbeigeeilt. »Ja?«
»Du kannst gern gehen und deinen Abend genießen. Wir sehen uns doch heute Nacht im Club, oder?«, fragt sie sie.
»Nein nein, lass mal, ich mache die Kasse noch. Ist doch eh gleich Feierabend.« Dabei deutet sie auf ihre Uhr. Es ist tatsächlich bereits kurz vor sieben. Die Zeit ist im Nu verflogen. »Klar sehen wir uns nachher.« Anschließend geht sie zurück in den Buchladen.
Aus einem unerfindlichen Grund fällt ihr ein, dass sie heute noch gar nicht nachgeschaut hat, ob sie eine Nachricht von Chris bekommen hat. Damit wird sie nun warten müssen, bis sie zu Hause ist. Schließlich sitzt jetzt Laura vor dem PC.
»Sag mal? Hast du schon Chris angeschrieben?«, fragt sie Sonja wie beiläufig und hofft, dass es genauso rüberkommt.
Die Freundin schaut überrascht auf. »Nein. Ich dachte, du wolltest das tun? Traust du dich nicht?«
»Doch, doch. Ich mach das schon noch, ich dachte nur, du hättest vorgefühlt, oder so.« Wie sie es hasst sie anzulügen, aber sie will einfach abwarten, ob er sich überhaupt meldet. Zudem ist sie sich unsicher, ob sie es Sonja erzählen sollte.
Als sich nach einigen Minuten die letzten Gäste verabschieden, räumt Tim auf und seine Chefin macht die Kassenabrechnung. Indessen geht sie zu Laura hinüber, die bereits fertig ist.
»Also, ich bin morgen kurz vor 12 Uhr hier. Du kannst gern zu Hause bleiben«, sagt diese zu Lilith.
Verdutzt schaut sie ihre Angestellte an. »Nein, nein. Ich komme morgen gegen 14 Uhr wie abgemacht und du wirst dann auch wieder gehen. Du warst nun sieben Tage am Stück im Geschäft, das kann ich langsam nicht mehr verantworten!«
»Ach, wer soll denn was dagegen sagen? Ich bin doch froh, wenn ich hier sein kann. Außerdem war ich heute gerade einmal eine Stunde da. Dafür habe ich Montag und Dienstag frei«, erwidert Laura.
»Stimmt, ja. Vergiss nicht, am Mittwoch hattest du irgendetwas mit dem Kindergarten geplant.«
»Ja, das habe ich nicht vergessen. Ich komme am Mittwoch dann am Nachmittag her. Dann euch noch viel Spaß, wir sehen uns ja später!« Winkend verabschiedet sie sich.
Kaum zu Hause angekommen, schnappt sie sich das Notebook und setzt sich wieder hinaus auf die Terrasse. Hier kann sie zumindest rauchen. Eine private Nachricht. Schnell klickt sie darauf, um zu sehen, wer ihr geschrieben hat. Er hat ihr tatsächlich geantwortet!
Nervös an der Zigarette ziehend liest sie seinen Text, den er ihr über sein privates Profil geschickt hat. Beim Postskriptum muss sie unwillkürlich schmunzeln. Also hatten sie die beiden doch gesehen. Umgehend klickt sie auf seinen persönlichen Account. Wie zu erwarten, gibt es nicht allzu viel zu lesen. Da entdeckt sie ein Foto von ihm und seiner Noch-Ehefrau. Sie waren schon ein süßes Pärchen, schießt es ihr durch den Kopf. Damals fand sie es wirklich schade, als die beiden sich trennten. Dann erspäht sie bekannte Gesichter in seiner Freundesliste. Die restlichen Bandmitglieder sind ebenfalls privat vertreten, desgleichen unter anderen Namen.
Erstaunt bemerkt sie, dass er ihr eine Freundschaftsanfrage geschickt hat. Natürlich nimmt sie an, aber auch jetzt ist nicht bedeutend mehr in seinem Profil zu lesen. Dafür kann sie nun seine Vorlieben einsehen. Tatsächlich, er klettert! Woher hatte sie das gewusst? Früher ist er gerudert, klar … Oxford! Und er schwimmt auch heute noch. Das stimmt also ebenfalls mit dem Traum überein.
