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KAPITEL ZWEI

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Als sie und Charlotte das Farmhaus hinter sich zurückließen, drehte Olivia sich um, um einen Blick darauf zu werfen, und sie wurde von Glück erfüllt. Es hatte vielleicht etliche Reparaturen bitter nötig, aber dieses bescheidene, zweistöckige Gebäude mit den geschwungenen Fenstern und soliden Steinwänden, die bronzen in der Morgensonne glühten, war sowohl elegant als auch robust. Es musste mindestens hundert Jahre alt sein, schätzte sie und wünschte sich, dass sie mehr über seine Geschichte erfahren könnte.

Wer hatte es gebaut, und wer hatte hier gewohnt? Wie war das Leben dort gewesen? Welche Romanzen und welcher Herzschmerz, welche Hoffnungen und Träume, hatten sich unter den ockerfarbenen Ziegeln und im Schatten der Korkeichen und Olivenbäume abgespielt?

Sie wandte sich ab und blickte hinaus über die Berge.

Sie konnte sich glücklich schätzen, diese beinahe schwindelerregend schöne Aussicht von diesem hochgelegenen Grundstück in der Toskana ihr Eigen zu nennen. Der dramatische Fernblick änderte sich jede Stunde, wenn sich die Sonne und die Schatten bewegten. Gerade ergoss sich das Morgenlicht über die fernen Hügel und betonte den Flickenteppich aus Weinfeldern, Weizenfeldern, Wäldern und Wiesen in Tönen aus Gold und Grün. Ein Gefühl von Fassungslosigkeit überkam sie, dass das nun ihre Heimat war, die Aussicht, die sie nun, da sie hier wohnte, jeden Tag genießen würde.

Der Nachteil, ein so weit oben gelegenes Grundstück in einer hügeligen, trockenen Gegend der Toskana zu besitzen, war der steinige Boden. Es war wahrscheinlich nicht der beste Ort, den man kaufen konnte, wenn man sich das Ziel gesetzt hatte, Wein anzubauen und sein eigenes Label zu starten.

Das war Olivias verrücktes Lebensziel, das mit nichts anderem als einem wilden Traum begonnen hatte. Nach einem unschönen Ende ihrer Beziehung mit ihrem Freund Matt in Chicago hatte Olivia ihren Job als Accountmanagerin in einer Werbefirma gekündigt und Charlottes Einladung angenommen, den Sommer mit ihr in der Toskana zu verbringen. Sie hatte einen neuen Job bei La Leggenda angenommen, die zum Verkauf stehende Farm entdeckt und aus einem Impuls heraus entschieden, ihr gemütliches Apartment in Chicago zu verkaufen und all ihr Geld in ihr neues Leben zu investieren.

Sie hatte nicht die geringste Idee, ob sie das Zeug zur Weinfarmerin hatte oder ob dieses Land überhaupt fruchtbar war.

Trockener Boden produzierte die besten Trauben. Dieser Fakt gab ihr Hoffnung.

Allerdings mussten diese Trauben erst angebaut werden, und das war ein einschüchternder Ausblick.

Olivia machte sich eine mentale Notiz, dass sie während ihrer Wanderung nach geeigneten Orten für den Anbau von Wein Ausschau halten würde.

„Hiermit erkläre ich unseren Erkundungstag für eröffnet“, sagte sie. „Lass uns als erstes am Zaun entlang gehen.“

Sie machten sich auf den Weg, rutschten und kletterten den steilen, steinigen Hügel hinab, bis sie die Grenze der Farm erreichten. Sie war von einem niedrigen Zaun umgeben – eine mickrige Umzäunung aus zwei Drähten, den man mit Leichtigkeit überschreiten konnte. Das war nicht genug, um eine Ziege damit zu beeindrucken. Das könnte ein Problem werden, denn Olivia hatte eine Ziege adoptiert.

Naja, um genau zu sein, hatte die Ziege Olivia adoptiert.

Erba, eine weiße Ziege mit orangenen Flecken, gehörte eigentlich zum Weingut, auf dem Olivia arbeitete, aber das Tier hatte Gefallen an ihr gefunden und hatte sich angewöhnt, ihr jeden Abend nach Hause zu folgen.

Erba folgte ihr auch sonst überall hin, und als Olivia den Zaun erreichte, war sie nicht überrascht, eine kleine Ziege, die gerade noch an einer Geranie geknabbert hatte, begeistert auf sich zuspringen zu sehen.

