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Der Nordatlantikvertrag von 1949: Die Gründung der NATO

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UnterNordatlantikrat (NAC) dem Eindruck einer immer noch andauernden Berlin-BlockadeBerlin-Krise (bis 12. Mai 1949) und sowjetischer Gegendiplomatie (Kaplan 1984, 96) wurden die Verhandlungen für einen transatlantischen Pakt fortgesetzt. Die NATO wurde schließlich am 4. April 1949 in Washington D.C. mit der Unterzeichnung des NordatlantikvertragNordatlantikvertrags – auch Washingtoner Vertrag genannt – durch Belgien, Dänemark, Frankreich, IslandIsland, Italien, LuxemburgLuxemburg, Kanada, die Niederlande, Norwegen, Portugal, das Vereinigte Königreich und die USA gegründet. In der Präambel verpflichten sich die Unterzeichner sowohl auf die Prinzipien der UN, darunter das Ziel der friedlichFriedenen Konfliktbeilegung, als auch auf die „Grundsätze[n] der Demokratie, der Freiheit der Person und der Herrschaft des Rechts“ (NATO 1949a).1 Damit wird gleich zu Beginn deutlich, dass das Wertefundament der Atlantischen Allianz und der Unterzeichnerstaaten demokratisch-liberalLiberalismus geprägt ist. Ohne jemals die UdSSR direkt zu erwähnen positioniert sich der NordatlantikvertragNordatlantikvertrag klar gegen das gesellschaftliche und politische System des kommunistischKommunismusen Feindes im Osten, ganz im Sinne von KennanKennan, George F.s Long TelegramLong Telegram. Die Staaten bekennen sich des Weiteren zu einer friedlichFriedenen Konfliktbeilegung (Art. 1) sowie zur Intensivierung ihrer wirtschaftlichen Zusammenarbeit (Art. 2, s. von Gersdorff 2009, 396ff., 407ff.). Der Vertrag spricht ebenfalls gegenseitige Kooperation und Unterstützung beim Aufbau von Verteidigungskapazitäten (Art. 3) als notwendige Bedingung einer gemeinsamen Verteidigung an.

Als Kern des Vertrags gilt Art. 5Bündnisfall. Dieser führt unmissverständlich aus, dass

„Die Parteien vereinbaren, daß ein bewaffneter Angriff gegen eine oder mehrere von ihnen in Europa oder Nordamerika als ein Angriff gegen sie alle angesehen werden wird; sie vereinbaren daher, daß im Falle eines solchen bewaffneten Angriffs jede von ihnen in Ausübung des in Artikel 51 der Satzung der Vereinten Nationen anerkannten Rechts der individuellen oder kollektiven Selbstverteidigung der Partei oder den Parteien, die angegriffen werden, Beistand leistet, indem jede von ihnen unverzüglich für sich und im Zusammenwirken mit den anderen Parteien die Maßnahmen, einschließlich der Anwendung von Waffengewalt, trifft, die sie für erforderlich erachtet, um die Sicherheit des nordatlantischen Gebiets wiederherzustellen und zu erhalten. […]“ (NATO 1949a, Artikel 5)

Dieser Artikel beinhaltet zwei deutliche Formulierungen: zum einen die Formel, dass ein Angriff auf ein Mitglied als ein Angriff auf alle Mitglieder zu zählen ist und zum anderen die Verpflichtung zum militärischen Beistand. Gleichwie ist dies nicht als Beistandsautomatismus misszuverstehen (Grosser 1986, 96f.; von Gersdorff 2009, 436ff.). Der Antrag auf Ausrufung des BündnisfallBündnisfalls bedarf des einstimmigen Votums der Mitglieder. Seine Akzeptanz präjudiziert nicht die automatische Entsendung von Truppen (Georgantzis 1998, 31; Raflik 2011, 210). Er impliziert jedoch indirekt genau das (Kaplan 1984, 26). Staaten entscheiden in Übereinstimmung mit ihren verfassungsgemäßen Bestimmungen über die konkrete Art der Reaktion und Form der Hilfe (ibid., 84ff., 113ff.). Lord IsmayLord Ismay (1955, Kap. 2) weist zudem darauf hin, dass schon in den Verhandlungen klar war, dass Alliierte unterschiedliche (militärische, wirtschaftliche, logistische) Beiträge zur „gegenseitigen Unterstützung“ (Art. 3) leisten würden, je nach ihren eigenen ökonomischen FähigkeitenKapazitäten (militärische) und geografischen Gegebenheiten. Art. 9 führt weiter aus, dass Entscheidungen eines Rats bedürfen, der später den Namen NordatlantikratNordatlantikrat (NAC) (NACNordatlantikrat (NAC)) erhielt und seit 1952 wöchentlich tagt – i.d.R. auf Botschafter/ Permanente Repräsentanten-Niveau sowie zweimal jährlich mit Außenministern, dreimal mit Verteidigungsministern und bei Bedarf (i.d.R. einmal jährlich als Gipfeltreffen) mit den Staats- und Regierungschefs (NATO 2017g).2 Obgleich kürzer als beim Brüsseler VertragBrüsseler Vertrag (s. Kaplan 1984, 118f.), legt Art. 13 eine mindestens zwanzigjährige Vertragsdauer fest.