Okay, bei der Musik liegen sie etwas auseinander, aber bei den Filmen … Sie hätten für Stunden ein Gesprächsthema! Nein, mehrere! Neugierig liest sie die Liste seiner Lieblingsautoren. Anerkennend nickt sie in den Bildschirm. Dieser Typ ist der absolute Oberknaller und völlig unerreichbar. Und trotzdem schreibt er ihr.
Angestrengt überlegt sie, was sie ihm antworten soll.
›Hallo Chris,
schön so bald von dir zu lesen. Ja, wir sind gut zu Hause angekommen, die Fahrt verging wie im Flug, da wir uns so viel zu erzählen hatten. Wie geht es dir? Wo bist du derzeit und was machst du, falls ich das fragen darf.
Liebe Grüße Lilith
PS: Deine Begeisterung für Bücher und Filme hat mein Interesse geweckt.‹
Zwar etwas frech, aber was solls. Lilith ist sehr gespannt ob und was er darauf antworten wird. Nun muss sie sich aber fertigmachen, sonst zieht sie den Unmut der anderen auf sich, weil sie sie länger warten lässt als geplant. Aufgeregt klappt sie das Notebook zu und hastet nach oben, um sich umzuziehen.
Vor der Fahrt in den Club treffen Neil und Mia gewohnheitsmäßig bei ihr ein. Wie immer ist die Begrüßung sehr herzlich. »Na, wie war das Konzert? Hast du ihn endlich persönlich kennengelernt? Wie ist er? Sieht er real auch so toll aus …«, stochert Mia neugierig, ohne einmal Luft zu holen, während sie zu Sonjas Haus hinüber gehen.
In den letzten fünf Jahren ist ihr die gute Seele eine sehr liebe Freundin und Vertraute geworden. Die stets hochgesteckten, schwarz gefärbten Haare lassen sie elegant wirken. Ihre warmen braunen Augen haben etwas Beruhigendes, aber auch etwas Beseeltes. Seit einigen Jahren kennt sie Liliths und Sonjas Geheimnis ebenso wie ihr vier Jahre älterer Freund Neil, der gerade genauso gespannt auf ihre Antwort wartet.
Ohne Zögern erzählt sie alles, auch von dem Aufeinandertreffen nach dem Konzert. Mit keinem Sterbenswörtchen erwähnt sie den schriftlichen Kontakt zu dem Sänger.
»Oh nein! Du warst völlig durch den Wind!«, ruft die klassische Schönheit glucksend und drückt sie an sich.
Dagegen schüttelt ihr Partner grinsend den Kopf. »Mädchen, da hättest du ruhig mal selbstbewusster sein sollen. Ich glaube, dass er nicht abgeneigt gewesen wäre.«
Achselzuckend klingelt sie an der Haustür und lässt die beiden in ihrem Irrglauben. Sobald Sonja herauskommt und sie sich begrüßt haben, steigen sie in Liliths Auto und fahren los. Wie sollte es auch anders sein, ist das einzige Gesprächsthema auf der knapp halbstündigen Fahrt das Konzert, die Band und der Sänger. Als sie in Lowestoft vor dem Club parkt, sieht sie bereits Ethan und Dylan vor dem Gebäude warten. Die anderen steigen schon aus, gehen vor, um die Jungs zu begrüßen. Verdammt! Seufzend wirft sie die Autotür ins Schloss und geht etwas angespannt auf die beiden zu. Ethan ist ihre große, verflossene Liebe.
Vor über vier Jahren trafen sie sich das erste Mal in ebendiesem Club. Mit seinen stechend blauen Augen schaute er sie damals beim Tanzen nahezu herausfordernd an und sie war sofort hin und weg. Augenblicklich hatte sie sich Hals über Kopf in den seinerzeit 26-jährigen, schwarzhaarigen Schönling verschossen. Seine Eleganz und sein Charme ließen sie all ihre Prinzipien über Bord werfen, denn noch in derselben Nacht sind sie in ihrem Bett gelandet.
Er war alles für sie, so etwas hatte sie zuvor noch nie erlebt. Sie war ihm vollkommen verfallen und sie wollte es auch gar nicht anders. Kurze Zeit hatten sie eine sehr intensive und aufregende Liaison, bis er nach einigen Monaten in die USA ging, um dort weiter zu studieren. Beide machten sich nichts vor, keine Beziehung würde solch eine Entfernung über Jahre überstehen und so trennten sie sich bewusst nachts zuvor. Es war die sinnlichste und leidenschaftlichste Nacht ihres Lebens.