„Komm mit, Erba, lass uns sehen, ob wir unterwegs nicht ein paar wilde Kräuter für dich finden“, forderte Olivia sie auf und kraulte ihr den zotteligen Kopf. Erba war das italienische Wort für „Kräuter“, und Olivia musste zugeben, dass man ihr diesen Namen zurecht verpasst hatte.

„Konntest du irgendetwas über die Farm rausfinden?“, fragte Charlotte, als sie auf das nächste Gebäude zugingen – eine große, massive Scheune, nur einen Katzensprung vom Haus entfernt.

„Nein“, gestand Olivia. „Es ist und bleibt ein Geheimnis. Ich hatte gehofft, Gina, die pensionierte Dame, die mir das Grundstück verkauft hat, würde mehr wissen, aber sie hatte nicht die geringste Ahnung.“

Die Unterhaltung, die Olivia mit der farbenfrohen, älteren Dame gehabt hatte, die in ihrem winzigen Fiat vorgefahren war, um ihr die Schlüssel zu überreichen, hatte sie überrascht. Sie hatte einen vollständigen Bericht über die Vergangenheit der Farm erwartet, aber Gina hatte ihr lediglich erzählt, dass sie das Grundstück von einem entfernten, verstorbenen Cousin geerbt hatte, der es vor einigen Jahren wiederum von einem Freund erstanden hatte, und sie wusste nichts weiter über ihren Hintergrund.

Gina und ihr Mann hatten die Farm nur einige Male besucht, weil ihr Mann durch seine Handtaschenfabrik stets vielbeschäftigt war. Sie hatten überlegt, hier ihr Rentenalter zu verbringen, aber letzten Endes hatten sie entschlossen, in ihrem Haus in Florenz zu bleiben, nahe bei ihren Familien und Freunden.

„Vielleicht finden wir unterwegs ein paar Hinweise“, sagte Olivia.

Sie hoffte, dass die Scheune ihnen erste Anhaltspunkte liefern würde.

Das erste Mal, als sie einen Blick hinter die hohen Steinwände geworfen hatte, hatte sie gedacht, dass das das perfekte Hauptquartier zur Weinherstellung sein würde. Zwar war der Boden an einigen Stellen eingebrochen und die Türen waren schon lange nicht mehr vorhanden, aber sie stellte sich vor, dass einige glänzende Stahlkessel und Eichenfässer entlang der Innenwände ihr wieder zu altem Glanz verhelfen würden.

Das Sonnenlicht, das durch die große Lücke fiel, an der einst die Türen gewesen waren, deutete an, dass die Scheune offensichtlich schon jahrelang leer und verlassen war. In der hinteren Ecke lag ein Haufen aus Bauschutt. Olivia würde den irgendwann hinausschaffen müssen oder jemanden beauftragen, es für sie zu tun, denn es schienen ein paar schwere Steine dabei zu sein.

Sie war enttäuscht, dass sie in der Scheune keine weiteren Informationen fanden.

„Meinst du, sie hatten einst Vieh hier drin?“, fragte Charlotte perplex.

Wenn ja, wieso gab es dann keine Anzeichen dafür? Es gab definitiv keine sichtbaren Zäune auf der Farm, ganz zu schweigen von gutem Weideland für Tiere.

Erba sprang über den niedrigen Drahtzaun und steuerte entschlossen einen wilden Rosenbusch an, der auf der anderen Seite wuchs.

„Vielleicht Hühner?“, wagte Olivia einen Vorschlag. Hühner waren durchaus möglich. Vielleicht war diese Scheune einst ein sicherer Schlafplatz für die Nacht gewesen.

Sie ließen die Scheune hinter sich und folgten dem Zaun auf einen grasbewachsenen Bergkamm und dann weiter den Hügel hinauf. Olivia war wie verzaubert von einem versteckten Hain mit Wacholderbüschen in einer Krümmung der Hügel, die Sträucher voll von den unverwechselbaren, violetten Beeren, und der großen, markanten Flaumeiche, die den Blickfang der Bergkuppe bildete.

Am hinteren Ende der Farm entdeckten sie ein scheinbar sehr altes, zerfallenes Bauwerk mit nur mannshohen Wänden und ohne die geringste Spur eines Dachs. Olivia fragte sich, ob das vielleicht einst das ursprüngliche Farmhaus gewesen war, das man aufgegeben hatte, als es langsam verfallen war, und man danach ein neues an der sonnigeren Seite des Hanges gebaut hatte. Sie untersuchte es nicht genauer, aus Angst, dass alle evakuierten Spinnen sich vielleicht in dieser gemütlichen Ruine eingerichtet hatten.