Mit der Unterzeichnung des NordatlantikvertragNordatlantikvertrags konstituierte sich somit vier Jahre nach dem Ende des Zweiten WeltkriegZweiter Weltkriegs eine neue europäische Sicherheitsordnung. Im westlichen Block waren die demokratisch-liberalLiberalismusen Staaten vereinigt, während die Länder des Ostblocks vor allem kommunistischKommunismus geprägt waren, der Sowjetunion angehörten oder ihre abhängigen Satellitenstaaten waren. Diese Blockbildung sollte bis zur Zeitenwende 1989-1991 eine der bestimmenden Größen der Weltpolitik sein und auch Konflikte in anderen Teilen der Welt durch den ideologiIdeologieschen Gegensatz der beiden Blöcke und ihren Kampf um eine jeweilige Vormachtstellung beeinflussen.

Bald nach der Unterzeichnung wurde den Vertragsstaaten jedoch bewusst, dass zur Erreichung des Vertragszwecks ein vertraglich vorgesehener gemeinsamer Rat und Verteidigungsausschuss nicht ausreichen würden und weitere Integrationsschritte gegangen werden mussten. Das Jahr 1950 stand somit am Beginn des Aufbaus gemeinsamer Planungs-, Trainings- und KommandostrukturMilitärstrukturen der Allianz, die vorsahen, dass die Staaten ihre Truppen unter das Kommando international bestimmter Militärs stellten. Lord IsmayLord Ismay erklärt, dass „diese Allianzprinzipien niemals in der Geschichte zu FriedenFriedenszeiten auf so eine Stufe gebracht wurden“ (Ismay 1955, 14). Mindestens genauso zentral war aber die Organisation der Militärhilfe und die Erstellung von Plänen zum Aufbau der nationalen Armeen (Kaplan 1984, Kap. 7; von Gersdorff 2009, 229ff.).

Bereits seit Ende 1949 liefen amerikanische Waffenlieferungen für europäische Vertragsstaaten, um die Verteidigungsfähigkeit der Alliierten zu erhöhen. Auf seinem ersten Zusammentreffen am 17. September 1949 beschloss der NACNordatlantikrat (NAC) zudem die Einrichtung eines Verteidigungskomitees, eines Militärkomitees, regionaler Verteidigungsplanungsgruppen und einer Standing Group der Vertreter der Stabschefs von Frankreich, Großbritannien und der USA, die permanent in Washington angesiedelt war. Die Gründung weiterer technischer Komitees folgte, die in London angesiedelt wurden. Diese Schritte führten zum ersten Strategischen Konzept von 1949 (s. Kap. 3.2) und Aktivitäten zur Bestandsaufnahme von VerteidigungsausgabenVerteidigungsbudget (national) sowie Ressourcenmanagement. Da dieser dezentrale Prozess sehr schleppend lief, beschlossen die Alliierten bald, ein permanentes ziviles Hauptquartier einzurichten, in dem die Aktivitäten durch politische Vertreter besser koordiniert werden sollten (Kaplan 1984, 139ff.). Dies geschah mit einem Gefühl der Dringlichkeit, da die russischen Kräfte östlich der Elbe weit stärker und einheitlicher organisiert waren, als die der Alliierten, bei denen nicht einmal eine Verteidigungslinie an der deutsch-deutschen Grenze bestand (ibid., 142f.; ähnlich Ismay 1955, Kap. 3).

Der Ausbruch des KoreakriegKoreakriegs am 25. Juni 1950 hatte zwei Effekte auf die NATO: Zum einen zeigte er durch die Intervention der USA und anderer Alliierter zugunsten Südkoreas, dass liberalLiberalismuse Staaten füreinander einstehen konnten. Die Vertrauenssache Artikel 5 erhielt somit indirekt Substanz. Zum anderen bestätigte der Angriff Nordkoreas die Gefahr, die von einem nicht-eingegrenzten KommunismusKommunismus ausging. Ein Dominoeffekt wurde gefürchtet, der Pläne zum Aufbau der gemeinsamen Verteidigung beschleunigte (Kaplan 1984, 145ff., 150ff.; Schöllgen 2013b, 35f.). Der NACNordatlantikrat (NAC) beschloss daher, dass eine integrierte KommandostrukturMilitärstruktur unter einem gemeinsamen Truppenkommandeur geschaffen werden sollte, um einer möglichen sowjetischen Aggression besser begegnen zu können.

Abbildung 1:

NATO-Strukturen 1950 (Quelle: Pedlow (1997), eigene Darstellung)

Als erster gemeinsamer Kommandeur – den Supreme Allied Commander Europe, oder SACEURSACEUR – wurde der hoch-dekorierte US-Armeegeneral und Oberbefehlshaber der Befreiung Europas, Dwight D. EisenhowerEisenhower, Dwight D. bestimmt, der den Respekt aller Alliierten genoss3 und am 2. April 1951 sein Amt antrat. EisenhowerEisenhower, Dwight D. erhielt daraufhin den Oberbefehl über alliierte Einheiten in Europa, z. B. auch der drei französischen Divisionen in Deutschland (Ismay 1955, Kap. 4), und baute in der Folge das neue militärische NATO-Hauptquartier zuerst in Paris und dann in Versailles auf, das Supreme Headquarters Allied Powers Europe (SHAPE).

Mit der Etablierung von SHAPE nahm die InstitutionalisInstitutionalismus (Neoliberaler)ierung der NATO als Militärallianz ihren Lauf. Sie wurde über die Jahre mit einer Intensität durchgeführt, die in der modernen Militärgeschichte ihres Gleichen sucht. Kapitel 2.3 wird sich hiermit genauer befassen, während wir uns jetzt zunächst der weiteren Mitgliederentwicklung der NATO widmen.

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