Wie enorm hatte sie danach gelitten! Zu sehr hatte sie sich emotional auf ihn eingelassen. Der Trennungsschmerz währte länger als die Beziehung selbst. Es machte sie dermaßen fertig, dass sie zu kaum etwas fähig war. Ihre Freunde fingen sie in den folgenden Monaten immer wieder auf, umsorgten sie, schleiften sie regelrecht aus dem Haus, in dem sie sich richtiggehend verbarrikadierte. Lange Zeit konnte sie nicht einmal mehr in den geliebten Club gehen. Die verschiedensten Dinge erinnerten sie einfach zu sehr an ihn. Weshalb sie sich meistens bei Mia und Neil traf, oder sie gingen in Bars. Hauptsache, sie kam mal raus und wurde abgelenkt.
Nach knapp einem Jahr hatte sie ihn schließlich überwunden und pflegte nach und nach per E-Mail-Kontakt zu ihm. So erfuhr sie auch von ihm, dass er in Yale eine Affäre hatte, anders konnte man das nicht betiteln. Trotzdem war er todunglücklich, dass merkte sie, als sie miteinander telefonierten. Dazu kannte sie ihn zu gut.
Vor einem Dreivierteljahr kehrte er zurück und meldete sich auch alsbald bei ihr. Kurzzeitig zog sie eine erneute Beziehung in Erwägung. Denn das Kribbeln war noch eine Zeit lang zu spüren, wenn sie ihn sah. Doch nach einigen Wochen war auch dies wieder vorüber und sie wurden gute Freunde. Ethan ließ vor einiger Zeit verlauten, dass er eine neue Flamme hätte. Lilith hat sie bis heute nicht persönlich kennengelernt, da diese nicht in ihren Kreisen verkehrt und anscheinend die Freunde nicht treffen möchte.
Noch so manches Mal erinnert sie sich wohlwollend an diese eine Nacht, seit der sie auch nie wieder das Bett mit einem anderen Mann geteilt hatte. Es lag aber durchaus nicht an fehlenden Verehrern oder an einem Mangel an Gelegenheiten, davon gab es in den letzten Jahren so einige. Sie wollte schlicht und einfach keinen Mann mehr an sich heranlassen. Auch nicht für ein kurzes Bettgeflüster. Viel zu sehr fürchtete sie eine erneute Enttäuschung und den dazugehörigen Schmerz. Doch sie war nie unglücklich über diesen Umstand, sie fand sich damit ab und machte das Beste daraus. Bis heute bereut sie diesen Schritt nicht. Ein einziger Typ hatte es ihr vor einigen Jahren angetan, allerdings zeigte er an Sonja mehr Interesse. Leider!
Na gut, nun ist da jetzt Chris, aber daran glaubt sie selbst nicht wirklich.
Da steht er nun und blickt sie mit seinen hinreißend blauen Augen an. Nach einigen Wochen treffen sie das erste Mal wieder aufeinander. Kurzzeitig zieht sich alles in ihr zusammen, als er sie anlächelt. Noch immer findet sie ihn so unglaublich attraktiv, denn er war nicht umsonst einmal ihr Geliebter. Doch sie weiß, dass lediglich Faszination für ihn vorhanden ist, er ist immerhin ein schöner und intelligenter Mann. Außerdem ist er vergeben, was für sie ein absolutes Tabu ist. Schließlich eilt sie auf ihn zu, woraufhin er sie sofort in seine Arme schließt.
»Hallo meine Süße.« Sanft küsst er sie auf die Stirn. Vor einigen Monaten hätte sie dies niemals zugelassen, heute macht es ihr nichts mehr aus.
Dylan grinst sie an und umarmt sie innig. Sobald dieser die Tür öffnet, dröhnt ihnen auch schon der Bass entgegen. Mit beiden Männern im Arm betritt sie den Club. Sie genießt die Blicke der Gäste, immerhin begleiten sie zwei sehr sexy Typen. Augenblicklich ist sie nicht mehr Lilith die Schüchterne, sondern Lil die Aufgedrehte.