Hinter dem Farmhaus wuchsen ein paar Haselnusssträucher mit einer reichen Auslese an reifenden Nüssen an ihren schlanken Ästen. Olivia liebte Haselnüsse. Sie war angetan von dem Gedanken, dass sie jederzeit einen Spaziergang zu dieser Seite der Farm unternehmen und einige zum Frühstück pflücken konnte, sobald sie reif waren.

Sie folgten dem Zaun, der bald an den ruhigen, sandigen Weg grenzte und dann wieder zurück zum Farmhaus führte. Obwohl es ein toller Tag gewesen war, um die hier wachsenden Bäume zu bestaunen, musste Olivia zugeben, dass die Tour ihnen wenig sonstige Hinweise geliefert hatte.

Doch da stieß Charlotte einen begeisterten Schrei aus und deutete auf ein halb verstecktes Gebäude in einer Ansammlung von Hagedornbüschen voll weißer Blüten.

„Da oben ist noch ein Gebäude. Schau!“

Ein Blick auf die Farbe der Steinmauern sagte Olivia, dass dieses Gebäude vermutlich zur selben Zeit errichtet worden war wie die alte Farmhausruine.

Sie stiegen hastig den steilen Berg hinauf. Olivia hatte ein gutes Gefühl bei diesem kleinen, quadratischen, von Bäumen verdeckten Gebäude. Sie hatte sich nie träumen lassen, dass es existierte, und war sich sicher, dass sie dort etwas Aufregendes finden würden.

Sie bahnte sich ihren Weg über den sandigen Untergrund und atmete den Duft der wilden Lavendelbüsche ein, die über ihre Beine strichen. Als sie sich dem Gebäude näherten, sah sie ein kleines Fenster, eher ein Luftschacht, hoch oben in der Steinwand.

Olivia legte eine Hand auf die kühle Mauer. Der Bau, in eine Bucht des Hügels genestelt, ohne ein einziges großes Fenster, ließ vermuten, dass es einst als sicheres Lager genutzt worden war. Wenn sie recht hatte, konnte vielleicht noch immer etwas im Innern zu finden sein.

Mit angehaltenem Atem umrundete sie es.

Da war sie. Ihr Herz schlug schneller, als sie die Holztür erblickte.

Obwohl die Oberfläche abgesplittert und verwittert war, sah die geschlossene Tür dick und solide aus.

Sie konnte nicht erwarten zu sehen, was sich dahinter befand.

„Endlich ein Fund!“, rief sie.

„Oh, ich bin so froh, dass wir endlich Ergebnisse erzielen“, jubelte Charlotte neben ihr und starrte auf die stabile Holztür.

Olivia atmete tief durch.

„Das ist es also. Jetzt werden wir das große Rätsel lösen.“

Sie drückte die Klinke herunter, und ihr Herz raste, als sie sich fragte, was sie wohl dahinter finden würden.

Doch dann stöhnte sie enttäuscht.

Die Tür war fest verschlossen.

*

Als sie am Mittag zur Arbeit ging, erwischte sich Olivia wieder und wieder dabei, wie ihre Gedanken zu dem geheimnisvollen Raum zurückwanderten. Was befand sich darin, und wie konnte sie hineingelangen, wenn selbst die Fenster zu klein waren, um hindurchzuklettern?

Sie wünschte, sie hätte mehr Zeit gehabt, um nach einem Eingang zu suchen.

Eine Option wäre, die Tür einzuschlagen, aber Olivia wollte nur ungern etwas in solch perfektem Zustand zerstören, vor allem, da die Tür ein Schlüsselloch besaß. Sie würde sie lieber unbeschädigt lassen und weiter hoffen, dass sie eines Tages den Schlüssel finden würde.

Vielleicht war er in der alten Ruine versteckt, inmitten eines Spinnennetzes?

Oder vielleicht musste Olivia ihre Vermutung über die alte Farmhausruine revidieren, jetzt, nachdem sie gesehen hatte, in welch perfektem Zustand sich dieser Lagerraum befand. Vielleicht war es einst einem Feuer zum Opfer gefallen oder ein Baum war darauf gefallen oder es hatte eine andere Katastrophe gegeben, die es zum Teil zerstört hatte. In dem Fall hatten die Farmer es vielleicht weiterhin benutzt, nachdem sie in das neue Haus gezogen waren.

