Читать книгу Trans. Frau. Sein. - Felicia Ewert - Страница 6
Vorwort
ОглавлениеAn meine trans Geschwister,
ich möchte euch hiermit wissen lassen, dass jede*r Einzelne von euch ganz und gar echt ist. Völlig unerheblich, ob ihr euch (noch) nicht sicher fühlt, wer ihr wirklich seid oder sein wollt. Ihr habt einen Weg beschritten, euch mit eurer eigenen geschlechtlichen Zuweisung auseinanderzusetzen, und seid deshalb zur Gewissheit gekommen, dass diese auf euch nicht oder vielleicht nicht vollständig zutrifft. Vielleicht wisst ihr dies gerade erst seit kurzem, vielleicht bereits seit Jahrzehnten. Es ist völlig unerheblich für eure Echtheit. Leider werdet ihr unweigerlich auf viele Hindernisse treffen und ich hoffe für euch, dass ihr ein ebenso unterstützendes Umfeld haben werdet wie ich. Für alles weitere hoffe ich, euch mit diesem Buch eine kleine Unterstützung mitgeben zu können. Sei es bei gerichtlichen Verfahren, sei es im Alltag oder im Umgang mit euch selbst.
Als ich anfing mir Gedanken über den Aufbau dieses Buchs zu machen, war ich zunächst sehr ratlos, wohin es eigentlich gehen soll. Eine reine Autobiographie? Das wäre dann ein insgesamt doch sehr kurzer Ausflug geworden. Ein reines Unterhaltungsbuch? Schon besser, doch die Thematik und die bestehenden Verhältnisse sind zu ernst, als dass ich ein vollkommen humoristisches Werk fabrizieren würde. Ein reines Fachbuch, das sich so differenziert mit der Thematik auseinandersetzt, wie es allgemein als „wissenschaftlich“ verstanden wird? Das wäre grundsätzlich toll, gerade deshalb, weil trans Personen abgesprochen wird, überhaupt Wissenschaft betreiben zu können. Klare Sache, woher sollten sie auch die notwendigen Kompetenzen, die Vernunft, die Sachlichkeit, die Differenzierung und die Distanz zur Thematik haben? Diese Fragen werden cis Biolog*innen, cis Mediziner*innen, cis Psycholog*innen wohl seltener gestellt, wenn sie über Geschlechter und deren angebliche biologische Eindeutigkeit referieren. Doch da ich auch kein rein verhochschultes Buch schreiben wollte, entschied ich mich, eine Kombination aus allen drei Kategorien zu wagen – und ihr sollt daran teilhaben.
Zu meiner Person: Ich bin 33 Jahre alt und bin eine Frau, die trans ist. Wenn ihr bei Twitter seid, könnt ihr liebend gerne @redhidinghood_ folgen. Ich bin weiß und nicht intergeschlechtlich. Ich bin mit einer wundervollen Frau verheiratet. Ich habe eine abgeschlossene Ausbildung zur Kauffrau im Gesundheitswesen und einen Bachelor of Arts in Politikwissenschaft. Während meines Studiums wurde mein Interesse angeregt, mich mit Geschlechterfragen, Machtverhältnissen und letztendlich mit der grundsätzlichen Konstruktion von Geschlecht zu befassen. Hierin erkannte ich die massiven Diskriminierungen, die gesellschaftlich, medizinisch-psychologisch, rechtlich und staatlich gegen trans Menschen wirken. Auch wenn in der Politikwissenschaft in Marburg die Gender Studies glücklicherweise ein fester thematischer Schwerpunkt sind, bemerkte ich rasch den Mangel an trans und queerer Repräsentation. Der Fokus liegt allzu oft auf weißen, deutschen, cis Frauen in Beziehungen mit Männern. Dies bewegte mich dazu, meine Abschlussarbeit zur Diskriminierung und Marginalisierung von trans Personen zu schreiben. Es sollte ein Anstoß sein, die doch recht passivierte und ironischerweise auch dort marginalisierte bis nicht existente Rolle von trans Menschen aufzuzeigen und zu kritisieren.
Transgeschlechtlichen Menschen wird leider auch hier vorwiegend eine passive Rolle als Forschungsobjekt eingeräumt und damit eine Selbstbestimmung verunmöglicht. Die Arbeit sollte somit auch zeigen, dass trans Personen nicht ausschließlich für Umfragen oder Zeitungsartikel interviewt werden, sondern eine aktive und forschende Rolle einnehmen können und sollen. Leider zeigt sich, dass trans Personen hierbei nur allzu oft auf die Gunst und das Wohlwollen von cis Personen angewiesen sind, um Raum und Plattformen zu erhalten, und dies noch einmal deutlich verschärfter, wenn es um queerfeministische Ansätze geht. Diese formulieren umfassende Ansprüche, die die bestehenden geschlechtlichen Überzeugungen vieler Menschen und Institutionen aufzeigen und kritisieren. Dies kollidiert oftmals mit der Erwartungshaltung, die an trans Personen gerichtet wird, möglichst zurückhaltend, ruhig und vor allem dankbar zu sein. Doch ebenso in feministischen Kontexten entfaltet der Wunsch von trans Personen, in ihrer Existenz anerkannt zu werden und Kritik an biologistischen Praktiken zu üben, oftmals großes Konfliktpotenzial. Personen, die gerade noch zu Recht energisch patriarchale, sexistische Zustände bekämpften, lassen davon mitunter ab, da sie queere trans Personen als neue „Gegner*innen“ ausmachen. Ebenso trans Personen, die sich nicht damit begnügen, eingleisig Sexismus zu bekämpfen, sondern ebenso weitere Diskriminierungsmechanismen erkennen und benennen, die eben auch in Feminismen reproduziert werden. Sie gelten zumeist als ein Störfaktor und werden als eine „umfassende Macht“ eingestuft. Eine „umfassende Macht“, die Feminismen zerstören will“, „die Bewegung spaltet“, die transfeindliche, biologistische Zustände in Feminismen erkennt und kritisiert. Diese Zustände motivierten mich, mein Masterstudium in der Politikwissenschaft mit dem Schwerpunkt Gender Studies anzustreben und letztendlich auch dieses Buch zu schreiben.
