Читать книгу Превращение / Die Verwandlung. Уровень 3 - Франц Кафка, Guillermo Sánchez Trujillo - Страница 6
Die Verwandlung
V
ОглавлениеGregor war aber viel ruhiger. Man verstand seine Worte nicht mehr, trotzdem sie ihm genug klar, klarer als früher waren. Aber immerhin glaubte man nun schon daran, dass es mit ihm nicht ganz in Ordnung war. Sie waren bereit, ihm zu helfen. Ihre Zuversicht und Sicherheit taten ihm wohl[44]. Er fühlte sich wieder einbezogen in den menschlichen Kreis. Er erhoffte vom Arzt und vom Schlosser großartige und überraschende Leistungen. Um eine klare Stimme zu bekommen, hustete er ein wenig ab. Im Nebenzimmer war es inzwischen ganz still geworden. Vielleicht saßen die Eltern mit dem Prokuristen beim Tisch und tuschelten. Vielleicht lehnten alle an der Türe und horchten.
Gregor schob sich langsam mit dem Sessel zur Tür hin. Er ließ ihn dort los. Dann warf er sich gegen die Tür, hielt sich an ihr aufrecht. Die Ballen seiner Beinchen hatten ein wenig Klebstoff. Einen Augenblick lang ruhte er sich dort von der Anstrengung aus. Dann aber machte er sich daran, mit dem Mund den Schlüssel umzudrehen. Leider hatte er keine Zähne. Womit sollte er gleich den Schlüssel fassen? Aber dafür waren die Kiefer freilich sehr stark. Mit ihrer Hilfe brachte er auch wirklich den Schlüssel in Bewegung. Und achtete er nicht darauf, dass er sich zweifellos irgendeinen Schaden zufügte. Eine braune Flüssigkeit kam ihm aus dem Mund. Die Flüssigkeit floss über den Schlüssel und tropfte auf den Boden.
«Hören Sie nur«, sagte der Prokurist im Nebenzimmer,»er dreht den Schlüssel um.«
Das war für Gregor eine große Aufmunterung. Aber warum riefen der Vater und die Mutter nicht.
«Frisch, Gregor, immer nur heran, fest an das heran[45]!«
Je nach dem Fortschreiten der Drehung des Schlüssels umtanzte er. Jetzt hielt er sich nur noch mit dem Munde aufrecht, und je nach Bedarf hing er sich an den Schlüssel oder drückte ihn dann wieder nieder mit der ganzen Last seines Körpers. Der hellere Klang erweckte Gregor förmlich. Aufatmend sagte er sich:
«Ich habe also den Schlosser nicht gebraucht«.
Dann legte er den Kopf auf die Klinke, um die Türe zu öffnen.
Die Türe waren eigentlich schon recht weit geöffnet. Er musste sich erst langsam um den einen Türflügel[46] herumdrehen. Er war noch mit jener schwierigen Bewegung beschäftigt. Er hatte keine Zeit, auf anderes zu achten. Dann hörte er den Prokuristen ein lautes» Oh!«ausstoßen. Es klang, wie wenn der Wind saust. Und nun sah er ihn auch, wie er, der an der Türe war, die Hand gegen den offenen Mund drückte und langsam zurückwich. Eine unsichtbare Kraft vertreibe ihn. Die Mutter stand auch hier. Sie sah zuerst mit gefalteten Händen den Vater an. Dann ging sie zwei Schritte zu Gregor hin. Und dann fiel sie nieder. Der Vater ballte mit feindseligem Ausdruck die Faust, als wolle er Gregor in sein Zimmer zurückstoßen. Er sah sich dann unsicher im Wohnzimmer um. Er beschattete dann mit den Händen die Augen und weinte. Seine mächtige Brust schüttelte sich.
Gregor trat nun gar nicht in das Zimmer. Er lehnte sich von innen an den Türflügel. Man sah sein Leib und sein Kopf, mit dem er zu den anderen hinüberlugte. Es war inzwischen viel heller. Auf der anderen Straßenseite stand ein Ausschnitt des gegenüberliegenden, endlosen, grauschwarzen Hauses. Es war ein Krankenhaus. Der Regen fiel noch nieder, aber nur mit großen Tropfen. Das Frühstücksgeschirr stand auf dem Tisch. Für den Vater war das Frühstück die wichtigste Mahlzeit des Tages. Gerade an der Wand hing eine Photographie Gregors aus seiner Militärzeit, die ihn als Leutnant darstellte. Er verlangte Respekt für seine Haltung und Uniform. Die Tür zum Vorzimmer war geöffnet. Die Wohnungstür war auch geöffnet.
«Nun«, sagte Gregor,»ich werde mich gleich anziehen, die Kollektion zusammenpacken und wegfahren. Wollt Ihr, wollt Ihr mich wegfahren lassen? Nun, Herr Prokurist, Sie sehen, ich bin nicht starrköpfig. Ich arbeite gern. Das Reisen ist beschwerlich, aber ich könnte ohne das Reisen nicht leben. Wohin gehen Sie denn, Herr Prokurist? Ins Geschäft? Ja? Werden Sie alles wahrheitsgetreu berichten? Man kann jetzt nicht arbeiten, aber dann ist gerade der richtige Zeitpunkt, sich an die früheren Leistungen zu erinnern. Ich bin ja dem Herrn Chef so sehr verpflichtet. Das wissen Sie doch recht gut. Andererseits habe ich die Sorge um meine Eltern und die Schwester. Ich bin in der Klemme[47]. Ich werde mich aber auch wieder herausarbeiten. Machen Sie es mir aber nicht schwieriger, als es schon ist. Halten Sie im Geschäft meine Partei! Man liebt den Reisenden nicht, ich weiß. Man denkt, er verdient ein Heidengeld[48] und führt dabei ein schönes Leben. Sie aber, Herr Prokurist, Sie haben einen besseren Überblick über die Verhältnisse als das sonstige Personal, ja sogar einen besseren Überblick als der Herr Chef selbst. Sie wissen auch sehr wohl, dass der Reisende, der fast das ganze Jahr außerhalb des Geschäfts ist, so leicht ein Opfer von Klatschereien, Zufälligkeiten und grundlosen Beschwerden werden kann. Nur dann, wenn er eine Reise beendet hat, zu Hause die schlimmen. Herr Prokurist, gehen Sie nicht weg, sagen Sie mir bitte ein Wort!«
44
taten ihm wohl – подействовали на него благотворно
45
Immer nur heran, fest an das heran! – Ну-ка давай, ну-ка поднатужься!
46
der Türflügel – дверная створка
47
in der Klemme – в беде
48
das Heidengeld – бешеные деньги