Читать книгу Превращение / Die Verwandlung. Уровень 3 - Франц Кафка, Guillermo Sánchez Trujillo - Страница 9
Die Verwandlung
VIII
ОглавлениеDort blieb er die ganze Nacht, die er zum Teil im Halbschlaf verbrachte, zum Teil aber in Sorgen und undeutlichen Hoffnungen.
«Ich muss mich ruhig verhalten und durch Geduld und größte Rücksichtnahme der Familie die Unannehmlichkeiten erträglich machen«, sagte sich Gregor.
Schon am frühen Morgen, es war fast noch Nacht, hatte Gregor Gelegenheit, die Kraft seiner Entschlüsse zu prüfen. Vom Vorzimmer her öffnete die Schwester die Tür. Sie sah mit Spannung herein. Sie fand ihn nicht gleich, aber als sie ihn unter dem Kanapee bemerkte, erschrak sie so sehr, dass sie die Tür von außen wieder zuschlug. Aber öffnete sie die Tür sofort wieder und trat auf den Fußspitzen[57] herein. Gregor hatte den Kopf bis knapp zum Rande des Kanapees vorgeschoben und beobachtete sie. Wird sie bemerken, dass er die Milch stehen gelassen hatte? Wird sie eine andere Speise hereinbringen, die ihm besser entsprach? Er wollte unterm Kanapee vorzuschießen, sich der Schwester zu Füßen zu werfen und sie um irgendetwas Gutes zum Essen zu bitten. Aber die Schwester bemerkte sofort mit Verwunderung den Napf, aus dem nur ein wenig Milch ringsherum verschüttet war. Sie hob ihn gleich auf, zwar nicht mit den Händen, sondern mit einem Fetzen, und trug ihn hinaus.
Gregor war neugierig, was sie zum Ersatz bringen kann. Er machte sich die verschiedensten Gedanken darüber. Niemals aber könnte er erraten, was die Schwester in ihrer Güte[58] wirklich tat. Sie brachte ihm, um seinen Geschmack zu prüfen, eine ganze Auswahl, alles auf einer alten Zeitung ausgebreitet. Da war altes halbverfaultes Gemüse; Knochen vom Nachtmahl her, die von weißer Sauce umgeben waren; ein paar Rosinen und Mandeln; ein Käse; ein trockenes Brot, ein mit Butter beschmiertes und gesalzenes Brot. Außerdem stellte sie den Napf, in den sie Wasser gegossen hatte. Und aus Zartgefühl, entfernte sich eiligst und drehte sogar den Schlüssel um. Gregors Beinchen schwirrten, als es jetzt zum Essen ging. Seine Wunden waren schon geheilt. Er fühlte keine Behinderung mehr.
«Sollte ich jetzt weniger Feingefühl haben?«dachte er.
Er saugte schon gierig an dem Käse, zu dem er sofort kam. Mit Befriedigung verzehrte er den Käse, das Gemüse und die Sauce. Die frischen Speisen schmeckten ihm nicht. Er konnte nicht einmal ihren Geruch vertragen. Er schleppte sogar die Sachen, die er essen wollte, weiter weg. Er war mit allem fertig und lag nun faul auf der gleichen Stelle, als die Schwester langsam den Schlüssel umdrehte. Das schreckte ihn sofort auf, trotzdem er schon fast schlummerte. Er eilte wieder unter das Kanapee. Aber es kostete ihn große Selbstüberwindung[59]. Von dem reichlichen Essen hatte sich sein Leib ein wenig gerundet. Er konnte dort in der Enge kaum atmen. Unter kleinen Erstickungsanfällen sah er mit etwas hervorgequollenen Augen zu, wie die Schwester mit einem Besen zusammenkehrte. Dann schüttete sie alles hastig in einen Kübel, den sie mit einem Holzdeckel schloss, worauf sie alles hinaustrug. Kaum hatte sie sich umgedreht, zog sich schon Gregor unter dem Kanapee hervor. Er streckte und blähte sich.
Auf diese Weise bekam nun Gregor täglich sein Essen, einmal am Morgen, wenn die Eltern und das Dienstmädchen noch schliefen, das zweitemal nach dem allgemeinen Mittagessen, denn dann schliefen die Eltern gleichfalls noch ein Weilchen. Gewiss wollten sie nicht, dass Gregor verhungere. Tatsächlich litten sie ja gerade genug.
Mit Ausreden man an jenem ersten Vormittag den Arzt und den Schlosser wieder aus der Wohnung geschafft hatte, konnte Gregor gar nicht erfahren. Sie haben Gregor nicht verstanden und sie dachten nicht, dass er die anderen verstehen kann. Wenn die Schwester in seinem Zimmer war, hörte er ihre Seufzer und Anrufe der Heiligen. Erst später erhaschte Gregor manchmal eine Bemerkung, die freundlich war:
«Heute hat es ihm aber geschmeckt«, sagte sie.
Oder:
«Nun ist wieder alles stehen geblieben.«
57
auf den Fußspitzen – на цыпочках
58
in ihrer Güte – по своей доброте
59
es kostete ihn große Selbstüberwindung – это стоило ему больших усилий