Sie beschloss, die Umgebung abzusuchen und ein Auge nach dem Schlüssel offenzuhalten, wenn sie aufräumen und das Farmhaus saubermachen würde. Er würde sicherlich irgendwann auftauchen.

Olivia verdrängte ihre Gedanken. Sie konnte nicht weiter über das Rätsel ihres neuen Heims grübeln, wenn ihr ein anstrengender Tag auf dem berühmten Weingut La Leggenda bevorstand.

Während sie die ruhige, mit Zypressen gesäumte Straße entlangging, gestand sich Olivia, dass ihr derzeitiger Titel als Sommelière ihren Kenntnisstand noch immer weit überstieg.

Sie hatte sich aus einem Impuls heraus vor einigen Wochen in der Weinkellerei beworben und war für die Sommersaison als Assistentin angestellt worden. Nach einer bizarren Wende, bei der der damalige Sommelier umgebracht worden war und Olivia geholfen hatte, den Mordfall zu lösen, hatte sie schließlich das Angebot, seinen Job zu übernehmen, angenommen.

Sie besaß all den Enthusiasmus, der für die Position vonnöten war. Ihr fehlte es lediglich an Wissen. Seit sie ihre neue Stelle angetreten hatte, hatte Olivia das Gefühl, dass es ihr an mindestens zehn Jahren an Erfahrung fehlte, die sie in genauso vielen Tagen aufholen musste, um ihrem großzügigen Gehalt, das man ihr zahlte, gerecht zu werden.

Sie wusste, dass ihre Rolle zurzeit eher der einer Probierstubenbotschafterin entsprach, da es ihre Aufgabe war, die Gäste willkommen zu heißen und die Weinverkostung und die Verkäufe zu verwalten – letztere waren substanziell höher als im letzten Jahr, was bewies, dass sie in diesem Bereich besonders glänzte. Aber sie arbeitete so schnell sie nur konnte daran, sich all das Wissen anzueignen, das sie brauchte, um als vollwertige Sommelière gelten zu können, und lernte sogar abends noch. Naja, zumindest an manchen Abenden. Immerhin war Charlotte zum Urlaub hier, und sie landeten zwei bis drei Mal pro Woche abends in örtlichen Restaurants. Aber an allen anderen Abenden versuchte sie ihr Bestes.

Ihr Herz wurde ihr um einiges leichter, als sie La Leggenda vor sich erblickte. Sie hatte einen solch wundervollen Arbeitsplatz. Die eleganten Gebäude des Weinguts, erbaut aus honigfarbenem Stein, wirkten wie ein lebender Teil der grün-goldenen Landschaft, in der sie erbaut worden waren. Als sie die gewundene Zufahrt entlangging, überkam sie eine Woge aus Stolz darüber, dass sie nun ein kleiner Teil dieses historischen Ausflugsziels war.

„Guten Morgen, Olivia.“

Ihr Herz wurde ihr noch leichter, als sie den Besitzer der Weinkellerei, Marcello, an den Eingangspforten erblickte. La Leggenda war ein Familienbetrieb in der zweiten Generation, welcher heute im Besitz und unter Management von Marcello, vierzig Jahre alt, seiner jüngeren Schwester Nadia und seinem jüngeren Bruder Antonio war.

„Buon giorno“, grüßte sie zurück.

Er unterschrieb gerade einen Lieferschein, aber er legte das Blatt Papier zur Seite und kam mit einem Lächeln, das seine Augen aufleuchten ließ, auf sie zu und küsste sie zur Begrüßung auf die Wangen.

Olivia spürte, wie sie rot anlief. Sie hatte aufgegeben, gegen diese automatische Reaktion auf Marcellos Anwesenheit anzukämpfen. Er war nicht nur groß, dunkelhaarig und umwerfend gutaussehend, mit markanten Wangenknochen und Augen, tiefblau genug, um darin zu ertrinken, sondern sie hatte auch das Gefühl, dass da ein Funke zwischen ihnen sprühte.

Marcello verhielt sich jedem gegenüber charmant, aber Olivia spürte, dass er ihr besonders viel Aufmerksamkeit schenkte. Sie bildete sich das nicht nur ein. Definitiv nicht! Auch andere hatten das bereits bemerkt und sie schon mehrmals darauf hingewiesen.

