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Die Verwandlung
XIII

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Nun aber war er recht gut aufgerichtet[65]. Über dem hohen steifen Kragen des Rockes entwickelte sich sein starkes Doppelkinn. Unter den buschigen Augenbrauen drang der Blick der schwarzen Augen frisch und aufmerksam hervor. Das weiße Haar war zu einer peinlich genauen, leuchtenden Scheitelfrisur niedergekämmt. Er warf seine Mütze über das ganze Zimmer auf das Kanapee hin und ging mit verbissenem Gesicht auf Gregor zu.

Er wusste selbst nicht, was zu tun. Immerhin hob er die Füße ungewöhnlich hoch. Gregor staunte über die Riesengröße seiner Stiefelsohlen. Gregor wusste ja noch vom ersten Tage seines neuen Lebens her, dass der Vater ihm gegenüber nur die größte Strenge für angebracht ansah. Und so lief er vor dem Vater her, stockte, wenn der Vater stehen blieb, und eilte schon wieder vorwärts, wenn sich der Vater nur rührte. So machten sie mehrmals die Runde um das Zimmer. Das war keine Verfolgung. Jetzt blieb Gregor auf dem Fußboden. Eine Flucht auf die Wände oder den Plafond ist besondere Bosheit.

Allerdings musste sich Gregor sagen, dass er sogar dieses Laufen nicht lange aushalten kann. Während der Vater einen Schritt machte, musste er eine Unzahl von Bewegungen ausführen. In seiner Stumpfheit dachte er an eine Rettung. Als er nun so dahintorkelte, um alle Kräfte für den Lauf zu sammeln – da flog knapp neben ihm irgendetwas nieder und rollte vor ihm her. Es war ein Apfel. Gleich flog ihm ein zweiter nach. Gregor blieb vor Schrecken stehen. Ein Weiterlaufen war nutzlos, denn der Vater hatte sich entschlossen, ihn zu bombardieren.

Aus der Obstschale auf der Kredenz hatte er sich die Taschen gefüllt und warf nun Apfel für Apfel[66]. Diese kleinen roten Äpfel rollten auf dem Boden herum und stießen aneinander. Ein Apfel streifte Gregors Rücken, glitt aber unschädlich ab. Und ein Apfel drang förmlich in Gregors Rücken ein. Gregor wollte sich weiterschleppen. Doch fühlte er sich wie festgenagelt. Er streckte sich in vollständiger Verwirrung aller Sinne.

Nur mit dem letzten Blick sah er noch, wie die Tür seines Zimmers aufgerissen wurde. Vor der schreienden Schwester hervoreilte die Mutter. Sie war im Hemd, denn die Schwester hatte sie entkleidet. Dann lief die Mutter auf den Vater zu. Sie drang auf den Vater ein. Die Mutter bat um Schonung von Gregors Leben. Nun versagte aber Gregors Sehkraft schon.

Gregor hatte die schwere Verwundung. Der Apfel blieb im Fleische sitzen, da ihn niemand zu entfernen wagte. Aber Gregor war ein Familienmitglied, das man nicht wie einen Feind behandeln durfte. Man muss alles dulden.

Und nun hatte Gregor durch seine Wunde an Beweglichkeit wahrscheinlich für immer verloren. Zur Durchquerung seines Zimmers brauchte er lange Minuten wie ein alter Invalide. An das Kriechen in der Höhe war nicht zu denken[67]. Aber bekam er für diese Verschlimmerung seines Zustandes einen vollständig genügenden Ersatz dadurch. Immer gegen Abend öffneten sie die Wohnzimmertür. So lag er im Dunkel seines Zimmers liegend und kann er die ganze Familie beim beleuchteten Tische sehen und ihre Reden anhören.

Freilich waren es nicht mehr die lebhaften Unterhaltungen der früheren Zeiten, an die Gregor in den kleinen Hotelzimmern stets mit einigem Verlangen gedacht hatte. Es ging jetzt meist nur sehr still zu. Der Vater schlief bald nach dem Nachtessen in seinem Sessel ein. Die Mutter und Schwester ermahnten einander zur Stille. Die Mutter nähte feine Wäsche für ein Modengeschäft. Die Schwester hatte eine Stellung als Verkäuferin angenommen. Am Abend lernte sie Stenographie und Französisch, um vielleicht später einmal einen besseren Posten zu erreichen. Manchmal wachte der Vater auf. Dann sagte er zur Mutter:

«Wie lange du heute schon wieder nähst!«

Dann schlief er sofort wieder ein, während Mutter und Schwester einander müde zulächelten.

Der Vater weigerte sich, auch zu Hause, seine Dieneruniform abzulegen. Während der Schlafrock nutzlos am Kleiderhaken hing, schlummerte der Vater auf seinem Platz. Er war immer zu seinem Dienst bereit. Wartete er hier auf die Stimme des Vorgesetzten? Infolgedessen verlor die Uniform an Reinlichkeit – trotz aller Sorgfalt von Mutter und Schwester. Gregor sah oft ganze Abende lang auf dieses leuchtende Kleid, in dem der alte Mann unbequem und doch ruhig schlief.

65

er war recht gut aufgerichtet – он держался прямо

66

warf nun Apfel für Apfel – швырял яблоко за яблоком

67

war nicht zu denken – нечего было и думать

Превращение / Die Verwandlung. Уровень 3

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