An ihrem Stammplatz in der hintersten Ecke der großen Tanzfläche sitzen bereits Chloe, Holly und Sarah auf der schwarzen Ledercouch. Davor stehen Ed und Grace knutschend an dem Tisch. Die beiden Punks lassen sich überhaupt nicht von den Neuankömmlingen ablenken. Das Pärchen ist seit Jahren zusammen und noch immer wirken sie auf andere wie frisch verliebt. Mia und Neil sind seit zehn Lenzen ein Paar, doch so wild vor anderen herumzuknutschen würde den beiden nicht im Traum einfallen.
Sogleich erhebt sich die liebreizende Sarah und umarmt Lilith. Der blonde Pagenschnitt lässt sie viel jünger aussehen, als sie tatsächlich ist, und ihre grauen Augen funkeln stets keck. Ihre stille und zurückhaltende Art gefiel ihr von Anfang an. Dafür ist ihre beste Freundin Holly das genaue Gegenteil. Mit ihren knallrotgefärbten Haaren wirkt sie zudem manchmal extrem schrill, was aber nicht nur an der Haarfarbe liegt. Und Gegensätze ziehen sich bekanntlich an.
Schlussendlich ist da noch Chloe. Diese ist eine Freundin von Dylan und das Küken in der Gruppe. Kurzzeitig hatten die beiden etwas miteinander, aber das verlief sich bald im Sand. Schmunzelnd erinnert sie sich, dass er ihr einmal sagte, dass Chloe ihm zu jung wäre. Er ist selbst erst 26 und findet ältere Frauen viel reizvoller. Plötzlich erinnert sie sich an die Affäre zwischen ihm und Sonja.
»Süße?«, unterbricht Mia sie in ihren Erinnerungen. »Wollen wir an die Bar und uns was zu Trinken besorgen?«
»Ja, gern«, erwidert sie und zusammen mit Dylan gehen sie an die Bar.
Lilith tanzt beinahe die ganze Nacht hindurch, ob nun auf der Tanzfläche oder an ihrem Stammplatz vor der Couch, was ihr wie immer gleich ist - Hauptsache sie kann sich im Rhythmus der Musik bewegen. Bei langsamen Liedern schäkert sie sogar mit Ethan herum, so sehr amüsiert sie sich. Solchermaßen hat sie ihn vermisst.
Als der Club schließt, werden sie regelrecht hinausgekehrt. Laura hat sie tatsächlich nur ganz kurz gesehen. Da sie mit ihrem eigenen und vor allem sehr jungen Freundeskreis unterwegs war, haben die beiden heute gar nicht miteinander gesprochen, sich bloß aus der Entfernung zugewunken.
Auf dem Parkplatz verabschiedet sie sich von den Freunden. Bei Ethan verweilt sie länger, als sie sollte. Als er sie mit seinen stahlblauen Augen auf diese umwerfende Art anblickt, kann sie auf einmal nicht anders und drückt ihm einen Kuss auf die Wange. Daraufhin eilt sie lachend zu ihrem Auto. Bloß nicht zu viele Emotionen aufkommen lassen oder gar zeigen!
»Du wirst doch keine Dummheiten machen und in alte Gewohnheiten zurückfallen?«, neckt Sonja sie auf dem Heimweg.
Unbefangen zuckt Lilith die Schultern. »Wer weiß. Aber du musst zugeben, dass Ethan ein Typ ist, der einfach nicht älter wird, sondern immer besser aussieht.«
Von der Rücksitzbank ertönt lautes Gelächter. Daraufhin blickt sie in den Rückspiegel und sieht Mia prustend mit erhobenem Zeigefinger. »Lilith!«
»Ach Leute, was soll ich denn machen? Ethan ist vergeben und Chris … Wahrscheinlich werde ich ihn eh nie wiedersehen. Irgendwas mache ich grundlegend verkehrt, oder?« Wenn sie wüssten, dass sie gar nichts falsch macht, sondern die ersten Steine aus dem Weg geräumt sind. Falls sie sich jemals darauf einlassen sollte und wenn er weiterhin Interesse zeigt. Ethan trauert sie nicht mehr hinterher, sie hat schlichtweg Spaß und er weiß das.
»Ich habe dir doch gesagt, du hättest dich ranhalten sollen, er hätte bestimmt nicht Nein gesagt«, lässt Neil erneut verlauten, er kann es einfach nicht lassen.
»Dein Ratschlag kam aber leider etwas zu spät«, kontert sie und schmunzelt in sich hinein. Und wieder denkt sie: ›Wenn sie wüssten!‹ Damit drückt sie aufs Gas.