Dieses Buch soll, unter Berücksichtigung bestehender gesellschaftlicher Verhältnisse, ausdrücklich auf cissexistische, transfeindliche und transmisogyne Einstellungen eingehen, die eben auch in Feminismen bestehen. Es soll existierende Missstände darstellen, zeigen, welche Formen des Ausschlusses von trans Personen bestehen und diese kritisieren. Es soll bei Leuten, vorrangig cis Personen, einen Reflexionsprozess anstoßen, der eigene biologistische Einstellungen zu Geschlecht klar werden und überdenken lässt. Ich möchte hiermit verdeutlichen, dass diese Diskriminierungsformen nicht erst mit wutschnaubenden Beleidigungen und körperlichen Attacken auf trans Personen beginnen, sondern in der Regel deutlich gesetzter, akzeptierter und ruhiger verlaufen. Cissexismus, Transfeindlichkeit und Transmisogynie sind viel häufiger der Versuch, sachlich zu begründen, weshalb es in Ordnung sei, trans Personen das Geschlecht abzusprechen. Ich werde darstellen, weshalb die in Feminismen oftmals verwendete Einteilung von Geschlecht in „Sex“ und „Gender“ hochgradig problematisch ist. Ich werde euch handfeste Beispiele aus persönlichen Erfahrungen mit alltäglichem Cissexismus zeigen und deren diskriminierende Elemente Stück für Stück zerlegen. Da es allerdings nicht die Diskriminierung von trans Menschen in Feminismen gibt, werde ich diese Einstellungen und Ausschlüsse in drei Kategorien einteilen, um euch einen Überblick zu verschaffen. Ich möchte auf explizit transfeindliche Feminismen eingehen, die auf bewusstes Absprechen unserer Geschlechter setzen, geschlechtlichen Biologismus mit vielen Formen des Widerspruchs verteidigen und uns schlicht nicht existente gesellschaftliche Machtpositionen unterstellen. Des Weiteren möchte ich aufzeigen, wie Mainstreamfeminismen1 bzw. Cisfeminismen ebenso Geschlecht weiterhin in „biologisch“ und „sozial“ einteilen und hierdurch Ausschlüsse produzieren, was ich als „wohlwollenden“ Cissexismus bezeichne. Ebenso möchte ich auf Cissexismus „in bester Gesellschaft“ eingehen, der zwar nicht vorsätzlich und bewusst betrieben wird, sich jedoch stetig wiederholt und ebenso für langwierige Aufklärungsarbeit durch trans Personen sorgt. Nicht selten führt eben jenes Verhalten zu Rückzügen von trans Personen, um Konflikte und ständiges Von-neuem-erklären-müssen zu vermeiden. Trans Personen kommen an den Punkt der Einzelfallerklärung, wenn sie quasi gezwungen sind, jede einzelne Situation und Begebenheit erneut aufzuschlüsseln und die diskriminierenden Elemente freilegen zu müssen.
Dennoch möchte ich ebenso persönliche Erlebnisse in dieses Buch einfließen lassen, die ich mit dem wissenschaftlichen Forschungsstand aber auch mit der bestehenden Rechtslage verknüpfen werde. Da es mir sehr wichtig ist, die rechtliche Situation für trans Personen in Deutschland darzustellen, werde ich ausführlich auf das so bezeichnete „Transsexuellengesetz“ eingehen. Dessen tatsächlicher Titel „Gesetz über die Änderung der Vornamen und die Feststellung der Geschlechtszugehörigkeit in besonderen Fällen“ lautet. Da dieses Gesetz weiterhin besteht, die rechtliche Anerkennung des Geschlechts und der Vornamen von trans Personen regelt, und aufgrund des Umstands, dass für trans Personen eine „eigene“ Rechtslage existiert, halte ich es für unbedingt erforderlich, dieses Gesetz einer möglichst breiten Öffentlichkeit zugänglicher zu machen. Daher nimmt die Auseinandersetzung mit diesem Gesetz in meinem Buch einen großen Raum ein. Darüber hinaus verfolge ich mit diesem Buch einen intersektionalen Ansatz. Dieser soll die verschiedensten Identitäten von Menschen und deren Diskriminierungserfahrungen aufzeigen. Intersektionalität dient nicht als eine Aufzählung von Diskriminierungen. Intersektionalität soll nicht darstellen, „zu wie viel Prozent“ eine Person diskriminiert wird. Intersektionalität soll verdeutlichen, dass Menschen gleichzeitig verschiedensten Machtstrukturen unterworfen werden, und wie sich diese auf sie auswirken. Daraus können dann Kritiken formuliert werden.