Außerdem bestätigte ihr ihre Intuition, dass sie recht hatte.

Sie hatte vor, direkt in den Verkostungsraum zu gehen und alles für den anstehenden Arbeitstag vorzubereiten, aber zu ihrem Erstaunen legte Marcello ihr seine warme Hand auf die Schulter.

„Olivia, kannst du eine Minute warten? Ich möchte dich etwas fragen.“

„Na klar! Sicher doch!“

Verschiedene Szenarien schossen ihr durch den Kopf, angefangen mit einer Verabredung zu einem Kaffee. Es wird aber keine Einladung zum Kaffee sein, sagte sich Olivia streng. Sie hatte das Gefühl, dass sich Marcello persönliche Schranken auferlegt hatte, was das Ausgehen mit Mitarbeitern des Weinguts anging. Vermutlich wollte er nur einige Änderungen im Verkostungsmenü mit ihr besprechen.

Sie sollte sich besser einen neuen Wein überlegen, dachte Olivia panisch. Da gab es diesen besonderen Chardonnay, den die Kellerei erst kürzlich herausgebracht hatte, den man bereits als einen möglichen Medaillengewinner pries. Der wäre ein geeigneter Neuzugang.

Aber da klingelte Marcellos Telefon.

„Du solltest doch besser gehen“, sagte er. „Lass uns später reden.“

Froh darüber, dass ihr Tag eine zweite Begegnung mit Marcello versprach, trat Olivia durch den hohen Torbogen in den Verkostungsraum.

Der geräumige Bereich war das Herzstück der Kellerei. Von dem breiten Holztresen zu der dramatischen Kulisse aus Weinfässern mit dem goldenen La Leggenda-Logo darüber, strahlte er eine beeindruckende Atmosphäre aus.

Jeden Tag nach Eröffnung wimmelte es in dem großen Raum von Gästen, die die Auszeichnungen und Zertifikate des Weinguts bestaunten und sich die Geschichte von La Leggenda durchlasen, die auf großen Postern an den Wänden ausgestellt war – ein kürzlich hinzugefügtes, touristenfreundliches Detail, das bereits ein Touristenmagnet war. Da es Hochsommer war, wusste Olivia, dass es ein anstrengender Tag werden würde und sie Paolo, einer der Kellner aus dem berühmten Restaurant der Kellerei, um Hilfe bitten müssen würde.

Olivia schloss die Seitentür auf und trat hinter den Tresen. Das war ihr Reich, gesäumt von Kühlschränken und Regalen und Schränken mit Gläsern. Hinter der beeindruckenden Kulisse befand sich ein sogar noch größerer Bereich – der geräumige Lagerraum mit Reihen aus Regalen, auf denen Tausende von Weinen gelagert waren.

Ein Stimmengewirr kündigte die Ankunft der ersten Gäste an. Eine Gruppe aus drei Pärchen kam auf sie zu.

Eifrig trat Olivia vor. Sie erkannte ihre Akzente, und es versetzte ihr jedes Mal einen besonderen Kick, Gäste aus dem eigenen Land zu bedienen. Immerhin wusste sie genau, wie viele Stunden sie in den Staaten damit verbracht hatte, Reisewebseiten zu durchstöbern und sich den Tag vorzustellen, an dem sie endlich ihren Traumurlaub antreten würde.

Sie wollte, dass der Besuch auf La Leggenda für all ihre Landsmänner ein einzigartiges Erlebnis werden würde.

„Wir haben hier zum Mittag gebucht“, teilte die dunkelhaarige Frau hinten in der Gruppe ihren Freunden mit. „Wir haben also noch Zeit für eine schnelle Weinverkostung.“

Olivias Lächeln verschwand. Sie starrte die Gruppe entsetzt an.

Die Stimme der Frau kam ihr bekannt vor.

Olivia war sich sogar sicher, dass sie sie kannte.

Wenn sie sich recht erinnerte, war der Name der Frau Leanne Johnson. Während ihrer vergangenen Karriere hatte Olivia sie gut gekannt, aber sie war eine Person, von der sie nie erwartet hatte, sie jemals wiederzusehen, und das auch gar nicht wollte.

Wenn Leanne sie erkannte, wusste Olivia, dass ihre Vergangenheit sie sofort einholen würde, und zwar auf die denkbar schlimmste und peinlichste Art und Weise.

Ein erlesener Todesfall

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